TE Vwgh Erkenntnis 2002/2/20 98/12/0410

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Veröffentlicht am 20.02.2002
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Index

L22006 Landesbedienstete Steiermark;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §37;
AVG §52;
DP/Stmk 1974 §76 Abs1 idF 1993/098;
DP/Stmk 1974 §76 Abs2 Z1 idF 1993/098;
DP/Stmk 1974 §76 Abs2 Z2 idF 1993/098;
DP/Stmk 1974 §76 Abs4 idF 1993/098;
DP/Stmk 1974 §78 Abs1 idF 1997/072;
LBG Stmk 1974 §2 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Germ sowie Senatspräsident Dr. Höß und Hofrat Dr. Zens als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Julcher, über die Beschwerde des Dipl. Ing. Dr. B in G, vertreten durch Dr. Bernhard Krump, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Heinrichstraße 16, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 1. September 1998, Zl. 1-021656/pens-98, betreffend Versetzung in den zeitlichen Ruhestand (§ 76 Abs. 2 Z. 2 DP/Steiermark), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Steiermark hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der 1943 geborene Beschwerdeführer steht als Oberrat in Ruhe seit 1. Oktober 1998 im einem öffentlich-rechtlichen Ruhestandsverhältnis zum Land Steiermark. Er war zuletzt in einer Rechtsabteilung des Amtes der Landesregierung als Referent für die rechtliche, finanzielle und organisatorische Aufsicht der Wasserverbände und Wassergenossenschaften in der Steiermark und Leiter dieser Prüfungsgruppe eingesetzt.

Ab 22. Juli 1997 befand sich der Beschwerdeführer bis einschließlich 27. September 1998 im "Krankenstand" und trat (nach seinen Angaben in der Beschwerde) am 28. September 1998 wieder seinen Dienst an, den er bis zur Wirksamkeit seiner Ruhestandsversetzung leistete.

Der "Krankenstand" ging zunächst auf eine Beeinträchtigung der rechten Schulter zurück. Der Beschwerdeführer befand sich in der Zeit vom 28. Juli bis 8. August 1997 im LKH G./Unfallchirurgie, wo er am 1. August 1997 am rechten Schultergelenk operiert wurde. In der Folge unterzog er sich einer physiotherapeutischen Nachbehandlung, zunächst im September 1997 während eines stationären Aufenthalts im Krankenhaus für Orthopädie und Orthopädischer Rehabilitation, Theresienhof, Frohnleiten, in der Folge im LKH G.

In der Folge ersuchte die für die Dienstrechtsangelegenheiten zuständige Rechtsabteilung (im Folgenden RA) die Fachabteilung für Gesundheitswesen um eine amtsärztliche Untersuchung des Beschwerdeführers. Im "Ärztlichen Sachverständigenbeweis" vom 4. Mai 1998 erstellte die Amtsärztin Dr. S. nach Untersuchung des Beschwerdeführers folgende Diagnose:

"St.p. arthroskop. Labrumrefixation u. part. Synovektomie,

Acromioplastik d.re.Schulter am 1.8.1997.

HWS-Sndrom bei deutl. Osteochondrose u. deg.

Bandscheibenschaden C5/C6 u. C6/C7 mit dors. Osteophyten

     Beinlängendifferenz

     Hypercholesterinämie

     Periarthropathia humeroscapularis links

     Degenerative Veränderungen im Verlauf der Infraspinatussehne

links.

     Kleine subchondale Resorptionszyste im Caput humeri links."

     Die Amtsachverständige verneinte, dass der Beschwerdeführer

vom amtsärztlichen Standpunkt aus seinen Dienstposten, den er innehabe, bei gewöhnlichen Arbeitsbedingungen und normalen Anstrengungen ordnungsgemäß versehen könne. Im Abschnitt "Allfällige Begründung" führte sie aus, die Schulterprobleme rechts seien jetzt ziemlich gut therapiert; jedoch würden nunmehr die gleichen Symptome im Bereich der linken Schulter auftreten. Das diagnostische und therapeutische "Procedere" bleibe abzuwarten. Eine Nachuntersuchung Anfang August wurde angeregt.

