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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §18 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Stöberl und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Zavadil, über die Beschwerde des G in Feldkirchen, vertreten durch Dr. Franz Insam, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Roseggerkai 3/6/11, gegen die Erledigung der Vorsitzenden der Berufungskommission der Landeshauptstadt Graz vom 7. Juni 1999, Zl. A 3-K 5516/1998-10, betreffend Bordellbewilligung, den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat der Landeshauptstadt Graz Aufwendungen in der Höhe von EUR 332.-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Graz vom 29. Oktober 1998 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 5 Abs. 3 iVm § 7 Z. 1 und 3 des Steiermärkischen Prostitutionsgesetzes, LGBl. Nr. 16/1998, die Bewilligung zum Betrieb eines Bordells am Standort Graz, K. Straße 118, nicht erteilt.
Der dagegen erhobenen Berufung wurde mit der angefochtenen Erledigung keine Folge gegeben und der Bescheid der Behörde erster Instanz vollinhaltlich bestätigt.
Nach der Begründung sei zwischen dem Bordell und einer im § 7 Z. 1 leg. cit. genannten Einrichtung (Kinderspielplatz) ein Sichtkontakt gegeben. Damit liege eine sachliche Voraussetzung für die Erteilung einer Bewilligung nicht vor. Ferner sei im Hinblick auf die Lage des Bordelles zu erwarten, dass durch den Betrieb eine über das ortsübliche Ausmaß hinausgehende Belästigung der Nachbarschaft entstehen würde.
Gegen diese Erledigung richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 4 VwGG gebildeten Senat erwogen:
In der Beschwerde wird u. a. vorgebracht, dem "angefochtenen Bescheid" könne nicht entnommen werden, wer diesen erlassen habe. Der "Bescheid" sei von der "Vorsitzenden der Berufungskommission" unterschrieben, es sei jedoch nirgendwo angeführt, ob dieser von der Vorsitzenden der Berufungskommission allein oder von der Berufungskommission als Kollegialorgan erlassen worden sei. Ebenso könne dem "Bescheid" nicht entnommen werden, ob dieses Kollegialorgan gehörig besetzt und das erforderliche Quorum vorhanden gewesen sei.
Diesem Vorbringen kommt im Ergebnis Berechtigung zu:
Das Steiermärkische Prostitutionsgesetz ist mit Ausnahme der §§ 14 und 15 von der Gemeinde im eigenen Wirkungsbereich zu vollziehen (vgl. § 12 Abs. 1).
Nach § 100 Abs. 1 des Statuts der Landeshauptstadt Graz, LGBl. Nr. 130/1967 idF LGBl. Nr. 59/1995 obliegt in den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches die Entscheidung über Berufungen in zweiter Instanz 1.) dem Gemeinderat in jenen Angelegenheiten, die ihm ausdrücklich durch Gesetz übertragen sind, 2.) der Berufungskommission in allen sonstigen Angelegenheiten; dabei kommt ihr auch die Ausübung der in den verfahrensgesetzlichen Bestimmungen vorgesehenen oberbehördlichen Befugnisse zu.
Gemäß § 100 Abs. 2 des Statuts ist gegen Bescheide der Berufungskommission und des Gemeinderates eine Vorstellung an die Aufsichtsbehörde nicht zulässig.
Da eine ausdrückliche Übertragung der Prostitutionsangelegenheiten an den Gemeinderat nicht erfolgt ist, hatte im Beschwerdefall die Berufungskommission der Landeshauptstadt Graz über die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Stadtsenates zu entscheiden.
Nach den gemäß Art. II Abs. 2 lit. A Z. 3 EGVG auch auf das Verfahren vor den Organen der Städte mit eigenem Statut anzuwendenden Bestimmungen des § 58 Abs. 3 iVm § 18 Abs. 4 AVG muss jede schriftliche Ausfertigung eines Bescheides unter anderem die Bezeichnung der Behörde, die die Entscheidung getroffen hat, enthalten. Ist diese Behörde eine Kollegialbehörde, so ist dem Erfordernis durch ihre Bezeichnung im Bescheid Rechnung getragen; der Anführung der Mitglieder der Kollegialbehörde bedarf es mangels einer entsprechenden Rechtsgrundlage nicht (vgl. dazu etwa die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, zu § 18 AVG wiedergegebene Rechtsprechung, insbesondere E 36).
Das vollständige Fehlen jedes Hinweises auf die Behörde, die die Erledigung erlassen hat, schließt es aus, diese einer Behörde zuzurechnen, d. h. sie als "behördliche Erledigung" (hier: als Bescheid) zu qualifizieren (vgl. etwa Ringhofer, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze, erster Band, Anm. 10 zu § 18 AVG). Die Frage, welcher Stelle ein behördlicher Abspruch zuzurechnen ist, kann nur auf der Grundlage des äußeren Tatbestandes beantwortet werden (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 14. Juni 1995, Zl. 95/12/0142, mit Hinweis auf Vorjudikatur).
Die angefochtene Erledigung weist auf der ersten Seite die Bezeichnung "Magistrat Graz" sowie "Rechtsamt" auf. Sie enthält auch die Bezeichnung "BESCHEID". Weder im Spruch noch in der Begründung findet sich allerdings ein Hinweis auf eine Beschlussfassung durch die Berufungskommission der Landeshauptstadt Graz. Die Fertigungsklausel lautet: "Die Vorsitzende der Berufungskommission:" und ist von Mag. U. unterschrieben.
Da die angefochtene Erledigung weder im Kopf noch im Spruch noch in der Fertigungsklausel einen eindeutigen Hinweis auf die Berufungskommission enthält, ist sie unter Bedachtnahme auf die oben dargestellten Grundsätze - und zwar unabhängig davon, ob sie auf einem Beschluss der Berufungskommission beruht - der Vorsitzenden zuzurechnen.
Nach dem oben erwähnten Statut der Landeshauptstadt Graz fehlt es an einer selbständigen Behördenfunktion der Vorsitzenden der Berufungskommission. Kommt aber der (für die Berufungskommission handelnden) Vorsitzenden der Berufungskommission nicht die Eigenschaft als Behörde zu, so mangelt es von vornherein an der (selbständigen) Bescheidfähigkeit (vgl. dazu etwa das Erkenntnis vom 28. Februar 1996, Zl. 92/12/0267). Die der Vorsitzenden der Berufungskommission zuzurechnende Erledigung vom 7. Juni 1999 ist daher ungeachtet ihrer Bezeichnung kein Bescheid.
Da das Vorliegen eines Bescheides Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Beschwerde nach Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG ist, ein solcher jedoch im Beschwerdefall nicht vorliegt, war die Beschwerde gegen die angefochtene Erledigung gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat als unzulässig zurückzuweisen.
Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 18. Februar 2002
Schlagworte
Behördenbezeichnung Bescheidbegriff Mangelnder Bescheidcharakter wegen mangelnder Behördeneigenschaft Offenbare Unzuständigkeit des VwGH Mangelnder Bescheidcharakter Bescheidbegriff AllgemeinEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:1999100171.X00Im RIS seit
27.05.2002