TE Vfgh Erkenntnis 1999/3/1 B2515/97 - B2516/97

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 01.03.1999
beobachten
merken

Index

L0 Verfassungs- und Organisationsrecht
L0350 Gemeindewahl

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art117 Abs2
B-VG Art117 Abs6
Bgld GdWO 1992 §17

Leitsatz

Keine Bedenken gegen die Wohnsitzregelung der Bgld GdWO 1992 als Voraussetzung für die Wahlberechtigung; keine Überschreitung des verfassungsgesetzlich eingeräumten Regelungsspielraums und keine Gleichheitsbedenken; Verletzung des Wahlrechts zum Gemeinderat und auf Teilnahme an der Bürgermeisterwahl durch Nichtaufnahme in das Wählerverzeichnis durch Verkennung der maßgeblichen Rechtslage bei Beurteilung der Wohnsitzfrage

Spruch

I. Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Teilnahme an der Gemeinderatswahl und an der Bürgermeisterwahl verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

II. Das Land Burgenland ist schuldig, dem Beschwerdeführer zu Handen der Beschwerdevertreterin die mit ATS 20.500,- bestimmten Verfahrenskosten binnen vierzehn Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1.1.1. Mit einem am 20. August 1997 beim Gemeindeamt der Gemeinde Z eingebrachten Einspruch gegen das Wählerverzeichnis für die Gemeinderats- und Bürgermeisterwahl am 5. Oktober 1997 begehrte der Beschwerdeführer seine Aufnahme in dieses Verzeichnis.

1.1.2. Die Gemeindewahlbehörde Z gab diesem Einspruch mit Bescheid vom 26. August 1997 nicht statt.

1.2. Der dagegen vom Beschwerdeführer erhobenen Berufung wurde mit Bescheid der Bezirkswahlbehörde Eisenstadt-Umgebung vom 9. September 1997 keine Folge gegeben.

Begründend wurde in diesem Bescheid u.a. ausgeführt:

"Aus den vom Betroffenen im Erhebungsblatt gemachten Angaben geht hervor, daß er verheiratet ist, mit Hauptwohnsitz in Wien gemeldet ist, wo er ca. 6 1/2 Monate des Jahres verbringe. Als nebenberufliche Tätigkeit wurde freiberuflicher Autor angeführt. Als gesellschaftliche Betätigung werden Besuch von Veranstaltungen, radfahren und Beratung von Leuten bei bürokratischen Problemen erwähnt, wobei die gesellschaftlichen Betätigungen vom Berufungswerber selbst als weniger intensiv eingestuft wurden. Über gesellschaftliche Betätigungen in Wien wurde keine Auskunft erteilt. Aufgrund des Umstandes, daß der Genannte den überwiegenden Teil des Jahres in Wien verbringt und von ihm selbst kein besonderer gesellschaftlicher Anknüpfungspunkt in der Gemeinde Z vorgebracht wurde, ist davon auszugehen, daß der Mittelpunkt der gesellschaftlichen Betätigungen nicht in Z liegt.

Der Umstand, daß die Gattin gemeinsam mit dem Berufungswerber und ihrem Sohn den überwiegenden Teil des Jahres in Wien verbringt, läßt darauf schließen, daß der familiäre Mittelpunkt der Lebensverhältnisse des Betroffenen in Wien liegt.

Nachdem sich die nebenberufliche Tätigkeit nicht ausschließlich auf die Gemeinde Z beschränkt, sondern diese auch in Wien ausgeübt wird, kann von einem Mittelpunkt der wirtschaftlichen und beruflichen Lebensverhältnisse in der Gemeinde Z nicht gesprochen werden.

Mangels Erfüllung von zwei Kriterien im Sinne des §17 Abs2 leg. cit. liegt somit kein wahlrechtsbegründender Wohnsitz nach der Bgld. Gemeindewahlordnung 1992 in der Gemeinde Z vor, sodaß spruchgemäß zu entscheiden war."

1.3.1. Gegen diesen Berufungsbescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in der die Verletzung in Rechten durch Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes, nämlich des §17 Abs2 Gemeindewahlordnung 1992, Bgld. LGBl. 54 idF 1997/26 (GWO), sowie des "verfassungsgesetzlich gewährleisteten Wahlrechtes, nämlich in das Wählerverzeichnis zur Wahl des Gemeinderates und des Bürgermeisters der Gemeinde Z eingetragen zu werden und am 5. Oktober 1997 bei der Wahl des Gemeinderates und des Bürgermeisters ... der Gemeinde Z zu wählen", behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt wird.

