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E2D Assoziierung Türkei;Norm
61997CJ0340 Ömer Nazli VORAB;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des Y, (geboren 1980), in Langenstein, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 15. März 1999, Zl. St 19/99, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 41,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 15. März 1999 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 iVm §§ 37 und 39 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen.
Der Beschwerdeführer halte sich nach den von ihm nicht bestrittenen Ausführungen der Erstbehörde seit 1991 im Bundesgebiet auf. Mittlerweile sei er wie folgt von österreichischen Gerichten rechtskräftig verurteilt worden:
"1. Verurteilung durch das LG Linz vom 9.4.1996 zu einer 4 monatigen bedingten Freiheitsstrafe wegen des versuchten Beischlafes mit Unmündigen und der geschlechtlichen Nötigung.
2. Verurteilung durch das LG Linz vom 26.3.1998 zu einer 2 monatigen Freiheitsstrafe wegen 'schwerer Nötigung' (richtig: gefährlicher Drohung gemäß § 107 Abs. 1 StGB), Körperverletzung und Zuhälterei.
3. Verurteilung durch das LG Linz vom 8.6.1998 zu einer Zusatzstrafe von 1 Monat wegen 'schwerer Nötigung' (richtig: gefährlicher Drohung gemäß § 107 Abs. 1 und 2 StGB) und
4. neuerliche Verurteilung (nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten: vom 3.9.1998 durch das Landesgericht Linz) zu einer Freiheitsstrafe von 4 Monaten wegen der §§ 83 Abs. 1, 105 Abs. 1 und 106 Abs. 1 Zi. 1 StGB."
Bereits in der niederschriftlichen Einvernahme vom 8. Juli 1996 sei der Vater des Beschwerdeführers darauf aufmerksam gemacht worden, dass im Fall neuerlicher strafbarer Handlungen ein Aufenthaltsverbotsverfahren gegen den Beschwerdeführer eingeleitet werde. Mit Schreiben vom 20. Juli 1998 habe die Bezirkshauptmannschaft Perg dem Beschwerdeführer den vorangeführten Sachverhalt mitgeteilt und ihm die Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme eingeräumt. In seiner Stellungnahme vom 30. Juli 1998 und in seiner Berufung vom 15. Jänner 1999 habe der Beschwerdeführer auf sein jugendliches Alter bzw. auf den Umstand hingewiesen, dass seine strafbaren Handlungen auf seine jugendliche Unerfahrenheit zurückzuführen wären und er "in schlechte Kreise" gekommen wäre. Das Übel der Strafhaft hätte ihm eingehend vor Augen geführt, welche Folgen strafbares Verhalten haben könnte, was Gewähr für ein künftiges Wohlverhalten bieten würde. Weiters habe der Beschwerdeführer ausgeführt, dass er sich nahezu die Hälfte seines Lebens in Österreich aufgehalten hätte. Die Voraussetzungen "des Assoziationsratsabkommens" würden auf ihn zutreffen, spezialpräventive Maßnahmen wären nicht erforderlich.
