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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AsylG 1997 §7;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Pelant, Dr. Köller und Dr. Thoma als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schimetits, über die Beschwerde des M S in Linz, geboren am 30. Juni 1962, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 25. Juli 2000, Zl. 212.317/0-V/13/99, betreffend §§ 7 und 8 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, seinen Angaben zufolge ein Staatsangehöriger der Demokratischen Republik Kongo, stellte am 23. Mai 1999 einen Asylantrag. Dieser wurde mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates (der belangten Behörde) vom 25. Juli 2000 gemäß § 7 AsylG abgewiesen; weiters stellte die belangte Behörde fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers "nach der DR Kongo" gemäß § 8 AsylG iVm § 57 FrG zulässig sei.
Die belangte Behörde legte ihrer Entscheidung zugrunde, dass die vom Beschwerdeführer im Rahmen des durchgeführten Ermittlungsverfahrens ins Treffen geführten Umstände bzw. Ereignisse nicht als Sachverhalt hätten festgestellt werden können. Der Beschwerdeführer habe zentral releviert, über viele Jahre hinweg Mitglied der Zivilgarde des Expräsidenten Mobutu gewesen zu sein und "mehrere einschlägige Ausbildungen" erhalten zu haben. Er habe auch mehrere Dokumente betreffend seine angeblich erhaltene Ausbildung vorgelegt, es sei ihm im Rahmen der Berufungsverhandlung jedoch nicht möglich gewesen, glaubhaft darzulegen, dass er tatsächlich Mitglied der genannten Zivilgarde gewesen sei. So sei der Beschwerdeführer nicht in der Lage gewesen - im Folgenden die belangte Behörde wörtlich -,
"detaillierte bzw. umfassende Angaben über Aufbau und Struktur der Zivilgarde zu machen. Im weiteren konnte der Antragsteller jene drei (Haupt)-Spezialeinheiten der Guarde Civile nicht nennen bzw. gab der Antragsteller vorerst auf Nachfrage zu Protokoll, dass die Zivilgarde speziell für die Sicherheit des Präsident Mobutu zuständig gewesen wäre; erst auf hinweislichen Vorhalt seitens der Behörde modifizierte der Antragsteller seine Aussage dahingehend, dass die DSP (Division Speciale Presidentielle) vordringlich für die Sicherheit Mobutus verantwortlich gewesen sei, wonach erst sodann, dh. zweitrangig, die Zivilgarde zuständig gewesen wäre. Auch konnte der Antragsteller die Hauptaufgabe der weiters damals existiert habenden Spezialeinheit Sarm nicht glaubhaft benennen bzw. führte er diesbezüglich wieder - gänzlich allgemein - ins Treffen, dass diese für die Sicherheit Mobutus verantwortlich gewesen wäre; und nach eingehender Befragung und Vorhalt seiner geringen konkreten Kenntnisse diesbezüglich führte der Antragsteller neuerlich - nach den drei Eingrifftruppen der Zivilgarde befragt - aus, dass ihm dies 'entfallen' sei. Der Antragsteller kannte weiters nicht den regulären Namen der weiteren Sondereinheit der 'Hibou' (Kauze), sondern kannte er diese nur unter der zitierten im Volksmund gebräuchlichen Bezeichnung. Im weiteren konnte der Antragsteller auch mit der Bezeichnung der weiteren Sondereinheit 'Snip' nichts anfangen bzw. bezeichnete er diese ihm als Abkürzung vorgehaltene Sondereinheit falsch.
Auffällig in den Angaben des Antragstellers war weiters, dass der Antragsteller nicht annähernd die Mannstärke der Zivilgarde richtig benennen konnte; so gab der Antragsteller hiefür '2000 bis 4000 Mann' zu Protokoll, wogegen - bezogen auf das Jahr 1994, und war der Antragsteller jedenfalls zu diesem Zeitpunkt nach seinen Angaben im Dienste der Zivilgarde - diese Garde etwa 10.000 Mann oder sogar mehr umfasste.
Überrascht zeigte sich der Antragsteller von der fundierten Tatsache, dass die Zivilgarde im März 1993 in die reguläre zairische Armee eingegliedert wurde und datierte der Antragsteller auch das Gründungsjahr der Zivilgarde falsch.
