TE Vfgh Erkenntnis 1999/3/3 V97/98

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Veröffentlicht am 03.03.1999
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Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8000 Raumordnung

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verordnung
B-VG Art10 Abs1 Z13
B-VG Art18 Abs2
Örtliches Raumordnungsprogramm der Marktgemeinde Schönkirchen-Reyersdorf 1993. Beschluß vom 17.02.94
Nö ROG 1976 §2 Abs4
Nö ROG 1976 §14 Abs2 Z14
Nö ROG 1976 §22 Abs1 Z2

Leitsatz

Keine Gesetzwidrigkeit der Widmung eines Schloßareals als "Grünland-erhaltenswerte Bauten" bzw "Grünland-Park" in einem örtlichen Raumordnungsprogramm angesichts der erfolgten Unterschutzstellung des Schlosses als Denkmal

Spruch

Die Verordnung des Gemeinderates der Marktgemeinde Schönkirchen-Reyersdorf betreffend das örtliche Raumordnungsprogramm 1993 (Beschluß des Gemeinderates vom 17. Februar 1994, genehmigt mit Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 18. Mai 1994, Z R/1-R-528/008, in Kraft getreten am 4. Juni 1994), wird, soweit damit für die zur EZ 610 Grundbuch 06020 Schönkirchen gehörenden Parzellen .221 und .222 die Widmungs- und Nutzungsart "Grünland-erhaltenswerte Bauten" und für das zur selben EZ gehörige Grundstück Nr. 223/1 die Widmungs- und Nutzungsart "Grünland-Park" festgesetzt wurden, nicht als gesetzwidrig aufgehoben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Beim Verfassungsgerichtshof ist zu B411/97 eine auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde anhängig, der folgender Sachverhalt zugrunde liegt:

1.1. Die Beschwerdeführer in diesem Verfahren sind Miteigentümer der Liegenschaft EZ 610 Grundbuch 06020 Schönkirchen, bestehend aus den Parzellen .221 und .222 (Schloß) und den Grundstücken Nr. 223/1 und 725/2 mit einer Gesamtfläche von 22.769 m2. Mit Schreiben vom 18. Juli 1995 beantragten sie gemäß §12 NÖ Bauordnung 1976 die Erklärung der Grundstücke .221, .222 und 223/1 im Gesamtausmaß von 20.934 m2 zum Bauplatz. Mit Bescheid vom 10. Jänner 1996 wies der Bürgermeister der Marktgemeinde Schönkirchen-Reyersdorf den Antrag mit der Begründung ab, daß für die genannten Grundstücke im Flächenwidmungsplan die Widmungs- und Nutzungsart "Grünland-Park" ausgewiesen sei. Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wies der Gemeinderat der Marktgemeinde Schönkirchen-Reyersdorf mit Bescheid vom 17. Juli 1996 als unzulässig zurück, weil die angefochtene Erledigung mangels leserlicher Beifügung des Namens des die Erledigung genehmigenden Bürgermeisters nicht als Bescheid anzusehen sei. Die Landesregierung wies die dagegen erhobene Vorstellung mit Bescheid vom 11. September 1996 ab.

1.2. Inzwischen hatten die Beschwerdeführer am 5. Juni 1996 einen Devolutionsantrag gemäß §73 Abs2 AVG eingebracht. Trotzdem hatte der Bürgermeister der Marktgemeinde Schönkirchen-Reyersdorf mit Bescheid vom 17. Juli 1996 den Antrag auf Bauplatzerklärung abgewiesen. Aufgrund der Berufung der Beschwerdeführer erklärte der Gemeinderat der Marktgemeinde Schönkirchen-Reyersdorf mit Bescheid vom 7. November 1996 den Bescheid des Bürgermeisters vom 17. Juli 1996 gemäß §68 Abs4 Z1 AVG für nichtig und wies den Antrag auf Bauplatzerklärung ab. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 10. Jänner 1997, Z RU1-V-96157/01, wies die Niederösterreichische Landesregierung die Vorstellung als unbegründet ab.