Der festgestellte Leidenszustand werde voraussichtlich 2 - 3 Monate andauern. Verneint wurden alle im Vordruck angeführten Arbeiten, die noch geleistete werden könnten (wie z.B. alle Arbeiten, die sitzend mit - ohne Ruhepausen verrichtet werden könnten usw.).

Mit Schreiben vom 17. Juni 1998 ersuchte die RA die Fachabteilung für das Gesundheitswesen im Hinblick auf die Dauer des Krankenstandes um endgültige Feststellung der Dienstfähigkeit des Beschwerdeführers zwecks Einleitung eines Verfahren zur Versetzung in den zeitlichen Ruhestand.

Die darauf angesetzte Untersuchung fand am 11. August 1998 statt. Mit Schreiben vom 11. August 1998 teilte die Amtsärztin Dr. S. der RA 1 mit, beim Beschwerdeführer bestehe auf Grund seiner gesundheitlichen Probleme weiterhin Dienstunfähigkeit. Ein ausführliches Gutachten werde folgen.

Ohne das Einlangen des angekündigten Gutachtens abzuwarten teilte die RA dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 27. August 1998 - dem Beschwerdeführer am 2. September 1998 zugestellt - mit, er sei nach dem vorliegenden Gutachten vom 11. August 1998 aus gesundheitlichen Gründen unfähig, seinen Dienstposten ordnungsgemäß zu versehen. Er werde daher in Kenntnis gesetzt, dass er gemäß "§ 76 Absatz 2 (2) der Dienstpragmatik 1914" mit Ablauf des 30. September 1998 in den zeitlichen Ruhestand versetzt werde. In diesem Zusammenhang wurden dem Beschwerdeführer verschiedene Aufträge erteilt (Eröffnung eines Pensionskontos; Ausfüllen eines Fragebogens betreffend einige Personaldaten). (Anmerkung: Dieses und ein weiteres Schreiben wertete der Beschwerdeführer gleichfalls als Bescheid; die dagegen gerichtete Beschwerde wurde mit dem hg. Beschluss vom 24. März 1999, Zlen. 98/12/0405 und 98/12/409, mangels Bescheidqualität der angefochtenen Erledigungen zurückgewiesen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Begründung in diesem Beschluss verwiesen).

Gleichfalls mit Schreiben vom 27. August 1998 legte die Abteilung, bei der der Beschwerdeführer in Verwendung stand, der RA die Bewilligung der BVA für einen Kuraufenthalt des Beschwerdeführers im Kurzentrum L. in Y. für die Zeit vom 8. bis 29. Oktober 1998 vor.

Laut einem Aktenvermerk vom 3. September 1998 habe der Beschwerdeführer ersucht, die Ruhstandsversetzung nicht durchzuführen, weil er nach Beendigung des Kuraufenthalts wieder dienstfähig sein werde und die Absicht habe, bis zum 60. Lebensjahr im Dienststand zu verbleiben.

Nach einem weiteren Aktenvermerk vom 4. September 1998 sei der Beschwerdeführer telefonisch über die gesetzlichen Vorgaben informiert worden.

