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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
BAO §183 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Zorn, Dr. Robl und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag.iur. Mag.(FH) Schärf, über die Beschwerde des O H in R, vertreten durch Dr. Hansjörg Mader und Dr. Christian Kurz, Rechtsanwälte in Innsbruck, Andreas-Hofer-Straße 13, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Tirol (Berufungssenat I) vom 21. November 1997, Zl. RV/073-07/01/97, betreffend Einkommensteuer für die Jahre 1993 bis 1995, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer machte in seinen Einkommensteuererklärungen für die Jahre 1993 bis 1995 Aufwendungen (in Höhe von zusammen S 1,3 Mio) für schlagend gewordene Bürgschaften als außergewöhnliche Belastung geltend. Er trug dazu (in einer Beilage zur Einkommensteuererklärung 1993) vor, dass sein (45-jähriger) Sohn Christian zu einem Zeitpunkt, als dieser wegen Personaleinsparungen sein Dienstverhältnis bei der L-AG "einvernehmlich lösen musste", (auch) mit 16 % beteiligter Minderheitsgesellschafter und "am Papier" zweiter Geschäftsführer bei der B-GmbH gewesen sei. Zur gleichen Zeit sei es geschehen, dass der Hauptgesellschafter "und verantwortliche" Geschäftsführer der B-GmbH bei einem Flugzeugunglück in Südamerika ums Leben gekommen sei. In der Absicht, sich eine Lebensgrundlage aufzubauen, habe der Sohn des Beschwerdeführers die B-GmbH weitergeführt. Der Beschwerdeführer habe sich moralisch und sittlich verpflichtet gefühlt - sein Sohn habe schließlich die Unterhaltspflicht für Frau und zwei schulpflichtige Kinder -, den Weiterbetrieb der "Firma" dadurch zu ermöglichen, dass er für die seinerzeit gewährten Kontokorrentkredite bei drei verschiedenen Bankinstituten Bürgschaften in Höhe von S 300.000,-- bzw zweimal S 500.000,-- übernommen habe. Auf Grund der Bilanzen, deren Erstellung wegen des plötzlichen Todes des Geschäftsführers und Hauptgesellschafters sehr schwierig gewesen sei, habe sich herausgestellt, dass die B-GmbH Forderungen an die Verlassenschaft von rd S 1,8 Mio gehabt habe. Die Verlassenschaftsabhandlung habe sich langwierig gestaltet, da der Erbe (der Vater des Verunglückten) diese nur bedingt angenommen habe, weshalb es zu keiner Erledigung der Forderungen gekommen sei. Schließlich habe sich herausgestellt, dass die Verlassenschaft nicht in der Lage sei, die Forderungen zu begleichen. Dies habe zur Folge gehabt, dass die B-GmbH Konkurs habe anmelden müssen. Vom Beschwerdeführer sei in der Folge die Einlösung der Bürgschaften verlangt worden.
Das Finanzamt verweigerte im Rahmen der zu unterschiedlichen Zeitpunkten erfolgten Veranlagungen des Beschwerdeführers zur Einkommensteuer der Jahre 1993 bis 1995 die Anerkennung der jeweils geltend gemachten Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung, weil diese Aufwendungen weder aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen zwangsläufig erwachsen seien.
In dagegen ebenfalls zu unterschiedlichen Zeitpunkten erhobenen Berufungen wurde im Wesentlichen das Vorbringen in der Beilage zur Einkommensteuererklärung 1993 wiederholt und ergänzend ausgeführt, der Sohn des Beschwerdeführers habe sich eine schon einmal durchgemachte Arbeitslosigkeit ersparen wollen und sich deshalb - auch auf Anraten des Beschwerdeführers - entschlossen, die B-GmbH weiterzuführen. Um den Betrieb zumindest bis zur Verlassenschaftsabhandlung aufrechterhalten zu können, hätten Kredite besichert bzw reduziert werden müssen.