1.3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die zu B411/97 protokollierte Beschwerde, in der die Beschwerdeführer die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf Unversehrtheit des Eigentums sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm, nämlich des örtlichen Raumordnungsprogrammes der Marktgemeinde Schönkirchen-Reyersdorf, geltend machen und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehren.

2. Aus Anlaß dieser Beschwerde hat der Verfassungsgerichtshof am 15. Oktober 1998 beschlossen, gemäß Art139 Abs1 B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit der dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegenden Verordnung der Marktgemeinde Schönkirchen-Reyersdorf, betreffend das örtliche Raumordnungsprogramm 1993 (Beschluß des Gemeinderates vom 17. Februar 1994, genehmigt mit Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 18. Mai 1994, Z R/1-R-528/008, in Kraft getreten am 4. Juni 1994), soweit damit für die zur EZ 610 Grundbuch 06020 Schönkirchen gehörenden Parzellen .221 und .222 die Widmungs- und Nutzungsart "Grünland-erhaltenswerte Bauten" und für das zur selben EZ gehörige Grundstück Nr. 223/1 die Widmungs- und Nutzungsart "Grünland-Park" festgesetzt wurden, einzuleiten.

3. Die verordnungserlassende Marktgemeinde Schönkirchen-Reyersdorf hat eine Äußerung erstattet, in der sie die Gesetzmäßigkeit der in Prüfung gezogenen Verordnung verteidigt. Im wesentlichen wird die Umwidmung damit begründet, daß das gegenständliche Schloß samt Schüttkasten mit Bescheid des Bundesdenkmalamtes vom 1. August 1991 unter Denkmalschutz gestellt worden sei. Diese Unterschutzstellung rechtfertigte die vorgenommene Umwidmung.

4. Die Niederösterreichische Landesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie die Gesetzmäßigkeit der in Prüfung gezogenen Verordnung verteidigt. Sie führt im wesentlichen aus, daß bis zur Erstellung des räumlichen Entwicklungskonzeptes 1993 keinerlei Grundlagenforschung bestanden habe. Aus der Unterschutzstellung des Schlosses sowie des Schüttkastens durch das Bundesdenkmalamt könne ein Änderungsanlaß im Sinn des §22 Abs1 Z2 NÖ ROG 1976 abgeleitet werden. Der aus Gründen des Ensembleschutzes von der Baulandwidmung ausgenommene unmittelbar anschließende Parkbereich sei entsprechend den Leitzielen der örtlichen Raumordnung (§1 Abs2 Z3 litk NÖ ROG 1976) zur "Erhaltung und Entwicklung der besonderen Eigenart und kulturellen Ausprägung der Dörfer und Städte" erfolgt. "Im Hinblick auf die im Jahre 1991 erfolgte Unterschutzstellung (als Denkmal) hätte die Landesregierung für den Fall der Aufrechterhaltung der Widmung 'Bauland-Wohngebiet' sogar die aufsichtsbehördliche Genehmigung des örtlichen Raumordnungsprogrammes wegen Rechtswidrigkeit dieser Baulandwidmung versagen müssen."

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

Aus den Akten betreffend das Zustandekommen des örtlichen Raumordnungsprogrammes der Marktgemeinde Schönkirchen-Reyersdorf ergibt sich folgender Sachverhalt:

1. Im Textteil der Grundlagenforschung vom November 1993 ist im Kapitel "6.5. Der derzeit rechtskräftige Flächenwidmungsplan" ausgeführt:

"Die Marktgemeinde Schönkirchen Reyersdorf erhielt 1973 ihr erstes örtliches Entwicklungskonzept gemäß §10 NÖ Raumordnungsgesetz. Bis dahin galt für die Gemeinde ein vereinfachter Flächenwidmungsplan, der 1972 in beiden Katastralgemeinde(n) teilweise geändert wurde. Nach 1973 gab es Flächenwidmungsplanänderungen in der KG Reyersdorf: 1977, 1983

KG Schönkirchen: 1977, 1978, 1983."