Im weiteren befand sich der Antragsteller in grober Unkenntnis betreffend die Tatsache, in welchem persönlichen Naheverhältnis der langjährige Oberbefehlshaber der Zivilgarde General Baramoto zum Expräsident Mobutu stand (Baramoto war der Schwager Mobutus)."
Im Hinblick auf diese Umstände habe mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden können, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers tatsächlich nicht den wahren Gegebenheiten entspreche. Den vom Beschwerdeführer vorgelegten Dokumenten, wodurch er seine Zugehörigkeit bzw. Ausbildung in der Zivilgarde habe glaubhaft machen wollen, sei geringere Beweiskraft beizumessen gewesen, weil im gegenständlichen Verfahren "grundsätzlich die Aussage des Antragstellers von zentraler Bedeutung ist und die von ihm vorgelegten Dokumente mit seiner groben korrespondierenden Unkenntnis in keinerlei Einklang zu bringen war". Bei einer Gesamtbetrachtung der Angaben des Beschwerdeführers habe insbesondere nicht erkannt werden können, dass er tatsächlich jahrelang in der Zivilgarde des Mobutu gedient habe; dem Beschwerdeführer sei daher, weil er dennoch auf seinen Angaben beharrt habe, grundsätzlich jegliche persönliche Glaubwürdigkeit abzuerkennen gewesen. Schon deshalb sei die Gewährung von Asyl nicht statthaft.
Dazu komme, dass laut Einschätzung verschiedener Beobachter die Angehörigen der ehemaligen Sicherheitskräfte des Mobutu in die nunmehrigen Militäreinheiten Kabilas eingegliedert worden seien. Auch unter hypothetischer Zugrundelegung der Kernaussagen des Beschwerdeführers wäre er sohin - trotz seiner vormaligen (angeblichen) Tätigkeit bzw. seines aktiven Widerstandes bei der Machtübernahme Kabilas - jedenfalls nicht zu einer besonderen Risikogruppe zu zählen bzw. habe er nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit mit massiven gegen seine Person gerichteten Verfolgungshandlungen seitens des nunmehrigen Regimes zu rechnen. Soweit der Beschwerdeführer demgegenüber auf ein Auskunftsschreiben des UNHCR vom 26. Juni 1998 verwiesen habe, sei ihm zu entgegnen, dass sich dieses auf einen Asylwerber im Rang eines hohen Offiziers innerhalb einer Spezialeinheit bezogen hätte. Der Beschwerdeführer sei jedoch - unter Zugrundelegung seiner Angaben - nicht in einer höherrangigen militärischen Funktion in der von ihm genannten Spezialeinheit tätig gewesen, er habe sich auch nicht in der Partei Mobutus an leitender Stelle exponiert und sei sohin jedenfalls unter diesen Gesichtspunkten nicht als einem erhöhten Gefährdungsrisiko ausgesetzt zu qualifizieren. Diesbezüglich sei (nochmals) darauf hinzuweisen, dass einfache Angehörige der Spezialeinheiten weitgehend in die nunmehrigen militärischen Strukturen unter Kabila eingegliedert worden seien und dass diese - trotz allenfalls noch vorliegenden "Argwohns" - jedenfalls nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit mit massiven Verfolgungshandlungen zu rechnen hätten. Auch bei Zugrundelegung des Vorbringens des Beschwerdeführers wäre daher die Asylgewährung zu versagen.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Der Beschwerdeführer wendet sich zunächst gegen die Beweiswürdigung der belangten Behörde. Unter anderem verweist er auf von ihm dem Bundesasylamt vorgelegte Dokumente über "einschlägige Ausbildungen" im Zuge seiner Tätigkeit als Mitglied der Zivilgarde. Diese Dokumente, an deren Echtheit keine Zweifel bestünden, verifizierten seine diesbezüglichen Angaben.