Das Finanzamt wies die Berufungen mit Berufungsvorentscheidungen ab, in welchen u.a. darauf hingewiesen worden war, dass eine existenzbedrohende Notlage nicht schon dann vorliege, wenn die Vornahme einer Betätigung ohne Übernahme von Bürgschaften nicht mehr möglich scheine, sondern wenn die wirtschaftliche Existenz des nahen Angehörigen überhaupt verloren zu gehen drohe, dieser also seine berufliche Existenz nicht auch auf andere ihm zumutbare Weise erhalten könne. Den in der Berufung genannten Gründen einer Verhinderung der Arbeitslosigkeit, Sicherung der Familie und Schaffung einer Existenzgrundlage für den Sohn fehle das Merkmal der Zwangsläufigkeit.
Der Beschwerdeführer stellte jeweils den Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz, wobei er abermals auf die nach seiner Ansicht gegebene Zwangsläufigkeit der Bürgschaftsübernahme zur Abwendung der drohenden Arbeitslosigkeit hinwies.
Über Vorhalt der belangten Behörde zur Frage, in welchem Umfang (genau) seit der Gründung der B-GmbH auch vom (verunglückten) Geschäftsführer bzw dessen Angehörigen Bürgschaften für Schulden der B-GmbH übernommen worden seien und ob vom Sohn des Beschwerdeführers (außer der Einlagenleistung) freiwillig Mittel zur Verfügung gestellt worden seien, übermittelte der Beschwerdeführer ein Schreiben seines Sohnes, wonach für alle Bankverbindlichkeiten (neben Jutta H.) vom (verunglückten) Geschäftsführer und dessen Vater gebürgt worden sei. Er selbst habe in die B-GmbH außer der Einlage keine Mittel eingebracht, da er über keine weiteren Mittel verfügt habe.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufungen ab. Sie begründete dies zunächst damit, dass ein vorübergehender Verlust des Arbeitsplatzes nicht automatisch eine existenzbedrohende Notlage für den Betroffenen darstelle. Wie der Verwaltungsgerichtshof schon wiederholt ausgesprochen habe, liege eine existenzbedrohende Notlage insbesondere dann vor, wenn dem nahen Angehörigen ohne Bürgschaftsübernahme der Konkurs und damit ein vollkommener Vermögensverlust drohe. Dies treffe im gegenständlichen Fall jedoch nicht zu. Der von der L-AG für den Zeitraum 1. Jänner 1992 bis 30. Juni 1992 an den Sohn des Beschwerdeführers ausbezahlte Bruttobezug laut Lohnzettel habe rd S 600.000,-- (inklusive Abfertigung) betragen. Wie sich aus den Akten weiters ergebe, sei der Sohn des Beschwerdeführers 1992 durchaus in der Lage gewesen, die Prämien seiner bisherigen Lebensversicherungen zu bedienen und darüber hinaus zum 1. Mai 1992 eine neue Lebensversicherung mit einer Prämie von rd S 17.000,-- abzuschließen. Auch die im Jahr 1992 zu entrichtenden Unterhaltszahlungen von S 63.000,-- hätten im Vermögen des Sohnes leicht Deckung gefunden. Im Übrigen sei seitens des Beschwerdeführers nicht behauptet worden, dass hinsichtlich des Vermögens des Sohnes ein Konkurs gedroht habe und ihn ein vollkommener Vermögensverlust treffen würde. In weiterer Folge verwies die belangte Behörde auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach § 34 EStG nicht zu dem Zweck geschaffen worden sei, wirtschaftliche Misserfolge, welche die unterschiedlichsten Ursachen haben könnten, mit einer Ermäßigung der Einkommensteuer zu berücksichtigen, und in einem solchen Fall die Steuerlast auf die Allgemeinheit abzuwälzen. Hinsichtlich der zu Gunsten von Gesellschaften mbH übernommenen Haftungen habe der Verwaltungsgerichtshof festgestellt, dass die grundsätzliche Haftungsfreiheit in Bezug auf Schulden der GmbH für diese Gesellschaftsform derart charakteristisch sei, dass nach den sittlichen Wertvorstellungen rechtlich denkender Menschen neben den gesetzlichen Ausnahmen auch in Notfällen weder den Gesellschafter noch den Geschäftsführer eine moralische Verpflichtung treffen werde, für Gesellschaftsschulden einzustehen. Umso weniger habe für den Beschwerdeführer als an der GmbH unbeteiligten Dritten eine sittliche Verpflichtung bestanden, die persönliche Haftung für Gesellschaftsverbindlichkeiten zu übernehmen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen erhobene Beschwerde erwogen:
In der Beschwerde wird insbesondere eine Mangelhaftigkeit der Beweisaufnahme durch die belangte Behörde behauptet: Aus den Begründungen der Berufungen des Beschwerdeführers gehe hervor, dass sich der Sohn des Beschwerdeführers insofern in einer existenzbedrohenden Notlage befunden habe, als er "als Geschäftsführer-Gesellschafter ebenso wie der zweite verstorbene Geschäftsführer-Gesellschafter persönlich für die Kredite der B-GmbH" gehaftet habe. Nachdem der andere Geschäftsführer verunglückt sei und aus dessen Verlassenschaft die Schulden der B-GmbH nicht hätten gedeckt werden können, wäre der Sohn des Beschwerdeführers als alleiniger Geschäftsführer zur Haftung für all diese Kredite herangezogen worden.
Dieses Vorbringen muss schon im Hinblick auf das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot unbeachtet bleiben, weil es erstmals in der Beschwerde vorgebracht wird. In keinem der zahlreichen Schriftsätze der Verwaltungsverfahren wurde auch nur andeutungsweise zum Ausdruck gebracht, dass der Sohn des Beschwerdeführers für Bankverbindlichkeiten der B-GmbH gehaftet hätte. Im Hinblick auf das der Vorhaltsbeantwortung des Beschwerdeführers vom 28. Oktober 1997 angeschlossene Schreiben seines Sohnes, in welchem sogar ausdrücklich ausgeführt wird, dass für alle Bankverbindlichkeiten der B-GmbH (neben Jutta H.) der verunglückte Geschäftsführer und dessen Vater gehaftet habe, grenzt der in der Beschwerde diesbezüglich gerügte Verfahrensmangel geradezu an Mutwilligkeit.
Die Beschwerderüge, dem Beschwerdeführer sei weder "mündlich noch schriftlich der Abschluss der Beweisaufnahme" mitgeteilt worden, ist schon deshalb verfehlt, weil eine solche Mitteilung in den Verfahrensvorschriften nicht vorgesehen ist. Sollte das diesbezügliche Vorbringen allgemein als Verletzung des Parteiengehörs zu verstehen sein, ist darauf hinzuweisen, dass der von der belangten Behörde als erwiesen angenommene Sachverhalt weitgehend auf dem eigenen Vorbringen des Beschwerdeführers beruht und daher als ihm bekannt vorausgesetzt werden durfte. Soweit die belangte Behörde ihren Bescheid auf Beweisergebnisse gestützt hat, die nicht auf dem Vorbringen des Beschwerdeführers beruhen (etwa über die Höhe des Bruttobezuges des Sohnes des Beschwerdeführers im ersten Halbjahr 1992, Bezahlung von Versicherungsprämien, etc), hinsichtlich derer aus den dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Aktenteilen nicht zu entnehmen ist, dass sie dem Beschwerdeführer vor Erlassung des angefochtenen Bescheides zur Kenntnis gebracht wurden, zeigt der Beschwerdeführer nicht auf, welches Vorbringen er dazu bei Vermeidung des Verfahrensmangels erstattet hätte. Es ist daher schon insofern die Wesentlichkeit eines Verfahrensmangels nicht zu erkennen.
Da die Beschwerde somit eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht aufzeigt, war sie gemäß § 42 Abs 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl II Nr 501/2001.
Wien, am 29. Jänner 2002
Schlagworte
kein RechtssatzEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:1998140013.X00Im RIS seit
23.05.2002