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62 Arbeitsmarktverwaltung;Norm
AlVG 1977 §36c Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Strohmayer und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des Dkfm. Dr. F in W, vertreten durch Gabler und Gibel, Rechtsanwalts -
Partnerschaft in 1010 Wien, Stallburggasse 4, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 30. Oktober 1998, Zl. LGSW/Abt. 10- AlV/1218/56/1998-226, betreffend Widerruf und Rückforderung von Notstandshilfe, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer beantragte am 1. Juni 1994 die Zuerkennung von Arbeitslosengeld. In den nachfolgenden Notstandshilfeanträgen vom 31. März 1995, 15. März 1996 und 21. April 1997 verneinte er unter anderem jeweils die Fragen nach einem Einkommen und nach der Ausübung einer selbstständigen Tätigkeit.
Mit Schreiben vom 19. November 1997 ersuchte die Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien das für den Beschwerdeführer zuständige Finanzamt für den 9., 18. und 19. Bezirk um Übermittlung des Einkommensteuerbescheides des Beschwerdeführers für das Jahr 1995, sollte dieser schon erlassen worden sein.
Nach Erhalt des Einkommensteuerbescheides für 1995 widerrief das Arbeitsmarktservice mit Bescheid vom 27. Jänner 1998 den Bezug der Notstandshilfe für den Zeitraum vom 4. Februar bis 30. November 1997 und verpflichtete den Beschwerdeführer zum Rückersatz von S 114.201,-- . Begründend wurde ausgeführt, das Einkommen des Beschwerdeführers sei laut Einkommensteuerbescheid 1995, den er gemäß § 36 c Abs. 5 AlVG nicht innerhalb von zwei Wochen nach seiner Erlassung vorgelegt habe, über der monatlichen Geringfügigkeitsgrenze gelegen. Auf Grund der neu zu ermittelnden Werte gelte der Beschwerdeführer nicht als arbeitslos.
In der dagegen erhobenen Berufung wendete der Beschwerdeführer im Wesentlichen ein, es sei unzulässig, sich für die Ermittlung der notwendigen gesetzlichen Voraussetzungen des Rückforderungsanspruches für den in Frage stehenden Zeitraum auf einen Einkommensteuerbescheid aus dem Jahre 1995 zu beziehen. Es sei weiter übersehen worden, dass das Einkommen im Einkommensteuerbescheid mit Null angegeben worden sei. Die Beträge, die positiv ausgewiesen seien, wie erstrittene Beendigungsansprüche und Gutschriften, wären für das Jahr 1995 relevant gewesen, seien jedoch für den Zeitraum 1997 rechtlich völlig irrelevant.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung (offensichtlich irrtümlich lediglich den Widerrufszeitraum von 24. Februar (statt 2. Februar) bis 30. November 1997 betreffend) keine Folge und führte begründend aus, zur Prüfung des Bestehens von Arbeitslosigkeit sei als Einkommensnachweis der Einkommensteuerbescheid über das zuletzt veranlagte Kalenderjahr heranzuziehen. Da sonstige Nachweise bzw. Erklärungen von Seiten des Beschwerdeführers nicht abgegeben worden seien und infolge der Bestreitung der selbstständigen Tätigkeit auch nicht verlangt werden könnten, stelle der zuletzt ergangene Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1995 vom 4. Februar 1997 den Einkommensnachweis im Sinne des § 36a Abs. 5 AlVG dar. Daraus ergebe sich ein Einkommen aus Gewerbebetrieb von S 95.810,--. Die als Verlustabzug mit S 1,174.418,-- angegebene Summe sei kein Abzugsposten im Sinne des § 36a AlVG, da der Verlustabzug unter § 18 Abs. 1 Z 7 EStG zu subsumieren sei und somit entgegen den Bestimmungen des § 2 Abs. 2 EStG gemäß § 36a Abs. 3 AlVG dem Einkommen zuzurechnen sei. Der Betrag von S 16.031,-- könne ebenfalls nicht in Abzug gebracht werden, da auch dieser Betrag eine Sonderausgabe im Sinne des § 18 Abs. 1 Z 4 EStG darstelle und somit ebenfalls in Anrechnung gebracht werden müsse. Anhand der anwendbaren Bestimmungen bestehe keine zeitliche Inkohärenz zwischen der Vermögensberechnung für das Jahre 1995 und dem Widerrufszeitraum des Jahres 1997. Mit Bescheiddatum 4. Februar 1997 sei der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1995 vorgelegen. Gemäß der Bestimmung des § 36c Abs. 6 AlVG in der für das Jahr 1997 anzuwendenden Fassung sei bei Leistungsbeziehern bei Nichtvorlage geeigneter Nachweise anzunehmen, dass sie kein geringfügiges Einkommen haben und somit ein Anspruch auf Notstandshilfe nicht bestehe. Da der Beschwerdeführer keine geeigneten Nachweise vorgelegt habe, wäre die Behörde erster Instanz gehalten gewesen, bei Kenntnis der selbstständigen Tätigkeit im Sinne des § 36c Abs. 6 AlVG vorzugehen und die Leistung der Notstandshilfe einzustellen. Infolge Fehlens dieser Kenntnis sei die Leistung nicht eingestellt, sondern ausbezahlt worden. Da neben der im § 36c Abs. 6 AlVG angestellten gesetzlichen Vermutung auch die oben angeführte Berechnung im Sinne des Gesetzes (Einkommensteuerbescheid des zuletzt veranlagten Kalenderjahres) einen Betrag über der Geringfügigkeitsgrenze ergeben habe, habe der ausbezahlte Notstandshilfebezug widerrufen und wegen der fehlenden verpflichtenden Meldungen rückgefordert werden müssen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Personen, deren Einkommen zur Feststellung eines Anspruches auf Leistungen nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz heranzuziehen ist, haben die erforderlichen Erklärungen und Nachweise auf Verlangen der regionalen Geschäftsstelle abzugeben bzw. vorzulegen (§ 36c Abs. 1 AlVG).