Mit Schreiben vom 6. September 1998 nahm der Beschwerdeführer zur behördlichen Verständigung der RA vom 27. August 1998 Stellung. Vorab wies er darauf hin, dass der (angekündigte) "Bescheid intern bereits unterwegs" sein solle, ohne seine allfällige Stellungnahme abzuwarten, und dass ihm für seine Stellungnahme nur eine viel zu kurze Vorbereitungszeit von 4 Tagen (darunter ein Wochenende) zur Verfügung gestanden sei. Entgegen dem im Behördenvorhalt erwähnten Gutachtensergebnis (das zum Teil wohl auf bis zu einem Jahr alte Unterlagen beruhe, die für eine Ruhestandsversetzung (zum jetzigen Zeitpunkt) nicht mehr oder nur mehr bedingt relevanten Gesichtspunkte enthielten) könne er seine dienstlichen Obliegenheiten (es folgt eine Darstellung seiner dienstlichen Aufgaben) erfüllen. Das erwähnte Gutachten sei ihm nicht bekannt gegeben worden, so dass er dessen (genauen) Inhalt nicht kenne und daher um dessen Übermittlung ersuche. Die letzte (nach der amtsärztlichen Untersuchung vom 11. August 1998) erfolgte Verlängerung seines "Krankenstandes" sei bis voraussichtlich 15. November 1998 erfolgt. In diese Zeit falle auch ein von der BVA bewilligter Kuraufenthalt. In der Zwischenzeit habe sich die bei der letzten (amtsärztlichen) Untersuchung im Bereich der (operierten) rechten Schulter ohnedies nur mehr gering gewesene Bewegungseinschränkung weiter verbessert. Dies gelte auch für die Bewegungseinschränkung der (nicht operierten) linken Schulter auf Grund einer geänderten Physiotherapie, auch wenn die Schmerzen noch nicht gänzlich abgeklungen seien. Aus heutiger Sicht hätten sich diese Einschränkungen soweit gebessert, dass er z.B. die vorliegende Äußerung auf seinem PC ohne besondere Schwierigkeiten selbst habe schreiben können. Bisher sei noch kein schlüssig nachvollziehbares Gutachten eines Sachverständigen auf dem Gebiet der Orthopädie über den Umfang seiner Bewegungseinschränkungen sowie deren Erheblichkeit für eine allfällige Ruhestandsversersetzung eingeholt worden. Dessen Einholung und Übermittlung zur Wahrung des Parteiengehörs werde unter einem beantragt. Die weiteren Ausführungen in dieser Stellungnahme sind unter dem Gesichtspunkt der vorliegenden Beschwerde nicht von Interesse.

Nach den vorgelegten Verwaltungsakten übermittelte der Beschwerdeführer seine Stellungnahme vorab im Weg der Telekopie an den Vorstand der RA, wo sie (laut Eingangsstempel) am 7. September 1998 einlangte. Die im Wege der Post übermittelte Stellungnahme (auf der handschriftlich auf die vorgängige Fax-Übermittlung hingewiesen wurde) langte laut Eingangsstempel am 9. September 1998 bei der RA ein.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 1. September 1998, der dem Beschwerdeführer unbestritten am 9. September 1998 zugestellt wurde, sprach die belangte Behörde im ersten Absatz des Spruches aus, dass die Versetzung des Beschwerdeführers in den zeitlichen Ruhestand gemäß "§ 76 Absatz 2 (2) der in der Fassung der Landesbeamtengesetznovelle 1998 als LG geltenden Dienstpragmatik 1914, LGBl. Nr. 44/1998, in Verbindung mit § 45j des Gehaltsüberleitungsgesetzes" mit 30. September 1998 wirksam werde. Gleichzeitig stellte sie im zweiten Absatz des Spruches den dem Beschwerdeführer ab 1. Oktober 1998 zustehenden Anspruch auf monatlichen Ruhebezug fest.

Sie begründete die Ruhestandsversetzung nach Wiedergabe des Wortlautes des § 76 Abs. 2 Z. 2 DP/Stmk damit, dass sich der Beschwerdeführer seit 22. Juli 1997 "laufend im Krankenstand" befinde. In seiner abschließenden Beurteilung vom 11. August 1998 habe der Amtsarzt der Fachabteilung für das Gesundheitswesen festgestellt, dass "im Zusammenhang aller Leiden Ihr Allgemeinzustand erheblich herabgesetzt ist. Sie können vom amtsärztlichen Standpunkt aus Ihren Dienstposten bei gewöhnlichen Arbeitsbedingungen und normaler Anstrengung nicht mehr ordnungsgemäß versehen und sind somit als dauernd dienstunfähig anzusehen." In der Folge wurde die Bemessung des monatlichen Ruhebezugs ausführlich begründet.

Gegen diesen Bescheid sowie zwei weitere Erledigungen richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Soweit sie sich gegen die beiden weiteren Erledigungen der belangten Behörde richtete, wurde sie - wie bereits erwähnt - mit dem hg. Beschluss vom 24. März 1999, Zlen. 98/12/0405 und 0409, zurückgewiesen.

Die belangte Behörde legte (zunächst unvollständig) die Akten des Verwaltungsverfahrens vor. Über Aufforderung des Verwaltungsgerichtshofes übermittelte sie den gesamten Personalakt und teilte auf eine entsprechende Anfrage mit, dass das angekündigte ausführliche Gutachten (vom 11. August 1998) mit Schreiben der Fachabteilung für das Gesundheitswesen vom 3. November 1998 bei der RA am 5. November 1998 eingelangt sei.

