TE Vwgh Erkenntnis 2002/2/14 98/18/0336

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Veröffentlicht am 14.02.2002
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
41/07 Grenzüberwachung;

Norm

GrKontrG 1969 §10 Abs1;
VStG §44a Z1;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des L in B, vertreten durch Dr. Clement Achammer, Mag. Martin Mennel, Dr. Rainer Welte, Mag. Clemens Achammer und Dr. Thomas Kaufmann, Rechtsanwälte in 6800 Feldkirch, Schloßgraben 10, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom 6. August 1998, Zl. 1-1003/97/E7, betreffend Übertretung des Grenzkontrollgesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Das Land Vorarlberg hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg (der belangten Behörde) wurde unter Spruchpunkt 1 ein Antrag des Beschwerdeführers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand betreffend die Versäumung der Berufungsfrist zurückgewiesen. Unter Spruchpunkt 2 wurde der Beschwerdeführer für schuldig erkannt, er habe sich anlässlich seiner Einreise am 13. August 1996 um

15.45 Uhr bei der Grenzkontrollstelle Feldkirch-Tisis mit einem nach dem Kennzeichen bestimmten Reisebus vorsätzlich der Grenzkontrolle entzogen, indem er trotz Weisung des Zollorgans, ohne die Amtshandlung abzuwarten, die Fahrt in das Bundesgebiet fortgesetzt habe. Dadurch habe er eine Übertretung des § 15 Abs. 1 lit. b iVm § 10 Abs. 1 des Grenzkontrollgesetzes begangen. Gemäß § 15 Abs. 1 leg. cit. wurde über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe in der Höhe von S 2.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 48 Stunden) verhängt. Ferner wurden die Verfahrenskosten bestimmt (§ 64 Abs. 2 VStG).

Begründend führte die belangte Behörde zu Spruchpunkt 2 - nur dieser ist hier von Belang - Folgendes aus:

In seiner Berufung habe der Beschwerdeführer im Wesentlichen vorgebracht, dass die von ihm angebotenen Beweise hätten erhoben werden müssen, insbesondere hätte die vom Beschwerdeführer genannte Zeugin Korth vernommen werden müssen. Durch ihre persönliche Vernehmung hätte Frau Korth den Sachverhalt ausführlicher und deutlicher schildern können, als dies in der "schriftlichen Einlassung" des Beschwerdeführers hätte erfolgen können, zumal der Beschwerdeführer nicht hätte wissen können, was für die Beurteilung seines Handelns entscheidend gewesen wäre. Er hätte sich jedoch darauf eingelassen, dass er "aus dem Fenster heraus" den Beamten gefragt hätte, was los wäre. Er hätte das Schild mit dem Pfeil gesehen und gemeint, dass er mit dem Bus auf die linke Spur hätte fahren sollen. Wenn, wovon der Beschwerdeführer und sein Rechtsvertreter erstmalig im Straferkenntnis Kenntnis hätten nehmen können, der Zollbeamte in seiner schriftlichen Stellungnahme behauptet hätte, der Beschwerdeführer wäre in seinem Verhalten in keiner Weise korrekt gewesen, weil er weder die Scheibe heruntergekurbelt noch mit dem abfertigenden Beamten Kontakt aufgenommen hätte, so könnte dem nicht gefolgt werden. Wenn dies richtig wäre, hätte der Beamte durch die "angeblich geschlossene Scheibe" keine Anweisungen geben können. Tatsache wäre, und dies ergebe auch unschwer die Einlassung des Beschwerdeführers, dass er den Beamten selbstverständlich bei geöffnetem Fenster angesprochen und darüber aufgeklärt hätte, warum er versehentlich die falsche Spur benützt hätte. Dies hätte auch von der benannten Zeugin Korth bestätigt werden können. Wenn der betreffende Beamte darüber hinaus behauptet hätte, er hätte "deutlichst mittels Handzeichen angewiesen vorzufahren und anzuhalten", so müsste auch dem widersprochen werden. Wie die Handzeichen erfolgt wären, würde sich aus dem Straferkenntnis nicht ergeben. Schon aus der Tatsache selbst, dass der Beschwerdeführer in seiner Einlassung erklärt hätte, er wäre unsicher gewesen, was er denn nun hätte machen sollen, würde sich ergeben, dass die Handzeichen des Beamten eben nicht eindeutig gewesen wären, sondern sein Verhalten widersprüchlich. Der Beschwerdeführer hätte einerseits annehmen können, dass er die Grenze passieren hätte sollen, er wäre sich aber nicht sicher gewesen, ob der Beamte ihn wegen der Benutzung der falschen Fahrspur noch zur Rechenschaft hätte ziehen wollen. Lediglich aus diesem Grund und aus besonderer Umsicht hätte er daher zunächst angehalten und gewartet, ob der Beamte noch einmal wegen des Spurwechsels auf ihn zukäme. Als dies nach mehreren Minuten nicht der Fall gewesen wäre, wäre er sodann weitergefahren. Falsch wäre auch die Behauptung des Beamten, er hätte lediglich 15 Sekunden angehalten. Seine Einlassung hinsichtlich der Wartezeit würde unter Beweis gestellt zunächst nur durch die benannte Zeugin Korth, im Übrigen gegebenenfalls durch Benennung der übrigen Gäste im Bus. Es würde hiezu um Hinweis gebeten werden, ob diese namentlich alle benannt werden sollten, oder sich der Beschwerdeführer zunächst zu seiner Verteidigung auf die Vernehmung der genannten Zeugin Korth beschränken könnte. Nach alledem könnte "der Strafbefehl" keinen Bestand haben. Schon nach dem Gebot des fairen Verfahrens hätte ihm Gelegenheit gegeben werden müssen, sich vor Erlassung des Straferkenntnisses zu den Behauptungen des Anzeigeerstatters und Zollbeamten zu äußern. Er würde regelmäßig mit einem Reisebus nach Österreich fahren. Auch nach diesem Vorfall wäre er bereits mehrfach wieder nach Österreich eingereist. Bislang wäre es an der Grenze noch nie zu irgendwelchen Vorfällen gekommen, geschweige denn zu einer "Übertretung wegen vorsätzlichen Entziehens vor der Grenzkontrolle". Das Straferkenntnis wäre auch insoweit widersprüchlich, als es im Schuldausspruch noch hieße "vorsätzlich der Grenzkontrolle entzogen", während es in den Entscheidungsgründen hieße: "Verschulden liegt vor. Als Schuldform wird Fahrlässigkeit angenommen". Er hätte sich vor und bei dem angeblichen Vorfall und auch danach bei der Grenzüberschreitung immer korrekt verhalten. Gründe, warum er sich am 13. August 1996 fahrlässig oder gar vorsätzlich der Grenzkontrolle entzogen haben sollte, wären nicht ersichtlich. Er hätte immer wieder die Erfahrung gemacht, dass er mit dem Reisebus "durchgewunken worden sei" und auch sonstige Fahrzeuge nicht mehr angehalten worden wären und eine formelle Grenzkontrolle nicht durchgeführt worden wäre. Die Geste des Beamten, er sollte vorfahren, sei daher für ihn eindeutig ein "Durchwinken" gewesen, wie er es auch immer wieder erlebt hätte. Lediglich aufgrund des Umstandes, dass er auf der falschen Spur gefahren wäre und der Beamte sich hierüber erregt hätte, hätte er sich veranlasst gesehen, doch noch einmal anzuhalten und abzuwarten, ob der Beamte wegen der falschen Spurbenutzung "von ihm noch etwas wolle". Nachdem er über mehrere Minuten erkannt hätte, dass der Beamte keinerlei Anstalten gemacht hätte, sich noch weiterhin um ihn zu kümmern, wäre er dann tatsächlich weitergefahren. Hätte er sich vorsätzlich oder grob fahrlässig der Grenzkontrolle entziehen wollen, hätte er sicherlich zunächst nicht noch einmal angehalten, sondern wäre er gleich weitergefahren.

