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82/04 Apotheken Arzneimittel;Norm
ApG 1907 §10 Abs1 Z2 idF 1998/I/053;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Stöberl und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Zavadil, über die Beschwerde der M KG in Laxenburg, vertreten durch Dr. Wolfgang Völkl, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Nussdorferstraße 10-12, gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit, Gesundheit und Soziales vom 23. Dezember 1999, Zl. 262.704/4-VIII/A/8/99, betreffend Konzession zur Errichtung und zum Betrieb einer neuen öffentlichen Apotheke (mitbeteiligte Partei: Mag. pharm. P in Hinterbrühl, vertreten durch Dr. Eleonore Berchtold-Ostermann, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Bräunerstraße 6), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Schriftsatz vom 2. April 1996 beantragte die mitbeteiligte Partei die Erteilung einer Konzession zur Errichtung und zum Betrieb einer neuen öffentlichen Apotheke in Biedermannsdorf mit der voraussichtlichen Betriebsstätte Biedermannsdorf, Ortsstraße 59.
Die beschwerdeführende Partei erhob Einspruch und machte u.a. geltend, im Falle einer Erteilung der beantragten Konzession würden ihr höchstens 4.000 Personen zur Versorgung verbleiben.
Die Behörde erster Instanz holte zur Frage des Bedarfes nach der beantragten Apotheke ein Gutachten der Österreichischen Apothekerkammer ein. Diesem Gutachten zufolge würden der beschwerdeführenden Partei im Falle der Neuerrichtung der beantragten Apotheke 4.590 ständige Einwohner zur Versorgung verbleiben, und zwar die 2.803 ständigen Einwohner der Gemeinde Laxenburg, die 1.112 ständigen Einwohner der Gemeinde Achau und 675 der 2.025 ständigen Einwohner der Gemeinde Münchendorf. Die Gemeinde Münchendorf liege von den Apotheken in Laxenburg, Guntramsdorf und Möllersdorf gleich weit entfernt, sodass ein Drittel der ständigen Einwohner von Münchendorf der beschwerdeführenden Partei zuzurechnen sei. In Laxenburg hätten 474 Personen ihren Zweitwohnsitz und in Achau 156 Personen. Von den Personen mit Zweitwohnsitz in Münchendorf sei (wiederum) ein Drittel zu berücksichtigen, d.h. 241 Personen. Diese Personen seien je nach Inanspruchnahme des Zweitwohnsitzes aliquot zu berücksichtigen. Die Erfahrung zeige, dass im Nahbereich von städtischen Ballungszentren die Zweitwohnsitze relativ häufig auch unter der Woche benützt würden. Die Heranziehung der Zweitwohnungsbesitzer als zusätzlich zu den ständigen Einwohnern zu versorgenden Personen habe daher zur Hälfte zu erfolgen. Die 871 Personen mit Zweitwohnsitz würden demnach 436 "Einwohnergleichwerten" entsprechen. Im Jahre 1996 seien in dem in Rede stehenden Versorgungsgebiet 29.980 Fremdennächtigungen registriert worden. Der Arzneimittelverbrauch der Urlaubsgäste sei zwar deutlich geringer als jener der ständigen Einwohner. Dies werde durch eine empirische Studie der Österreichischen Apothekerkammer belegt, die an Hand von 17 öffentlichen Apotheken in typischen Fremdenverkehrsgemeinden durchgeführt worden sei. Der wertmäßig betrachtete Arzneimittelkonsum der Gäste liege demnach nur knapp über der Hälfte des Arzneimittelverbrauches der ständigen Einwohner. Dies sei einerseits damit erklärbar, dass der vorhersehbare Arzneimittelbedarf (Dauerverschreibungen, die darüber hinaus häufig auch teurer sind), schon von der "Wohnsitzapotheke" mitgebracht würde, und andererseits Urlaube im Normalfall von gesunden Menschen angetreten werden. Es dürfe aber nicht darauf ankommen, welchen Umsatz die zu versorgenden Personen der jeweiligen Apotheke brächten, sondern ausschließlich darauf, wie viele Personen zu versorgen seien. Im Ernstfall - damit sei der dringende Bedarf an einem Arzneimittel gemeint - müsse der Urlauber genauso versorgt sein wie jeder andere (ständige) Einwohner. Es werde auch bei der Bedarfsprüfung bzw. bei der Zählung der ständigen Einwohner richtigerweise nicht darauf Bedacht genommen, welche Altersstruktur dieser Personenkreis aufweise, obgleich hinreichend bekannt sei, dass der Arzneimittelbedarf älterer Personen deutlich höher sei. Es komme eben auf die Zahl der Personen und nicht auf ihren üblichen Arzneimittelverbrauch an. Folglich seien auch die Urlauber, die an Hand der Nächtigungszahlen der jeweiligen Gemeinden feststellbar seien, gleichwertig (aliquot) bei den Bedarfsfeststellungen anzusetzen, weil die akute Versorgung im Bedarfsfall - der den Urlauber genauso treffen könne, wie jede andere Person - das entscheidende Kriterium sei und nicht die Qualität als "Umsatzbringer" für die Apotheke. Die Nächtigungszahlen seien demnach durch 365 (Anzahl der Tage pro Jahr) zu dividieren, um die Gleichwertigkeit sämtlicher zu versorgender Personen, also auch der Urlauber mit den ständigen Einwohnern zu dokumentieren. Die
29.980 Fremdennächtigungen entsprächen somit 82 "Einwohnergleichwerten". Dem Versorgungspotenzial der beschwerdeführenden Partei von 4.590 ständigen Einwohnern seien somit 518 zusätzlich zu versorgende Personen hinzuzurechnen, sodass ihr im Falle der Neuerrichtung der beantragten öffentlichen Apotheke 5.108 Personen zur Versorgung verblieben. Es bestehe daher kein Bedarf im Sinne der apothekenrechtlichen Bestimmungen nach der beantragten Apotheke.
Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 7. Jänner 1999 wurde der Konzessionsantrag der mitbeteiligten Partei mangels Erfüllung der Bedarfsvoraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z. 3 Apothekengesetz (ApG) abgewiesen. Der beschwerdeführenden Partei würden auf Grund der durchgeführten Erhebungen sowie des Gutachtens der österreichischen Apothekerkammer nur 5.130 Einwohner zur Versorgung verbleiben. Dabei handle es sich um 2.803 ständige Einwohner der Marktgemeinde Laxenburg, abzüglich 219 Einwohner des Ortsteiles nördlich der Aspang-Bahn, die "einkaufsmäßig ohnehin stark nach Biedermannsdorf orientiert" seien und nach Mitteilung der Marktgemeinde Laxenburg auch die geplante Apotheke der mitbeteiligten Partei aufsuchen würden. Zu den der Versorgung durch die beschwerdeführende Partei verbleibenden Personen zählten weiters die 1.153 ständigen Einwohner von Achau, 675 der 2.025 ständigen Einwohner von Münchendorf, sowie 873 Personen mit Zweitwohnsitz in Laxenburg (474), Achau (158) und Münchendorf, das auch hier zu einem Drittel zu berücksichtigen sei (241), wobei diese 873 Personen mit Zweitwohnsitz 436 Einwohnergleichwerten entsprächen. Dazu kämen noch 282 Einwohnergleichwerte, die aus den im Jahre 1996 registrierten Fremdennächtigungen ermittelt worden seien. Der beschwerdeführenden Partei würde somit nicht die erforderliche Mindestanzahl von 5.500 Personen zur Versorgung verbleiben.
Die mitbeteiligte Partei erhob Berufung und brachte vor, bei den der beschwerdeführenden Partei zur Versorgung verbleibenden Personen seien zu Unrecht 219 ständige Einwohner von Laxenburg abgezogen worden. Ob diese "einkaufsmäßig" nach Biedermannsdorf orientiert seien, sei unerheblich, weil es ausschließlich auf die Entfernung zur nächstgelegenen Apotheke ankomme. In Laxenburg würden weitere Wohnbauvorhaben verwirklicht, wodurch mit weiteren 81 ständigen Einwohnern zu rechnen sei. Schließlich sei unberücksichtigt geblieben, dass 300 ständige Einwohner von Biedermannsdorf es näher zur Betriebsstätte der beschwerdeführenden Partei hätten als zur beantragten Apotheke.
