TE Vwgh Erkenntnis 2002/2/14 99/18/0076

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Veröffentlicht am 14.02.2002
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §10 Abs1;
AVG §10 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
ZustG §9 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des M, (geb. 1952), vertreten durch Dr. Achim Maurer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Graben 27-28, Stiege 2/19, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 12. Jänner 1999, Zl. SD 1039/98, betreffend Zurückweisung einer Berufung i.A. Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 44 des Fremdengesetzes 1997, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von 1.089,68 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Die Bundespolizeidirektion Wien hat mit Bescheid vom 9. November 1998 dem Antrag des Beschwerdeführers (eines jugoslawischen Staatsangehörigen) vom 3. Juni 1998 auf Aufhebung eines im Jahr 1993 über ihn verhängten Aufenthaltsverbotes mit einer Gültigkeitsdauer von zehn Jahren gemäß § 44 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, keine Folge gegeben.

Mit Bescheid vom 12. Jänner 1999 hat die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (die belangte Behörde) die gegen diesen Bescheid am 14. Dezember 1998 "(Poststempel)" eingebrachte Berufung gemäß § 66 Abs. 4 iVm § 63 Abs. 5 AVG als verspätet zurückgewiesen.

Am 3. Juni 1998 habe der Beschwerdeführer, vertreten durch Alfred Hofrichter, einen Antrag auf Aufhebung des besagten Aufenthaltsverbotes gestellt. Diesem Antrag sei eine Vollmacht des Beschwerdeführers beigelegt gewesen, mit der er den Vorgenannten zu seiner Vertretung bevollmächtigt habe. Nach Prüfung des Sachverhaltes habe die Erstbehörde diesem Bevollmächtigten eine Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme übermittelt. Am 22. September 1998 sei per Fax eine Stellungnahme von RA Dr. Maurer eingelangt, in der angegeben worden sei, dass der Beschwerdeführer diesen bevollmächtigt habe. Eine Auflösung des Vollmachtsverhältnisses zu Alfred Hofrichter sei nicht erfolgt. Die Beendigung eines Vollmachtsverhältnisses werde der Behörde gegenüber aber erst wirksam, wenn ihr dies ausdrücklich mitgeteilt werde. Die Erstbehörde habe in weiterer Folge den Antrag des Beschwerdeführers auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes mit Bescheid vom 9. November 1998 abgewiesen und diesen Bescheid dem Alfred Hofrichter als Bevollmächtigten zugestellt, der den Bescheid am 20. November 1998 übernommen habe. Habe eine Person mehrere Zustellungsbevollmächtigte, so sei die Zustellung bewirkt, wenn sie auch nur an einen von ihnen vorgenommen worden sei (§ 9 Abs. 2 des Zustellgesetzes). Somit sei die Zustellung des genannten Bescheides am 20. November 1998 rechtswirksam erfolgt. Die Berufungsfrist habe daher - darauf sei der Beschwerdeführer in der Rechtsmittelbelehrung auch ausdrücklich hingewiesen worden - zwei Wochen ab Zustellung des Bescheides betragen. Wenn der vom Beschwerdeführer bevollmächtigte Alfred Hofrichter nichts unternommen habe, d.h. den Bescheid nicht einmal an den Beschwerdeführer weiter geleitet habe, gehe dies "zu Kosten" des Beschwerdeführers. Demnach habe die zweiwöchige Rechtsmittelfrist am 4. Dezember 1998 geendet. Es sei unerheblich, dass einem zweiten Bevollmächtigten, in diesem Fall Dr. Achim Maurer, am 30. November 1998 ebenfalls eine Ausfertigung des Bescheides übermittelt worden sei, weil bereits am 20. November 1998 eine rechtswirksame Zustellung dieses Bescheides erfolgt sei. Die Berufung sei daher als verspätet zurückzuweisen gewesen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Der Beschwerdeführer wendet gegen den angefochtenen Bescheid (u.a.) ein, die belangte Behörde habe nicht berücksichtigt, dass die Erstbehörde nicht ohne nähere Prüfung zu dem Ergebnis hätte gelangen dürfen, dass trotz des Einschreitens des nunmehrigen Beschwerdevertreters im Verwaltungsverfahren die vom Beschwerdeführer zuvor dem Alfred Hofrichter erteilte Vollmacht noch aufrecht gewesen sei, zumal der Beschwerdeführer mit seinem nunmehrigen Beschwerdevertreter einen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten zu seiner Vertretung benannt habe.

2. Mit einem mit "Stellungnahme (;) Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gemäß § 47 Abs. 3 Z. 1 2. Fall FrG 1997" überschriebenen Schriftsatz vom 22. September 1998 gab der Beschwerdeführer der Erstbehörde (dort protokolliert am 23. September 1998) bekannt, "RA Dr. Achim Maurer, Graben 27-28 Stiege 2/19 1010 Wien, der sich auf die erteilte Vollmacht beruft, beauftragt und bevollmächtigt zu haben. Es wird die Zustellung sämtlicher Schriftstücke zu Handen des bevollmächtigten Vertreters begehrt" (Blatt 114 der vorgelegten Verwaltungsakten). Aus der Wendung "die Zustellung sämtlicher Schriftstücke" ergibt sich, dass der Beschwerdeführer der Erstbehörde mit dieser (für den Umfang der von ihm erteilten Vertretungsmacht maßgeblichen, vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 6. November 2001, Zl. 97/18/0160) Mitteilung bekannt gab, dass nur mehr dem besagten Rechtsanwalt die Stellung eines Zustellbevollmächtigten des Beschwerdeführers zukam. Mit dieser Mitteilung wurde daher die vom Beschwerdeführer zuvor dem Alfred Hofrichter erteilte "allgemeine und unbeschränkte" Vollmacht (Blatt 91 der Verwaltungsakten) derart eingeschränkt, dass diese eine Zustellvollmacht nicht mehr mitumfasste.

Gemäß § 9 Abs. 1 des Zustellgesetzes hat die Behörde (sofern (was vorliegend der Fall ist) gesetzlich nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist) den Zustellungsbevollmächtigten als Empfänger zu bezeichnen. Geschieht dies nicht, so gilt die Zustellung als in dem Zeitpunkt bewirkt, in dem das Schriftstück dem Zustellungsbevollmächtigten tatsächlich zugekommen ist. Nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten wurde der Erstbescheid Rechtsanwalt Dr. Maurer - nach dem Vorgesagten der alleinige Zustellbevollmächtigte des Beschwerdeführers - am 30. November 1998 übermittelt (vgl. Blatt 121 f der Verwaltungsakten). Die gegen diesen Bescheid vom genannten Rechtsanwalt namens des Beschwerdeführers erhobene Berufung wurde am 14. Dezember 1998 zur Post gegeben (vgl. Blatt 125 f der Verwaltungsakten) und somit rechtzeitig erhoben (vgl. § 63 Abs. 1 AVG).

3. Vor diesem Hintergrund hätte die belangte Behörde die genannte Berufung nicht als verspätet zurückweisen dürfen. Dies hat die belangte Behörde verkannt und den angefochtenen Bescheid dadurch mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet. Er war deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm § 3 Abs. 2 Z. 2 Eurogesetz, BGBl. I Nr. 72/2000, und der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001, insbesondere deren § 3 Abs. 2.

Wien, am 14. Februar 2002

Schlagworte

Allgemein Beginn Vertretungsbefugnis Vollmachtserteilung Individuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1 Prozeßvollmacht Vertretungsbefugnis Inhalt Umfang

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:1999180076.X00

Im RIS seit

21.05.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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