Index
L8 Boden- und VerkehrsrechtNorm
Flächenwidmungsplanänderung der Gemeinde Weißensee vom 06.12.90Leitsatz
Gesetzwidrigkeit der Umwidmung eines Seeufergrundstückes von "Grünland-Bad" in "Grünland-Landwirtschaft"; keine Erreichung des im Entwicklungsprogramm festgelegten Zieles der Freihaltung des Seeufers von einer Verbauung durch punktuelle Umwidmung bloß einzelner Parzellen; keine Abwägung der wirtschaftlichen Interessen des Grundeigentümers mit den öffentlichen, insbesondere naturschutzrechtlichen InteressenSpruch
Die Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Weißensee betreffend den Flächenwidmungsplan (beschlossen am 6. Dezember 1990 und in Kraft getreten am 18. Oktober 1991), soweit er für das Grundstück 508/5 der KG Techendorf die Widmungs- und Nutzungsart "Grünland für die Landwirtschaft" festlegt, wird gemäß Art139 Abs1 B-VG als gesetzwidrig aufgehoben.
Die Kärntner Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aufhebung im Landesgesetzblatt verpflichtet.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Mit Bescheid vom 7. September 1995 wies der Bürgermeister der Gemeinde Weißensee den Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Baubewilligung zur Errichtung eines Laufsteges mit Badeplatte auf dem Grundstück 508/5 KG Techendorf wegen Widerspruchs zum Flächenwidmungsplan ab, weil für das Grundstück die Widmungs- und Nutzungsart "Grünland für die Landwirtschaft" festgesetzt sei. Die dagegen erhobene Berufung wurde abgewiesen. Mit dem angefochtenen Bescheid wies die Kärntner Landesregierung die Vorstellung des Beschwerdeführers als unbegründet ab.
2. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer eine auf Art144 Abs1 B-VG gegründete Beschwerde, in der er die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Unversehrtheit des Eigentums geltend macht und - der Sache nach - die Gesetzwidrigkeit der Flächenwidmung des Grundstücks 508/5 behauptet.
3. Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie den Argumenten der Beschwerde entgegentritt und die Gesetzmäßigkeit der Flächenwidmung behauptet. Die Gemeinde Weißensee legte die Akten betreffend das Zustandekommen des Flächenwidmungsplans vor und verteidigt ebenfalls die vorgenommene Flächenwidmung.
4. Aus Anlaß dieser Beschwerde hat der Verfassungsgerichtshof am 5. Oktober 1998 beschlossen, gemäß Art139 Abs1 B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit der dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegenden Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Weißensee betreffend den Flächenwidmungsplan (beschlossen am 6. Dezember 1990 und in Kraft getreten am 18. Oktober 1991), soweit er für das Grundstück 508/5 der KG Techendorf die Widmungs- und Nutzungsart "Grünland für die Landwirtschaft" festlegt, einzuleiten.
5. Der Verfassungsgerichtshof hat im Beschluß über die Einleitung des Verordnungsprüfungsverfahrens seine Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit der in Prüfung gezogenen Verordnung wie folgt begründet:
"1. Der Verfassungsgerichtshof geht vorläufig davon aus, daß die Beschwerde zulässig ist und daß er bei seiner Entscheidung darüber den Flächenwidmungsplan der Gemeinde Weißensee anzuwenden hat. Aus Anlaß der vorliegenden Beschwerde sind gegen die Widmung der Parzelle 508/5 KG Techendorf folgende Bedenken ob deren Gesetzmäßigkeit entstanden:
2. Gemäß §9 Abs2 des im Zeitpunkt der Umwidmung geltenden Kärntner Gemeindeplanungsgesetzes 1982 ist der Flächenwidmungsplan zu ändern, wenn dies durch die Aufstellung oder Änderung eines Entwicklungsprogrammes erforderlich wird oder wenn sich die für die örtliche Planung maßgebenden wirtschaftlichen, sozialen oder kulturellen Verhältnisse wesentlich geändert haben.