Die Berufungsbehörde holte ein (weiteres) Gutachten der Österreichischen Apothekerkammer ein. Diesem zufolge würden auf Grund der örtlichen Verhältnisse, d.h. auf Grund der Entfernung zur jeweils nächstliegenden öffentlichen Apotheke 2.782 ständige Einwohner der Gemeinde Laxenburg, 1.139 ständige Einwohner der Gemeinde Achau und 697 ständige Einwohner der Gemeinde Münchendorf der beschwerdeführenden Partei zur Versorgung verbleiben. Zu berücksichtigen seien weiters 871 Personen mit Zweitwohnsitz, die 436 Einwohnergleichwerten entsprächen, sowie
21.626 Fremdennächtigungen, die im Jahre 1998 registriert worden seien und 59 Einwohnergleichwerten entsprächen. Erhebungen betreffend das von der mitbeteiligten Partei angesprochene Bauvorhaben in Laxenburg habe unterbleiben können, weil selbst bei Zurechnung der genannten 81 Personen das Mindestversorgungspotenzial von 5.500 Personen für die beschwerdeführende Partei nicht erreicht werden könne. Dieser verblieben vielmehr lediglich 5.113 Personen zur Versorgung.
In ihrer Stellungnahme zu diesem Gutachten zog die beschwerdeführende Partei in Zweifel, dass sämtliche Einwohner von Achau die öffentliche Apotheke in Laxenburg aufsuchen würden.
Die mitbeteiligte Partei brachte vor, 316 ständige Einwohner von Biedermannsdorf, und zwar die Bewohner namentlich genannter Straßenzüge, hätten es zur Apotheke in Laxenburg näher als zur beantragten Apotheke; das Gutachten der Österreichischen Apothekerkammer sei auf diesen Umstand jedoch nicht eingegangen. Laxenburg habe weiters, wie im Bescheid erster Instanz richtig festgestellt worden sei, 2.803 ständige Einwohner und nicht 2.782, wie im Gutachten nunmehr angenommen werde. Schließlich müssten die ständigen Einwohner von Münchendorf nicht bloß zu einem Drittel, sondern zur Hälfte dem Versorgungspotenzial der Marien-Apotheke in Laxenburg zugeordnet werden.
Mit Bescheid des Bundesministers für Arbeit, Gesundheit und Soziales vom 23. Dezember 1999 wurde der Berufung Folge gegeben und der mitbeteiligten Partei die Konzession zur Errichtung und zum Betrieb einer neuen öffentlichen Apotheke in Biedermannsdorf mit der voraussichtlichen Betriebsstätte Ortsstraße 59 und dem Standort des Gebietes der Marktgemeinde Biedermannsdorf erteilt. Begründend wurde nach Darstellung des Verfahrensganges und der angewendeten Rechtsvorschriften im Wesentlichen ausgeführt, es sei offensichtlich, dass auf Grund der Entfernung und der Verbindungsmöglichkeiten die ständigen Einwohner der gesamten Gemeinde Achau der Apotheke in Laxenburg zuzurechnen seien, ebenso die ständigen Einwohner der gesamten Gemeinde Laxenburg. Dazuzuzählen seien die künftigen Einwohner der Wohnbauvorhaben in Laxenburg (81 Personen) sowie jene von der mitbeteiligten Partei wiederholt vorgebrachten Einwohner von Biedermannsdorf, die unmittelbar an der Grenze zur Gemeinde Laxenburg wohnten und die es - wie sich aus der von der mitbeteiligten Partei vorgelegten planlichen Darstellung ergebe - wesentlich näher zur Apotheke in Laxenburg hätten, als zur beantragten Apotheke. Laut Aufstellung der Gemeinde Biedermannsdorf handle es sich dabei um insgesamt 297 Personen namentlich genannter Straßenzüge, die hier ihren Hauptwohnsitz hätten, und 38 Personen, die hier ihren Zweitwohnsitz hätten. Münchendorf liege etwa gleich weit von den Apotheken in Laxenburg, Guntramsdorf und Möllersdorf entfernt, weshalb durch das Gutachten der Österreichischen Apothekerkammer eine Zuordnung der Einwohner jeweils zu einem Drittel vorgenommen worden sei. Eine genaue Entfernungsmessung durch die mitbeteiligte Partei habe eine Entfernung zwischen den Ortszentren von Münchendorf und Laxenburg von 5,6 Straßenkilometern ergeben, zwischen den Ortszentren Münchendorf und Guntramsdorf von 6,8 Straßenkilometern und zwischen den Ortszentren Münchendorf und Möllersdorf von 6,7 Straßenkilometern, wobei die Straße von Münchendorf nach