Durch die nunmehrige Erlassung des Aufenthaltsverbotes werde zweifelsohne in nicht unbeachtlicher Weise in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers eingegriffen. In Anbetracht der Tatsache, dass er sich seit ca. acht Jahren im Bundesgebiet aufhalte, werde ihm eine der Dauer dieses Aufenthaltes entsprechende Integration zuzubilligen sein. Überdies hielten sich seine Eltern und ein Bruder in Österreich auf. In seinem Heimatland lebe noch ein weiterer Bruder. In beruflicher Hinsicht könne auf Grund seines jugendlichen Alters jedoch noch nicht von einer Integration gesprochen werden. Dies auch schon deshalb, weil er nunmehr wiederum arbeitslos sei. Seiner sicherlich vorhandenen Integration sei jedoch gegenüberzustellen, dass er mittlerweile vier Mal rechtskräftig gerichtlich verurteilt worden sei. Das Vorliegen des Tatbestandes nach § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG werde auch vom Beschwerdeführer nicht bestritten, zumal er doch bereits mehr als ein Mal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen rechtskräftig verurteilt worden sei. Besonders sei zu beachten, dass eine rechtskräftige gerichtliche Verurteilung nicht ausgereicht habe, um ihn von der Begehung weiterer strafbarer Handlungen abzuhalten. Auch eine niederschriftliche Ermahnung (damals noch gerichtet an seinen Vater als Erziehungsberechtigten) habe keine Wirkung gezeigt. In den gerichtlichen Verurteilungen spiegle sich eine erhebliche Gewaltbereitschaft des Beschwerdeführers wider, was letztlich auch zu unbedingten Verurteilungen geführt habe. Daraus sei auch ersichtlich, dass das Gericht den Unwert der strafbaren Handlungen des Beschwerdeführers "enorm hoch eingeschätzt" habe, weshalb auch von der Beischaffung der Gerichtsakten habe Abstand genommen werden können. Derartiges sei vom Beschwerdeführer auch nicht beantragt worden, er habe lediglich auf seine jugendliche Unerfahrenheit und auf das Abrutschen in schlechte Kreise hingewiesen. Möge diese Erklärung noch für die erste gerichtliche Verurteilung bzw. den dieser Verurteilung zugrunde liegenden Sachverhalt herangezogen werden können, spätestens nach dieser Verurteilung hätte dem Beschwerdeführer trotz seines jugendlichen Alters bewusst werden müssen, dass er sich strafbar gemacht habe und österreichische Behörden bzw. Gerichte entsprechend darauf reagierten. Die Sicherheitsbehörden hätten den gesetzlichen Auftrag und die moralische Verpflichtung gegenüber den Staatsbürgern, für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zu sorgen. Diesbezüglich seien sie verpflichtet, die ihnen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten nach dem Verhältnismäßigkeitsprinzip anzuwenden. Könnten nun, wie im Fall des Beschwerdeführers, rechtskräftige Verurteilungen "(die letztlich nur als Mahnungen zu einem rechtstreuen Verhalten verstanden werden können - Spezialprävention)" einen Fremden nicht von der Begehung weiterer strafbarer Handlungen abhalten, und gingen sogar niederschriftliche Ermahnungen (im Fall des Beschwerdeführers an seinen Vater, der als Erziehungsberechtigter auch entsprechend reagiert haben müsse) ins Leere, so sei die Behörde verpflichtet (gleichermaßen als "ultima ratio"), auch von der Möglichkeit eines Aufenthaltsverbotes Gebrauch zu machen, zumal es scheine, dass andere Mittel nicht mehr ausreichten, um den Beschwerdeführer zur Einhaltung der Rechtsordnung seines Gastlandes zu bewegen. Aus den oben angeführten Tatsachen sei nicht nur die im § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme, sondern das Aufenthaltsverbot auch im Licht des § 37 Abs. 1 FrG gerechtfertigt. Zudem sei das Gesamtfehlverhalten des Beschwerdeführers doch schwer wiegenderer Art, weshalb nicht mehr nur mit einer bloß niederschriftlichen Ermahnung das Auslangen habe gefunden werden können, sondern von der Ermessungsbestimmung des § 36 Abs. 1 FrG habe Gebrauch gemacht werden müssen. Der Beschwerdeführer weise, wie bereits vorher erwähnt, entsprechende Integrationsmerkmale auf, diesen stünden jedoch seine gravierenden strafrechtlichen Handlungen gegenüber, die keinesfalls dem Bagatellbereich zuzuzählen seien. Diese sehr schwer zu wertenden Delikte (insbesondere schwere Nötigung (richtig: gefährliche Drohung), Zuhälterei und die strafbaren Handlungen des Beschwerdeführers gegen die Sittlichkeit) fielen besonders ins Gewicht und seien als solche nicht nur im Licht des § 37 Abs. 2, sondern auch bei der Ermessungsentscheidung nach § 36 Abs. 1 FrG höher zu bewerten als die sicherlich vorhandenen privaten Interessen des Beschwerdeführers an der Nichterlassung des Aufenthaltsverbotes. Da unter Abwägung aller oben angeführten Tatsachen im Hinblick auf die für seinen weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet zu stellende negative Zukunftsprognose die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes wesentlich schwerer zu wiegen schienen, als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers, sei das Aufenthaltsverbot auch im Sinn des § 36 Abs. 2 FrG zulässig. Daran vermöge auch sein Hinweis darauf, dass ihm das Übel der Strafhaft eingehend vor Augen geführt hätte, welche Folgen strafbares Verhalten haben könne, nichts zu ändern, zumal durch nichts ersichtlich sei, dass er gerade jetzt bzw. in Zukunft dadurch keine strafbaren Handlungen mehr begehen würde. Die Dauer des von der Erstbehörde verhängten Aufenthaltsverbotes sei nicht als rechtswidrig zu erkennen, zumal nach Ablauf dieser Zeit erwartet werden könne, dass sich der Beschwerdeführer wiederum an die im Bundesgebiet geltenden Normen halten werde. Auch entspreche diese Dauer in etwa der Tilgungsfrist für die gerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die Beschwerde lässt die Auffassung der belangten Behörde, dass vorliegend der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG verwirklicht sei, unbekämpft. Gegen diese Auffassung bestehen keine Bedenken, wurde doch im Beschwerdefall in Anbetracht der unbestrittenen rechtskräftigen Verurteilung des Beschwerdeführers vom 3. September 1998 der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 letzter Fall FrG und im Hinblick auf diese Verurteilung, die weitere Verurteilung wegen Körperverletzung und die beiden (als Einheit zu wertenden, vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. Oktober 2000, Zl. 2000/18/0013, mwH) Verurteilungen wegen gefährlicher Drohung der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 vierter Fall leg. cit. verwirklicht, zumal auch die Delikte der Körperverletzung und der gefährlichen Drohung auf der gleichen schädlichen Neigung beruhende strafbare Handlungen darstellen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 6. November 2001, Zl. 98/18/0419). Die von der belangten Behörde (im Ergebnis) vertretene Auffassung, dass das Gesamtfehlverhalten des Beschwerdeführers - nämlich die mehrfache Begehung von strafbaren Handlungen - trotz bereits erfolgter einschlägiger Verurteilungen und einer an seinen Erziehungsberechtigten gerichteten Ermahnung, die im § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt erscheinen lasse, kann ebenfalls nicht als rechtswidrig erkannt werden, hat doch der Beschwerdeführer eine Vielzahl von Delikten - versuchter Beischlaf mit Unmündigen und geschlechtliche Nötigung, (wiederholte) gefährliche Drohung, Zuhälterei, (wiederholte) Körperverletzung, und schwere Nötigung - über einen (wie die Daten der besagten Urteile erkennen lassen) längeren Zeitraum hinweg gesetzt, die insgesamt - ihrer Art und Häufigkeit nach - das Gerechtfertigtsein der besagten Annahme offenkundig erscheinen lassen (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 20. Februar 2001, Zl. 2000/18/0162). Von daher geht das Vorbringen, die belangte Behörde habe sich mit dem den Verurteilungen zugrunde liegenden Sachverhalt in keiner Weise auseinander gesetzt und keine auf den Beschwerdeführer konkret zugeschnittene Zukunftsprognose erstellt, ins Leere.
2.1. Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die von der Behörde nach § 37 FrG vorgenommene Beurteilung. Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes greife massiv in sein Privat- und Familienleben ein. Er halte sich seit mehr als acht Jahren in Österreich auf und habe nahezu die Hälfte seines Lebens in Österreich verbracht. Seine "wesentliche Familie" - seine Eltern und sein jüngerer Bruder - lebten in Österreich, in der Türkei habe er keinerlei Bindungen und Kontakte, weder Unterkunft noch Arbeitsmöglichkeit. Weiters sei sein jugendliches Alter - er sei erst 19 Jahre alt - zu seinen Gunsten zu berücksichtigen. Angesichts dieser Umstände hätte die Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 2 FrG zu seinen Gunsten ausgehen müssen.
