TE Vwgh Erkenntnis 2002/1/30 99/12/0178

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Veröffentlicht am 30.01.2002
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
65/01 Allgemeines Pensionsrecht;

Norm

AVG §66 Abs4;
PG 1965 §4 Abs1;
PG 1965 §4 Abs4 Z3 idF 1997/I/138;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Germ sowie Senatspräsident Dr. Höß und den Hofrat Dr. Zens als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Sellner, über die Beschwerde der L in G, vertreten durch Klein, Wuntschek und Partner, Rechtsanwälte in Graz, Grazbachgasse 39/III, gegen den Bescheid des beim Vorstand der Post und Telekom Austria Aktiengesellschaft eingerichteten Personalamtes (nunmehr des beim Vorstand der Österreichischen Post Aktiengesellschaft eingerichteten Personalamtes) vom 1. Juni 1999, Zl. 119798-HC/99, betreffend Ruhegenussbemessung nach dem Pensionsgesetz 1965, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird, soweit er die Ruhegenussbemessung für die Zeit ab 1. Jänner 1998 betrifft, wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufgehoben; im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die 1947 geborene Beschwerdeführerin steht seit 1. Oktober 1997 als Fachoberinspektorin in Ruhe in einem öffentlich-rechtlichen Ruhestandsverhältnis zum Bund. Sie war zuletzt als erste Evidenzkraft in einer Bezirksbetriebsführung (VGr PT 5) im Bereich der Post- und Telegraphendirektion Graz (Post und Telekom Austria Aktiengesellschaft, Direktion Graz) tätig. Zum ersten - erfolglosen - Versuch, die Beschwerdeführerin mit Ablauf des 30. September 1996 in den Ruhestand zu versetzen, wird auf das hg. Erkenntnis vom 28. Mai 1997, Zl. 97/12/0006, mit dem der (erste) Ruhegenussbemessungsbescheid der belangten Behörde vom 28. November 1996 wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit mangels rechtswirksamer Versetzung in den Ruhestand aufgehoben wurde, verwiesen.

Gegenstand der vorliegenden Beschwerde ist die nunmehr nach rechtswirksamer Versetzung in den Ruhestand (Bescheid der belangten Behörde vom 10. September 1997) (neuerlich) unter Anwendung der Kürzungsbestimmungen erfolgte Ruhegenussbemessung. Da hiefür (auch) Vorgänge aus dem Ruhestandsversetzungsverfahren eine Rolle spielen, ist darauf kurz einzugehen.

A) Ruhestandsversetzungsverfahren

Wegen zahlreicher "Krankenstände" in den Jahren 1994 und 1995 wurde die Beschwerdeführerin wiederholt von der Dienstbehörde erster Instanz zu Kontrolluntersuchungen beim Anstaltsarzt vorgeladen. Einige Fachärzte attestierten in ihren Befunden (vor allem in den im Mai 1995 ausgestellten) der Beschwerdeführerin wegen ihres Gesundheitszustands (insbesondere rezidivierende endogene Depression, verschiedene orthopädische Beschwerden) die fehlende Arbeitsfähigkeit und befürworteten ihre Versetzung in den Ruhestand. Ab 28. August 1995 befand sie sich bis zur ihrer Ruhestandsversetzung im "Krankenstand".

Bei der über Ersuchen der Dienstbehörde erster Instanz unter Hinweis auf die "Krankenstände" am 15. November 1995 durchgeführten anstaltsärztlichen Untersuchung stellte Dr. A fest, dass die Beschwerdeführerin an einer somatischen Depression leide. Über sein Ersuchen ordnete die Dienstbehörde erster Instanz die (neuerliche) Durchführung einer neurologischen und psychiatrischen Untersuchung durch den Facharzt Dr. N. an.