Laxenburg eine Hauptverbindungsroute darstelle. Es sei daher in Ansehung der Einwohner von Münchendorf eine höhere Zuteilungsquote geboten. Eine Zuweisung von 50 % zur Laxenburger Apotheke sei zwar zu hoch, eine 40 %ige Berücksichtigung sei aber "absolut realistisch". Insoweit sei die nur 30 %ige Zuordnung im Gutachten der Österreichischen Apothekerkammer abzuändern gewesen, weil die gutachterliche Aussage "etwa gleich weit" durch die Entfernungsmessung der mitbeteiligten Partei präzisiert worden sei. Selbst eine Berücksichtigung von nur einem Drittel der Einwohner von Münchendorf führe jedoch bereits dazu, dass die von der beschwerdeführenden Partei zu versorgenden Personen die Anzahl von 5.500, wenn auch nur geringfügig, überschritten. Diese Zahl könnte allenfalls durch die im internationalen Institut für angewandte Systemanalyse beschäftigten 164 Arbeitnehmer, die laut Mitteilung dieses Instituts zu drei Viertel in Wien wohnhaft seien, noch erhöht werden, sodass das Mindestversorgungspotenzial der beschwerdeführenden Partei von 5.500 Personen gegeben sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte. Auch die mitbeteiligte Partei erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 2 ApG - in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 16/2001 - ist die Konzession für eine neu zu errichtende öffentliche Apotheke zu erteilen, wenn ein Bedarf an einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke besteht.
Nach § 10 Abs. 2 leg. cit. besteht ein Bedarf nicht, wenn
1.
...
2.
die Entfernung zwischen der künftigen Betriebsstätte der neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke und der Betriebsstätte der nächstgelegenen bestehenden öffentlichen Apotheke weniger als 500 m beträgt, oder
3. die Zahl der von der Betriebsstätte einer der umliegenden bestehenden öffentlichen Apotheken aus weiterhin zu versorgenden Personen sich infolge der Neuerrichtung verringert und weniger als
5.500 betragen wird.
Zu versorgende Personen gemäß Abs. 2 Z. 3 ApG sind nach § 10 Abs. 4 ApG die ständigen Einwohner aus einem Umkreis von 4 Straßenkilometern von der Betriebsstätte der bestehenden öffentlichen Apotheke, die auf Grund der örtlichen Verhältnisse aus dieser bestehenden öffentlichen Apotheke weiterhin zu versorgen sein werden.
Beträgt die Zahl der ständigen Einwohner im Sinne des Abs. 4 weniger als 5.500, so sind nach § 10 Abs. 5 ApG die auf Grund der Beschäftigung, der Inanspruchnahme von Einrichtungen und des Verkehrs in diesem Gebiet zu versorgenden Personen bei der Bedarfsfeststellung zu berücksichtigen.
Nach ständiger hg. Judikatur (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. Juni 2001, Zl. 2000/10/0166, und die dort zitierte Vorjudikatur) hat sich die gemäß § 10 ApG durchzuführende Bedarfsprüfung auf eine - auf entsprechende Ermittlungsergebnisse gestützte - prognostische Zuordnung konkreter Kundenpotenziale zu den beteiligten Apotheken zu gründen. Die Behörde hat somit festzustellen, wie viele der ständigen Einwohner im Umkreis von 4 km um die Betriebsstätte der bestehenden öffentlichen Apotheke(n) nach Errichtung der geplanten Apotheke ihren Arzneimittelbedarf auf Grund der örtlichen Verhältnisse voraussichtlich weiterhin aus der (den) bestehenden öffentlichen Apotheke(n) decken werden. Diese unter dem Gesichtspunkt der leichteren Erreichbarkeit vorzunehmende Zuordnung hat in erster Linie an Hand der Straßenentfernungen zu der (den) bestehenden öffentlichen Apotheke(n) im Vergleich zur beantragten Apotheke zu erfolgen. Ergibt sich für eine bestehende öffentliche Apotheke die kritische Zahl zu versorgender Personen nicht schon aus den ständigen Einwohnern des 4-km-Umkreises, so ist weiter zu prüfen, ob diese Zahl unter Berücksichtigung der auf Grund der Beschäftigung, der Inanspruchnahme von Einrichtungen und des Verkehrs in diesem Gebiet weiterhin zu versorgenden Personen erreicht wird.