1.3.2. Die Bezirkswahlbehörde Eisenstadt-Umgebung legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie für die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde eintrat.

1.4.1. Der mit "Wahlberechtigung" überschriebene §16 GWO lautet folgendermaßen:

"(1) Zur Wahl des Gemeinderates und zur Wahl des Bürgermeisters sind alle Männer und Frauen wahlberechtigt, die die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen oder Angehörige eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union sind (sofern die letzteren nach den Bestimmungen des Burgenländischen Wählerevidenz-Gesetzes, LGBl. Nr. 5/1996, in der jeweils geltenden Fassung, in die Gemeinde-Wählerevidenz der Gemeinde eingetragen sind), am Stichtag oder zwischen Stichtag und dem 1. Jänner des Jahres der Wahl das 18. Lebensjahr vollendet haben, vom Wahlrecht nicht ausgeschlossen sind und in der Gemeinde ihren Wohnsitz (§17) haben.

(2) Ob die Voraussetzungen der österreichischen Staatsbürgerschaft, der Eintragung von Angehörigen eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union in die Gemeinde-Wählerevidenz, des Nichtausschlusses vom Wahlrecht und des Wohnsitzes vorliegen, ist nach dem Stichtag (§3) zu beurteilen."

1.4.2. Die mit "Wohnsitz" übertitelte (Landes-)Verfassungsbestimmung des §17 GWO hat folgenden Wortlaut:

"(1) Der Wohnsitz einer Person im Sinne dieses Gesetzes ist jedenfalls an dem Ort begründet, an dem sie ihren Hauptwohnsitz hat.

(2) Ein Wohnsitz im Sinne dieses Gesetzes ist auch an dem Ort begründet, an dem sich die Person in der erweislichen oder aus den Umständen hervorgehenden Absicht niedergelassen hat, diesen zu einem Mittelpunkt ihrer wirtschaftlichen, beruflichen, familiären oder gesellschaftlichen Lebensverhältnisse zu machen, wobei zumindest zwei dieser Kriterien erfüllt sein müssen. Dabei genügt es, daß der Ort nur bis auf weiteres zu diesem Mittelpunkt frei gewählt worden ist.

(3) Ein Wohnsitz gilt jedenfalls dann nicht als begründet, wenn der Aufenthalt

1.

bloß der Erholung oder Wiederherstellung der Gesundheit dient,

2.

lediglich zu Urlaubszwecken gewählt wurde oder

3.

aus anderen Gründen offensichtlich nur vorübergehend ist."

              2.              Über die Beschwerde wurde erwogen:

2.1. Der administrative Instanzenzug ist ausgeschöpft (§25 Abs4 GWO).

Da auch die übrigen Prozessvoraussetzungen zutreffen, ist die Beschwerde zulässig.

2.2.1. Der Beschwerdeführer ist der Auffassung, dass §17 Abs2 GWO verfassungswidrig sei, und zwar wegen "Verstoßes gegen die Ermächtigung des Art117 Abs2 B-VG und den auch den Landes(verfassungs)gesetzgeber bindenden Gleichheitsgrundsatz".

Auf das Wesentliche zusammengefasst wird dazu Folgendes ausgeführt:

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungerichtshofes bis zur B-VG-Novelle BGBl. 1994/504 sei der - im B-VG nicht definierte - Begriff des "ordentlichen Wohnsitzes" iSd §66 JN zu verstehen gewesen. Zufolge dieser Bestimmung sei "der Wohnsitz einer Person ... an dem Orte begründet, an welchem sie sich in der erweislichen oder aus den Umständen hervorgehenden Absicht niedergelassen hat, daselbst ihren bleibenden Aufenthalt zu nehmen", und sei für eine Person, die in mehreren Gerichtssprengeln einen Wohnsitz hat, "bei jedem dieser Gerichte ein allgemeiner Gerichtsstand begründet." Damit habe die rechtliche Möglichkeit bestanden, dass jemand auch zwei oder mehrere Wohnsitze haben konnte und ihm daher uU in zwei oder mehreren Gemeinden das Wahlrecht zustand. Die B-VG-Novelle BGBl. 1994/504 habe den Begriff des "ordentlichen Wohnsitzes" durch den Begriff des "Hauptwohnsitzes" ersetzt und "diesen in ihrem Art6 Abs3 erster Halbsatz B-VG (authentisch) iS der bisherigen Rechtsprechung zum ordentlichen Wohnsitz" definiert. Da kein Anhaltspunkt dafür vorliege und dem Bundesverfassungsgesetzgeber auch nicht unterstellt werden könne, dass er mit dieser B-VG-Novelle das Wahlrecht auf Gemeindeebene beschränken wollte, sei "unter dem Begriff 'Wohnsitz' iS des Art117 Abs2 erster Satz zweiter Halbsatz B-VG sowohl der bisherige Begriff 'ordentlicher Wohnsitz', der iS des Art6 Abs3 B-VG nicht Hauptwohnsitz ist, als auch ein - sonstiger - Wohnsitz zu verstehen". Hätte der Bundesverfassungsgesetzgeber unter dem Begriff des "Wohnsitzes" iS des Art117 Abs2 erster Satz zweiter Halbsatz B-VG nur den bisherigen Begriff "ordentlicher Wohnsitz" verstanden, dann hätte er dies durch einen entsprechenden Hinweis auf Art6 Abs3 B-VG zum Ausdruck gebracht. Mache der Landes(verfassungs)gesetzgeber nun von der Ermächtigung iSd Art117 Abs2 bzw. Abs6 B-VG Gebrauch, so müsse er "sowohl all jenen Personen, die in der Gemeinde einen 'ordentlichen Wohnsitz' iS der bisherigen Rechtsprechung, der iS des Art6 Abs3 B-VG jetzt nicht Hauptwohnsitz ist, als auch all jenen Personen, die einen 'sonstigen Wohnsitz' iS des Art117 Abs2 erster Satz zweiter Halbsatz B-VG haben, das Wahlrecht (einräumen)". Da nach §17 Abs2 GWO ein Wohnsitz iS dieses Gesetzes (abgesehen vom Hauptwohnsitz) nur an dem Ort begründet sei, "an dem sich die Person in der erweislichen oder aus den Umständen hervorgehenden Absicht niedergelassen hat, diesen zu einem Mittelpunkt ihrer wirtschaftlichen, beruflichen, familiären oder gesellschaftlichen Lebensverhältnisse zu machen, wobei zumindest zwei dieser Kriterien erfüllt sein müssen", nicht aber auch im Fall des bisherigen "ordentlichen Wohnsitzes", erscheine §17 Abs2 GWO wegen Verstoßes gegen die Ermächtigung des Art117 Abs2 B-VG verfassungswidrig. Da "darüberhinaus die Kriterien nach §17 Abs2 GWO willkürlich gewählt" worden seien und "sogar strenger sein könn(t)en als jene für den Begriff 'Hauptwohnsitz', den bisherigen Begriff 'ordentlicher Wohnsitz' und den 'Wohnsitzbegriff' iS des B-VG", verstoße die in Rede stehende Bestimmung auch gegen den den Gesetzgeber bindenden Gleichheitssatz.