Von der Erstattung einer Gegenschrift nahm sie Abstand.

     Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1

Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

     I. Rechtslage

     Nach § 2 Abs. 1 des Stmk. Landesbeamtengesetzes (LBG),

LGBl. Nr. 124/1974, gilt für Landesbeamte die Dienstpragmatik 1914 (im Folgenden DP/Stmk genannt).

§ 76 DP/Stmk in der Fassung der LBG - Novelle 1993, LGBl. Nr. 98, lautet auszugsweise:

"Versetzung in den zeitlichen Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit und bei Außerdienststellung

(1) Der Beamte kann in den zeitlichen Ruhestand versetzt werden, wenn er infolge Krankheit, Unfalls oder Gebrechens dienstunfähig ist, sich jedoch die Wiedererlangung der Dienstunfähigkeit voraussehen lässt.

(2) Der Beamte ist in den zeitlichen Ruhestand zu versetzen, wenn er

1.

dauernd dienstunfähig oder

2.

in den Fällen des Abs. 1 ein Jahr vom Dienst abwesend gewesen und dienstunfähig

ist,

sofern nicht die Voraussetzungen für die Versetzung in den

dauernden Ruhestand vorliegen.

(4) Der Beamte ist dienstunfähig, wenn er infolge seiner körperlichen oder geistigen Verfassung seine dienstlichen Aufgaben nicht erfüllen und ihm kein mindestens gleichwertiger Arbeitsplatz zugewiesen werden kann, dessen Aufgaben er nach seiner körperlichen und geistigen Verfassung zu erfüllen imstande ist und der ihm mit Rücksicht auf seine persönlichen, familiären und sozialen Verhältnisse billigerweise zugemutet werden kann.

..."

Gemäß § 13 Abs. 1 letzter Satz AVG in der Fassung vor der am 1. Jänner 1999 in Kraft getretenen Novelle BGBl. I Nr. 158/1998 können schriftliche Anbringen nach Maßgabe der zur Verfügung stehenden technischen Mittel auch telegraphisch, fernschriftlich, im Wege automationsunterstützter Datenübertragung oder in jeder anderen technisch möglichen Weise eingebracht werden.

II. Beschwerdeausführungen und Erwägungen

1. Der Beschwerdeführer erachtet sich seinem gesamten Vorbringen nach in seinem Recht, nicht in den zeitlichen Ruhestand versetzt zu werden sowie (allenfalls) in seinem Recht auf eine dem Gesetz entsprechende Bemessung des Ruhebezuges durch zutreffende Ermittlung der Ruhegenussvordienstzeiten verletzt.

2.1. Was die Ruhestandsversetzung betrifft, macht der Beschwerdeführer im Wesentlichen geltend, die Behörde habe die Beurteilung der Rechtsfrage zu Unrecht dem Amtsarzt überlassen. Sie habe zum medizinischen Aspekt der Dienstunfähigkeit keine schlüssigen medizinischen, auf auch zeitlich relevante Tatsachen gestützte Gutachten eingeholt und daher keine einer Nachprüfung zugängliche Feststellung einer allfälligen Beeinträchtigung seiner "Arbeitsfähigkeit" sowie zum gleichwertigen Ersatzarbeitsplatz getroffen. Das Gutachten vom 11. August 1998 sei ihm bis zum Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung nicht zur Kenntnis gebracht worden, sodass er auch keine Gelegenheit gehabt habe, dazu Stellung zu nehmen. Die im angefochtenen Bescheid unter Berufung auf dieses Gutachten angeführte Begründung (erhebliche Herabsetzung des Allgemeinzustandes) habe nur solange zugetroffen, als der Beschwerdeführer monatelang, zuerst wegen der Schmerzen in der rechten, dann in der linken Schulter "schwerst schmerzstillende Medikamente" habe einnehmen müssen. Seitdem er solche Medikamente nicht mehr benötige, lägen auch keine Anzeichen eines herabgesetzten Allgemeinzustandes zu. Außerdem liege insofern ein Widerspruch vor, als nach dem zitierten amtsärztlichen Standpunkt von einer dauernden Dienstunfähigkeit die Rede sei, während sich die belangte Behörde auf § 76 Abs. 2 Z. 2 DP/Stmk gestützt habe, für dessen Anwendung keine dauernde Dienstunfähigkeit erforderlich sei. Im Übrigen sei die belangte Behörde auch nicht auf seinen Antrag, das Gutachten eines Orthopäden einzuholen, eingegangen.