3. Der Verfassungsgerichtshof hegt zunächst keine Bedenken gegen die im Entwicklungsprogramm für den Raum Weißensee aus Gründen der Erhaltung der Landschaft um den Weißensee normierten neuen Planungsgrundlagen für die Widmung der Ufergrundstücke des Weißensees. Der Verfassungsgerichtshof zweifelt jedoch daran, daß die im Bereich des Nordufers des Weißensees vorgenommenen Umwidmungen einzelner Parzellen von 'Grünland-Bad' in 'Grünland für die Land- und Forstwirtschaft' durch die im Entwicklungsprogramm festgelegten Entwicklungsmaßnahmen (in concreto: Bedachtnahme auf die im Bereich des Weißensee-Nordufers gelegenen Schilf- und Schwingrasengesellschaften) im Sinne des §9 Abs2 Kärntner Gemeindeplanungsgesetz 1982 erforderlich waren.
Der Verfassungsgerichtshof geht daher vorläufig davon aus, daß die oben angeführten naturschutzrechtlichen Gründe (Schutz der Schilf- und Schwingrasengesellschaften), die eine Festlegung der Widmungs- und Nutzungsart 'Grünland für die Landwirtschaft' erfordern, nicht auf einzelne Grundstücke im Bereich des Nordufers beschränkt sein können. Die von der Gemeinde im Bereich des Nordufers des Weißensees festgelegte Widmung dürfte dazu führen, daß inmitten von Grundstücken mit der Widmungs- und Nutzungsart 'Grünland-Bad' Lücken mit der Widmungs- und Nutzungsart 'Grünland für die Landwirtschaft' entstehen. Durch diese Vorgangsweise scheint das durch die überörtliche Planung vorgegebene Ziel eines Schutzes der Uferflächen nicht erreicht zu werden.
4. Die Beschwerde behauptet eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Unversehrtheit des Eigentums mit der Argumentation, die Widmungsänderung führe zu einer Entwertung des Grundstücks (der Kaufpreis für Badegrundstücke am See betrage S 3.000/m2, jener für landwirtschaftliche Grundstücke S 40/m2), ohne daß im Kärntner Raumordnungsrecht eine Entschädigung für diese Eigentumsbeschränkung vorgesehen sei.
Der Verfassungsgerichtshof kam im Erkenntnis VfSlg. 13282/1992 (Flächenwidmungsplan Mauerbach) betreffend eine entschädigungslose Umwidmung von 'Bauland-Wohngebiet' in 'Grünland-Parkanlage' trotz Änderung der Planungsgrundlagen dann zur Gleichheitswidrigkeit einer solchen Umwidmung, wenn ihr keine entsprechende, auf das konkrete Grundstück bezogene Grundlagenforschung vorangegangen wäre oder wenn die bei der Auswahl der für eine Umwidmung in Betracht kommenden Grundstücke aus der Baulandreserve der Gemeinde notwendige Interessenabwägung fehlerhaft vorgenommen worden wäre.
Nimmt man die von der Beschwerde behauptete Entwertung des Grundstücks durch die Umwidmung in 'Grünland für die Landwirtschaft' an, so dürfte auch im vorliegenden Fall eine Abwägung der wirtschaftlichen Interessenlage des Grundeigentümers mit den für die Umwidmung sprechenden öffentlichen, insbesondere den naturschutzrechtlichen Interessen vorzunehmen gewesen sein.
Die Gemeinde Weißensee hat zwar die Entscheidung zur Umwidmung im Hinblick auf den unter Punkt II.2. dargestellten Grundsatzbeschluß getroffen. Der Verfassungsgerichtshof bezweifelt jedoch, daß die Gemeinde Weißensee mit ihrer Entscheidung, nur jene bisher unbebauten Uferflächen mit der Widmung 'Grünland-Bad' zu belassen, bei denen auf den zugehörigen Bauparzellen Objekte errichtet werden, die diese Widmung rechtfertigen, eine ausreichende Interessenabwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Freihaltung der Grundstücke und dem Interesse der Grundeigentümer an Badeparzellen am See getroffen hat."
6. Im vorliegenden Verfahren erstattete die Gemeinde Weißensee eine Äußerung, in der sie die Gesetzmäßigkeit der in Prüfung gezogenen Verordnung verteidigt und behauptet, daß der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in keinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt worden ist.
