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L6 Land- und ForstwirtschaftNorm
B-VG Art137 / AllgLeitsatz
Zurückweisung einer Klage und eines Individualantrags betreffend das Nö Landwirtschaftliche Förderungsfonds- und SiedlungsG und das Nö Flurverfassungs-LandesG 1975 mangels Zuständigkeit des VfGH bzw mangels LegitimationSpruch
Die Klage wird zurückgewiesen.
Der Gesetzesprüfungsantrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
I. 1. Die im gegebenen Zusammenhang in Betracht zu ziehenden §§1 und 4 des NÖ landwirtschaftlichen Förderungsfonds- und Siedlungsgesetzes, LGBl. 6645-3, sowie die §§42 bis 44 des (NÖ) Flurverfassungs-Landesgesetzes 1975 (FLG), LGBl. 6650-4, haben folgenden Wortlaut:
a) NÖ landwirtschaftliches Förderungsfonds- und Siedlungsgesetz:
"§1
(1) Zum Zwecke der Verbesserung der Agrarstruktur sind nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Gesetzes landwirtschaftliche Siedlungsverfahren durchzuführen.
(2) Das Ziel dieser Verfahren ist die Schaffung und Erhaltung solcher bäuerlicher Betriebe, deren Erträgnisse allein oder in Verbindung mit einem Nebenerwerb einer bäuerlichen Familie einen angemessenen Lebensunterhalt nachhaltig sichern.
....
§4
(1) Die Behörde hat die Parteien im Hinblick auf das Ziel dieses Gesetzes (§1 Abs2) zu beraten. Soweit sich die Parteien auf einen Übergang von Rechten geeinigt haben und diese Einigung dem Ziel des Verfahrens (§1 Abs2) entspricht, hat die Behörde die entsprechenden Rechte mit Bescheid zuzuteilen.
(2) Sofern die Parteien in verbücherungsfähiger Form abgeschlossene Verträge vorlegen, diese der Zielsetzung des §1 Abs2 entsprechen und einen der im §2 aufgezählten Vorgänge zum Gegenstand haben, hat dies die Behörde an Stelle der Zuteilung (Abs1) mit Bescheid festzustellen.
(3) In gleicher Weise wie gemäß Abs2 hat die Behörde vorzugehen, wenn ihr von Parteien ein der Zielsetzung des §1 Abs2 entsprechender Erwerbsvorgang, der im Zuge eines Zwangsversteigerungsverfahrens erfolgte, bekanntgegeben wird.
(4) Von den stattgebenden oder ablehnenden Bescheiden gemäß Abs1, 2 und 3 ist nach deren Rechtskraft das für die Erhebung der Grunderwerbssteuer zuständige Finanzamt zu verständigen."
b) (NÖ) Flurverfassungs-Landesgesetz 1975:
"§42
Flurbereinigungsverträge und Übereinkommen
Dem Flurbereinigungsverfahren sind Verträge, die von den Parteien in verbücherungsfähiger Form abgeschlossen wurden (Flurbereinigungsverträge), oder Parteienübereinkommen, die von der Behörde in einer Niederschrift beurkundet wurden (Flurbereinigungsübereinkommen), zugrunde zu legen, wenn die Voraussetzungen der §§1 und 43 vorliegen und die Behörde mit Bescheid feststellt, daß die Verträge oder Übereinkommen zur Durchführung der Flurbereinigung erforderlich sind. In einem solchen Fall kann von der Erlassung des Einleitungsbescheides und des Flurbereinigungsplanes Abstand genommen werden.
§43
(1) Voraussetzungen im Sinne des §42 sind, daß
1. im Falle eines Grundtausches sich durch diesen für mindestens einen Tauschpartner eine Verbesserung der Betriebsverhältnisse ergibt;
2. im Falle des Grunderwerbes auf eine andere Art, insbesondere durch Kauf, Schenkung oder gegen Leibrente, das Eigentum an den Grundstücken nicht an einen Verwandten in gerader Linie, den Ehegatten, ein Stiefkind, Wahlkind, Schwiegerkind oder ein in Erziehung genommenes Kind übertragen wird, die erworbene Grundfläche an eine Grundfläche des Erwerbers angrenzt und hiedurch
a) die gemeinsame Bearbeitung beider Flächen ermöglicht wird oder
b) sonstige Vorteile für deren Bewirtschaftung
entstehen.