Im Kopf des an Dr. N gerichteten Untersuchungsauftrages der Dienstbehörde erster Instanz vom Dezember 1995 findet sich zwar im Betreff die Angabe: "Feststellung der dauernden Dienstfähigkeit", im Schreiben selbst wurde Dr. N unter gleichzeitiger Übermittlung von Unterlagen aber nur ersucht, "über die Dienstfähigkeit" der Beschwerdeführerin ein Sachverständigengutachten zu erstellen. Jeglicher Hinweis auf ein Handeln im Auftrag der obersten Dienstbehörde fehlt. Insbesondere wurde Dr. N. auch gebeten, sein Gutachten und seine Honorarnote an die Dienstbehörde erster Instanz zu übermitteln.

Nach der am 19. Dezember 1995 durchgeführten Untersuchung erstellte Dr. N. am 25. Februar 1996 sein "neurologischpsychiatrisches Sachverständigengutachten" (Diagnose:

rezidivierende Encephaloskopen; vertebragene Neuralgien im LWSund HWS-Bereich; vegetativ gefärbte reaktive Dysthymie; vertigo).

Nach seiner über Ersuchen der Dienstbehörde erster Instanz am 14. März 1996 durchgeführten anstaltsärztlichen Untersuchung gelangte Dr. A (unter Hinweis auf das Gutachten Dris. N.) zum Ergebnis, dass die Beschwerdeführerin nicht in der Lage sei, ihre derzeitigen dienstlichen Aufgaben (dauernd) zu erfüllen.

In der Folge übermittelte die Dienstbehörde erster Instanz der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten (PVAng) mit Schreiben vom 27. März 1996 "für die Ruhestandsversetzung" der Beschwerdeführerin die erforderlichen Unterlagen mit dem Ersuchen um Durchführung der entsprechenden "Dienstunfähigkeitsuntersuchung". Im Formblatt A (Vordruck) wurde ersucht, das ärztliche Gutachten samt Stellungnahme des Chefarztes und Rechnung an die belangte Behörde zu übermitteln.

Letztlich erfolgte mit dem Bescheid der belangten Behörde 10. September 1997 die Ruhestandsversetzung der Beschwerdeführerin. Gleichzeitig wurden ihr 6 Jahre, 5 Monate und 4 Tage gemäß § 9 Abs. 1 des Pensionsgesetzes 1965 (PG 1965) zur ruhegenussfähigen Bundesdienstzeit hinzugerechnet.

B) Ruhegenussbemessungsverfahren

Mit Bescheid vom 30. September 1997 stellte die Dienstbehörde erster Instanz den der Beschwerdeführerin ab 1. Oktober 1997 gebührenden Ruhegenuss fest. Dessen Ausmaß wurde in Anwendung der Kürzungsbestimmung nach § 4 Abs. 3 PG 1965 (in der Fassung des Strukturanpassungsgesetzes 1996) ermittelt. Auf allenfalls in Betracht kommende Tatbestände, die zum Entfall der Kürzungsbestimmung zu führen haben, wurde nicht eingegangen.