Die belangte Behörde nahm folgenden Sachverhalt als feststehend an: Der Beschwerdeführer sei mit einem Reisebus von Liechtenstein zum Grenzübergang Feldkirch-Tisis gefahren. Dabei sei er ursprünglich in der für Busse vorgesehenen rechten Spur eingereiht gewesen. In weiterer Folge habe er den Bus jedoch auf die für die Abfertigung von Personenkraftwagen vorgesehene linke Spur eingelenkt. Es sei ihm daraufhin von einem Zollbeamten durch Handzeichen aufgetragen worden, wieder auf die rechte Spur zu fahren. Der Beschwerdeführer, der zwar nicht genau gewusst habe, ob noch eine Zollkontrolle stattfinden würde, dies jedoch ernstlich für möglich gehalten habe, habe auf der rechten Spur noch kurze Zeit gewartet. Da in dieser Zeit der Zollbeamte nicht auf ihn zugekommen sei, sondern andere Fahrzeuge abgefertigt habe, habe der Beschwerdeführer nicht mehr länger warten wollen und sei in Richtung Feldkirch weitergefahren, obwohl er es immer noch ernstlich für möglich gehalten habe, dass eine Kontrolle seines Reisebusses durch einen Zollbeamten vorgesehen gewesen sei, und er sich damit abgefunden habe, dass er möglicherweise durch sein Verhalten diese Zollkontrolle verunmöglicht habe. Dieser Sachverhalt werde aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens, insbesondere aufgrund der Rechtfertigungsangaben des Beschwerdeführers (insbesondere im Schreiben vom 22. November 1996), angenommen. Das genannte Schreiben sei die erste Äußerung des Beschwerdeführers in der gegenständlichen Angelegenheit gegenüber der Behörde gewesen. Damals habe der Beschwerdeführer angegeben (übrigens das gesamte Verfahren hindurch), er wäre ursprünglich auf der für Busse ausgeschilderten rechten Abfertigungsspur gefahren, in der Folge jedoch aufgrund eines am Zollhäuschen angebrachten Richtungspfeiles nach links auf die linke Spur gewechselt. Daraufhin hätte ihm der Zollbeamte sofort auf erregte Weise zu verstehen gegeben, er sollte wieder auf die rechte Spur fahren, was er dann auch gemacht hätte. Dort wäre er stehen geblieben, weil er sich unschlüssig gewesen wäre, was denn jetzt los wäre und wie er sich verhalten sollte. Er wäre sich nicht sicher gewesen, ob der Zollbeamte "von ihm noch etwas wolle". Er hätte dann ein bis zwei Minuten gewartet. Nachdem der Zollbeamte während dieser Zeit nicht zu ihm gekommen wäre, sondern andere Fahrzeuge abgefertigt hätte, wäre er weiter gefahren. Der Beschwerdeführer habe also damit klar ausgeführt, er hätte es zumindest ernstlich für möglich gehalten, dass ihm die Weiterfahrt ohne Kontrolle nicht gestattet worden wäre. Aus diesem Grund hätte er auch noch gewartet. Ob es sich letztendlich um 15 Sekunden oder ein bis zwei Minuten gehandelt habe, sei dabei unerheblich. Bis zu diesem Punkt werde daher den damaligen Ausführungen des Beschwerdeführers voll und ganz gefolgt, auch wenn er im Zug des weiteren Verfahrens