Index
41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1997 §12;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Sulzbacher, Dr. Grünstäudl und Dr. Berger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, über die Beschwerde des Bundesministers für Inneres gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 29. März 1999, Zl. 200.056/0-V/13/98, betreffend §§ 7 und 12 Asylgesetz (mitbeteiligte Partei: M, geboren am 14. April 1975, derzeitiger Aufenthalt unbekannt), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Begründung
Der Mitbeteiligte, ein Staatsangehöriger von Kamerun, reiste am 7. Februar 1996 in das Bundesgebiet ein und beantragte am 12. Februar 1996 Asyl. Bei seinen Einvernahmen vor dem Bundesasylamt am 12. Februar 1996 und am 21. März 1996 begründete er seinen Antrag im Wesentlichen damit, dass er auf Grund seiner führenden Teilnahme an einer Versammlung der SDF in Limbe am 5. Oktober 1995 verhaftet worden sei. Auf Grund gesundheitlicher Schäden, die er durch die schlechten Haftbedingungen erlitten habe, sei er nach Intervention eines anderen Mitgliedes der SDF am 20. Jänner 1996 in ein Krankenhaus überstellt worden, das er am 5. Februar 1996 habe verlassen dürfen. Danach habe er auf Grund der Mitteilung seines Parteifreundes, dass seine neuerliche Inhaftierung beabsichtigt sei, dem Rat dieses Parteifreundes folgend das Land verlassen.
Mit Bescheid vom 19. April 1996 wies das Bundesasylamt den Asylantrag gemäß § 3 des Asylgesetzes 1991 ab, wobei es nicht davon ausging, dass die Angaben des Mitbeteiligten nicht glaubhaft seien. Ausgehend von der grundsätzlichen Richtigkeit dieser Angaben (im Besonderen hinsichtlich der Inhaftierung vom 5. Oktober 1995 bis zum 20. Jänner 1996) wurde dem Mitbeteiligten - abgesehen von der Annahme, er sei schon in England vor Verfolgung sicher gewesen - vielmehr entgegen gehalten, die von ihm dargestellten Umstände seien nicht als Indiz für eine ihm drohende im Sinne der Flüchtlingskonvention relevante Verfolgung zu werten.
In seiner Berufung gegen diese Entscheidung wandte sich der Mitbeteiligte im Einzelnen gegen die Begründung dieser Ansicht durch das Bundesasylamt, wobei er mit der Berufung sowie mehreren beim Bundesminister für Inneres als damals zuständiger Berufungsbehörde eingebrachten Berufungsergänzungen eine Reihe u. a. sein persönliches Verfolgungsschicksal betreffender Urkunden vorlegte. Dass die Berufungsergänzungen und die mit ihnen vorgelegten Urkunden dem Bundesasylamt im weiteren Verlauf des Berufungsverfahrens zur Kenntnis gebracht wurden, geht aus den vorgelegten Verwaltungsakten nicht hervor.
Mit dem angefochtenen - ohne Durchführung einer Berufungsverhandlung erlassenen - Bescheid gab die (gemäß § 44 Abs. 1 AsylG zuständig gewordene) belangte Behörde der Berufung des Mitbeteiligten Folge. Sie gewährte dem Mitbeteiligten gemäß § 7 AsylG Asyl und stellte gemäß § 12 AsylG fest, dem Mitbeteiligten komme damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zu. In der Begründung dieser Entscheidung stützte sich die belangte Behörde u.a. auf die vom Mitbeteiligten mit der Berufung und den Berufungsergänzungen vorgelegten Urkunden, in denen sie eine zusätzliche Bestätigung der Glaubwürdigkeit der Angaben des Mitbeteiligten und unbedenkliche Hinweise darauf sah, dass dem Mitbeteiligten im Falle seiner Rückkehr nach Kamerun massive Verfolgung auf Grund seiner politischen Gesinnung drohe.
Dagegen richtet sich die vorliegende Amtsbeschwerde des Bundesministers für Inneres, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Der Amtsbeschwerde ist zunächst entgegenzuhalten, dass die belangte Behörde nicht etwa, wovon die Amtsbeschwerde aber auszugehen scheint, in Bezug auf die Glaubwürdigkeit des erstinstanzlichen Vorbringens des Mitbeteiligten eine vom Bescheid des Bundesasylamtes abweichende Beweiswürdigung vorgenommen hat. Es trifft aber zu, dass die belangte Behörde auf der Grundlage dieses in der Berufung ergänzten Vorbringens und der im Berufungsverfahren vorgelegten Beweismittel zu einer anderen Verfolgungsprognose gelangt ist, dass schon angesichts des Vorbringens in der Berufung und der neuen, für die Entscheidung nicht belanglosen Beweismittel eine mündliche Berufungsverhandlung durchzuführen gewesen wäre und dass dem Bundesasylamt zu den in den Berufungsergänzungen vorgelegten Urkunden kein Parteiengehör gewährt wurde (vgl. zur Verhandlungspflicht die inzwischen ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Anschluss an die Erkenntnisse vom 11. November 1998, Zl. 98/01/0308, und vom 21. Jänner 1999, Zl. 98/20/0339). Zur Relevanz der in der Amtsbeschwerde in dieser Hinsicht aufgezeigten Verfahrensfehler wird vom Beschwerdeführer nachvollziehbar dargestellt, welche konkreten Einwände gegen die Echtheit der im Berufungsverfahren vorgelegten Urkunden das Bundesasylamt in der Berufungsverhandlung vorgetragen hätte. Ein Zutreffen dieser Argumente hätte nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes nicht nur die Verfolgungsprognose auf Grund des Vorbringens des Mitbeteiligten, sondern schon die - in der vorliegenden Form allerdings nicht unschlüssige - Beurteilung der Glaubwürdigkeit seiner Angaben wesentlich beeinflussen können.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Wien, am 31. Jänner 2002
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:1999200240.X00Im RIS seit
17.04.2002