   2.2.2. Der Verfassungsgerichtshof sieht keine Veranlassung,

gemäß Art140 Abs1 B-VG ein Verfahren zur Überprüfung der

Verfassungsmäßigkeit des - in diesem Verfahren präjudiziellen -

§17 Abs2 GWO einzuleiten. Anders als der Beschwerdeführer

meint, bietet Art117 Abs2 B-VG nämlich keinen Anhaltspunkt

dafür, dass der Landes(verfassungs)gesetzgeber, wenn er von der

in dieser Bestimmung eingeräumten Ermächtigung (vorzusehen, "dass

auch Staatsbürger, die in der Gemeinde einen Wohnsitz, nicht aber

den Hauptwohnsitz haben, wahlberechtigt sind",) Gebrauch macht,

den Inhalt des Begriffes "Wohnsitz" nicht in der Weise bestimmen

dürfte wie §17 Abs2 und 3 GWO dies festlegt. Aus den

Gesetzesmaterialien (sva. 1333 BlgNR 18. GP 4) ergibt sich

vielmehr, dass der Bundesverfassungsgesetzgeber die Länder

diesbezüglich zu einer weitgehend autonomen Regelung ermächtigen

wollte; der hiedurch eingeräumte Regelungsspielraum wird durch

§17 Abs2 und 3 GWO nicht überschritten. In die gleiche Richtung

weist ferner auch die Bestimmung des Art151 Abs9 B-VG,

derzufolge sich das Wahlrecht zum Gemeinderat so lange noch nach

dem "ordentlichen Wohnsitz" (iSd Art26 Abs2, 95 Abs1 und 117

Abs2 B-VG idF vor der B-VG-Novelle BGBl. 1994/504) richtet als

die Landesgesetze nicht vorsehen, dass sich das Wahlrecht nach

dem Hauptwohnsitz oder nach dem Wohnsitz bestimmt. Die vom

Beschwerdeführer weiters vertretene Auffassung, "die Kriterien

nach §17 Abs2 (GWO könnten) sogar strenger sein ... als jene

für den Begriff 'Hauptwohnsitz'", wäre, selbst wenn sie zuträfe

(was der Verfassungsgerichtshof ausschließt), im Hinblick auf die

ausdrückliche Regelung des §17 Abs1 GWO (arg.: "... jedenfalls

an dem Ort, an dem sie ihren Hauptwohnsitz hat") ohne verfassungsrechtliche Relevanz.

Ebenso wenig vermögen die nicht näher begründeten, unter dem Aspekt des Sachlichkeitsgebotes vorgetragenen Bedenken zu überzeugen. Gerade die vom Beschwerdeführer zitierte Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zum Begriff des "ordentlichen Wohnsitzes iSd Art26 Abs2, 95 Abs1 und 117 Abs2 B-VG idF vor der B-VG-Novelle BGBl. 1994/504 zeigt nämlich, dass die Kriterien der "wirtschaftlichen, beruflichen oder gesellschaftlichen Betätigung" sehr wohl sachliche Kriterien für die gesetzgeberische Normierung des Begriffes "Wohnsitz" bilden; für das in §17 Abs2 GWO darüber hinaus vorgesehene Kriterium der "familiären Lebensverhältnisse" ist dies ebenso wenig zu bezweifeln.

2.2.3. Im Übrigen sind verfassungsrechtliche Bedenken gegen die den bekämpften Bescheid tragenden Rechtsgrundlagen auch im verfassungsgerichtlichen Verfahren nicht entstanden.

2.3. Die Beschwerde ist aber im Ergebnis begründet. Der angefochtene Bescheid ist aus den folgenden Gründen verfassungswidrig:

   2.3.1. Nach §17 Abs2 GWO ist ein Wohnsitz - neben dem Ort,

an dem eine Person ihren Hauptwohnsitz hat (§17 Abs1 leg. cit.)

- auch an einem solchen Ort begründet, an dem sich die Person in

der erweislichen oder aus den Umständen hervorgehenden Absicht

niedergelassen hat, diesen zu einem Mittelpunkt ihrer

wirtschaftlichen, beruflichen, familiären oder gesellschaftlichen

Lebensverhältnisse zu machen (, wobei zumindest zwei dieser

Kriterien erfüllt sein müssen). Die Bezirkswahlbehörde

Eisenstadt-Umgebung gab der wegen seiner Nichtaufnahme in das

Wählerverzeichnis erhobenen Berufung des Beschwerdeführers

deshalb nicht Folge, weil mangels Erfüllung zumindest zweier

Kriterien iSd. §17 Abs2 GWO in der Gemeinde Z "kein

wahlrechtsbegründender Wohnsitz nach der GWO" vorliege. Sie

begründete ihre Entscheidung im Wesentlichen damit, dass "der

Mittelpunkt der gesellschaftlichen Betätigungen nicht in Z"

liege, weil der Beschwerdeführer "den  ü b e r w i e g e n d e n

T e i l  d e s  J a h r e s  in Wien" verbringe; dass "der

familiäre Mittelpunkt der Lebensverhältnisse des Betroffenen in

Wien" liege, weil der Beschwerdeführer mit seiner Frau und seinem

Sohn "den  ü b e r w i e g e n d e n  T e i l  d e s  J a h r e s

in Wien verbringe; dass "von einem Mittelpunkt der

wirtschaftlichen und beruflichen Lebensverhältnisse in der

Gemeinde Z nicht gesprochen werden" könne, weil sich "die

nebenberufliche Tätigkeit  n i c h t  a u s s c h l i e ß l i c h

auf die Gemeinde Z" beschränke, sondern diese " a u c h  in Wien

ausgeübt" werde (Hervorhebung jeweils nicht im Original).