seine Verantwortung dahingehend geändert habe, dass er nunmehr behaupte, er hätte die Geste des Zollbeamten eindeutig als ein Durchwinken, d.h. als einen Verzicht auf die Grenzkontrolle gewertet, hätte jedoch sicherheitshalber noch kurz angehalten, da er nicht sicher gewesen wäre, ob der Zöllner ihn nicht noch wegen der Benutzung der falschen Spur zur Rechenschaft habe ziehen wollen. Diese Darstellung halte die belangte Behörde für eine Schutzbehauptung. Es werde davon ausgegangen, dass die Angaben im Schreiben des Beschwerdeführers vom 22. November 1996 in diesem Punkt eher der Wahrheit entsprechen würden. Es entspreche nämlich der allgemeinen Lebenserfahrung, dass die Erstverantwortung, die noch in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit dem relevanten Ereignis stehe, grundsätzlich glaubwürdiger sei als ein diesbezüglich späteres Vorbringen. Der Begründung des Beschwerdeführers, warum er nach einiger Zeit dann doch weitergefahren sei, werde hingegen nicht gefolgt. Der Beschwerdeführer versuche nämlich den Sachverhalt so darzustellen, als sei er durch die Tatsache, dass sich der Zollbeamte nicht gleich um ihn gekümmert hätte, zu dem Schluss gekommen, es wäre nun sicher keine Grenzkontrolle mehr beabsichtigt und die Geste des Zöllners hätte bedeutet, es wäre ihm die Weiterfahrt gestattet worden. Nach Auffassung der belangten Behörde sei jedoch die Annahme der Richtigkeit dieser Darstellung nicht mit den Erfahrungen des täglichen Lebens vereinbar. Die Behörde halte es nämlich nicht für glaubwürdig, dass jemand, der aus welchen Gründen auch immer aus einer Reihe von wartenden Fahrzeugen herausgefahren sei, und sich dann auf Anordnung eines Behördenorganes wieder in eine Reihe gestellt habe, auch wenn diesmal weiter vorne bzw. ganz an den Anfang der Reihe, davon ausgehe, dass er aufgrund dessen nun als erster abgefertigt würde, während die anderen Fahrzeuge, die ursprünglich vor ihm in der Reihe gewesen seien, warten müssten. Es sei somit ganz und gar logisch, dass der Zöllner, nachdem er den Beschwerdeführer wieder in die rechte Spur eingewiesen habe, sich nicht gleich um ihn gekümmert, sondern zuerst die Fahrzeuge, die nun eben an der Reihe gewesen seien, abgefertigt habe. Dies sei auch dem Beschwerdeführer bewusst gewesen. Die belangte Behörde gehe vielmehr davon aus, dass der Beschwerdeführer keine Lust mehr gehabt habe länger zu warten. Möglicherweise sei er auch darüber verärgert gewesen, dass sich der Zollbeamte im Augenblick nicht um ihn gekümmert habe. Für die belangte Behörde stehe jedenfalls fest, dass es der Beschwerdeführer nach wie vor ernsthaft für möglich gehalten habe, dass eine Grenzkontrolle seines Reisebusses seitens des Zollbeamten geplant gewesen sei, und er daher bewusst in Kauf genommen habe, dass er sich durch sein Verhalten, nämlich das Weiterfahren, der Grenzkontrolle entzogen habe.