2.2. Die belangte Behörde hat angesichts der ca. achtjährigen Dauer seines Aufenthalts und seiner familiären Bindungen zutreffend einen mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG angenommen. Sie hat aber - unter Bedachtnahme auf diese persönlichen Interessen - ebenso zutreffend die Auffassung vertreten, dass die vorliegende fremdenpolizeiliche Maßnahme dringend geboten sei, hat doch der Beschwerdeführer durch sein wiederholtes Fehlverhalten die im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, der Verhinderung von (weiteren) strafbaren Handlungen (durch den Beschwerdeführer), dem Schutz der Rechte und Freiheiten anderer sowie dem Schutz der Gesundheit und der Moral erheblich beeinträchtigt. Unter Zugrundelegung des dargestellten öffentlichen Interesses an der Beendigung des Aufenthaltes des Beschwerdeführers erweist sich auch das Ergebnis der von der belangten Behörde nach § 37 Abs. 2 FrG vorgenommenen Abwägung als unbedenklich. Wenngleich die für den Verbleib des Beschwerdeführers in Österreich sprechenden persönlichen Interessen durchaus beachtlich sind, kommt ihnen doch kein größere Gewicht zu als dem durch das Fehlverhalten des Beschwerdeführers nachhaltig beeinträchtigten Allgemeininteresse. Der Hinweis auf sein jugendliches Alter wird dadurch relativiert, dass der Beschwerdeführer trotz einschlägiger Verurteilungen neuerlich ein zu strafgerichtlichen Verurteilungen führendes Fehlverhalten gesetzt hat und bei Erlassung des angefochtenen Bescheides das 19. Lebensjahr bereits überschritten hatte. Dem Vorbringen betreffend fehlende Bindungen, Kontakte und Arbeitsmöglichkeit in seinem Heimatland ist entgegenzuhalten, dass durch § 37 FrG die Führung eines Privat- und Familienlebens außerhalb Österreichs nicht gewährleistet wird (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 11. Oktober 2001, Zl. 2001/18/0175, mwH) und mit einem Aufenthaltsverbot nicht darüber abgesprochen wird, dass der Fremde in ein bestimmtes Land auszureisen habe oder dass er (allenfalls) abgeschoben werde (vgl. aus der hg. Rechtsprechung etwa das Erkenntnis vom 11. Oktober 2001, Zl. 99/18/0024).
2.3. Auf dem Boden des Gesagten ist auch die Verfahrensrüge, die belangte Behörde hätte bezüglich ihrer Beurteilung nach § 37 FrG den Sachverhalt nicht hinlänglich festgestellt und den angefochtenen Bescheid nicht ausreichend begründet, nicht zielführend.
3.1. Nach Auffassung des Beschwerdeführers kommt ihm die "Rechtswohltat des § 35 Abs. 2 FrG (Aufenthaltsverfestigung)" zugute. In seinem Fall sei die Erlassung eines Aufenthaltsverbots nur zulässig, wenn sein weiterer Aufenthalt die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährden würde, was aber nicht der Fall sei. Mit der genannten Bestimmung habe sich die belangte Behörde überhaupt nicht auseinander gesetzt.
3.2. Auch mit diesem Vorbringen ist für die Beschwerde nichts gewonnen. Gemäß § 38 Abs. 1 Z. 2 FrG darf ein Aufenthaltsverbot nicht erlassen werden, wenn eine Ausweisung gemäß § 34 Abs. 1 Z. 1 oder 2 FrG wegen des maßgeblichen Sachverhalts unzulässig wäre. Eine Ausweisung gemäß § 34 Abs. 1 Z. 1 und 2 FrG ist (u.a.) in den Fällen des § 35 FrG unzulässig. Dessen Abs. 2 hat folgenden Wortlaut:
"(2) Fremde, die vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet auf Dauer niedergelassen waren, dürfen nur mehr ausgewiesen werden, wenn sie von einem inländischen Gericht wegen Begehung einer strafbaren Handlung rechtskräftig verurteilt wurden und ihr weiterer Aufenthalt die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährden würde."
Nach der hg. Rechtsprechung ist unter dem Zeitpunkt "vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes" der Zeitpunkt vor Eintritt des ersten der in ihrer Gesamtheit für die Verhängung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Umstände zu verstehen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 14. November 2000, Zl. 98/18/0166, mwH). Der Beschwerdeführer hat das seiner von der belangten Behörde (zulässigerweise) herangezogenen Verurteilung vom 9. April 1996 zugrunde liegende Fehlverhalten im Juni bzw. Juli 1995 gesetzt (vgl. das Urteil des Landesgerichtes Linz, OZ 4 der vorgelegten Verwaltungsakten). Damals hatte der Aufenthalt des Beschwerdeführers aber noch nicht die von § 35 Abs. 2 FrG verlangte Dauer von acht Jahren erreicht.
3.3. Vor diesem Hintergrund geht auch die Verfahrensrüge fehl, die belangte Behörde hätte "entscheidungswesentliche Feststellungen und Begründungen" betreffend § 35 Abs. 2 FrG unterlassen.