2. Als angrenzend im Sinn des Abs1 Z. 2 gelten Grundflächen auch dann, wenn sie voneinander durch Straßen oder Wege (ausgenommen Autobahnen und Autostraßen), Gräben, Bodenschutzanlagen oder ähnliche Hindernisse getrennt sind, sofern deren Überquerung erlaubt und leicht möglich ist.
§44
(1) Die Behörde hat von Amts wegen die Durchführung der Flurbereinigungsübereinkommen im Grundbuch zu veranlassen.
(2) Bescheide im Flurbereinigungsverfahren, die den Voraussetzungen der §§1 und 43 widersprechen, leiden an einem mit Nichtigkeit bedrohten Fehler (§68 Abs4 litd AVG 1950)."
2. Mit der vorliegenden Eingabe, die sich (u.a.) auf die eben wiedergegebenen Gesetzesvorschriften bezieht, erheben die Österreichische Notariatskammer, die Notariatskammer für Wien, Niederösterreich und Burgenland, die Rechtsanwaltskammer Wien und die Rechtsanwaltskammer Niederösterreich als klagende Parteien gegen das Land Niederösterreich als beklagte Partei eine auf Art137 B-VG gestützte Klage und begehren überdies als Antragstellerinnen eines Individualantrages auf Gesetzesprüfung nach Art140 Abs1 letzter Satz B-VG die Aufhebung bestimmter Vorschriften beider zitierter niederösterreichischer Landesgesetze als verfassungswidrig.
II. Zur Klage nach Art137 B-VG:
1.a) Die klagenden Parteien bringen - faßt man ihre umfangreichen Ausführungen auf den für die verfahrensrechtliche Beurteilung wesentlichen Kernbereich zusammen - vor, daß die NÖ Agrarbezirksbehörde in rechtswidriger Verwaltungspraxis unter Berufung auf das NÖ landwirtschaftliche Förderungsfonds- und Siedlungsgesetz bzw. das (NÖ) Flurverfassungs-Landesgesetz in nicht diesen beiden Gesetzen unterliegenden Fällen den Grundstücksverkehr betreffende Verträge errichte und diesbezüglich der Verbücherung dienende Feststellungsbescheide erlasse; die rechtswidrige Vorgangsweise sei durch vorgelegte Erkenntnisse des Landesagrarsenates beim Amt der NÖ Landesregierung erwiesen, mit denen derartige Bescheide als nichtig erklärt wurden. Durch das rechtswidrige Verwaltungshandeln werde den kammerangehörigen Notaren und Rechtsanwälten, die zur Vertragserrichtung berufen seien, geschadet, aber auch den klagenden Kammern im Hinblick auf den Mindereingang an Kammerbeiträgen. Notar Dr. D., welcher der Notariatskammer für Wien, Niederösterreich und Burgenland angehöre, habe einen Schadenersatzanspruch wegen der Vereitlung einer bereits vorbereiteten Vertragserrichtung an die Zweitklägerin (Notariatskammer für Wien, Niederösterreich und Burgenland) abgetreten.
b) Die klagenden Parteien beantragen folgendes Erkenntnis:
"1. Die beklagte Partei ist schuldig, der Zweitklägerin den Betrag von S 6.509,40 binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.
2. Es wird festgestellt, daß die Erledigungen der NÖ Agrarbezirksbehörde, wie in den vorgelegten Aktenstücken FV 6794/3, FV 8842/1, Zl. FV 8969/2, Zl. FV 7853/3, FV 8832/2, Zl. FV-S-292/3, Zl. FV 8495/3, Zl. FV 7695/7, Zl. FV 8532/2, Zl. FV 8126/2, Zl. FV 8636/5, Zl. FV 8845/2, Zl. FV 8558/1, Zl. FV 7518/2, Zl. FV 8234/3, Zl. FV-S-95/8, Zl. FV 7693/5, Zl. FV 8963/2, Zl. FV 7812/9, Zl. FV 454/8, Zl. FV 8728/4, Zl. FV-S-214/8, Zl. FV 7373/5, Zl. FV 380/5, Zl. FV 8380/6, Zl. FV 7796/2, Zl. FV 8673/1, Zl. FV-S-55/2, Zl. FV 8522/3, Zl. FV 7195/3 u.v.m. dokumentiert, rechtswidrig sind und gegenüber den klagenden Parteien die Ersatzpflicht des Landes Niederösterreich für entgangene Kammerbeiträge besteht.
3. Die beklagte Partei als Rechtsträger der Agrarbehörde ist den Klägern gegenüber schuldig, zu unterlassen, daß Parteienübereinkommen errichtet und Bewilligungsbescheide nach §4 NÖlFFuSG bzw. §42 nö. FLG erlassen werden, ohne daß die Voraussetzungen gem. §1 und §2 Abs1 Z6 NÖlFFuSG bzw. §1 nö. FLG, wie im Urteilsbegehren Abs2 näher dargestellt, vorliegt."
2. Die Klage erweist sich jedoch als nicht zulässig.
Wie die klagenden Parteien (wenngleich in unvollständiger Darstellung) zutreffend selbst dartun, ist ihr "Begehren auf die Unterlassung konkreter hoheitlicher Tätigkeiten sowie Feststellung der Schadenersatzpflicht gerichtet", wozu in Ansehung der vorhin wiedergegebenen Z2 des Klagebegehrens das Verlangen hinzutritt, bestimmte (offenkundig als Bescheide zu wertende) Erledigungen der NÖ Agrarbezirksbehörde als rechtswidrig festzustellen.
Der Verfassungsgerichtshof ist jedoch nach seiner ständigen Rechtsprechung im Verfahren nach Art137 B-VG weder dazu berufen, über (hier unter den Aspekten des Verdienstentganges bzw. einer Minderung von Kammerbeiträgen geltend gemachte) Schadenersatzansprüche zu entscheiden (s. zB VfSlg. 14952/1997 mit Hinweisen auf die Vorjudikatur), noch erstreckt sich seine Zuständigkeit nach dieser Verfassungsvorschrift darauf, die Gesetzwidrigkeit eines hoheitlichen Verwaltungsaktes festzustellen (s. zB VfSlg. 1369/1931, S 179, VfSlg. 1602/1947 sowie 14284/1995). Das gleiche gilt für das Begehren, bestimmte behördliche Rechtshandlungen zu unterlassen, weil ein solches Verlangen seinem Wesen nach keinen vermögensrechtlichen Anspruch zum Gegenstand hat, mögen auch "bloß mittelbare ... wirtschaftliche Auswirkungen eines bestimmten Verwaltungshandelns" (so VfSlg. 13401/1993) oder "Reflexwirkungen im Bereich des Vermögens" (so VfSlg. 13312/1992) gegeben sein.
3. Die Klage ist sohin wegen Nichtzuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes zurückzuweisen.
Bei diesem Ergebnis ist es entbehrlich, auf ihr weiteres Vorbringen einzugehen.
III. Zum Gesetzesprüfungsantrag:
Grundsätzlich auf dem Boden der gleichen Überlegungen begehren die einschreitenden Kammern - der Sache nach subsidiär - als Antragstellerinnen des Individualantrages auf Gesetzesprüfung mit näherer Begründung, "sowohl §4 iVm §1 Abs2 NÖlFFuSG als auch §42 FLG als verfassungswidrig aufzuheben".
Hiezu ist den antragstellenden Kammern allerdings in verfahrensrechtlicher Hinsicht entgegenzuhalten, daß ihrem Antrag eine unverzichtbare Voraussetzung des Individualantrages auf Gesetzesprüfung fehlt, nämlich daß die angegriffenen Gesetzesbestimmungen in ihre Rechtssphäre unmittelbar eingreifen. Dies ist auszuschließen, weil die einschreitenden Kammern nicht Normadressaten der angefochtenen Gesetzesstellen sind, vielmehr bloß von behaupteten wirtschaftlichen Reflexwirkungen dieser Vorschriften betroffen werden, die - wie keineswegs verkannt werden soll - nach ihrer Darstellung primär wirtschaftliche Folgen im Tätigkeitsbereich ihrer bei der Ausübung des Rechtsberufes benachteiligten Mitglieder nach sich ziehen (s. zB VfSlg. 12858/1991 mit Hinweisen auf die Vorjudikatur).
Der Individualantrag auf Gesetzesprüfung war daher mangels Legitimation der antragstellenden Parteien zurückzuweisen.
IV. Diese Entscheidungen wurden gemäß §19 Abs3 Z2 lita bzw. lite VerfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung getroffen.
Schlagworte
VfGH / Klagen, Bodenreform, Siedlungswesen, Flurverfassung, VfGH / IndividualantragEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1999:A2.1999Dokumentnummer
JFT_10009696_99A00002_00