Von der Einvernahme der Zeugin Frau Korth, welche offensichtlich während des gesamten Geschehensablaufes auf dem Reiseleitersitz neben dem Beschwerdeführer gesessen sei, werde Abstand genommen, da hinsichtlich des nach außen gedrungenen Tatablaufes ohnehin den Behauptungen des Beschwerdeführers gefolgt werde. Inwiefern eine Zeugeneinvernahme von Frau Korth darüber Aufschluss geben könnte, was sich der Beschwerdeführer gedacht habe, bzw. wie er das Verhalten des Zollbeamten ausgelegt habe, sei vom Beschwerdeführer nicht dargelegt worden. Nach Auffassung der belangten Behörde sei davon auszugehen, dass eine andere Person über derartige Ereignisse im Inneren eines anderen kaum Auskunft geben könne. Sollte sich dies im vorliegenden Fall ausnahmsweise anders verhalten, so hätte der Beschwerdeführer dies bei der Beantragung der Einvernahme der Zeugin genauer begründen müssen.

Gemäß § 10 Abs. 1 des Grenzkontrollgesetzes 1969 in der zur Tatzeit gültigen Fassung hätten die im Grenzkontrollbereich (§ 7 leg. cit.) befindlichen Personen den Grenzkontrollorganen nach Verlangen darüber Auskunft zu erteilen, ob sie den Grenzübertritt vorgenommen hätten oder vornehmen wollten, sowie gemäß § 9 lit. c leg. cit. erteilte Weisungen zu befolgen. Personen, die den Grenzübertritt vorgenommen hätten oder vornehmen wollten, hätten sich innerhalb des Grenzkontrollbereiches der Grenzkontrolle nach den jeweils geltenden Rechtsvorschriften ohne unnötigen Aufschub zu unterziehen soweit eine solche Kontrolle stattfinde. Gemäß § 15 Abs. 1 lit. b leg. cit. begehe, sofern die Tat nicht nach einer anderen Rechtsvorschrift im Sinn des § 1 Z. 1 leg. cit. mit einer strengeren oder gleich strengen Strafe bedroht sei, eine Verwaltungsübertretung und sei von der Bezirksverwaltungsbehörde, die zuerst von der Verwaltungsübertretung Kenntnis erlangt habe, im örtlichen Wirkungsbereich einer Bundespolizeibehörde von dieser, mit Geldstrafe bis S 30.000,-- oder mit Arreststrafe bis zu sechs Wochen zu bestrafen, wer vorsätzlich sich oder eine der Grenzkontrolle unterliegende Sache entgegen den Vorschriften des § 10 Abs. 1 und 2 des Grenzkontrollgesetzes der Grenzkontrolle entziehe.

Die äußere Tatseite werde vom Beschwerdeführer nicht in Abrede gestellt. Zur inneren Tatseite sei festzuhalten, dass das vorliegende Delikt zu seiner Verwirklichung die Schuldform des Vorsatzes verlange. Wie bereits ausgeführt, habe es der Beschwerdeführer, als er, ohne die Grenzkontrolle abzuwarten, weitergefahren sei, zumindest ernsthaft für möglich gehalten, dass er sich durch sein Verhalten einer noch beabsichtigten Grenzkontrolle entziehe und habe dies billigend in Kauf genommen. Es sei daher davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer bei Begehung der Tat zumindest bedingt vorsätzlich gehandelt habe. Für die Begehung der gegenständlichen Übertretung reiche jedoch auch ein bedingter Vorsatz. Es werde auch noch darauf hingewiesen, dass offensichtlich die erstinstanzliche Behörde davon ausgegangen sei, dass der Beschwerdeführer vorsätzlich gehandelt habe "(siehe Spruch)". Die Aussage in der Begründung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses, wonach als Verschuldensform Fahrlässigkeit vorläge, sei als offensichtliches Versehen der Behörde zu werten. Unter Würdigung des vorgetragenen Sachverhaltes und unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers finde die belangte Behörde im Grund des § 19 VStG die von der Erstbehörde festgesetzte Strafe (was im bekämpften Bescheid noch näher dargelegt wird) als schuld-, tat-, vermögens- und einkommensangemessen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Beschwerde richtet sich nach ihrem Beschwerdepunkt (§ 28 Abs. 1 Z. 4 VwGG) ausschließlich gegen die unter Spruchpunkt 2 erfolgte Bestrafung des Beschwerdeführers und lässt die unter Spruchpunkt 1 vorgenommene Zurückweisung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand unbekämpft, weshalb diese Zurückweisung - ungeachtet des umfassend formulierten Aufhebungsbegehrens - vorliegend außer Betracht zu bleiben hat.