Wohnt die zu versorgende Bevölkerung im 4-km-Umkreis zweier (oder mehrerer) Apotheken, so ist für die Zuordnung des Kundenpotenzials zur einen oder anderen Apotheke nach dem Kriterium der örtlichen Verhältnisse im Sinne des § 10 Abs. 4 ApG in erster Linie die leichtere Erreichbarkeit ausschlaggebend, wobei es vor allem auf die zurückzulegende Entfernung unter Berücksichtigung der vorhandenen Verkehrsmöglichkeiten ankommt. Die Zuordnung der Wohnbevölkerung zu den in Betracht kommenden Apotheken hat sich im Überschneidungsbereich der 4-km-Polygone an einer gedachten, nach den Gesichtspunkten der räumlichen Nähe und Erreichbarkeit zu ziehenden örtlichen Trennlinie zu orientieren (vgl. nochmals das zitierte hg. Erkenntnis vom 11. Juni 2001 und die dort zitierte Vorjudikatur).
Die beschwerdeführende Partei bestreitet die dem angefochtenen Bescheid zu Grunde liegende Auffassung, ihr werde ein Versorgungspotenzial im Sinne des § 10 Abs. 2 Z. 3 ApG von mehr als 5.500 Personen verbleiben. Sie wendet gegen die Zuordnung der ständigen Einwohner von Achau ein, die Entfernung des Zentrums von Achau betrage sowohl von Laxenburg als auch von Biedermannsdorf 3 km; die Einwohner von Achau hätten daher je zur Hälfte der beschwerdeführenden Partei und der beantragten Apotheke zugeordnet werden müssen.
Bei diesem Vorbringen übersieht die beschwerdeführende Partei, dass es für die Zuordnung der Wohnbevölkerung im Überschneidungsbereich der 4-km-Polygone zu beteiligten Apotheken nicht auf die Entfernungen zwischen den einzelnen Ortschaften bzw. deren Zentren ankommt, sondern auf die - in erster Linie an Hand der Straßenentfernung zu beurteilende - leichtere Erreichbarkeit der Betriebsstätten der Apotheken. Maßgeblich ist daher nicht die Entfernung des Ortszentrums von Achau zu (offenbar: den Ortsgrenzen von) Biedermannsdorf bzw. von Laxenburg, sondern ob für die - im Überschneidungsbereich der 4-km-Polygone wohnenden - ständigen Einwohner von Achau die bestehende Apotheke in Laxenburg oder die beantragte Apotheke in Biedermannsdorf - wie dargelegt - leichter erreichbar ist.
Im Gutachten der Österreichischen Apothekerkammer, das Grundlage für die von der beschwerdeführenden Partei bekämpfte Zuordnung sämtlicher ständiger Einwohner von Achau zur Apotheke in Laxenburg ist, wird diese Zuordnung damit begründet, dass die Laxenburger Apotheke für diesen Personenkreis - in Ansehung der zurückzulegenden Entfernung - die nächstliegende öffentliche Apotheke darstelle; weder geographische noch verkehrstechnische Besonderheiten würden eine andere Beurteilung erfordern.
Das Beschwerdevorbringen, das Zentrum von Achau sei von Biedermannsdorf gleich weit entfernt wie von Laxenburg, lässt keine Mängel in dieser Zuordnung erkennen; tritt dieses Vorbringen doch der Annahme, die Laxenburger Apotheke sei für sämtliche ständigen Einwohner von Achau die nächstgelegene Apotheke, nicht entgegen.