Im Flächenwidmungsplan 1973 war für die Grundstücke .221, .222 und 223/1 die Widmungs- und Nutzungsart "Bauland-Wohngebiet" und für das Grundstück 725/2 die Widmungs- und Nutzungsart "Grünland-Landwirtschaft" festgelegt.

2. Im Kapitel "6.4. Denkmalschutz und Ortsbild" der Grundlagenforschung 1993 ist unter Punkt "6.4.2. Ortsbild" festgehalten:

"... (Der im) Gemeindebesitz befindliche Park und der dominante Schloßpark stellen die wenigen Grünelemente im Ortsbild der Marktgemeinde dar. Ansonsten ist kaum Straßengrün oder ein Vorgarten (zu) finden, der die Asphaltflächen etwas auflockert bzw. durchbricht. ..."

3. Das räumliche Entwicklungskonzept 1993 enthält zum Schloßareal folgende Aussagen:

Im Kapitel "2.2. Grünland" ist im Punkt

"2.2.1 Siedlungsbezogene öffentliche Grünflächen" festgehalten:

"... Die bestehenden Grünflächen im Gemeindegebiet wie Sportplatz, Freibad, Kinderspielplätze, Parkanlagen und Friedhöfe haben eine bedeutende soziale Funktion (Treffpunkt, Kommunikationszentren) und werden daher auch durch die im NÖ Raumordnungsgesetz 1976 vorgesehenen Widmungs- bzw. Nutzungsarten (Gp, Gsp, ...) rechtlich abgesichert.

Besondere(r) Wert wird auf die Ausweisung der Parkanlage um das Schloß in Schönkirchen als Grünland-Park (Gp) gelegt. Das darin befindliche Schloß und ein Nebengebäude werden als erhaltenswerte Gebäude im Grünland (Geb) ausgewiesen. ..."

Im Plan A ist im Teil "Problemanalyse" das Schloßareal als mit dem Planzeichen "unbedingt erhaltenswerte Landschafts- und/oder siedlungsgliedernde Grünelemente" gekennzeichnet.

Im Kapitel "3. Detailbeschreibung und Begründung der Abänderungen gegenüber dem bisherigen rechtskräftigen Flächenwidmungsplan" heißt es:

"... Von Bauland in Grünland rückgewidmet werden sollen nunmehr vor allem jene Wohnbaulandreserveflächen, welche aus den unten angeführten Gründen in absehbarer Zeit nicht verfügbar sind:

...

2) Grundstücke, die derzeit als Bauland gewidmet sind, deren bestehende Grünlandnutzung allerdings aus der Sicht des räumlichen Entwicklungskonzeptes unbedingt erhalten bleiben soll. Eine Sicherung der Flächen soll durch eine entsprechende Grünlandwidmung gewährleistet werden (z.B. Schloßpark in Schönkirchen - wichtige siedlungsgliedernde Grünfläche -> Widmung 'Gp')."

Die Aussage unter Punkt 2) wurde im räumlichen Entwicklungskonzept in der Fassung des Gemeinderatsbeschlusses vom 17. Februar 1994 wortgleich wiederholt, allerdings mit einer anderen Gliederungsbezeichnung (A2).

Im Entwurf des Flächenwidmungsplanes vom November 1993 wurde für das Grundstück 223/1 die Widmungs- und Nutzungsart "Grünland-Park", für die Parzellen .221 und .222 die Widmungs- und Nutzungsart "Grünland-erhaltenswerte Bauten" und für das Grundstück 725/1 die Widmungs- und Nutzungsart "Grünland-Landwirtschaft" festgelegt.

Der Entwurf des örtlichen Raumordnungsprogrammes wurde in der Zeit vom 13. Dezember 1993 bis 7. Februar 1994 im Gemeindeamt zur allgemeinen Einsicht aufgelegt. Im Planauflageverfahren haben die von der Umwidmung betroffenen Grundstückseigentümer keine Einwendungen erhoben.

Das örtliche Raumordnungsprogramm wurde vom Gemeinderat der Gemeinde Schönkirchen-Reyersdorf am 17. Februar 1994 beschlossen und von der Niederösterreichischen Landesregierung mit Bescheid vom 18. Mai 1994 aufsichtsbehördlich genehmigt. Es trat am 4. Juni 1994 in Kraft.

4. Die vorläufige Annahme des Verfassungsgerichtshofes, daß die Beschwerde zulässig ist und daß die belangte Behörde bei ihrer Entscheidung über den Antrag auf Bauplatzerklärung die in Prüfung gezogene Verordnung anzuwenden hatte und sie daher vom Verfassungsgerichtshof im Beschwerdeverfahren auch anzuwenden wäre, hat sich als zutreffend erwiesen.

5. Der Verfassungsgerichtshof hat im Beschluß über die Einleitung des Verordnungsprüfungsverfahrens seine Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit der genannten Verordnung wie folgt dargelegt:

"Die Beschwerdeführer verweisen zunächst auf §22 Abs1 NÖ ROG 1976, wonach ein örtliches Raumordnungsprogramm bei sonstiger Gesetzwidrigkeit u.a. 'wegen wesentlicher Änderungen der Grundlagen' hinsichtlich der umzuwidmenden Liegenschaften abgeändert werden dürfe. Mangels eines rechtlich fundierten Änderungsanlasses im Hinblick auf die hier in Frage stehenden Liegenschaften erweise sich die gegenständliche Flächenwidmungsplanänderung als mit dem Gesetz nicht vereinbar. Die Marktgemeinde Schönkirchen-Reyersdorf hielt dieser Argumentation entgegen, der Flächenwidmungsplan sei nicht geändert, sondern neu erlassen worden.

(...) §22 Abs1 NÖ ROG 1976, in der zum Zeitpunkt der Erlassung des örtlichen Raumordnungsprogrammes geltenden Fassung LGBl. 8000-8 lautete:

'...

(1) Ein örtliches Raumordnungsprogramm darf nur abgeändert werden:

1.

wegen eines rechtswirksamen Raumordnungsprogrammes des Landes oder anderer rechtswirksamer überörtlicher Planungen,

2.

wegen wesentlicher Änderung der Grundlagen oder

3.

wegen Löschung des Vorbehaltes. ...'

Von seinem Wortlaut her scheint §22 Abs1 NÖ ROG 1976 nur die förmliche Abänderung eines bestehenden örtlichen Raumordnungsprogrammes durch die drei genannten inhaltlichen Kriterien zu beschränken. Betrachtet man jedoch Sinn und Zweck der Regelung, einem Flächenwidmungsplan im Interesse der Rechtssicherheit erhöhte Bestandskraft zuzumessen und die Abänderung einer einmal erfolgten Planung nicht zuletzt im Interesse der auf diese Planung vertrauenden Grundeigentümer gewissen Beschränkungen zu unterwerfen, so scheint sich daraus zu ergeben, daß die Voraussetzungen des §22 Abs1 leg. cit. auch für den Fall zutreffen müssen, daß ein bestehender Flächenwidmungsplan aufgehoben und durch einen neuen Flächenwidmungsplan mit einer geänderten Widmung ersetzt wird (vgl. im übrigen VfSlg. 13306/1992 zum OÖ Raumordnungsgesetz und VfSlg. 14143/1995 zum Kärntner Gemeindeplanungsgesetz). Andernfalls hätte es der Gemeindeverordnungsgeber in der Hand, durch Wahl der legistischen Technik die im Interesse der Rechtssicherheit erforderlichen Voraussetzungen für die Abänderung eines Raumordnungsprogrammes zu umgehen.

(...) Der Verfassungsgerichtshof nimmt vorläufig an, daß die Voraussetzungen des §22 Abs1 NÖ ROG 1976 nicht erfüllt sind:

Das Hauptargument für die Grünlandwidmung scheint nach der Grundlagenforschung darin gelegen zu sein, daß der Schloßpark neben dem im Gemeindebesitz befindlichen Park eines der wenigen Grünelemente im Ortsbild der Marktgemeinde darstellt. Die Festlegung der Widmungs- und Nutzungsarten 'Grünland-Park' (für den Schloßpark) und 'Grünland-erhaltenswerte Bauten' (für die auf dem Areal bestehenden Gebäude) sollte offenbar die Erhaltung des Schloßparks als siedlungsgliederndes Grünelement sicherstellen. Denn gemäß §19 Abs4 NÖ ROG 1976 dürfen im Grünland Neu-, Zu- und Umbauten nur errichtet werden, wenn sie für eine Nutzung nach Abs2 (in concreto: für eine Nutzung als Parkanlage) erforderlich sind. Aus §19 Abs5 NÖ ROG 1976 in der Fassung der ROG-Novelle 1995 (LGBl. 8000-10) ergeben sich außerdem Beschränkungen der Verbauung von Grundflächen für erhaltenswerte Bauten im Grünland.

Der Verfassungsgerichtshof geht vorläufig davon aus, daß sich die Grundlagen über die Grünraumausstattung der Gemeinde seit Erlassung des örtlichen Raumordnungsprogrammes vom 14. August 1973 nicht geändert haben. Wenn nun die Gemeinde im Jahr 1973 im Flächenwidmungsplan im Rahmen ihres Planungsermessens die Entscheidung zu Gunsten einer Baulandwidmung des Schloßparks getroffen hat, so dürfte es ihr - ohne wesentliche Änderung der Grundlagen - gemäß §22 Abs1 NÖ ROG 1976 verwehrt gewesen sein, diese Entscheidung zugunsten einer Freihaltung des Schloßparks von einer Wohnbebauung zu korrigieren.

Dazu kommt, daß die Änderung der Widmung von 'Bauland-Wohngebiet' in 'Grünland-Park' und 'Grünland-erhaltenswerte Bauten' für die Eigentümer dieser Grundstücke mit erheblichen Nutzungseinschränkungen und mit einer erheblichen Wertminderung dieser Grundstücke verbunden sein dürfte. Diesen Interessen der Grundeigentümer dürfte das erkennbare Interesse der Gemeinde gegenüberstehen, den der Baulandreserve zugerechneten Schloßpark als siedlungsgliederndes Grünraumelement zu erhalten.

Im Erkenntnis VfSlg. 13282/1992 (betreffend den Flächenwidmungsplan Mauerbach) hat der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, daß die Umwidmung von Bauland in Grünland unter anderem dann rechtswidrig ist, wenn die bei der Auswahl der für eine Umwidmung in Betracht kommenden Grundstücke aus der Baulandreserve notwendige Interessenabwägung fehlerhaft vorgenommen wurde. Dabei sind die Interessen der Gemeinde an der bestmöglichen Anordnung und Gliederung des Baulandes sowie der Erhaltung des Grünlandes einerseits gegenüber dem Interesse an einer Baulandnutzung infrastrukturell entsprechend aufgeschlossener Flächen (durch die der Gefahr der Zersiedelung begegnet wird) und den wirtschaftlichen Interessen der Grundstückseigentümer und -nutzer andererseits gehörig abzuwägen. Die zuletzt genannten Interessen sind im Falle der Umwidmung freilich nur soweit zu berücksichtigen, als sie durch Entschädigungsregelungen nicht gesondert behandelt und abgegolten werden.

Der Verfassungsgerichtshof geht vorläufig davon aus, daß die Gemeinde eine derartige Interessenabwägung überhaupt nicht vorgenommen hat. Die Umwidmung scheint daher dem Gleichheitssatz zu widersprechen, zumal §24 des NÖ ROG 1976 in der Fassung vor der ROG-Novelle 1995 (LGBl. 8000-9) für eine Umwidmung nur den Ersatz jener Aufwendungen vorsah, die der Grundeigentümer im Hinblick auf die bisherige Widmungs- oder Nutzungsart tatsächlich getätigt hat."