In ihrer Berufung vom 15. Oktober 1997 brachte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen vor, die Erhebungsschritte zur Feststellung ihrer dauernden Dienstunfähigkeit seien bereits vor dem Stichtag (16. Februar 1996) eingeleitet worden, und zwar durch die anstaltsärztliche Untersuchung vom 15. November 1995 sowie die vom Anstaltsarzt verlangte Einholung eines neurologischpsychiatrischen Gutachtens, für das die Untersuchung am 19. Dezember 1995 bei Dr. N. stattgefunden habe. Auf Grund dieses Untersuchungsergebnisses sei sie schließlich in den Ruhestand versetzt worden. Die Kürzungsbestimmungen würden daher auf Grund der Übergangsbestimmung in ihrem Fall keine Anwendung finden.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 1. Juni 1999 wies die belangte Behörde die Berufung ab. Nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens und der Rechtslage führte sie in der Begründung im Wesentlichen aus, dass ein amtswegiges Verfahren ungeachtet der Tatsache, wie lange ein "Krankenstand" bereits gedauert habe, mit der ärztlichen Untersuchung als eingeleitet gelte, die zur Beauftragung der PVAng mit der Erstellung eines ärztlichen Gutachtens über den Gesundheitszustand des Beamten geführt habe. Dem Berufungsvorbringen sei entgegenzuhalten, dass das neurologisch-psychiatrische Gutachten Dris N. am 25. Februar 1996 erstellt worden sei. Auf Grund dieses Gutachtens sei anlässlich der anstaltsärztlichen Untersuchung vom 14. März 1996 ihr Krankenstand als unbefristet anerkannt und die Beauftragung der PVAng vorgenommen worden. Einen Antrag auf Versetzung in den Ruhestand habe die Beschwerdeführerin nicht gestellt. Von Amts wegen sei ihr Ruhestandsversetzungsverfahren aber erst mit der Beauftragung der PVAng auf Grund des Ergebnisses der anstaltsärztlichen Untersuchung vom 14. März 1996, das sich im Wesentlichen auf das Gutachten von Dr. N. gestützt habe - damit aber eindeutig nach dem 16. Februar 1996 - eingeleitet worden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhalts geltend gemacht wird.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

I. Rechtslage

1. Gemäß § 14 Abs. 1 BDG 1979, BGBl. Nr. 333, in der Fassung BGBl. Nr. 820/1995 ist der Beamte von Amts wegen oder auf seinen Antrag in den Ruhestand zu versetzen, wenn er dauernd dienstunfähig ist. Nach Abs. 3 dieser Bestimmung (Stammfassung) ist der Beamte dienstunfähig, wenn er infolge seiner körperlichen oder geistigen Verfassung seine dienstlichen Aufgaben nicht erfüllen und ihm im Wirkungsbereich seiner Dienstbehörde kein mindestens gleichwertiger Arbeitsplatz zugewiesen werden kann, dessen Aufgaben er nach seiner körperlichen und geistigen Verfassung zu erfüllen im Stande ist und der ihm mit Rücksicht auf seine persönlichen, familiären und sozialen Verhältnisse billiger Weise zugemutet werden kann.

2. Nach § 4 Abs. 1 des Pensionsgesetzes 1965, BGBl. Nr. 340, wird der Ruhegenuss auf der Grundlage des ruhegenussfähigen Monatsbezuges und der ruhegenussfähigen Gesamtdienstzeit ermittelt. Nach Abs. 2 dieser Bestimmung bilden 80 v.H. des ruhegenussfähigen Monatsbezuges die Ruhegenussbemessungsgrundlage.

Abs. 3 dieser Bestimmung in der im Beschwerdefall maßgebenden Fassung des Strukturanpassungsgesetzes 1996, BGBl. Nr. 201, der am 1. Mai 1996 in Kraft getreten ist, lautet:

"(3) Für jeden Monat, der zwischen dem Zeitpunkt der Wirksamkeit der Versetzung in den Ruhestand und dem Ablauf des Monates liegt, in dem der Beamte sein 60. Lebensjahr vollendet haben wird, ist die Ruhegenussbemessungsgrundlage von 80 Prozent um 0,1667 Prozentpunkte zu kürzen. Das sich aus dieser Kürzung ergebende Prozentausmaß der Ruhegenussbemessungsgrundlage ist auf zwei Kommastellen zu runden."

Gemäß § 4 Abs. 4 Z. 3 PG 1965 in der am 1. Jänner 1998 in Kraft getretenen Fassung des Art. 4 Z. 1 des ersten Budgetbegleitgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 138, findet eine Kürzung nicht statt, wenn der Beamte zum Zeitpunkt der Wirksamkeit der Ruhestandsversetzung dauernd erwerbsunfähig ist.