Die Kärntner Landesregierung verzichtete auf eine Stellungnahme.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die vorläufigen Annahmen des Verfassungsgerichtshofes, daß das Beschwerdeverfahren, das Anlaß zur Einleitung des Verordnungsprüfungsverfahrens gegeben hat, zulässig ist, und daß der Verfassungsgerichtshof bei seiner Entscheidung über die Beschwerde die in Prüfung gezogene Verordnung der Gemeinde Weißensee anzuwenden hätte, haben sich als zutreffend erwiesen.
2. Auch die im Prüfungsbeschluß formulierten Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit der in Prüfung stehenden Verordnung treffen zu:
2.1. Der Gemeinderat der Gemeinde Weißensee behauptet, daß die Umwidmungen am Nordufer von "Grünland-Bad" in "Grünland-Landwirtschaft" unbedingt erforderlich wären. Nur durch die Umwidmung dieser noch verbliebenen Einzelflächen könne das durch die überörtliche Planung vorgegebene Ziel eines Schutzes der Uferflächen erreicht werden.
Der Umwidmung des dem Beschwerdeführer gehörenden Grundstücks sei ebenfalls eine konkrete auf das Grundstück bezogene Grundlagenforschung vorangegangen. Für die Badnutzung eines Seeufergrundstücks sei nicht unbedingt eine "Badwidmung" notwendig. Trotz der für den Beschwerdeführer negativen Grundlagenforschung - diese ist der Äußerung des Gemeinderates der Gemeinde Weißensee angeschlossen - wäre der Gemeinderat bemüht gewesen, "dem Beschwerdeführer insofern entgegenzukommen und das Grundstück in späterer Folge in 'Grünland-Bad' zu widmen, wenn dieser auf dem dazugehörenden Baugrundstück eine Gästepension errichtet und das Seeufergrundstück als Badeplatz für die Hausgäste benötigt hätte, und zwar unabhängig davon, ob die erforderliche Naturschutzbewilligung erteilt worden wäre oder nicht." Aus dem Bericht der Abteilung 20 des Amtes der Kärntner Landesregierung aus der Sicht des Naturschutzes zur Neuerstellung des Flächenwidmungsplanes Weißensee vom 27. Jänner 1989 - ergebe sich, daß man den Konflikt zwischen Widmungsart und naturschutzrechtlicher Beurteilung eines Grundstücks lösen wollte. Auf Grundstücken, welche als Feuchtgebiete im Sinne des Kärntner Naturschutzgesetzes vom 1. Jänner 1987 zu bewerten sind, seien Seeinbauten verboten, weshalb auch der Flächenwidmungsplan in solchen Fällen keine "Badwidmung" vorsehen solle.
Das Vorbringen des Gemeinderats der Gemeinde Weißensee ist nicht geeignet, die im Prüfungsbeschluß geäußerten Bedenken des Verfassungsgerichtshofes gegen die Gesetzmäßigkeit der in Prüfung gezogenen Verordnung zu zerstreuen.
Der Verfassungsgerichtshof geht davon aus, daß die im Bereich des Nordufers des Weißensees vorgenommenen punktuellen Umwidmungen bloß einzelner Parzellen von "Grünland-Bad" in "Grünland für die Land- und Forstwirtschaft" nicht geeignet sind, die im Entwicklungsprogramm festgelegten Entwicklungsmaßnahmen (Erhaltung der im Bereich des Weißensee Nordufers gelegenen Schilf- und Schwingrasengesellschaften) im Sinne des §9 Abs2 Kärntner Gemeindeplanungsgesetz 1982 zu verwirklichen.