In ihrer Gegenschrift vertritt die belangte Bezirkswahlbehörde zudem die Rechtsauffassung, dass "nur in Ausnahmefällen bei Personen ein Mittelpunkt der gleichen Lebensbeziehungen in zwei Gemeinden vorliegen" könne. Es genügten daher "zur Klärung dieser Frage nicht bloße Anknüpfungspunkte, die keineswegs bei Betrachtung der gesamten Lebensverhältnisse den Mittelpunkt darstell(t)en, sondern die Person (müsse) in der Gemeinde, in welcher sie nur mit einem (weiteren) Wohnsitz im Melderegister eingetragen (sei), einen Mittelpunkt von zwei der vier genannten Lebensverhältnisse aufweisen, um wahlberechtigt iSd §17 Abs2 GWO zu sein". Im Übrigen habe - so in der Gegenschrift weiter - der Beschwerdeführer nicht näher ausgeführt, "inwieweit die Anknüpfungspunkte in der Gemeinde Z jene am Hauptwohnsitz in Wien überwiegen, sodass die Voraussetzungen für das Vorliegen eines Mittelpunktes von zwei der im §17 Abs2 genannten Lebensverhältnisse in der Gemeinde Z erfüllt sein könnten". Die angegebene freiberufliche Tätigkeit des Beschwerdeführers etwa könne "sowohl in Wien als auch in Z ausgeübt werden", und es lägen keinerlei Angaben darüber vor, dass diese Tätigkeit "nur oder zumindest überwiegend" in Z ausgeübt würde.

2.3.2. Damit hat die belangte Behörde die für den bekämpften Bescheid maßgebliche Rechtslage verkannt: Gemäß §17 Abs2 GWO ist ein Wohnsitz nämlich auch an dem Ort begründet, an dem sich die Person in der erweislichen oder aus den Umständen hervorgehenden Absicht niedergelassen hat, diesen zu einem (von mehreren möglichen) Mittelpunkt(en) (arg: "einem Mittelpunkt") ihrer wirtschaftlichen, beruflichen, familiären oder gesellschaftlichen Lebensverhältnisse zu machen. Nach dem klaren und unmissverständlichen Wortlaut des Gesetzes kann also keine Rede davon sein, dass es dabei - so wie die belangte Behörde annimmt - auf das "überwiegende" oder "ausschließliche" Vorliegen dieser Kriterien in jener Gemeinde ankäme, in der die Eintragung in das Wählerverzeichnis strittig ist. Die belangte Behörde hätte daher prüfen müssen, ob der Beschwerdeführer - neben seinem Hauptwohnsitz in Wien - auch zur Gemeinde Z in einer derart intensiven Beziehung steht, dass er dort über einen (weiteren) Wohnsitz iSd §17 Abs2 GWO verfügt. Dabei kommt es auf die qualitativen Elemente dieser Beziehung und nicht etwa allein auf die vergleichsweise Dauer der Anwesenheit in den beiden in Rede stehenden Gemeinden an.

2.3.3. Das durch Art117 Abs2 iVm. Art26 Abs1 und Art95 Abs1 B-VG verfassungsgesetzlich gewährleistete Wahlrecht zum Gemeinderat wird durch jede rechtswidrige Verweigerung der Eintragung in das Wählerverzeichnis verletzt (vgl. VfSlg. 5148/1965 und 7017/1973; sa. VwSlg. 1222 (A.)/1950 und 1628 (A.)/1950). Das ist im Besonderen dann der Fall, wenn die Behörde die für den bekämpften Bescheid maßgebliche Rechtslage verkennt.

Damit wurde der Beschwerdeführer durch den angefochtenen, die Nichtaufnahme in das Wählerverzeichnis verfügenden Bescheid in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Wahlrecht zum Gemeinderat verletzt.

Sinngemäß das Gleiche gilt für die Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten (s. dazu VfGH 12.12.1997, B 3113, 3760/96, Pkt. II.3.3.1 zweiter Absatz, zu der insoweit mit Art117 Abs6 B-VG vergleichbaren Regelung des Abs2 vierter Satz leg. cit.) Recht auf Teilnahme an der Bürgermeisterwahl.

2.4. Der Bescheid war darum schon aus diesen Gründen als verfassungswidrig aufzuheben, ohne dass zu prüfen war, ob der Beschwerdeführer auch in anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde.

2.5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VerfGG 1953. Im zugesprochenen Kostenbetrag ist Umsatzsteuer in der Höhe von ATS 3.000,- enthalten.

2.6. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in nicht öffentlicher Sitzung ergehen.

Schlagworte

Wahlen, Wahlrecht aktives, Wohnsitz

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1999:B2515.1997

Dokumentnummer

JFT_10009699_97B02515_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten