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19/05 Menschenrechte;Norm
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des A in V, geboren am 1975, vertreten durch Dr. Gert Kastner, Dr. Hermann Tscharre und Mag. Martin Wolf, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Tempelstraße 32, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 27. Februar 2001, Zl. III 4033-21/01, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol (der belangten Behörde) vom 27. Februar 2001 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen deutschen Staatsangehörigen, gemäß §§ 36 Abs. 1, 37, 38, 39, 48 Abs. 1 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen.
Der Beschwerdeführer sei am 3. August 2000 wegen des Verbrechens nach § 3g Verbotsgesetz zu einer Geldstrafe von 240 Tagessätzen und zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von zehn Monaten rechtskräftig verurteilt worden.
Diesem Urteil liege folgender Schuldspruch zu Grunde:
"Der Angeklagte A ist schuldig, er hat sich in der Zeit von zumindest Mai 1998 bis Anfang Oktober 1999 in V ua Orten dadurch auf eine andere als die in den §§ 3a bis 3f VerbotsG bezeichnete Weise im nationalsozialistischen Sinn betätigt, dass er sich am Vertrieb der nationalsozialistisches Gedankengut im Sinne des Verbotsgesetzes enthaltenden Illustrierten 'Blood & Honour, Division Österreich', welche
1. nach dem Vorwort einen Reichsadler mit Lorbeerkranz, darin die Zahl 14 und 'Words' sowie die 14 Words 'We must secure the existence of our people and a future for white children',
2. einen Bericht über die 'White Power Skinheads' in Serbien mit dem Hinweis auf eine NS-Skinheadszene mit ca. 500 NS-Skins als Mitglieder in Serbien, weiters mit dem Hinweis auf Bands wie Sorab 18 (18 steht in der Rechten Szene für den 1. und 8. Buchstaben des Alphabet und somit auch für Adolf Hitler) sowie Band Razor 88 (88 steht für den 8. Buchstaben, 2-mal H für Heil Hitler),
3.
eine Abhandlung der Dienstgrade der SS bei der Wehrmacht,
4.
den Abdruck eines Artikels aus der Zeitung 'Halt' über:
Judenfahne über Europa
enthielten sowie des Aufklebers mit dem Schlagwort 'Rassismus ist Notwehr eines Volkes' beteiligt hat und hat Kontakte zu internationalen Vereinigungen, deren Zweck es ist, sich im nationalsozialistischen Sinn zu betätigen, wobei Ideologieelemente für die Rassenlehre, antisemitische Propaganda und völkisches Denken des Nationalsozialismus übernommen wurden, nämlich mit einer serbischen NS-Bewegung unterhalten."
Das dieser Verurteilung zu Grunde liegende Fehlverhalten zeige die negative Einstellung des Beschwerdeführers zur Rechtsordnung deutlich. Es entstehe dadurch der Eindruck, dass er nicht gewillt sei, sein Verhalten den Gesetzen anzupassen. Sein Aufenthalt im Bundesgebiet stelle daher eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit dar. Die Verurteilung vom 3. August 2000 erfülle den als "Orientierungsmaßstab" heranzuziehenden Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 dritter Fall FrG.
Ein relevanter Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG liege vor. Dieser mache das Aufenthaltsverbot allerdings nicht unzulässig. Die sich im Fehlverhalten manifestierende Neigung des Beschwerdeführers, sich über die Rechtsordnung hinwegzusetzen, mache die Erlassung des Aufenthaltsverbots zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (Verhinderung strafbarer Handlungen, insbesondere der Betätigung im nationalsozialistischen Sinn) dringend geboten und daher im Grund des § 37 Abs. 1 FrG zulässig.
Der Beschwerdeführer gehe seit 1995 einer erlaubten Arbeit als Hilfsarbeiter im Lager eines namentlich genannten Unternehmens nach und halte sich erlaubt im Bundesgebiet auf. Dementsprechend sei er gut integriert und weise private Bindungen auf. Eine intensive "privat/familiäre" Bindung habe er zu einer namentlich genannten österreichischen Staatsangehörigen, mit der er im gemeinsamen Haushalt lebe. Die soziale Komponente seiner Integration werde allerdings durch die schwere Straftat gemindert. Die privaten und familiären Interessen am weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet wögen schwer, jedoch höchstens gleich schwer wie die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbots, weshalb diese Maßnahme auch im Grund des § 37 Abs. 2 FrG zulässig sei. Die Verhinderung der Betätigung im nationalsozialistischen Sinn habe einen großen öffentlichen Stellenwert, großes öffentliches Gewicht.
Auf Grund der Verwirklichung des Tatbestandes des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG und der Schwere des Fehlverhaltens wäre die Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbots zulässig. Da der Beschwerdeführer als deutscher Staatsbürger jedoch "nur "nach der Generalklausel des § 36 Abs. 1 (iVm § 48 Abs. 1 erster Satz) FrG mit einem Aufenthaltsverbot belegt werden dürfe, könne ein unbefristetes Aufenthaltsverbot nicht erlassen werden, sondern gemäß § 39 Abs. 1 FrG maximal ein zehnjähriges Aufenthaltsverbot. Die zehnjährige Dauer des Aufenthaltsverbots entspreche den für die Erlassung maßgeblichen Umständen. Die belangte Behörde sei der Ansicht, dass bis zum Wegfall des Grundes für die Erlassung des Aufenthaltsverbots, nämlich der Gefährlichkeit des Beschwerdeführers für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit, das Verstreichen von zehn Jahren von Nöten sei.
An der aus der Straftat des Beschwerdeführers hervorleuchtenden positiven Einstellung zur verbotenen Betätigung im nationalsozialistischen Sinn könnten weder der in der Berufung vorgebrachte Umstand, dass der Beschwerdeführer seit 1995 "untadelig" als Lagerarbeiter beschäftigt sei, noch die vorgebrachte bisherige Unbescholtenheit etwas ändern. Um das Berufungsvorbringen, der Beschwerdeführer habe das Unrecht der Tat eingesehen und seine ideologische Gesinnung abgelegt, überprüfen zu können, sei der seit der Straftat verstrichene Zeitraum viel zu kurz. Aus der vom Gericht im Verhältnis zum gesetzlichen Strafrahmen verhängten milden Strafe sei für das Aufenthaltsverbotsverfahren nichts zu gewinnen, handle es sich doch bei einem Aufenthaltsverbot um eine fremdenpolizeiliche Administrativmaßnahme und nicht um eine (Zusatz-)Strafe.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Gemäß § 48 Abs. 1 erster Satz FrG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gegen EWR-Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige nur zulässig, wenn auf Grund ihres Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist.
Nach ständiger hg. Judikatur sind die Bestimmungen des § 36 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2 FrG bei der Frage, ob gegen einen EWR-Bürger oder einen begünstigten Drittstaatsangehörigen ein Aufenthaltsverbot zu erlassen ist, insofern von Bedeutung, als ein Aufenthaltsverbot nur bei Vorliegen der in § 36 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. genannten Voraussetzungen erlassen werden darf und auf den Katalog des § 36 Abs. 2 leg. cit. als "Orientierungsmaßstab" zurückgegriffen werden kann (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 14. April 2000, Zl. 99/18/0389).
2. Auf Grund der unstrittig feststehenden Verurteilung des Beschwerdeführers (u.a.) zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von zehn Monaten begegnet die - nicht bekämpfte - Ansicht der belangten Behörde, der Tatbestand des - als "Orientierungsmaßstab" heranzuziehenden - § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG sei erfüllt, keinen Bedenken.
3. Der Beschwerdeführer hat sich am Vertrieb einer nationalsozialistisches Gedankengut enthaltenden Zeitschrift und eines solches Gedankengut enthaltenden Aufklebers beteiligt und hat Kontakte zu einer internationalen Vereinigung, deren Zweck es ist, sich unter Übernahme von Ideologieelementen für die Rassenlehre, antisemitischer Propaganda und völkischem Denken im nationalsozialistischen Sinn zu betätigen, unterhalten. Im Hinblick auf die Gefährdung der demokratischen Gesellschaftsordnung, die von nationalsozialistischer Wiederbetätigung ausgeht, stellt dieses Verhalten eine schwere Beeinträchtigung öffentlicher Interessen dar. Der Beschwerdeführer hat die Straftaten unstrittig zumindest von Mai 1998 bis Anfang Oktober 1999, also über einen Zeitraum von etwa eineinhalb Jahren begangen. Die nationalsozialistisches Gedankengut enthaltende Gesinnung des Beschwerdeführers hat sich somit über einen längeren Zeitraum in der Begehung entsprechender Straftaten manifestiert. Aus diesem Grund kann die Ansicht der belangten Behörde, für den Beschwerdeführer könne keine positive Prognose erstellt werden, nicht als rechtswidrig erkannt werden. In diesem Zusammenhang sei hinzugefügt, dass sich aus der Begründung des bei den Verwaltungsakten erliegenden Urteils ergibt, dass bei der Strafbemessung u.a. eine einschlägige Vorstrafe als erschwerend gewertet worden ist.
Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, dass die Gefahr einer weiteren einschlägigen Straftat "zufolge der bereits erfolgten Verurteilung faktisch nicht gegeben" sei, ist ihm mit den Ausführungen der belangten Behörde in der Gegenschrift zu erwidern, dass dies sowohl der Lebenserfahrung als auch den Intentionen des Gesetzesgebers widerspricht, der etwa in § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG (auch einmalige) gerichtliche Verurteilungen ausdrücklich als Grund für die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes normiert hat.
Dem weiteren Beschwerdevorbringen, dass nur eine bedingte Strafe "im absolut untersten Ausmaß" verhängt worden sei, ist entgegenzuhalten, dass die belangte Behörde die Frage des Gerechtfertigtseins des Aufenthaltsverbotes unabhängig von den die Strafbemessung und die bedingte Nachsicht der Strafe begründenden Erwägungen des Gerichtes und ausschließlich aus dem Blickwinkel des Fremdenrechtes zu beurteilen hatte (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 9. Februar 1999, Zlen. 99/18/0015, 0033).
Auf Grund der dargestellten großen Beeinträchtigung öffentlicher Interessen durch nationalsozialtistische Wiederbetätigung kann die Ansicht der belangten Behörde, die in § 48 Abs. 1 erster Satz FrG umschriebene Annahme sei gerechtfertigt, nicht als rechtswidrig erkannt werden.
4. Bei der Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 1 und Abs. 2 FrG hat die belangte Behörde den rechtmäßigen Aufenthalt und die Beschäftigung seit dem Jahr 1995 berücksichtigt. Weiters hat sie zugunsten des Beschwerdeführers die Lebensgemeinschaft mit einer Österreicherin und eine der Dauer seines Aufenthalts und seiner Beschäftigung entsprechende gute Integration veranschlagt. Die in der Beschwerde vorgebrachten Umstände, dass der Beschwerdeführer auf Grund seines Arbeitseinkommens "seinem Unterhalt nach(zu)kommen" könne und seine Verurteilung "entsprechend getilgt" (offenbar gemeint: die Geldstrafe bezahlt) habe, bewirken keine Verstärkung der persönlichen Interessen am Verbleib im Bundesgebiet. Insbesondere auf Grund der Aufenthaltsdauer, der Beschäftigung und der Lebensgemeinschaft mit einer Österreicherin ist der belangten Behörde jedoch beizupflichten, dass die privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers schwer wiegen.
Diesen persönlichen Interessen steht die aus den Straftaten des Beschwerdeführers resultierende Gefährdung öffentlicher Interessen gegenüber. Im Hinblick auf das große öffentliche Interesse an der Verhinderung der nationalsozialistischen Wiederbetätigung begegnet die Ansicht der belangten Behörde, das Aufenthaltsverbot sei zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (nationale Sicherheit, Verhinderung strafbarer Handlungen, Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe und Ordnung) dringend geboten (§ 37 Abs. 1 FrG) und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie wögen nicht schwerer als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 37 Abs. 2 leg. cit.), keinen Bedenken.
5. Weiters wendet sich die Beschwerde gegen die Erlassung des Aufenthaltsverbots für die Dauer von zehn Jahren.
Nach der hg. Rechtsprechung (vgl. etwa das Erkenntnis vom 14. April 2000, Zl. 2000/18/0047) ist ein Aufenthaltsverbot - unter Bedachtnahme auf § 39 Abs. 1 FrG - für jenen Zeitraum zu erlassen, nach dessen Ablauf vorhersehbarerweise der Grund für seine Verhängung weggefallen sein wird. Die Annahme der belangten Behörde, dass dies erst nach Ablauf von zehn Jahren der Fall sein werde, begegnet im Hinblick auf die aus den Straftaten des Beschwerdeführers, die einen Rückschluss auf dessen nationalsozialistisches Gedankengut enthaltende politische Gesinnung zulassen, resultierende nachhaltige Gefährdung öffentlicher Interessen keinem Einwand. Die Beschwerde zeigt keine Umstände auf, die den Schluss zuließen, dass der Wegfall der für die Erlassung des Aufenthaltsverbots maßgeblichen Gründe vor Ablauf dieses Zeitraumes erwartet werden könne.
Zum Beschwerdevorbringen, zehn Jahre sei die höchste Gültigkeitsdauer eines gegen einen EWR-Bürger verhängten Aufenthaltsverbots, ist auszuführen, dass - entgegen der Ansicht der belangten Behörde - auch gegen einen EWR-Bürger oder einen begünstigten Drittstaatsangehörigen ein Aufenthaltsverbot auf unbestimmte Dauer verhängt werden darf (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. November 2000, Zl. 2000/18/0096, mit ausführlicher Begründung).
6. Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
7. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 14. Februar 2002
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2001180091.X00Im RIS seit
07.05.2002Zuletzt aktualisiert am
13.03.2012