Nach § 4 Abs. 7 leg. cit. in der obgenannten Fassung gilt ein Beamter nur dann als dauernd erwerbsunfähig im Sinne des Abs. 4 Z. 3, wenn er infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte dauernd außer Stande ist, einem regelmäßigen Erwerb nachzugehen.

Nach § 41 Abs. 1 PG 1965 (Stammfassung) gelten künftige Änderungen dieses Bundesgesetzes auch für Personen, die Anspruch auf Leistungen nach diesem Bundesgesetz haben.

§ 62c PG 1965 in der Fassung des Art. 4 Z. 7 des Strukturanpassungsgesetzes 1996, BGBl. Nr. 201, lautet auszugsweise:

"(1) Auf Beamte, deren Versetzung in den Ruhestand vor dem 16. Februar 1996 eingeleitet worden ist, sind die §§ 4 und 12 in der bis zum Ablauf des 30. April 1996 geltenden Fassung weiter anzuwenden."

Die §§ 4 und 12 PG 1965 in der im § 62c Abs. 1 genannten Fassung vor dem Strukturanpassungsgesetz 1996 kennen im Fall der "Frühpensionierung" (vor Vollendung des 60. Lebensjahres) keine Kürzung der Ruhegenussbemessungsgrundlage.

3. Aufgrund der Neufassung des § 1 Abs. 1 Z. 5 DVV 1981, BGBl. Nr. 162, durch die Verordnung BGBl. Nr. 540/1995, die am 1. September 1995 in Kraft getreten ist, fällt die Versetzung in den Ruhestand nach § 14 BDG 1979 mangels Übertragung in die Zuständigkeit der obersten Dienstbehörde. Die Anwendbarkeit der Übergangsbestimmung nach § 5 Abs. 3 DVV 1981 in der Fassung BGBl. Nr. 540/1995 ist im Beschwerdefall nicht gegeben.

II. Beschwerdeausführungen und Erwägungen

1. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Ruhegenussbemessung in gesetzlicher Höhe durch unrichtige Anwendung des PG 1965, insbesondere seiner §§ 4 Abs. 7 und 62c, verletzt.

2.1. Zunächst macht sie - wie bereits im Verwaltungsverfahren - geltend, dass die (amtswegige) Einleitung des Ruhestandsversetzungsverfahrens bereits vor dem Stichtag (16. Februar 1996) stattgefunden habe und daher ein Anwendungsfall der Übergangsbestimmung des § 62c Abs. 1 PG 1965 vorliege. Die Dienstbehörde erster Instanz habe nämlich in einem "von der Generaldirektion als oberste Aktivdienstbehörde" damals zur (medizinischen) Feststellung der dauernden Dienstunfähigkeit eingerichteten Verfahren und damit über deren Auftrag (mittelbare Beweisaufnahme im Sinn des § 55 AVG) im Wege über das Bundessozialamt das Gutachten von Dr. N. eingeholt. Ihre dienstbehördliche Vorladung und Untersuchung für bzw. am 19. Dezember 1995 sei zur Feststellung ihrer dauernden Dienstunfähigkeit und Erstellung eines Gutachtens zur Vorlage an die PVAng unter gleichzeitiger Information der "Generaldirektion" erfolgt. Der Umstand, dass Dr. N. seinen Befund erst am 25. Februar 1996 ausgefertigt habe, könne ihr nicht zum Nachteil gereichen.

2.1. Dieses Vorbringen trifft nicht zu.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung zu § 62c Abs. 1 PG 1965 zum Ausdruck gebracht, dass die amtswegige Einleitung eines Ruhestandsversetzungsverfahrens jedenfalls einen entsprechenden Willensakt der Behörde voraussetzt, der der zuständigen Dienstbehörde zuzurechnen sein muss. Für das Vorliegen eines solchen Willensaktes ist maßgeblich, ob die zuständige Aktivdienstbehörde eine Amtshandlung gesetzt hat, die - objektiv betrachtet - darauf abzielte, den Sachverhalt der dauernden Dienstunfähigkeit des Beamten im Sinne des § 14 BDG 1979 zu klären (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. Februar 1999, Zl. 97/12/0315).