In Ansehung der Einwohner von Münchendorf liegt dem angefochtenen Bescheid die Auffassung zu Grunde, diese hätten - vom Ortszentrum gerechnet - eine kürzere Wegstrecke (5,6 km) zur Erreichung der Apotheke in Laxenburg zurückzulegen als zur Erreichung der Apotheke in Guntramsdorf (6,8 km) oder in Möllersdorf (6,7 km). Auf Grund dieser Entfernungsunterschiede sei es "absolut realistisch", 40 % der Einwohner von Münchendorf der Apotheke in Laxenburg zuzurechnen, und jeweils 30 % der Apotheke in Guntramsdorf bzw. in Möllersdorf.
Die beschwerdeführende Partei bestreitet die Rechtmäßigkeit dieser Zuordnung und macht geltend, es fehlten konkrete Feststellungen betreffend die Ortsteile von Münchendorf, die der Apotheke in Laxenburg näher gelegen seien ebenso wie die Anzahl der dort wohnenden Einwohner.
Die belangte Behörde hat bei der Zuordnung der Einwohner von Münchendorf auf die in Betracht kommenden Apotheken Ermittlungen unterlassen, ob und inwieweit die Bevölkerung von Münchendorf im 4- km-Umkreis einer dieser Apotheken, oder - worauf die Entfernungsangaben hindeuten - schon außerhalb dieses Umkreises wohnt.
Zählte die Münchendorfer Bevölkerung zum 4-km-Umkreis einer der erwähnten Apotheken, wäre sie dem Versorgungspotenzial dieser Apotheke zuzurechnen, bestünde eine Überschneidungsbereich von 4- km-Polygonen mehrerer Apotheken, hätte sich die Zuordnung - wie dargelegt - an einer gedachten, nach den Gesichtspunkten der räumlichen Nähe und Erreichbarkeit zu ziehenden örtlichen Trennlinie zu orientieren.
In diesem Zusammenhang wird in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ausnahmsweise die so genannte "Divisionsmethode" als Ermittlungsmethode zugelassen, und zwar dann, wenn besondere Gründe eine Zuordnung konkreter Kundenpotenziale nach den Gesichtspunkten der örtlichen Nähe und Erreichbarkeit unmöglich machen, andererseits aber eindeutig ist, dass das in Rede stehende Kundenpotenzial von den Betriebsstätten der beteiligten Apotheken aus zu versorgen ist. Die Methode der gleichteiligen Zurechnung bestimmter Kundenkreise zu den beteiligten Apotheken kann demnach insbesondere in Ansehung der Einwohner solcher Gebiete in Betracht kommen, die in größerer Entfernung von Betriebsstätten der beteiligten Apotheken und zu diesen in annähernd gleicher Entfernung liegen; in solchen Fällen kann gesagt werden, dass relativ - im Verhältnis zur insgesamt zurückzulegenden Distanz - geringfügige Entfernungsunterschiede keinen Umstand darstellen, der bei lebensnaher Betrachtung für die Zurechnung zur einen oder anderen Apotheke den Ausschlag geben könnte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. November 2000, Zlen. 99/10/0246, 0255, und die dort zitierte Vorjudikatur).
Ob ein Fall vorliegt, in dem die "Divisionsmethode" Platz greifen könnte, setzt aber jedenfalls ins Einzelne gehende Feststellungen über die Lage des betreffenden, bestimmten Gebietes, die Distanz zu den Betriebsstätten der beteiligten Apotheken und die Verkehrsverhältnisse voraus; aus diesen Feststellungen muss ersichtlich sein, dass eine Situation vorliegt, in der eine Zuordnung konkreter Kundenpotenziale nach den Gesichtspunkten der örtlichen Nähe und Erreichbarkeit - im dargelegten Sinne - nicht möglich ist.