Mit den genannten Dokumenten hat sich die belangte Behörde nur am Rande auseinander gesetzt. Ihre Auffassung, wonach ihnen - weil mit der "groben korrespondierenden Unkenntnis" des Beschwerdeführers in keinerlei Einklang zu bringen - geringerer Beweiswert beizumessen gewesen sei, stellt weder eine Beschäftigung mit der Frage der Echtheit dieser Dokumente noch eine ausreichende Erörterung ihres Inhaltes dar, es fehlen nachvollziehbare Überlegungen, warum die "korrespondierende Unkenntnis" des Beschwerdeführers aussagekräftiger sein soll als eine aus diesen Dokumenten etwa ableitbare Ausbildung des Beschwerdeführers im Rahmen der Zivilgarde. Sollte die belangte Behörde jedoch die Auffassung vertreten haben, dass der Aussage des Beschwerdeführers - bzw. der daraus ihrer Ansicht nach erschließbaren Unkenntnis über die Zivilgarde - schon abstrakt gegenüber den vorgelegten Urkunden höherer Beweiswert zukommen würde, hätte sie das Wesen der freien Beweiswürdigung verkannt.
Mit Rücksicht auf die Urkunden vermag die behördliche Beweiswürdigung daher der dem Verwaltungsgerichtshof obliegenden Überprüfung auf ihre Schlüssigkeit (siehe dazu das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) im Ergebnis nicht standzuhalten. Davon ausgehend ist das Schicksal der Beschwerde von der Tragfähigkeit der eventualiter angestellten Überlegungen, dem Beschwerdeführer drohe auch unter Zugrundelegung seiner Angaben bei Rückkehr in seinen Heimatstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keine Verfolgung, abhängig. Auch insoweit zeigt der Beschwerdeführer jedoch eine Rechtswidrigkeit des bekämpften Bescheides auf. Er weist zutreffend darauf hin, dass der aus Länderberichten abgeleitete Ansatzpunkt der belangten Behörde, Angehörige der ehemaligen Sicherheitskräfte/Spezialeinheiten des Mobutu seien in die nunmehrigen Militäreinheiten des Kabila eingegliedert worden, bezüglich seiner Person nur bedingt Aussagekraft besitzt. Ergänzend wäre nämlich zu beachten gewesen, dass sich der Beschwerdeführer durch seine Flucht aus der Demokratischen Republik Kongo gerade jener Eingliederung entzogen hat, weshalb die Frage einer potenziellen Verfolgung unter Bedachtnahme auf dieses "Spezialschicksal" zu klären gewesen wäre; dies umso mehr, als die belangte Behörde selbst auf einen "allenfalls noch vorliegenden Argwohn", der den ehemaligen Angehörigen der Sicherheitskräfte des Mobutu entgegengebracht werde, hingewiesen hat, und in einer dem Verhandlungsprotokoll angeschlossenen Unterlage (Bericht des Auswärtigen Amtes Berlin über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Demokratischen Republik Kongo vom 23. März 2000) davon die Rede ist, dass ein Großteil der Soldaten der ehemaligen zairischen Armee sowie der paramilitärischen Einheiten des Mobuturegimes in verschiedenen "Umerziehungslagern" unter zum Teil sehr harten Bedingungen auf ihre neue Rolle in der zukünftigen Armee vorbereitet (umerzogen) worden sei. Soweit die belangte Behörde in diesem Zusammenhang auf eine vom Beschwerdeführer vorgelegte und dem Verhandlungsprotokoll als Beilage A angeschlossene Stellungnahme von UNHCR vom 26. Juli 1998 eingeht, spricht sie aktenwidrig davon, dass diese sich auf einen Asylwerber im Rang eines hohen Offiziers innerhalb einer Spezialeinheit (zu ergänzen: Mobutus) bezogen habe; tatsächlich geht es in dieser Stellungnahme um eine Person, die als Privatfahrer für einen "Colonel der Leibgarde Mobutus" gearbeitet haben soll und die daher - so die erwähnte UNHCR-Stellungnahme - mit einer erhöhten Gefährdung für den Fall einer Rückkehr in die Demokratische Republik Kongo zu rechnen habe.
Hätte sich die belangte Behörde näher mit den vom Beschwerdeführer vorgelegten Dokumenten auseinander gesetzt bzw. wäre sie in gebotener Weise auf seine Stellung als ins Ausland geflohener ehemaliger Angehöriger der Zivilgarde Mobutus eingegangen, so hätte sie zu einem für den Beschwerdeführer günstigen Ergebnis gelangen können. Im Hinblick darauf war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 29. Jänner 2002
Schlagworte
"zu einem anderen Bescheid" Besondere RechtsgebieteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2001010077.X00Im RIS seit
11.04.2002