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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1997 §6;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski und Dr. Sulzbacher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, über die Beschwerde des E in I, geboren am 28. April 1963, vertreten durch Dr. Wolfgang Oberhofer, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Schmerlingstraße 2/I, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 31. März 1999, Zl. 208.639/0-V/15/99, betreffend §§ 6 und 8 AsylG (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Nigeria, reiste am 2. Februar 1999 in das Bundesgebiet ein und beantragte am gleichen Tag Asyl. Bei seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 1. März 1999 gab er im Wesentlichen an, er sei aktives Mitglied der MOSOP gewesen, bei deren Spaltung im Jahr 1993 aber ausgetreten. Von den Anhängern Ken Saro-Wiwas sei er ab diesem Zeitpunkt als Abtrünniger angesehen worden. Den Abtrünnigen sei vorgeworfen worden, sie hätten der Regierung Informationen über Ken Saro-Wiwa übermittelt. Im November 1996 sei in Igarra, wo der Beschwerdeführer zusammen mit den Kindern seines Onkels und Stiefvaters dessen Geschäft geführt habe, das Haus seines Onkels und Stiefvaters abgebrannt, woraufhin der Beschwerdeführer nach Lagos übersiedelt sei. Im November oder Dezember 1997 sei es dort zu einem Brand in seiner Wohnung gekommen. Die Polizei habe den Brand untersucht, die Brandursache aber nicht feststellen können. Da der Beschwerdeführer außerdem von seiner Mutter erfahren habe, dass nach ihm gesucht werde, habe er Nigeria verlassen und sich nach Benin begeben. Dort sei es in der Folge zu einer Konfrontation mit bewaffneten Zivilisten aus Nigeria gekommen. Erst zu diesem Zeitpunkt sei dem Beschwerdeführer klar geworden, dass die Anhänger des inzwischen hingerichteten Ken Saro-Wiwa hinter ihm her seien, und er habe nun auch Verbindungen zwischen diesen Nachstellungen und den beiden Bränden hergestellt.
Das Bundesasylamt wies den Asylantrag des Beschwerdeführers mit Bescheid vom 2. März 1999 gemäß § 6 Z 1 und 2 AsylG als offensichtlich unbegründet ab und stellte gemäß § 8 AsylG fest, die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria sei zulässig.
In seiner Berufung gegen diese Entscheidung verdeutlichte der Beschwerdeführer sein Vorbringen u.a. dahingehend, dass er sich aus näher beschriebenen politischen Gründen von der MOSOP getrennt und diese den "Abtrünnigen" in der Folge die Schuld an der Ermordung Ken Saro-Wiwas gegeben habe. Der Beschwerdeführer sei eines der ehemaligen Mitglieder, an denen Rache geübt werden solle. Bei der Konfrontation in Benin, die durch die zufällige Anwesenheit von Polizisten nicht zur Entführung oder Ermordung des Beschwerdeführers geführt habe, sei ihm gesagt worden, man werde ihn eines Tages finden, egal wo er sich verstecke. Eine von einer solchen Gruppe ausgehende Bedrohung sei asylrelevant, wenn der Staat nicht in der Lage sei, wirksamen Schutz zu gewähren.
Die belangte Behörde wies die Berufung des Beschwerdeführers mit dem angefochtenen Bescheid gemäß § 6 Z 1 AsylG ab und stellte gemäß § 8 AsylG "in Verbindung mit § 57 Abs. 1" FrG fest, die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria sei zulässig. Bei der Anwendung des § 6 Z 1 AsylG stützte sich die belangte Behörde - ausgehend von dem als wahr unterstellten Vorbringen des Beschwerdeführers - darauf, dass die vom Beschwerdeführer behauptete Verfolgung "lediglich von Privatpersonen" ausgehe und "nicht festgestellt werden" könne, dass der nigerianische Staat nicht willens oder nicht in der Lage sei, davor Schutz zu gewähren. Dies ergebe sich einerseits aus der "gegenwärtigen politischen Entwicklung Nigerias in Richtung westliche Demokratie und Rechtstaat" und andererseits aus dem Umstand, dass die Polizei den Brand in der Wohnung des Beschwerdeführers in Lagos untersucht habe:
"Diese Schilderung lässt weder auf die mangelnde Fähigkeit, noch auf den mangelnden Willen des nigerianischen Staates, Schutz zu gewähren, schließen und wird in diesem Zusammenhang angemerkt, dass die absolute und vollkommene Schutzgewährung aller Staatsbürger in keinem Staat ermöglicht werden kann."
Die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria prüfte die belangte Behörde auch in der Begründung ihrer Entscheidung nur unter den Gesichtspunkten des § 57 Abs. 1 FrG, wobei sie u.a. ausführte, die Glaubhaftmachung der Gefahr setze "auch das Feststehen der Identität des Fremden" voraus und diese Voraussetzung sei nicht erfüllt, weil es dem Beschwerdeführer "nicht gelungen" sei, "irgend ein amtliches Dokument vorzulegen".
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Der Bescheid ist inhaltlich rechtswidrig, weil es sich bei der Annahme ausreichenden staatlichen Schutzes vor einer von Privatpersonen ausgehenden Verfolgungsgefahr um ein Begründungselement handelt, das nur unter dem Gesichtspunkt einer Prüfung des Antrages gemäß § 7 AsylG von Bedeutung ist (vgl. dazu die Nachweise in dem Erkenntnis vom 31. Mai 2001, Zl. 2000/20/0496, und seither etwa die Erkenntnisse vom 7. Juni 2001, Zl. 99/20/0429, und vom 21. August 2001, Zl. 2000/01/0214). Dass die Ableitung der Annahme, der nigerianische Staat könne und wolle den Beschwerdeführer vor der behaupteten Verfolgung durch Angehörige der MOSOP schützen, aus dem Umstand der Untersuchung des Brandes in der Wohnung des Beschwerdeführers durch die Polizei nicht nachvollziehbar ist, spielt danach keine Rolle mehr. Der Vollständigkeit halber ist noch darauf hinzuweisen, dass die Prüfung der Voraussetzungen des § 8 AsylG nur unter den Gesichtspunkten des § 57 Abs. 1 FrG gleichfalls rechtswidrig ist (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom 16. Februar 2000, Zl. 99/01/0397, vom 16. Februar 2000, Zl. 99/01/0435, vom 21. Dezember 2000, Zl. 2000/01/0131, vom 6. März 2001, Zl. 2000/01/0232, und vom 27. September 2001, Zl. 98/20/0190) und der Besitz eines Ausweispapiers nicht zu den gesetzlichen Voraussetzungen des Abschiebungsschutzes zählt (vgl. insoweit das Erkenntnis vom 25. November 1999, Zl. 99/20/0465).
Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 31. Jänner 2002
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:1999200411.X00Im RIS seit
17.04.2002