§ 36c Abs. 4 AlVG sieht für den Fall, dass der Arbeitslose seiner Mitwirkungspflicht im Ermittlungsverfahren nicht oder nicht ausreichend nachgekommen ist oder begründete Zweifel an der Richtigkeit der Angaben bestehen, die Kontaktaufnahme mit den zuständigen Abgabenbehörden zur Feststellung der für die Abgabenfestsetzung bedeutsamen Daten vor.
Gemäß § 36c Abs. 6 AlVG ist für den Leistungsbezieher kein geringfügiges Einkommen bzw. kein Anspruch auf Notstandshilfe anzunehmen, wenn er unter anderem keinen Einkommensteuerbescheid vorlegt.
Soweit die belangte Behörde ihre Entscheidung auch auf eine Verletzung der Mitwirkungspflicht des Beschwerdeführers stützt, bei deren Vorliegen kein geringfügiges Einkommen anzunehmen bzw. der Anspruch auf Notstandshilfe ausgeschlossen ist, übersieht sie, dass sie den Beschwerdeführer nicht zur Mitwirkung an der Klärung des Sachverhaltes aufgefordert hat. Sie hat ihm weder Gelegenheit gegeben, Nachweise für sein Einkommen zu erbringen, noch hat sie den Beschwerdeführer zum amtswegig beigeschafften Einkommensteuerbescheid für 1995 befragt (bei der Einvernahme vom 25. Juni 1998 wurde der Beschwerdeführer - zufolge der darüber aufgenommenen Niederschrift - lediglich allgemein zu seiner Tätigkeit im Unternehmen seines Bruders befragt) oder ihm die Möglichkeit geboten, aktuellere Urkunden vorzulegen. Hat die belangte Behörde dies unterlassen, durfte sie aber auch nicht davon ausgehen, dass der Beschwerdeführer seine Mitwirkungspflicht verletzt hat, und ein Einkommen des Beschwerdeführers fingieren, das die Geringfügigkeitsgrenze übersteigt (vgl. das Erkenntnis vom 16. Februar 1999, Zl. 96/08/0075).
In der Sache selbst macht der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde unter Vorlage des Einkommensteuerbescheides für das Jahr 1996 vom 21. Oktober 1997 im Wesentlichen geltend, dass im Zeitpunkt der Bescheiderlassung durch die belangte Behörde dieser Einkommensteuerbescheid bereits rechtskräftig vorgelegen sei, weshalb er für die Beurteilung heran zu ziehen gewesen wäre.
Soweit die belangte Behörde ihrer Einkommensberechnung und der daraus folgenden Rückforderung von im Jahre 1997 gewährter Notstandshilfe den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1995 zu Grunde gelegt hat, gleicht der Beschwerdefall in rechtlicher Hinsicht dem mit Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 98/08/0233, entschiedenen Fall, in dem der Verwaltungsgerichtshof die Auffassung vertreten hat, eine Rückforderung der (allenfalls auch formlos) zuerkannten Leistung dürfe bei Bekanntgabe eines (selbstständigen) Einkommens bei Stellung des Antrages auf Zuerkennung von Arbeitslosengeld und damit bei verpflichtender Vorlage des zeitgleichen Einkommensteuerbescheides gemäß § 36c Abs. 5 AlVG erst nach Vorliegen des endgültigen Einkommensteuerbescheides für das Jahr der Zuerkennung vorgenommen werden. Unabhängig von dieser Rückforderungsmöglichkeit erst nach Kenntnis des kongruenten Einkommensteuerbescheides sei eine Rückforderung des Arbeitslosengeldes auch dann statthaft, wenn ein solcher Bescheid noch nicht vorliegt, weil im Falle der Herbeiführung des Bezuges durch Verschweigung maßgebender Tatsachen mit dem Widerruf der Zuerkennung der Ersatz des unberechtigt Empfangenen aufzutragen ist. Die Unterlassung der Angabe eines (selbstständigen) Einkommens anlässlich der Stellung eines Antrages auf Zuerkennung von Arbeitslosengeld - der Beschwerdeführer hat im vorliegenden Fall die Frage nach einem Einkommen verneint - erfüllt den Rückforderungstatbestand (vgl. das Erkenntnis vom 15. Jänner 1987, Zl. 86/08/0006). Nähere Ausführungen dazu finden sich in der Begründung des genannten Erkenntnisses vom heutigen Tage, auf das gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird und aus dem sich auch die Geltung des § 36a Abs. 5 Z 1 AlVG idF BGBl. Nr. 297/1995 für den vorliegenden Fall ergibt.
Nach der insoweit maßgeblichen Rechtslage war für die Feststellung des Einkommens des Beschwerdeführers der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1996 heran zu ziehen. Indem die belangte Behörde bei der Rückforderung der Notstandshilfe für einen Zeitraum im Jahre 1997 ihrer Einkommensberechnung den Einkommensteuerbescheid für 1995 zu Grunde gelegt hat, hat sie ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001. Die Umrechnung der entrichteten Stempelgebühren beruht auf § 3 Abs. 2 Z 2 Eurogesetz, BGBl. I Nr. 72/2000.
Wien, am 30. Jänner 2002
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:1998080394.X00Im RIS seit
03.06.2002