6. Der Gemeinderat der Marktgemeinde Schönkirchen-Reyersdorf, der die Verordnung erlassen hat, hält diesen Bedenken im wesentlichen folgendes entgegen:

"Gemäß §2 Abs4 NÖ ROG 1976 hat die Gemeinde den Zustand des Gemeindegebietes durch Untersuchung der gegebenen naturräumlichen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen, Gegebenheiten zu erforschen sowie deren Veränderungen ständig zu beobachten.

Mit Bescheid des Bundesdenkmalamtes vom 1.8.1991 wurde festgestellt, daß die Erhaltung des Schlosses Schönkirchen samt Schüttkasten in Schönkirchen, Gänserndorfer Straße 2, Gem. Schönkirchen-Reyersdorf, Ger. u. Verw.Bez. Gänserndorf, Niederösterreich, Gdst.Nr. 222 EZ 610 (Schloß), und Gdst.Nr. 224, EZ 739 (Schüttkasten), je KG Schönkirchen gemäß §§1 und 3 des Bundesgesetzes vom 25. September 1923, BGBl. Nr. 533/23 (Denkmalschutzgesetz), in der Fassung der Bundesgesetze BGBl. Nr. 92 / 1959, 167 / 1978 und 473 / 1990, im öffentlichen Interesse gelegen ist, und diese Objekte unter Denkmalschutz gestellt wurden. Begründet wurde dies damit, daß gemeinsam mit dem ursprünglich zum Schloß gehörenden spätbarocken Speicher das Schloß ein imponierendes Ensemble eines historisch gewachsenen repräsentativen Landsitzes bildet.

Daß der Denkmalschutz durchaus ein Kriterium bei der Erlassung bzw. Änderung des Flächenwidmungsplanes einer Gemeinde darstellt, ergibt sich aus §15 Abs2 Z. 2 leg. cit., wonach Flächen für Objekte unter Denkmalschutz im Flächenwidmungsplan kenntlich zu machen sind. Da es sich im vorliegenden Fall um ein 'Ensemble' handelt, ist wohl alles zu unterlassen, was den Eindruck eines Ensembles stören könnte, z.B. also Bauten in unmittelbarer Nähe des Denkmals.

Da sich durch die Unterschutzstellung des Schlosses samt Schüttkasten aufgrund des Bescheides des Bundesdenkmalamtes vom 1.8.1991 die kulturellen Gegebenheiten im Sinn des §2 Abs4 NÖ ROG 1976 geändert haben, war sohin die Marktgemeinde Schönkirchen-Reyersdorf berechtigt, die gegenständliche Umwidmung vorzunehmen. Gemäß §22 NÖ ROG lagen darüberhinaus aufgrund der Unterschutzstellung des Schlosses nach dem Denkmalschutzgesetz auch die Voraussetzungen für die Umwidmung in objektiver Hinsicht zum Zeitpunkt der Erlassung des neuen örtlichen Raumordnungsprogrammes 1993 (Beschlußfassung durch den Gemeinderat in der Sitzung am 17.2.1994) vor.

Namens der Marktgemeinde Schönkirchen-Reyersdorf wird ferner darauf hingewiesen, daß gem. §2 Abs3 der Verordnung, mit dem das gegenständliche örtliche Raumordnungsprogramm 1993 erlassen wurde, als eines der Ziele der örtlichen Raumordnung die 'Erhaltung- bzw. Verbesserung des Erlebniswertes des Landschafts- und Ortsbildes' festgelegt wurde.

In diesem Sinn hat der Gemeinderat der Marktgemeinde Schönkirchen-Reyersdorf im Textteil der Grundlagenforschung vom November 1993 im Kapitel '6.4. Denkmalschutz und Ortsbild' und zwar unter Punkt '6.4.2. Ortsbild' auch ausdrücklich auf den 'dominanten Schloßpark' als eines der wenigen Grünelemente im Ortsbild abgestellt. Dies deshalb, weil der Gemeinderat der Marktgemeinde Schönkirchen-Reyersdorf zum Zeitpunkt der Erstellung des räumlichen Entwicklungskonzeptes 1993 in Kenntnis des Bescheides des Bundesdenkmalamtes vom 1.8.1991 war. Dieser Bescheid wurde der Marktgemeinde Schönkirchen-Reyersdorf am 20.8.1991 zugestellt. Des weiteren wurde die Marktgemeinde Schönkirchen-Reyersdorf mit Nachricht des Bundesdenkmalamtes vom 10.12.1991, eingelangt bei der Marktgemeinde am 13.12.1991, davon informiert, daß der Bescheid vom 1.8.1991 in Rechtskraft erwachsen ist.