2.1. Die Beschwerde wendet gegen den angefochtenen Bescheid ein, dass sein Spruch dem § 44a VStG nicht entspreche, weil er nicht konkretisiere, welche "Weisung des Zollorgans" der Beschwerdeführer nicht befolgt habe und welche "Amtshandlung" er abzuwarten gehabt hätte.

2.2.1. Gemäß § 44a Z. 1 VStG hat der Spruch, wenn er nicht auf Einstellung lautet, "die als erwiesen angenommene Tat" zu enthalten. Nach der hg. Rechtsprechung heißt das, dass jene Tat im Spruch so eindeutig umschreiben sein muss, dass kein Zweifel darüber besteht, wofür der Täter bestraft worden ist. Dieser Rechtsvorschrift ist danach dann entsprochen, wenn a) im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, dass er (im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren, gegebenenfalls auch in einem Wiederaufnahmeverfahren) in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und b) der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten (Bestraften) rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053, (Slg. Nr. 11.894 (A))).

Die belangte Behörde hat den Beschwerdeführer unter Spruchpunkt 2 des angefochtenen Bescheides für schuldig erkannt, er habe sich anlässlich seiner Einreise am 13. August 1996 um

15.45 Uhr bei der Grenzkontrollstelle Feldkirch-Tisis mit einem nach dem Kennzeichen bestimmten Reisebus vorsätzlich der Grenzkontrolle entzogen, indem er trotz Weisung des Zollorgans, ohne die Amtshandlung abzuwarten, die Fahrt in das Bundesgebiet fortgesetzt habe. Um ein weisungswidriges Verhalten an den Tag legen zu können, muss der Adressat mit dieser Weisung eine klare Anordnung erhalten. Welche Anordnung dem Beschwerdeführer erteilt wurde, ist dem Spruch des angefochtenen Bescheides aber nicht entnehmbar. Damit wird dieser Spruch dem § 44a Z. 1 VStG nicht gerecht: Mangels Umschreibung der Weisung, auf die die Tatumschreibung im Spruch des angefochtenen Bescheides abstellt, wird der Beschwerdeführer(worauf die Beschwerde zutreffend hinweist) durch diesen Spruch nicht in die Lage versetzt, seine Verteidigungsrechte im Sinn des Vorgesagten wahrzunehmen; weiters kann auch eine Doppelbestrafung des Beschwerdeführers im Sinn des Vorgesagten nicht ausgeschlossen werden.

2.2.2. Ferner lässt sich aus der von der belangten Behörde für maßgeblich erachteten Feststellung, dass es der Beschwerdeführer "für ernsthaft möglich" gehalten habe, dass eine Grenzkontrolle seines Reisebusses geplant gewesen sei, und er es bewusst in Kauf genommen habe, dass er sich durch sein Verhalten, nämlich das Weiterfahren, der Grenzkontrolle entzogen habe, weder ableiten, dass dem Beschwerdeführer überhaupt eine -  im besagten Tatvorwurf in Bezug genommene - Weisung erteilt wurde, noch bejahendenfalls welchen Inhalt diese Weisung aufwies. Damit hat die belangte Behörde das Verhalten des Beschwerdeführers aber auch zu Unrecht dem § 10 Abs. 1 des Grenzkontrollgesetzes 1969 (vgl oben I.1.) subsumiert, der für seine Anwendung - soweit im vorliegenden Zusammenhang bedeutsam - in seinem ersten Satz voraussetzt, dass eine gemäß § 9 lit. c leg. cit. erteilte Weisung nicht befolgt wurde. Auch von daher belastete die belangte Behörde den bekämpften Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

3. Nach dem Gesagten war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm § 3 Abs. 2 Z. 2 Eurogesetz, BGBl. I Nr. 72/2000, und der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 14. Februar 2002

Schlagworte

Besondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:1998180336.X00

Im RIS seit

21.05.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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