TE Vwgh Erkenntnis 2002/1/31 99/20/0314

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Veröffentlicht am 31.01.2002
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski und Dr. Sulzbacher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, über die Beschwerde der A in G, geboren am 18. November 1980, vertreten durch Mag. Heinz Bauer, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Wielandgasse 14-16/6, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 8. März 1999, Zl. 207.392/0- XI/33/99, betreffend §§ 7 und 8 Asylgesetz (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige von Nigeria, reiste am 28. April 1998 in das Bundesgebiet ein und beantragte am 29. April 1998 Asyl. Bei ihrer Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 30. April 1998 gab sie im Wesentlichen an, ihr Vater und ihre Schwester hätten für die UNCP gearbeitet und seien deshalb am 31. Jänner 1998 ermordet worden. Durch die Tätigkeit des Vaters sei die gesamte Familie gefährdet gewesen. Die Beschwerdeführerin, die wegen der Teilnahme an Demonstrationen schon im Dezember 1997 vom weiteren Studium an der Universität ausgeschlossen worden sei, sei nach dem Tod ihres Vaters weiterhin unter Bewachung gestanden. Die Mutter der Beschwerdeführerin habe befürchtet, dass dieser dasselbe geschehen könnte wie ihrer Schwester und ihrem Vater. Bei deren Ermordung habe es sich um einen genau geplanten Anschlag (dem Zusammenhang nach: des Militärs) gehandelt. Die Beschwerdeführerin habe sich auf Rat ihres Onkels in ein Spital einweisen lassen, von wo aus ihr der Onkel zur Flucht verholfen habe. Sie habe Angst davor, im Falle einer Rückkehr nach Nigeria getötet zu werden, könne aber nicht angeben, welche Pläne das Militär mit ihr habe.

Das Bundesasylamt wies mit Bescheid vom 17. Dezember 1998 den Antrag der Beschwerdeführerin gemäß § 7 AsylG ab und stellte gemäß § 8 AsylG fest, die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführerin nach Nigeria sei zulässig. Diese Entscheidung stützte das Bundesasylamt darauf, dass die Angaben der Beschwerdeführerin aus näher dargestellten Gründen nicht glaubwürdig seien, sich aus der Entwicklung in Nigeria seit dem Tod des Militärmachthabers Abacha im Juni 1998 aber auch bei Zugrundelegung ihrer Angaben nicht ergebe, dass sie im Falle ihrer Rückkehr nach Nigeria staatliche Verfolgung zu erwarten hätte.

Diesen Ausführungen trat die Beschwerdeführerin in ihrer Berufung gegen den Bescheid des Bundesasylamtes Punkt für Punkt entgegen, wobei sie u.a. hervorhob, die Politik in ihrem Heimatland sei "immer auf die gesamte Familie ausgedehnt", auch wenn dies nicht "vernünftig" erscheine, und den Antrag stellte, über den Tod ihres Vaters, der ein ranghoher Politiker der UNCP gewesen sei, behördliche Ermittlungen anzustellen.

Die belangte Behörde brachte der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 27. Jänner 1999 und 19. Februar 1999 Ermittlungsergebnisse über die Entwicklung der allgemeinen Lage in Nigeria zur Kenntnis. Die Beschwerdeführerin erwiderte mit Schreiben vom 8. Februar 1999 bzw. 1. März 1999, sie könne die ihr vorgehaltene Einschätzung der Lage nicht teilen.

Mit dem angefochtenen, ohne Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung erlassenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin gemäß § 7 AsylG ab und stellte gemäß § 8 AsylG fest, die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführerin nach Nigeria sei zulässig. Diese Entscheidung gründete die belangte Behörde im Wesentlichen darauf, dass die Angaben der Beschwerdeführerin aus den schon vom Bundesasylamt dargestellten Gründen nicht glaubwürdig seien. Zur Bestreitung dieser Beweiswürdigung und der schon vom Bundesasylamt aus dem Tod Abachas gezogenen Schlüsse merkte die belangte Behörde nur an, die Berufungsausführungen hätten "das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens, die Erwägungen und die rechtliche Beurteilung der Erstinstanz" nicht "erschüttern" können. Auf Grund der festgestellten Änderung der Lage in Nigeria seien "insbesondere asylrelevante Verfolgungen nach Ansicht des UNHCR auszuschließen". Ermittlungen über den Tod des Vaters der Beschwerdeführerin seien "auf Grund der Würdigung des Vorbringens der Asylwerberin als unglaubwürdig und auf Grund der Tatsache, dass keine asylrelevante Verfolgung vorlag und auch nunmehr vorliegt", nicht nötig.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Die Beschwerdeführerin hält auch in der Beschwerde daran fest, dass ihr Vorbringen glaubwürdig sei, die belangte Behörde zu weiteren Ermittlungen verpflichtet gewesen wäre und die im angefochtenen Bescheid aus der Entwicklung in Nigeria gezogenen Schlüsse nicht zu teilen seien. Davon ausgehend kann der angefochtene Bescheid der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle schon im Hinblick auf die Verletzung der Verhandlungspflicht wegen der konkreten Bestreitung der erstinstanzlichen Beweiswürdigung in der Berufung und wegen der von der belangten Behörde im Berufungsverfahren gepflogenen Ermittlungen nicht standhalten (vgl. zur Verhandlungspflicht die inzwischen ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Anschluss an die Erkenntnisse vom 11. November 1998, Zl. 98/01/0308, und vom 21. Jänner 1999, Zl. 98/20/0339). Hinzu kommt, dass sich die belangte Behörde über die punkteweise Bestreitung der erstinstanzlichen Beweiswürdigung durch die Beschwerdeführerin mit einer allgemein gehaltenen Bemerkung hinweggesetzt hat, die Aussage der belangten Behörde, asylrelevante Verfolgungen seien "nach Ansicht des UNHCR auszuschließen", weit über das hinausgeht, was sich aus dem zugrundegelegten Schreiben des UNHCR vom 16. Februar 1999 schlüssig ableiten lässt, und die Begründung der belangten Behörde für die Abstandnahme von Ermittlungsversuchen in Bezug auf den Tod des Vaters der Beschwerdeführerin schon voraussetzt, dass das Vorbringen der Beschwerdeführerin nicht wahr ist.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 31. Jänner 2002

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:1999200314.X00

Im RIS seit

17.04.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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