Aus allen diesen Ausführungen ist erkennbar davon auszugehen, daß es der Marktgemeinde Schönkirchen-Reyersdorf durch die vorgenommene Umwidmung nicht bloß nur um die Erhaltung des Schloßparkes als siedlungsgliederndes Grünelement ging, sondern daß der Schloßpark, worunter von der Marktgemeinde Schönkirchen-Reyersdorf erkennbar das gesamte Ensemble (nämlich das Schloß, der Schüttkasten und der aufgrund des Altbaumbestandes im Vordergrund stehende Schloßpark an sich, welche Elemente zusammen ein imponierendes Ensemble eines historisch gewachsenen repräsentativen Landsitzes darstellen) gemeint war. Der angestrebte Zweck der Erhaltung bzw. Verbesserung des Ortsbildes ist sohin nicht nur durch den Schloßpark an sich, sondern durch die Wirkung aller Elemente des Schloßparkes einschließlich des Schlosses und seines Umfeldes (Schüttkasten, Soldatenfriedhof und markanter alter Baumbestand) begründet. Durch die dominante Grünkulisse um das Schloß wurde allerdings in der Terminologie lediglich der Begriff Schloßpark verwendet, ohne aber damit das Schloß und den Schüttkasten (erst aus allen Elementen zusammen ergibt sich das unter Denkmalschutz stehende Ensemble) erkennbar auszuschließen.

Auch die Erhaltung des vorhandenen markanten und alten Baumbestandes liegt im öffentlichen Interesse im Sinne des Ortsbildschutzes. Schließlich ist auch darauf hinzuweisen, daß sich im Schloßpark Kriegsgräber für gefallene Soldaten des 1. und 2. Weltkrieges (insbesondere aus Rußland bzw. aus der vormaligen Sowjetunion) befinden. Diesbezüglich besteht auch ein Denkmal mit zyrillischen Inschriften.

Abschließend führt der Gemeinderat der Marktgemeinde Schönkirchen-Reyersdorf aus, daß die Beschwerdeführer nicht nur keine Einwendungen gegen den Entwurf des örtlichen Raumordnungsprogrammes erhoben haben, sondern daß nach den Wahrnehmungen des vormaligen Gemeindeobersekretärs, Herrn F. M., die Beschwerdeführerin L. in der Zeit, in der der Entwurf des örtlichen Raumordnungsprogrammes im Gemeindeamt zur allgemeinen Einsicht aufgelegt war, auch in den Entwurf Einsicht genommen hat."

7. Der Verfassungsgerichtshof vermag seine im Prüfungsbeschluß geäußerten Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit der in Prüfung gezogenen Verordnung nicht aufrechtzuerhalten.

Aus den Verwaltungsakten ergibt sich, daß weder den vereinfachten Flächenwidmungsplänen 1970 und 1972 noch dem örtlichen Raumordnungsprogramm 1973 eine ausreichende Grundlagenforschung zugrunde lag. Selbst wenn sich die Grundlagen über die Grünraumausstattung der Gemeinde seit der Erlassung des örtlichen Raumordnungsprogrammes vom 14. August 1973 nicht geändert haben sollten, so konnte die Gemeinde eine durch ausreichende Grundlagen gesicherte Planentscheidung zugunsten einer Grünlandwidmung des Schloßareals erst auf Grundlage der Erarbeitung des räumlichen Entwicklungskonzeptes im Jahr 1993 treffen. Der Verfassungsgerichtshof geht davon aus, daß die seinerzeitige Baulandwidmung eine unreflektierte Fortschreibung des Altbestandes darstellt und daß die Gemeinde das ihr zukommende Planungsermessen erstmals anläßlich der Beschlußfassung über das örtliche Raumordnungsprogramm 1993 ausgeübt hat.

