TE Vwgh Erkenntnis 2002/1/29 99/01/0006

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 29.01.2002
beobachten
merken

Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1997 §23;
AsylG 1997 §38;
AsylG 1997 §7;
AVG §67d;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Pelant, Dr. Köller und Dr. Thoma als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schimetits, über die Beschwerde des D E in Wien, geboren am 19. Februar 1967, vertreten durch Dr. Wolfgang Danninger, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Goldschmiedgasse 8, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 30. September 1998, Zl. 200.712/0-V/15/98, betreffend § 7 AsylG, (weitere Partei: Bundesminister für Inneres) zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein sudanesischer Staatsangehöriger, reiste am 29. September 1997 in das Bundesgebiet ein und beantragte am 1. Oktober 1997 die Gewährung von Asyl. Bei seiner niederschriftlichen Einvernahme am 14. Oktober 1997 gab er vor dem Bundesasylamt an, er gehöre dem Stamm der Eskase an und sei Christ. Er werde in seinem Heimatland von einem Mann gesucht, der Major der Armee und Moslem sei. Er habe sich in die Tochter dieses Mannes verliebt und diese auch heiraten wollen. Der Major sei aber dagegen gewesen, dass seine Tochter in eine christliche Familie einheirate. Das Mädchen habe vom Beschwerdeführer ein Kind erwartet, woraufhin es von seinem Vater aus dem Haus gejagt worden sei. Bei der Geburt seien die Mutter und das Kind gestorben. Ein befreundeter Priester und die Mutter des Beschwerdeführers hätten sich zu dem Major begeben, um ihm davon zu berichten. Einige Zeit später sei der Priester allein zurückgekehrt. Er habe ausgesehen, als ob er in einen Kampf verwickelt worden wäre und habe erzählt, der Major habe gedroht, die Familie des Beschwerdeführers auszurotten. Seine Mutter habe er daraufhin nie wieder gesehen. Aus Angst, der Major werde ihn töten, habe er mit Hilfe des Priesters sein Heimatland verlassen. Aus politischen, religiösen, rassischen, ethnischen oder sozialen Gründen sei er nicht verfolgt.

Mit Bescheid vom 20. Oktober 1997 wies das Bundesasylamt den Asylantrag mit der Begründung ab, die vom Beschwerdeführer geltend gemachte Verfolgung gehe erstens von einer - wenngleich der Armee angehörenden - Privatperson aus, ohne das sich das Fehlen staatlichen Schutzes ergeben habe, und beruhe zweitens nicht auf einem der in der Flüchtlingskonvention genannten Gründe.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, der derzeitige Regierungschef im Sudan sei Moslem, Christen würden stark diskriminiert. Das gehe soweit, dass in Fällen, in denen ein Moslem einen Christen umbringe, keine weiteren Maßnahmen gesetzt würden, kein Gerichtsverfahren stattfinde und die Täter nicht zur Rechenschaft gezogen würden. Ein Christ habe keine Hilfe von den Behörden zu erwarten, wenn er sich in der Angst, Opfer eines Rachaktes zu werden, an diese wende. Er habe auch keine andere Chance gehabt, als das Land zu verlassen, weil der Major Rache an der ganzen Familie des Beschwerdeführers geschworen habe. Seine Mutter sei mit größter Wahrscheinlichkeit schon umgebracht worden. Wäre er im Sudan oder in einem der Nachbarländer geblieben, hätte der Major nicht geruht, bis er ihn gefunden und getötet hätte. Da die sudanesischen Behörden in keiner Weise bereit gewesen wären, den Beschwerdeführer als Christ vor Übergriffen des Majors, eines Moslems, zu schützen, bzw. er gewusst habe, dass der Major nach einem Mord am Beschwerdeführer ungestraft davon kommen würde, sei davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer aus Angst vor Verfolgung aus politischen bzw. religiösen Gründen geflüchtet sei und der sudanesische Staat nicht gewillt gewesen sei, die von anderen Stellen ausgehende Verfolgung hintanzuhalten.