Die Umwidmung des Grundstücks des Beschwerdeführers vermag sich zwar insofern auf den fachlichen Bericht der Naturschutzabteilung vom 27. Jänner 1989 zu stützen, als dieses Grundstück in diesem Bericht als Feuchtgebiet iSd §8 des Kärntner Naturschutzgesetzes bezeichnet ist. Insgesamt ist aber die Gemeinde bei Erlassung des Flächenwidmungsplanes vom 6. Dezember 1990 - jedenfalls am nördlichen Seeufer des Weißensees - der naturschutzrechtlichen Beurteilung nicht gefolgt. Sie hat nämlich allein im Bereich der Parzellen 716/1 bis 460/4 (in dem die Parzelle 508/5 liegt) in mehr als 20 Fällen entgegen der fachlichen Beurteilung als Feuchtgebiet und damit entgegen der deklarierten Zielsetzung des Entwicklungsprogramms Parzellen weiterhin als "Grünland-Bad" gewidmet. Die von der Gemeinde im Bereich des Nordufers des Weißensees festgelegte Widmung führt dazu, daß inmitten von Grundstücken mit der Widmungs- und Nutzungsart "Grünland-Bad" Lücken mit der Widmungs- und Nutzungsart "Grünland für die Landwirtschaft" entstehen. Das durch die überörtliche Planung vorgegebene Ziel eines Schutzes der Uferflächen wird durch diese Vorgangsweise nicht erreicht.
Es ist zwar der Gemeinde im allgemeinen nicht verwehrt, und in besonderen Fällen sogar geboten, Grundflächen, die aus naturschutzrechtlichen Gründen nicht verbaut werden sollen, auch durch den Flächenwidmungsplan von einer Verbauung freizuhalten. Wenn die Gemeinde aber bei ihrer Flächenwidmung naturschutzrechtliche Gesichtspunkte berücksichtigt, so darf sie nicht nur punktuelle Maßnahmen der Flächenwidmung setzen, sondern muß diese Maßnahmen für Grundstücke, auf die dieselben natürlichen Gegebenheiten zutreffen (hier: Feuchtgebiete) großflächig setzen.
2.2. Der Verfassungsgerichtshof hat schon im Erkenntnis VfSlg. 13282/1992 (Flächenwidmungsplan Mauerbach) betreffend eine entschädigungslose Umwidmung von "Bauland-Wohngebiet" in "Grünland-Parkanlage" trotz Änderung der Planungsgrundlagen ausgesprochen, daß eine derartige Umwidmung dann rechtswidrig ist, wenn ihr keine entsprechende, auf das konkrete Grundstück bezogene Grundlagenforschung vorangegangen wäre oder wenn die bei der Auswahl der für eine Umwidmung in Betracht kommenden Grundstücke aus der Baulandreserve der Gemeinde notwendige Interessenabwägung fehlerhaft vorgenommen worden wäre.
Die Gemeinde Weißensee hat zwar die Entscheidung zur Umwidmung im Hinblick auf den oben angeführten Grundsatzbeschluß getroffen. Die vorgelegten Akten enthalten aber keinen Hinweis darauf, daß eine Abwägung der wirtschaftlichen Interessenlage des Grundeigentümers mit den für die Umwidmung sprechenden öffentlichen, insbesondere den naturschutzrechtlichen Interessen stattgefunden hätte. Die Entscheidung, nur jene bisher unbebauten Uferflächen mit der Widmung "Grünland-Bad" zu belassen, bei denen auf den dazugehörigen Bauparzellen Objekte errichtet werden, die diese Widmung rechtfertigten, stellt keine ausreichende Interessenabwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Freihaltung der Grundstücke und dem Interesse der Grundeigentümer an Badeparzellen am See dar.
3. Die vorläufigen Annahmen des Verfassungsgerichtshofes haben sich daher als zutreffend erwiesen, weshalb die Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Weißensee betreffend den Flächenwidmungsplan (beschlossen am 6. Dezember 1990 und in Kraft getreten am 18. Oktober 1991), soweit er für das Grundstück 508/5 der KG Techendorf die Widmungs- und Nutzungsart "Grünland für die Landwirtschaft" festlegt, als gesetzwidrig aufzuheben war.
4. Der Ausspruch über die Kundmachung stützt sich auf Art139 Abs5 B-VG.
5. Diese Entscheidung wurde in sinngemäßer Anwendung des §19 Abs4 erster Satz VerfGG 1953 in nichtöffentlicher Sitzung ohne vorangegangene mündliche Verhandlung getroffen.
Schlagworte
Raumordnung, FlächenwidmungsplanEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1999:V96.1998Dokumentnummer
JFT_10009697_98V00096_00