In der Folge führte der Beschwerdeführer seine Bedenken gegen die Ruhegenussbemessung näher aus.

2.2. Die Beschwerde ist berechtigt.

2.2.1.Die belangte Behörde stützt den angefochtenen Bescheid -

wie sich aus der sowohl im Spruch als auch in der Begründung angeführten Gesetzesstelle ergibt, auf § 76 Abs. 2 Z. 2 DP/Stmk.

2.2.2.Voraussetzung für die Versetzung in den zeitlichen Ruhestand ist nach dieser Norm

1. die Abwesenheit vom Dienst aus einem der drei in Abs. 1 alternativ angeführten Gründen in der Dauer von einem Jahr und

2. das Vorliegen von Dienstunfähigkeit, die auf einen dieser Gründe zurückzuführen ist.

2.2.3. Im Beschwerdefall liegt unbestritten die erste Tatbestandsvoraussetzung vor; strittig ist ausschließlich das Vorliegen der zweiten Tatbestandsvoraussetzung (Dienstunfähigkeit).

2.2.3.1.Der Begriff "dienstunfähig" wird in § 76 Abs. 4 DP/Stmk definiert. Dafür, dass er für den Fall einer Ruhestandsversetzung nach § 76 Abs. 2 Z. 2 leg. cit. nicht gelten soll, gibt es keinen Anhaltspunkt. Er weist demnach einen medizinischen Aspekt (Nichterfüllung der dienstlichen Aufgaben infolge der körperlichen oder geistigen Beschaffenheit) und einen Vergleichsaspekt (Zuweisung eines gleichwertigen Arbeitsplatzes, dessen Ausübung billigerweise zugemutet werden kann; in diesem Sinn bereits das zu § 76 DP/Stmk ergangene hg. Erkenntnis vom 30. September 1996, Zl. 95/12/0154) auf.

Nicht erforderlich ist für die Ruhestandsversetzung nach § 76 Abs. 2 Z. 2 DP/Stmk das Vorliegen einer dauernden Dienstunfähigkeit, wie sich aus der Versetzung in den zeitlichen Ruhestand nach § 76 Abs. 2 Z. 1 DP/Stmk rückschließen lässt und worauf der Beschwerdeführer zutreffend hingewiesen hat (vgl. zu einer insofern völlig vergleichbaren Rechtslage nach § 14 Abs. 1 Z. 1 und 2 BDG 1979 in der Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 820/1995, das hg. Erkenntnis vom 16. November 1994, Zl. 94/12/0289). Eine Dienstunfähigkeit ist dann als dauernd zu werten, wenn - nach den Beurteilungsgrundlagen im maßgebenden Zeitpunkt - keine Heilungschancen bestehen, dh wenn die Wiedererlangung der Dienstfähigkeit zumindest unwahrscheinlich ist; die bloße Möglichkeit der Wiedererlangung der Dienstfähigkeit zu irgendeinem in der Zukunft gelegenen nicht vorhersehbaren Zeitpunkt reicht - wie sich aus § 76 Abs. 1 DP/Stmk entnehmen lässt, der gleichfalls bloß auf die Dienstunfähigkeit abstellt - nicht aus, das Vorliegen einer dauernden Dienstunfähigkeit auszuschließen.

Zwar trifft es zu, dass die Begründung des angefochtenen Bescheides insofern zu der von der belangten Behröde herangezogenen Rechtsgrundlage in Widerspruch steht, als sie sich unter Berufung auf die abschließende amtsärztliche Beurteilung vom 11. August 1998 auf die dauernde Dienstunfähigkeit beruft. Dieser Widerspruch führt jedoch nicht zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides, weil eine dauernde Dienstunfähigkeit - träfe diese Feststellung zu - auch eine (sonstige) Dienstunfähigkeit in sich schließt und außerdem an die beiden nach den Tatbestandsvoraussetzungen zu unterscheidenden Fälle der Versetzung in den zeitlichen Ruhestand nach § 76 Abs. 2 DP/Stmk keine unterschiedliche Rechtsfolgen geknüpft werden. So ist z. B. nach § 78 Abs. 1 erster Satz DP/Stmk in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 72/1997 die Wiederaufnahme in den Dienststand durch Ernennung nur zulässig, wenn der Beamte des Ruhestandes im Fall des § 76 Abs. 1 und 2 seine Dienstfähigkeit wieder erlangt hat.