Ergänzend zur Berufung nahm der Beschwerdeführer in einem Schreiben an das Bundesasylamt vom 4. November 1997 auf eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtes Köln Bezug, nach der angesichts der massiven Diskriminierung von Christen durch islamische Stellen nicht zu erwarten sei, dass der sudanesische Staat Christen gegen Islamisierungsversuche sowie gegen Angriffe auf Leib und Leben durch fanatische Moslems den erforderlichen Schutz gewährte. Die sudanesische Regierung sehe alle Menschen schwarzer Hautfarbe und christlicher Religion als potentielle Rebellen und Staatsfeinde an.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 7 Asylgesetz 1997 ab. Sie verwies auf die Rechtsauführungen im erstinstanzlichen Bescheid und führte ergänzend aus, dem Vorbringen des Beschwerdeführers lasse sich klar und deutlich entnehmen, dass dieser in seinem Heimatland keiner staatlichen Verfolgung aus einem Konventionsgrund ausgesetzt sei. Es stehe außer Zweifel, dass die Verfolgung durch den Major ausschließlich private Gründe habe. Es könne nicht Aufgabe des Asylrechtes sein, Abhilfe gegen private Familienfehden zu schaffen. Dass der Major den Beschwerdeführer auf Grund seiner Religionszugehörigkeit habe verfolgen wollen, sei insofern auszuschließen, als er ein diesbezügliches Vorhaben bereits zu einem früheren Zeitpunkt hätte artikulieren bzw. verwirklichen können. Für die belangte Behörde sei auch "nicht nachvollziehbar, aus welchem Grunde der Berufungswerber von der Möglichkeit der inländischen Fluchtalternative nicht Gebrauch gemacht hat".

Über die gegen diesen Bescheid gerichtete, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Die belangte Behörde legt in der Begründung ihrer Entscheidung dar, sie schließe sich "vollinhaltlich" der rechtlichen Beurteilung des Sachverhaltes durch das Bundesasylamt an und erkläre diese "zum Inhalt des gegenständlichen Bescheides". Damit übernimmt die belangte Behörde das der abweisenden Entscheidung des Bundesasylamtes in erster Linie zu Grunde gelegte Argument, eine Verfolgung durch "Private" sei nur asylrelevant, wenn der Staat nicht in der Lage oder nicht gewillt sei, den Betroffenen zu schützen. Dieses Argument ist jedenfalls angesichts des Berufungsvorbringens, das die belangte Behörde ihrem, ohne mündliche Berufungsverhandlung erlassenen Bescheid ebenfalls "zugrundegelegt", und in dem die Verweigerung staatlichen Schutzes aus Gründen der Religion ausdrücklich behauptet und auf näher genannte Quellen gestützt wird, nicht geeignet, die Abweisung des Asylantrages zu begründen.

Ist der Herkunftsstaat des Beschwerdeführers deshalb, weil es sich beim Beschwerdeführer um einen Christen handelt, nicht bereit, ihn vor - sei es auch privat motivierten - Racheakten eines moslemischen Verfolgers zu schützen, so beruht die geltend gemachte Gefahr aber auch auf einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe, wobei es dahinstehen kann, ob die drohenden Nachstellungen des privaten Verfolgers in eine, solchen Fall nicht von vornherein auch darauf zurückzuführen sind, dass das in Aussicht genommene Opfer auf Grund seiner Religion keinen staatlichen Schutz genießt. Auch das zweite, von der belangten Behörde durch eigene Betrachtungen ergänzte Argument des Bundesasylamtes geht bei Berücksichtigung des Berufungsvorbringens somit fehl.

Nichts anderes gilt auch für das von der belangten Behörde neu hinzugefügte Argument, dem Beschwerdeführer sei eine inländische Fluchtalternative offen gestanden. Diesen Versagungsgrund hatte das Bundesasylamt - in dessen Bescheid schon die Teile der Niederschrift, auf die sich die belangte Behörde in diesem Zusammenhang stützt, nicht wiedergegeben sind - nicht herangezogen. Wenn der Beschwerdeführer dessen ungeachtet in der Berufung ausdrücklich vorbrachte, sein Verfolger hätte bei einem Verbleib des Beschwerdeführers im Sudan oder einem der Nachbarländer nicht geruht, bis er den Beschwerdeführer gefunden und getötet hätte, so konnte ihm bei Zugrundelegung auch dieses Teils seines Vorbringens nicht entgegengehalten werden, er hätte im Sudan bleiben sollen.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Eine Auseinandersetzung mit Fragen der Verhandlungspflicht, etwa im Bezug auf den zuletzt genannten Punkt, erübrigt sich damit.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 29. Jänner 2002

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:1999010006.X00

Im RIS seit

11.04.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten