Index
E3L E09301000;Norm
31977L0388 Umsatzsteuer-RL 06te Art17 Abs2;Beachte
Vorabentscheidungsverfahren:* Vorabentscheidungsantrag:98/15/0136 B 22. September 1999 * EuGH-Entscheidung: EuGH 61999CJ0409 8. Januar 2002Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Karger und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zehetner, über die Beschwerde des M in L, vertreten durch Dr. Bernd A. Oberhofer, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Schöpfstraße 6b, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Vorarlberg vom 8. März 1999, Zl. RV 584/1-V6/98, betreffend Umsatzsteuer 1996, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von 1.089,68 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer beantragte in der Umsatzsteuererklärung für das Jahr 1996 den Abzug von Vorsteuern für den Betrieb eines Kraftfahrzeuges der Marke "Fiat Ulysse". Er führte dazu aus, bekanntlich sei "der Vorsteuerabzug aus Kleinbuskosten durch das Sparpaket 1996 eingeschränkt bzw. weggefallen". Aufgrund von "EU-Vorschriften" bestünden Bedenken gegen die Einschränkungen des Vorsteuerabzuges. Der Beschwerdeführer berufe sich auf die Mehrwertsteuerrichtlinie der EU und mache den Vorsteuerabzug für den Kleinbus "Fiat Ulysse" weiter geltend.
Nachdem das Finanzamt im Bescheid vom 1. Dezember 1997 den Vorsteuerabzug versagt hatte, gab die belangte Behörde der Berufung mit dem angefochtenen Bescheid keine Folge. Die belangte Behörde führte dazu in der Begründung aus, dass die im § 12 Abs. 2 Z 2 lit. c UStG 1972 bzw. § 12 Abs. 2 Z 2 lit. b UStG 1994 gebrauchten Begriffe "Personen- und Kombinationskraftwagen" in der Verordnung BGBl 273/1996 neu definiert würden. Diese Neudefinition sei im Hinblick auf die bisherige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erforderlich gewesen. Auch wenn das streitgegenständliche Kraftfahrzeug aufgrund der Definition des Begriffes "Kleinbus" in der angesprochenen Verordnung nun nicht mehr unter diesen Begriff falle, könne darin kein Verstoß gegen EU-Vorschriften gesehen werden. Die zitierte Verordnung konkretisiere nämlich nur den zugrunde liegenden § 12 Abs. 2 Z 2 lit b UStG 1994. Eine unzulässige Erweiterung des Vorsteuerausschlusses im Sinne des Art 17 Abs. 6 der 6. USt-RL liege nicht vor.
In der Beschwerde erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht auf Geltendmachung der Vorsteuer bezüglich des Fahrzeuges "Fiat-Ulysse" gemäß der 6. USt-RL, insbesondere Art 17 Abs. 6 und 7, verletzt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Lieferungen und sonstige Leistungen, die im Zusammenhang mit der Anschaffung, Miete oder dem Betrieb von Personenkraftwagen, Kombinationskraftwagen oder Krafträdern stehen (ausgenommen Fahrschulkraftfahrzeuge, Vorführkraftfahrzeuge und Kraftfahrzeuge, die ausschließlich zur gewerblichen Weiterveräußerung bestimmt sind, sowie Kraftfahrzeuge, die zu mindestens 80 % dem Zweck der gewerblichen Personenbeförderung oder der gewerblichen Vermietung dienen), berechtigen gemäß § 12 Abs. 2 Z 2 lit. b UStG 1994 nicht zum Vorsteuerabzug. Die genannte Gesetzesbestimmung wurde unverändert aus der bis zum Beitritt Österreichs zur EU geltenden Bestimmung des § 12 Abs. 2 Z 2 lit. c UStG 1972 übernommen.
Im Erlass Z 09 1202/4-IV/9/87 des Bundesministers für Finanzen vom 18. November 1987, AÖF 330/1987, wird darauf verwiesen, dass Kleinbusse nicht unter die für Personenkraftwagen und Kombinationskraftwagen geltenden einschränkenden umsatzsteuerlichen Bestimmungen fielen, für Kleinbusse vielmehr die Möglichkeit des Vorsteuerabzuges bestehe. Sodann wird ausgeführt:
"Unter einem Kleinbus ist nach Ansicht des Bundesministeriums für Finanzen ein Fahrzeug zu verstehen, das ein kastenwagenförmiges Äußeres sowie Beförderungsmöglichkeiten für mehr als sechs Personen (einschließlich des Fahrzeuglenkers) aufweist. Bei der Beurteilung der Personenbeförderungskapazität ist nicht auf die tatsächlich vorhandene Anzahl der Sitzplätze, sondern auf die maximal zulässige Personenbeförderungsmöglichkeit abzustellen. Es ist auch unmaßgebend, ob ein nach diesen Kriterien als Kleinbus anerkanntes Fahrzeug Zwecken des Personentransportes oder des Lastentransportes dient oder kombiniert eingesetzt wird. Voraussetzung für die steuerliche Anerkennung ist allerdings die nachweislich überwiegende unternehmerische bzw. betriebliche Nutzung des Fahrzeuges."
Auf Grund der Verordnungsermächtigung des § 12 Abs. 2 Z 2 lit. b UStG 1994 in der Fassung Strukturanpassungsgesetz 1996, BGBl. 201, erließ der Bundesminister für Finanzen die Verordnung über die steuerliche Einstufung von Fahrzeugen als Personenkraftwagen und Kombinationskraftwagen, BGBl. 273/1996 (im Folgenden Verordnung). § 10 dieser Verordnung lautet:
"Klein-Autobusse, auch wenn sie kraftfahrrechtlich und zolltarifarisch als Personenkraftwagen oder Kombinationskraftwagen eingestuft sind, sind steuerrechtlich keine Personenkraftwagen oder Kombinationskraftwagen, wenn sie eine einem Autobus entsprechende Form aufweisen und weiters eine der folgenden Voraussetzungen erfüllen:
1. Das Fahrzeug ist kraftfahrrechtlich für eine Beförderung von mindestens neun Personen (einschließlich des Fahrzeuglenkers) zugelassen und enthält zusätzlich einen Gepäcksraum im Fahrzeuginneren. Die erste Sitzreihe ist bereits werkseitig mit drei fixen Sitzplätzen ausgestattet.
2. Das Fahrzeug ist kraftfahrrechtlich für die Beförderung von mindestens sieben Personen (einschließlich des Fahrzeuglenkers) zugelassen und weist bereits werkseitig hinter der dritten Sitzreihe in hinterster Position einen Laderaum mit einer Länge von mindestens 500 mm auf. Diese Länge muss im Durchschnitt vom Laderaumboden bis zur Höhe von 500 mm über dem Laderaumboden erreicht werden."
Der Verwaltungsgerichtshof hat im gegenständlichen Verfahren mit Beschluss vom 22. September 1999, 98/15/0136, 99/15/0022 und 99/15/0088, dem EuGH folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Ist Artikel 17 Absatz 6 Unterabsatz 2 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuer, 77/388/EWG, dahingehend auszulegen, dass es einem Mitgliedstaat verwehrt ist, bestimmte Kraftfahrzeuge nach Inkrafttreten der Richtlinie vom Vorsteuerabzug auszuschließen, wenn der Vorsteuerabzug für diese Kraftfahrzeuge vor Inkrafttreten der Richtlinie aufgrund einer, von den Verwaltungsbehörden tatsächlich geübten Praxis gewährt worden ist ?
2. Falls Frage 1 zu bejahen ist: Ist Artikel 17 Absatz 7 Satz 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuer, 77/388/EWG dahingehend auszulegen, dass es einem Mitgliedstaat ohne vorhergehende Konsultationen iSd Artikel 29 der Richtlinie erlaubt ist, zur Konsolidierung des Budgets bestehende Vorsteuerausschlüsse auf die in Frage 1 genannte Art und Weise unbefristet auszuweiten?
Der EuGH hat nunmehr das Urteil vom 8. Jänner 2002, C-409/99, erlassen. In diesem Urteil wird ausgeführt, die Regelung eines Mitgliedstaates, die nach dem Inkrafttreten der Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie 77/388/EWG, im Folgenden Richtlinie (für Österreich ist die Richtlinie zum Zeitpunk des Beitrittes zur EU am 1. Jänner 1995 in Kraft getreten), die bestehenden Vorsteuerausschlusstatbestände erweitere und sich damit vom Ziel der Richtlinie entferne, verstoße gegen deren Art. 17 Abs. 2 und stelle keine nach Art. 17 Abs. 6 Unterabs. 2 zulässige Ausnahme dar. Art. 17 Abs. 6 der Richtlinie enthalte eine Stand-still-Klausel, die die Beibehaltung der innerstaatlichen Ausschlusstatbestände vom Vorsteuerabzugsrecht vorsehe, die vor dem Inkrafttreten der Richtlinie in Geltung gestanden seien. Mit dieser Bestimmung sollten die Mitgliedstaaten ermächtigt werden, bis zum Erlass der gemeinschaftsrechtlichen Regelung der Tatbestände des Ausschlusses vom Vorsteuerabzugsrecht durch den Rat alle Regelungen des innerstaatlichen Rechts über den Ausschluss des Vorsteuerabzugs beizubehalten, die ihre Behörden zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Richtlinie tatsächlich angewandt hätten. "Angesichts dieses besonderen Zweckes umfasst der Begriff innerstaatliche Rechtsvorschriften im Sinne von
Artikel 17 Absatz 6 Unterabsatz 2 der Sechsten Richtlinie nicht nur Rechtsetzungsakte im eigentlichen Sinn, sondern auch die Verwaltungsakte und Verwaltungspraktiken der Behörden des betroffenen Mitgliedstaats" (Rz 49).
Der EuGH betont im Vorabentscheidungsurteil, es sei einem Mitgliedstaat nach Art. 17 Abs. 6 Unterabs. 2 der Richtlinie verwehrt, die Ausgaben für bestimmte Kraftfahrzeuge nach dem Inkrafttreten der Richtlinie vom Recht auf Vorsteuerabzug auszuschließen, wenn zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Richtlinie für solche Ausgaben das Recht auf Vorsteuerabzug nach ständiger, auf einem Ministerialerlass beruhender Praxis der Verwaltungsbehörden dieses Mitgliedstaates gewährt worden sei.
In rechtlicher Hinsicht ergibt sich aus der Entscheidung des EuGH für den Beschwerdefall, dass der Vorsteuerabzug im Zusammenhang mit dem Betrieb des Fahrzeuges des Beschwerdeführers nicht deshalb versagt werden durfte, weil das Fahrzeug "Fiat Ulysse" wegen der Neudefinition in der Verordnung "nun nicht mehr" unter den Begriff eines Kleinbusses fiel. Der angefochtene Bescheid ist somit in Verkennung der Rechtslage ergangen. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47ff VwGG iVm der gemäß ihrem § 3 Abs. 2 anzuwendenden Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 31. Jänner 2002
Gerichtsentscheidung
EuGH 61999CJ0409 Metropol Treuhand VORABEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2002150005.X00Im RIS seit
10.06.2002Zuletzt aktualisiert am
05.12.2016