Mit Erkenntnis vom 23. Juni 1999, Zl. 98/12/0500, hat der Verwaltungsgerichtshof ungeachtet dessen, dass nachgeordnete Dienstbehörden ab 1. September 1995 wegen Änderung der DVV 1981 durch die Novelle BGBl. Nr. 540/1995 nicht mehr für die Durchführung des Ruhestandsversetzungsverfahren zuständig waren, anerkannt, dass dann, wenn die PVAng im Namen der obersten Dienstbehörde in einer Art mittelbaren Beweisaufnahme wegen Beurteilung der gesundheitlichen Eignung befasst worden ist, bereits dieses Faktum als Einleitung des Ruhestandsversetzungsverfahrens im Sinne des § 62c Abs. 1 PG 1965 zu werten ist (vgl. auch z.B. die hg. Erkenntnisse vom 28. April 2000, Zl. 99/12/0196, und vom 24. Mai 2000, Zl. 99/12/0185, und Zl. 99/12/0205 u.v.a.).

Vor diesem rechtlichen Hintergrund ist festzustellen, dass ein derartiger maßgeblicher Verfahrensschritt, der die unbestritten von Amts wegen erfolgte Einleitung des Ruhestandsversetzungsverfahrens herbeiführte und der hiefür zuständigen obersten Dienstbehörde zurechenbar ist, im vorliegenden Fall seitens der nachgeordneten Dienstbehörde jedenfalls erst mit der am 27. März 1996 erkennbar für die oberste Dienstbehörde (siehe dazu den Hinweis im Formblatt A betreffend die Abrechnung und Vorlage des PVAng-Gutachtens) erfolgenden Einschaltung der PVAng erfolgte, also nach dem im § 62c Abs. 1 PG 1965 vorgesehenen Stichtag. Die über Anregung des Anstaltsarztes der Dienstbehörde erster Instanz im Dezember 1995 erfolgte Betrauung des Facharztes Dr. N. kann, selbst wenn sie ihrem Inhalt nach als auf die Prüfung, ob eine dauernde Dienstunfähigkeit der Beschwerdeführerin gegeben ist, gerichtet gewertet würde, mangels jeglichen Hinweises auf ein Einschreiten für die zuständige oberste Dienstbehörde dieser nicht zugerechnet werden.

Die belangte Behörde ist daher im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass das Ruhestandsversetzungsverfahren der Beschwerdeführerin erst nach dem genannten Stichtag eingeleitet worden ist. Die Anwendung der Abschlagsregelung für den Zeitraum ab Beginn der Ruhestandsversetzung (1. Oktober 1997) bis zur Änderung der Rechtslage ab 1. Jänner 1998 (Einfügung des § 4 Abs. 4 Z. 3 und Abs. 7 PG 1965) entsprach daher dem Gesetz.

3.1. Die Beschwerdeführerin macht ferner geltend, im angefochtenen Bescheid fehle jegliche Auseinandersetzung mit der Frage der dauernden Erwerbsunfähigkeit im Sinn des § 4 Abs. 7 PG 1965. Sie sei ihrer Auffassung nach dauernd erwerbsunfähig, was gleichfalls zum Entfall der Kürzung führe. Zu diesem Ergebnis wäre auch die belangte Behörde bei ausreichender Sachverhaltsfeststellung und deren rechtlicher Beurteilung gekommen.

3.2. Dieser Einwand der Beschwerdeführerin, dass die belangte Behörde auf die während der Anhängigkeit des Berufungsverfahrens durch Einfügung der Z. 3 in § 4 Abs. 4 PG 1965 erfolgte Rechtsänderung Bedacht zu nehmen gehabt hätte, ist berechtigt.

Die Entscheidung über die Feststellung der Gebührlichkeit des monatlich wiederkehrenden Ruhebezuges ist - wie dies für Dauerrechtsverhältnisse allgemein gilt - ein zeitraumbezogener Abspruch. Ein derartiger Abspruch gilt mangels eines im Bescheid festgelegten Endzeitpunktes für den Zeitraum, in dem die rechtlichen und (oder) tatsächlichen Verhältnisse keine Änderung erfahren, jedenfalls aber bis zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides. Ein im Verwaltungsverfahren ergangener Berufungsbescheid hat die aus § 66 Abs. 4 AVG ableitbare Wirkung, dass der erstinstanzliche Bescheid in der Berufungsentscheidung aufgegangen und diese Berufungsentscheidung, sobald sie erlassen und solange sie aufrecht ist, der alleinige und ausschließliche Träger des Bescheidinhaltes ist. Ein in Anwendung des § 66 Abs. 4 AVG ergangener Bescheid bedeutet daher eine endgültige Erledigung der betreffenden Verwaltungssache bis zu dem Zeitpunkt seiner Erlassung (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Juni 1999, Zl. 98/12/0500).

Die belangte Behörde wäre daher verpflichtet gewesen, die während des bei ihr anhängigen Berufungsverfahrens ab 1. Jänner 1998 eingetretene Änderung der Rechtslage (§ 4 Abs. 4 Z. 3 in Verbindung mit § 4 Abs. 7 PG 1965), die für die Bemessung des Ruhebezuges der Beschwerdeführerin ab dem 1. Jänner 1998 von Bedeutung sein kann, im Zuge ihres Verfahrens zu prüfen und gegebenenfalls eine ab diesem Zeitpunkt eintretende Änderung des Ruhebezuges in ihren Bescheid aufzunehmen.

Sie hat daher dadurch, dass sie über den Ruhegenuss der Beschwerdeführerin auch für die Zeit ab 1. Jänner 1998 abgesprochen und dabei die möglichen Auswirkungen des ab 1. Jänner 1998 eingefügten § 4 Abs. 4 Z. 3 in Verbindung mit Abs. 7 PG 1965 (Entfall der Kürzung im Fall der dauernden Erwerbsunfähigkeit ab diesen Zeitpunkt), dessen Anwendung auch im Beschwerdefall in Betracht kommt, außer Acht gelassen hat, ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet, weshalb er nach § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG in diesem Umfang aufzuheben war; im Übrigen (das heißt, soweit der angefochtene Bescheid über den Zeitraum bis 31. Dezember 1997 abgesprochen hat) war die Beschwerde hingegen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

4. Der Kostenspruch gründet sich auf die §§ 47, 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 und § 49 VwGG in Verbindung mit der gemäß ihrem § 3 Abs. 2 anzuwendenden Verwaltungsgerichtshof-Aufwandersatzverordnung 2001, BGBl. II Nr. 501. Die Gebühr von

S 2.500,-- war mit EUR 181,68 zuzusprechen. Zur Kostenträgerschaft des Bundes wird auf die Ausführungen im hg. Erkenntnis vom 28. April 2000, Zl. 99/12/0352, hingewiesen.

5. Da im Beschwerdefall ein Anwendungsfall des § 17 Abs. 8 Z. 2 des Poststrukturgesetzes (PTSG), BGBl. Nr. 201/1996, in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 161/1999 vorliegt, war das Erkenntnis dem beim Vorstand der Österreichischen Post Aktiengesellschaft eingerichteten Personalamt zuzustellen, das auch das fortgesetzte Verfahren durchzuführen hat.

Wien, am 30. Jänner 2002

Schlagworte

Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Beachtung einer Änderung der Rechtslage sowie neuer Tatsachen und Beweise Rechtsnatur und Rechtswirkung der Berufungsentscheidung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:1999120178.X00

Im RIS seit

17.04.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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