Die im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen lassen allerdings - wie dargelegt - weder erkennen, ob die Bevölkerung von Münchendorf innerhalb oder außerhalb des 4-km-Polygons einer oder mehrerer öffentlicher Apotheken wohnt, noch, ob ein Fall vorliegt, in dem - ausnahmsweise - die "Divisionsmethode" Platz greifen dürfe. Im Übrigen könnte auch die Anwendung der Divisionsmethode nicht zu einer Aufteilung 40:30:30 führen, sondern immer nur zu einer gleichteiligen Zuordnung, weil diese - wie dargelegt - nur dort Platz greifen kann, wo eine Zuordnung konkreter Kundenpotenziale gerade nicht möglich ist.
Wohnte die Bevölkerung von Münchendorf außerhalb des 4-km-Polygons einer oder mehrerer Apotheken, hinge ihre Zuordnung zu einer oder zu mehreren Apotheken von der Erfüllung der im § 10 Abs. 5 ApG genannten Voraussetzungen ab. Entscheidend wären diesfalls - abgesehen vom Vorliegen sonstiger "Einflutungserreger" - die nach Laxenburg im Vergleich zu den nach Guntramsdorf bzw. nach Möllersdorf bestehenden Verkehrsverhältnisse ("... auf Grund ... des Verkehrs ... zu versorgende Personen ...") und damit die Erreichbarkeit der Apotheke in Laxenburg für alle oder einen Teil der Einwohner von Münchendorf; dieser Beurteilung wäre in einem Fall wie dem vorliegenden die Erreichbarkeit mit Kraftfahrzeugen zu Grunde zu legen. Soweit die Apotheke in Laxenburg daher für Einwohner von Münchendorf in diesem Sinne die nächstgelegene Arzneimittelabgabestelle darstellte, wäre der Schluss, diese Personen werden sich im Sinne des § 10 Abs. 5 ApG zur Heilmittelversorgung der Apotheke in Laxenburg bedienen, gerechtfertigt.
Im angefochtenen Bescheid wird in diesem Punkt zwar auf die zwischen Münchendorf und Laxenburg bestehende "Hauptverbindungsroute" und auf die vom Ortszentrum Münchendorf nach Laxenburg bzw. nach Guntramsdorf und nach Möllersdorf bestehenden Entfernungen hingewiesen. Es fehlen aber konkrete Feststellungen, denen zufolge - wäre eine Zuordnung gemäß § 10 Abs. 5 ApG vorzunehmen - auf Grund der Verkehrsverhältnisse für 40 % der Einwohner von Münchendorf die Apotheke in Laxenburg die nächstgelegene Apotheke ist und diese daher dort ihren Arzneimittelbedarf decken werden. Feststellungen, denen zu entnehmen wäre, es liege ein Fall vor, in dem ausnahmsweise die "Divisionsmethode" Platz greifen dürfe, fehlen gleichfalls; auch solche Feststellungen könnten aber - wie dargelegt - eine 40 %ige Zuordnung nicht tragen.
Die Zurechnung von 40 % der ständigen Einwohner von Münchendorf zum Versorgungspotenzial der Apotheke in Laxenburg beruht somit nicht auf einer mängelfrei ermittelten Sachverhaltsgrundlage. Dieser Verfahrensmangel ist wesentlich im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG, weil der beschwerdeführenden Partei ohne Zurechnung von Einwohnern von Münchendorf nach den Feststellungen im angefochtenen Bescheid weniger als
5.500 Personen zur Versorgung verblieben. Der angefochtene Bescheid war daher - ohne auf das Beschwerdevorbringen weiter einzugehen - gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG aufzuheben.
Aus Gründen der Verfahrensökonomie sieht sich der Verwaltungsgerichtshof veranlasst, für das fortzusetzende Verfahren zunächst in Ansehung der Berücksichtigung von Zweitwohnungsbesitzern auf seine Judikatur zu verweisen, wonach im konkreten Einzelfall festzustellen ist, in welchem Umfang durch die Gruppe der Zweitwohnungsbesitzer ein Bedarf an einer öffentlichen Apotheke mitbegründet wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. November 2000, Zl. 99/10/0246, 0255, und die dort zitierte Vorjudikatur). Dieser Anforderung wird die Zurechnung der Hälfte der Zweitwohnungsbesitzer in Form von "Einwohnergleichwerten" zum Versorgungspotenzial, weil die Erfahrung zeige, "dass die Zweitwohnsitze relativ häufig auch unter der Woche benutzt werden", nicht gerecht; ergeben sich aus dieser - nicht näher begründeten - Erfahrung doch weder Anhaltspunkte dafür, die in Betracht kommenden Zweitwohnsitze würden halb so häufig benützt wie Hauptwohnsitze, noch dafür, dass Zweitwohnungsbesitzer ihren Medikamentenbedarf in einem Ausmaß in der dem Zweitwohnsitz nächstgelegenen Apotheke decken werden, der der Hälfte des Medikamentenbedarfes eines ständigen Einwohners entspricht.
