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19/05 Menschenrechte;Norm
MeldeG 1991 §1 Abs7;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Giendl und Dr. Kail als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Enzlberger-Heis, über die Beschwerde des Bürgermeisters der Bundeshauptstadt Wien gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 29. März 2001, Zl. 601.551/5-II/13/01, betreffend Reklamationsverfahren nach § 17 Abs. 2 Z. 2 Meldegesetz (mitbeteiligte Parteien: 1. Bürgermeister der Gemeinde Litschau, 2. Josef Taudes in Wien II, Stuwerstraße 14/7), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Antrag des Beschwerdeführers auf Zuspruch von Aufwandersatz wird abgewiesen.
Begründung
Der am 27. Juli 1958 in Wien geborene, verheiratete Zweitmitbeteiligte war von 6. September 1977 bis 15. Februar 1999 mit Hauptwohnsitz in Wien gemeldet. Am 15. Februar 1999 meldete sich der Zweitmitbeteiligte in Litschau mit Hauptwohnsitz, der bisherige Hauptwohnsitz in Wien wurde als weiterer Wohnsitz deklariert.
In Litschau hat der Zweitmitbeteiligte ein Wohnhaus erworben. Der Zweitmitbeteiligte ist in Wiener Neudorf und in Wien berufstätig, die Ehefrau ist in Wien berufstätig, in Wien sind der 19-jährige Sohn und die Ehefrau mit Hauptwohnsitz gemeldet. In Litschau leben Schwager und Schwägerin des Zweitmitbeteiligten.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des beschwerdeführenden Bürgermeisters auf Aufhebung des Hauptwohnsitzes der Zweitmitbeteiligten an der gemeldeten Adresse in Litschau ab.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten ohne Gegenschrift vorgelegt. Der Erstmitbeteiligte hat in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat hierüber in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Da beide Ehegatten in Wien berufstätig sind und sowohl die Ehegattin als auch der 1981 geborene Sohn in Wien mit Hauptwohnsitz gemeldet sind, kann die durch die Kapitalbindung für das Wohnhaus entstandene wirtschaftliche Beziehung jedenfalls noch nicht als derart intensiv angesehen werden, dass daraus ein Mittelpunkt der Lebensbeziehungen entsteht.
Im Hinblick auf die im Beschwerdefall bestehende aufrechte Ehe und die auch mit dem Sohn bestehende Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft in der Wohnung in Wien ist allein die Bundeshauptstadt als Mittelpunkt der Lebensbeziehungen des Zweitmitbeteiligten anzunehmen, weil auch unter Bedachtnahme auf Art. 8 MRK (Achtung des Familienlebens) eine derartige familiäre und wirtschaftliche Beziehung als so intensiv angesehen werden muss, dass ein Mittelpunkt der Lebensbeziehungen an einem anderen Ort auszuschließen ist (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom 13. November 2001, Zl. 2001/05/0932, sowie vom 11. Dezember 2001, Zl. 2001/05/0931).
Ausgehend davon hat im vorliegenden Fall der Zweitmitbeteiligte ohne Rechtsgrundlage eine Wahl nach § 1 Abs. 7 letzter Satz MeldeG getroffen, sodass die Reklamation durch den Beschwerdeführer zu Recht erfolgte.
Da die belangte Behörde die Rechtslage verkannt hat, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Der Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Das Kostenersatzbegehren des Beschwerdeführers war abzuweisen (angesprochen wird Schriftsatzaufwand), weil er nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten war (§ 49 Abs. 1 VwGG idF der Novelle BGBl. I Nr. 88/1997).
Wien, am 29. Jänner 2002
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2001051015.X00Im RIS seit
11.04.2002