Im Textteil der Grundlagenforschung vom November 1993 findet sich zwar im Kapitel "6.4. Denkmalschutz und Ortsbild" folgender Satz: "Das Schloß in Schönkirchen, welches gleichzeitig mit der Kirche erbaut wurde, ist kein denkmalgeschützter Bau". Dies ist jedoch evident unrichtig: Denn mit Bescheid vom 1. August 1991 erfolgte die Unterschutzstellung des Schlosses und des Schüttkastens als Denkmal, ein Umstand, der dem Gemeinderat bekannt und anläßlich der Beschlußfassung über das örtliche Raumordnungsprogramm zu berücksichtigen war. Das Argument des Gemeinderates, die Unterschutzstellung stelle eine Änderung der kulturellen Gegebenheiten iSd §2 Abs4 NÖ ROG 1976 dar und rechtfertige eine Umwidmung, trifft daher zu. Der Verfassungsgerichtshof kommt zu dem Ergebnis, daß die Änderung der Rechtslage durch die Unterschutzstellung des Schlosses einen Änderungsanlaß im Sinne des §22 Abs1 Z2 NÖ ROG 1976 darstellte.

Schließlich trifft auch das weitere Bedenken, die Gemeinde habe bei der Auswahl der für eine Umwidmung in Betracht kommenden Grundstücke aus der Baulandreserve die notwendige Interessenabwägung nicht gehörig vorgenommen, nicht zu. Der Gemeinderat hat aus der Baulandreserve nicht irgendein Grundstück herausgegriffen und umgewidmet, sondern er hat die Grundstücke der Beschwerdeführer des Anlaßbeschwerdeverfahrens in Befolgung der Planungsrichtlinie des §14 Abs2 Z14 NÖ ROG 1976 (Wahrung der äußeren baulichen Erscheinungsform von historisch oder künstlerisch wertvollen Gemeindegebieten oder Teilen derselben) für die Umwidmung ausgewählt.

Wenn schließlich der Gemeinderat das öffentliche Interesse an der Erhaltung des Schloßareals höher bewertet hat als das wirtschaftliche Interesse der Grundstückseigentümer, so hält der Verfassungsgerichtshof die Grünlandwidmung deswegen nicht für gleichheitswidrig, weil sie sich geradezu als notwendige raumordnungsrechtliche Ergänzungsmaßnahme der Unterschutzstellung der Gebäude nach dem Denkmalschutzgesetz darstellt. Dem Bund ist es nämlich verwehrt, unter Inanspruchnahme der Denkmalschutzkompetenz gemäß Art10 Abs1 Z13 B-VG Regelungen betreffend Parkanlagen und sonstige derartige Erscheinungsformen der gestalteten Natur zu erlassen (vgl. VfSlg. 4680/1964).

8. Die Verordnung des Gemeinderates der Marktgemeinde Schönkirchen-Reyersdorf betreffend das örtliche Raumordnungsprogramm 1993 (Beschluß des Gemeinderates vom 17. Februar 1994, genehmigt mit Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 18. Mai 1994, Z R/1-R-528/008, in Kraft getreten am 4. Juni 1994), war daher, soweit damit für die zur EZ 610 Grundbuch 06020 Schönkirchen gehörenden Parzellen .221 und .222 die Widmungs- und Nutzungsart "Grünland-erhaltenswerte Bauten" und für das zur selben EZ gehörige Grundstück Nr. 223/1 die Widmungs- und Nutzungsart "Grünland-Park" festgesetzt wurden, nicht als gesetzwidrig aufzuheben.

9. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG 1953 in nichtöffentlicher Sitzung ohne vorangegangene mündliche Verhandlung getroffen werden.

Schlagworte

Raumordnung, Flächenwidmungsplan, Kompetenz Bund - Länder Denkmalschutz

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1999:V97.1998

Dokumentnummer

JFT_10009697_98V00097_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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