Entsprechende Feststellungen bedürften vielmehr einer fachlichen, auf entsprechende Ermittlungen gestützten Grundlage. Soweit auf den Einzelfall bezogene Ermittlungen nicht oder nur mit unvertretbarem Aufwand möglich sind, könnte auch durch allgemeine, für den vorliegenden Fall repräsentative Untersuchungsergebnisse aufgezeigt werden, in welchem Ausmaß Zweitwohnungsbesitzer im Nahebereich von städtischen Ballungszentren Apothekenleistungen in der dem Zweitwohnsitz nächstgelegenen Apotheke im Allgemeinen decken und in welchem Verhältnis diese Inanspruchnahme von Apothekenleistungen zur Inanspruchnahme von Apothekenleistungen nach der Maßstabfigur eines ständigen Einwohners i.S.d. § 10 ApG steht.
Was die Berücksichtigung von Fremdennächtigungen bei der Bedarfsprüfung anlangt, ist insbesondere auf das hg. Erkenntnis vom 16. November 1998, Zl. 98/10/0306, hinzuweisen, in dem ausgeführt wird, dass die Verwendung eines "Divisors 365", dessen Grundlagen in Ansehung des Zusammenhangs zwischen Fremdennächtigung und Inanspruchnahme von Apothekenleistungen nicht dargelegt werden, keine ausreichende Begründung für eine entsprechende Berücksichtigung darstellt. Bezüglich des Ausmaßes, in dem Fremdennächtigungen bei der Bedarfsbeurteilung zu berücksichtigen sind, bedarf es vielmehr (allgemeiner) empirischer Untersuchungsergebnisse, die belegen, in welchem Ausmaß Fremdennächtigungen für eine Inanspruchnahme von Apothekenleistungen in Frage kommen, wobei solche Untersuchungen freilich nicht für jeden Einzelfall angestellt werden müssten. In Betracht kämen durchaus auch allgemein gültige Kennzahlen, sofern sie auf empirischen Untersuchungen mit (statistischen) Methoden beruhen, die gewährleisten, dass sie den erwähnten Zusammenhang ausreichend widerspiegeln.
Was nun die im vorliegenden Fall für die Heranziehung des "Divisors 365" gebotene Begründung betrifft, geht sie von der Prämisse aus, "im Ernstfall" müssten alle Personen gleichermaßen mit Apothekenleistungen versorgt werden, unabhängig davon, ob es sich um ständige Einwohner handle oder um nur vorübergehend anwesende Personen. Daher müssten alle Personen gleich gezählt werden. Diese Auffassung entfernt sich jedoch von der nach § 10 ApG gebotenen Beurteilung, indem sie Personen mit den - grundsätzlich maßgebenden - ständigen Einwohnern gleich behandelt, obwohl diese in Ansehung der durch sie bewirkten Nachfrage nach Apothekenleistungen den ständigen Einwohnern gerade nicht vergleichbar sind. So wird in den eingeholten Gutachten selbst dargelegt, die (nicht näher vorgestellte) empirische Studie der Österreichischen Apothekerkammer habe belegt, dass der wertmäßig betrachtete Arzneimittelkonsum der Gäste nur knapp über der Hälfte des Arzneimittelverbrauchs der ständigen Einwohner liege. Die angebotene Begründung ist daher nicht geeignet, eine Berücksichtigung von Fremdennächtigungen bei der apothekenrechtlichen Bedarfsprüfung nach Maßgabe des "Divisors 365" zu rechtfertigen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 18. Februar 2002
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2000100022.X00Im RIS seit
17.05.2002Zuletzt aktualisiert am
18.04.2012