4.1. Weiters meint der Beschwerdeführer, er falle vollinhaltlich in den Anwendungsbereich des Assoziationsrechtes, und stehe daher - auch was die Frage der Aufenthaltsbeendigung betreffe - "EU-Staatsbürgern" gleich, weshalb auf seinen Fall auch die "ordre public Richtlinie 64/221/EWG" anwendbar sei. Die nach dieser Richtlinie gebotene spezialpräventive Prognose sei im Fall des Beschwerdeführers keinesfalls negativ zu stellen, allein das Vorliegen strafbarer Handlungen rechtfertige nach der genannten Richtlinie nicht die Einleitung und Durchführung aufenthaltsbeendender Maßnahmen. Auch auf Grund unmittelbar anwendbaren Gemeinschaftsrechts, welches österreichischem Recht vorgehe, hätte in seinem Fall ein Aufenthaltsverbot nicht erlassen werden dürfen.
4.2. Es kann dahinstehen, ob auf den Beschwerdeführer die Regelungen betreffend die Beschäftigung und Freizügigkeit von türkischen Arbeitnehmern nach dem Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei aus dem Jahr 1963 und dem darauf gestützten Beschluss Nr. 1/80 des Assoziationsrates vom 19. September 1980 (im Folgenden: ARB) anzuwenden sind. Art. 14 Abs. 1 ARB ("Dieser Abschnitt gilt vorbehaltlich der Beschränkungen, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigt sind.") macht deutlich, dass die die Beschäftigung und die Freizügigkeit türkischer Arbeitnehmer regelnden Bestimmungen (Abschnitt 1 des Kapitels II ARB) der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nicht entgegen stehen, wenn es aus Gründen der öffentlichen Ordnung gerechtfertigt ist. Der Europäische Gerichtshof ist in seinem Urteil vom 10. Februar 2000, Rechtssache C-340/97, Nazli, wie im hg. Erkenntnis vom 13. März 2001, Zl. 2000/18/0105, näher dargestellt wird, zu dem Ergebnis gekommen, dass einem türkischen Staatsangehörigen die ihm unmittelbar aus dem ARB zustehenden Rechte nur dann im Weg einer Ausweisung abgesprochen werden dürfen, "wenn diese dadurch gerechtfertigt ist, dass das persönliche Verhalten des Betroffenen auf die konkrete Gefahr von weiteren schweren Störungen der öffentlichen Ordnung hindeutet" (RNr 61). Vor diesem rechtlichen Hintergrund ist das unter II.4.1. genannte Vorbringen nicht zielführend. Die belangte Behörde hat nämlich ihre Auffassung, dass das persönliche Verhalten des Beschwerdeführers auf die konkrete Gefahr von weiteren derartigen schweren Störungen der öffentlichen Ordnung hindeute, auf das wiederholte Fehlverhalten des Beschwerdeführers trotz bereits erfolgter einschlägiger Verurteilungen (vgl. II.1.) und nicht auf die bloße Tatsache der bisherigen Verurteilungen gestützt.
5. Für die belangte Behörde bestand entgegen der Beschwerde auch keine Veranlassung, von dem ihr gemäß § 36 Abs. 1 FrG bei der Verhängung eines Aufenthaltsverbotes zukommenden Ermessen zugunsten des Beschwerdeführers Gebrauch zu machen, sind doch weder aus der Beschwerde noch aus dem angefochtenen Bescheid im Zusammenhalt mit dem Akteninhalt Umstände ersichtlich, die für eine derartige Ermessensübung sprächen.
6. Im Hinblick auf das unter II. 4. 2. Gesagte sieht sich der Verwaltungsgerichtshof im vorliegenden Fall auch nicht zur Einleitung des vom Beschwerdeführer hinsichtlich der Reichweite der Richtlinie 64/221/EWG in Bezug auf türkische Staatsbürger, welche unter die Regelungen des ARB fielen, angeregten Vorabentscheidungsverfahrens veranlasst.
7. Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
8. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 14. Februar 2002
Gerichtsentscheidung
EuGH 61997J0340 Ömer Nazli VORABEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:1999180128.X00Im RIS seit
21.05.2002Zuletzt aktualisiert am
11.11.2011