2.2.3.2. Durch Krankheit (Unfall oder Gebrechen) bedingte Dienstunfähigkeit (medizinischer Aspekt) liegt dann vor, wenn durch diese die ordnungsgemäße Dienstleistung verhindert wird oder durch die Dienstleistung die Gefahr der Verschlimmerung der Erkrankung gegeben wäre oder die Dienstleistung für den Beamten ein objektiv unzumutbares Unbill darstellen würde. Die Beurteilung dieser Frage obliegt der Dienstbehörde auf Grund ärztlicher Sachverständigengutachten.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss ein Sachverständigengutachten einen Befund und das eigentliche Gutachten im engeren Sinn enthalten. Der Befund besteht in der Angabe der tatsächlichen Grundlagen, auf denen das Gutachten aufbaut, und der Art, wie sie beschafft wurden. Mit anderen Worten: Befund ist die vom Sachverständigen - wenn auch unter Zuhilfenahme wissenschaftlicher Feststellungsmethoden - vorgenommene Tatsachenfeststellung. Die Schlussfolgerungen des Sachverständigen aus dem Befund, zu deren Gewinnung er seine besonderen Fachkenntnisse und Erfahrungen benötigt, bilden das Gutachten im engeren Sinn. Eine sachverständige Äußerung, die sich in der Abgabe eines Urteiles erschöpft, aber weder die Tatsachen, auf die sich dieses Urteil gründet, noch die Art, wie diese Tatsachen beschafft wurden, erkennen lässt, ist mit einem wesentlichen Mangel behaftet und als Beweismittel unbrauchbar; die Behörde, die eine so geartete Äußerung ihrer Entscheidung zugrunde legt, wird ihrer Pflicht zur Erhebung und Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes (§ 37 AVG) nicht gerecht. Der Sachverständige muss also, damit eine Schlüssigkeitsprüfung seines Gutachtens vorgenommen werden kann, auch darlegen, auf welchem Weg er zu seinen Schlussfolgerungen gekommen ist. Sind andere Gutachten oder Befunde Bestandteile des Sachverständigengutachtens geworden, so müssen sie insoweit den eben dargestellten Anforderungen entsprechen, die an ein Sachverständigengutachten zu stellen sind (vgl. dazu das bereits zitierte Erkenntnis vom 30. September 1996, Zl. 95/12/0154, mwN).

Das bedeutet für den Beschwerdefall, dass die Behörde zunächst auf Grundlage von mängelfreien und schlüssigen ärztlichen Gutachten die Frage zu beantworten hat, ob der Beamte unter Berücksichtigung seines Gesundheitszustandes zur Ausübung seines Arbeitsplatzes fähig ist oder nicht. Ist die Dienstfähigkeit, bezogen auf den bisher innegehabten Arbeitsplatz, nicht mehr gegeben, so ist weiters ausgehend von der verbliebenen Restarbeitsfähigkeit zu prüfen, ob ihm kein mindestens gleichwertiger Arbeitsplatz zugewiesen werden kann, dessen Aufgaben der Beamte noch erfüllen kann und dessen Ausübung ihm im Hinblick auf seine persönlichen, familiären und sozialen Verhältnisse billigerweise zumutbar ist.

Diesen Anforderungen wird der angefochtene Bescheid nicht gerecht, konnte sich doch die belangte Behörde - wie sich aus dem nach der Aktenlage ergebenden Zeitablauf ergibt - im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides nur auf das Schreiben der Amtsärztin Dr. S. vom 11. August 1998 berufen, in dem diese ausschließlich die Schlussfolgerung ihrer Untersuchung mitgeteilt und auf die Übermittlung eines ausführlichen Gutachtens hingewiesen hat, das jedoch nach den vorgelegten Verwaltungsakten der RA erst nach Erlassung des angefochtenen Bescheides übermittelt wurde. Dieses Schreiben vom 11. August 1998 lässt nicht erkennen, wie die Amtsärztin zu ihrem Urteil gekommen ist. Dies auch dann, wenn man einen Zusammenhang mit dem amtsärztlichen Gutachten vom 4. Mai 1998 herstellt, in dem der Zustand der (operierten) rechten Schulter als gut therapiert beschrieben wird, der Zustand der linken Schulter aber als Problemfall angesehen wird, so dass weitere Maßnahmen abzuwarten seien, weshalb auch eine Nachuntersuchung vorgeschlagen wurde. Bei dieser Sachlage wäre es erforderlich gewesen, auf eine rasche Ausfertigung des medizinische Gutachtens vom 11. August 1998 zu dringen, um die Frage prüfen zu können, weshalb die weitere Dienstunfähigkeit nunmehr (ohne Bestehen der offenbar bei der Untersuchung im Mai 1998 noch gegebenen Zweifelsituation über deren Fortdauer) aus ärztlicher Sicht schlüssig bejaht wurde oder noch weiterer Ermittlungen bedurft hätte.

Abgesehen davon dass die belangte Behörde durch ihre Vorgangsweise trotz des ausdrücklichen Verlangens auf Übermittlung dieses amtsärztlichen Gutachtens in seiner Stellungnahme vom 6. September 1998 den Beschwerdeführer auch in seinem Recht auf Parteiengehör verletzt hat, hat sie sich nicht mit seinem Vorbringen in seiner Stellungnahme vom 6. September 1998 auseinandergesetzt, deren zulässige Übermittlung im Wege der Telekopie nach § 13 Abs. 1 AVG noch vor der Erlassung (Zustellung) des angefochtenen Bescheides erfolgte. In dieser Stellungnahme hat der Beschwerdeführer eine in der Zwischenzeit eingetretene Besserung seines Gesundheitszustandes behauptet und die Grundlagen, auf denen das (ihm unbekannte) amtsärztliche Gutachten vom 11. August 1998 beruht haben soll, als teilweise veraltet bezeichnet. Angesichts der fehlenden Kenntnisse vom Inhalt eines (ausführlichen) Gutachtens können sowohl an die Einwendungen im Verwaltungsverfahren vor der belangten Behörde als auch in der Beschwerde (unter dem Gesichtspunkt einer möglichen Verfahrensrelevanz) keine hohen Anforderungen gestellt werden, zumal auch die Begründung des angefochtenen Bescheides kein höheres Informationsniveau aufweist als der Behördenvorhalt vom 27. August 1998.

Ein Anspruch auf Beiziehung von Fachärzten einer bestimmten Fachrichtung (hier: Orthopädie) besteht allerdings nicht, weil es nur auf die Begründung und die Schlüssigkeit des Gutachtens ankommt (siehe dazu die unter E 87 zu § 52 AVG bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren, Band I2, zitierte Judikatur).

2.2.4. Zur Frage eines geeigneten Verweisungsarbeitsplatzes im Sinn des § 76 Abs. 4 DP/Stmk enthält der angefochtene Bescheid überhaupt keine Ausführungen.

2.2.5. Aus den angeführten Gründen bedarf der Sachverhalt bezüglich des Ruhestandsversetzungsverfahrens in einem wesentlichen Punkt einer Ergänzung. Da die Ruhegenussbemessung eine wirksame Ruhestandsversetzung voraussetzt, war der angefochtene Bescheid zur Gänze wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften nach § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG aufzuheben.

3. Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47, 48 Abs. 1 Z. 1und 2 und § 49 VwGG in Verbindung mit der gemäß ihrem § 3 Abs. 2 anzuwendenden Verwaltungsgerichtshof-Aufwandersatzverordnung 2001, BGBl II Nr. 501. Die vom Beschwerdeführer entrichtete Gebühr von S 2.500,-- war mit dem Betrag von EUR 181,68 zuzusprechen.

Wien, am 20. Februar 2002

Schlagworte

Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweismittel SachverständigenbeweisGutachten rechtliche Beurteilung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:1998120410.X00

Im RIS seit

07.05.2002

Zuletzt aktualisiert am

01.01.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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