Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Germ und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Thoma als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Julcher, über die Beschwerde der E in W, vertreten durch Riedl & Ringhofer, Rechtsanwälte in Wien I, Franz Josefs-Kai 5, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 16. Juli 1998, Zl. 200596/03- Pr.A6/98, betreffend Dauer des Beschäftigungsverbotes nach dem Mutterschutzgesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin steht als Beamtin in einem öffentlichrechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Ihre Dienststelle ist das Bundesamt und Forschungszentrum für Landwirtschaft.
Unbestritten ist, dass die Beschwerdeführerin am 25. Juni 1998 ihrer Dienststelle eine von Dr. C, Facharzt für Gynäkologie, am diesem Tag ausgestellte Bestätigung vorlegte, wonach sie in der 36. Woche gravid sei; voraussichtlicher Geburtstermin sei der 22. Juli 1998. Dieser Bestätigung war - wie den vorgelegten Verwaltungsakten zu entnehmen ist - eine vom selben Arzt ausgestellte, mit 19. Juni 1998 datierte Bestätigung angeschlossen, wonach die Beschwerdeführerin nicht gravid sei.
Hierauf war die Beschwerdeführerin ab 26. Juni 1998 vom Dienst freigestellt. Mit Schreiben vom 3. Juli 1998 teilte die Beschwerdeführerin mit, dass sie am 1. Juli 1998 ihren Sohn Alexander geboren habe, und ersuchte um Gewährung des Karenzurlaubes gemäß § 15 MSchG für die Dauer von eineinhalb Jahren. Da erst auf Grund der ärztlichen Untersuchung am 19. Juni 1998 ihre Schwangerschaft endgültig habe festgestellt werden können, sei sie mit 22. Juni 1998 in die Schutzfrist gegangen.
Mit dem angefochtenen Bescheid sprach die belangte Behörde über das Begehren der Beschwerdeführerin - soweit für das Beschwerdeverfahren von Relevanz - wie folgt ab:
"Gemäß § 15 Mutterschutzgesetz 1979, BGBl. Nr. 221/1979, (in der Fassung BGBl. Nr. 408/1990) wird Ihnen im Anschluß an die bis 16. September 1998 währende Schutzfrist nach § 5 Mutterschutzgesetz 1979 und den daran anschließenden Erholungsurlaub im Ausmaß von 26 Arbeitstagen vom 17. September 1998 bis 22. Oktober 1998 ein Karenzurlaub für die Zeit vom 23. Oktober 1998 bis 31. Dezember 1999 gewährt.
... "
Begründend führte die belangte Behörde aus, dass die Beschwerdeführerin gemäß § 3 MSchG ab 26. Juni 1998 vom Dienst freigestellt worden sei. Die Entbindung sei am 1. Juli 1998 erfolgt. Die Schutzfrist gemäß § 5 MSchG habe somit bis einschließlich 16. September 1998 gedauert. In unmittelbarem Anschluss an diese Mutterschutzfrist werde die Konsumierung des Erholungsurlaubes für die Kalenderjahre 1997 und 1998 im Ausmaß von 26 Arbeitstagen, somit vom 17. September bis 22. Oktober 1998, antragsgemäß genehmigt. Gemäß § 15 MSchG sei Dienstnehmerinnen auf ihr Verlangen im Anschluss an die Frist des § 5 leg. cit. ein Urlaub gegen Entfall des Arbeitsentgeltes bis zum Ablauf des 2. Lebensjahres des Kindes zu gewähren. Mit der Gewährung des Karenzurlaubes in dem im Bescheid festgelegten Ausmaß werde dem Antrag vom 3. Juni 1998 entsprochen.
Weiters folgen die Begründung für den Zuspruch von Geldleistungen nach dem Karenzurlaubsgeldgesetz, die Rechtsmittelbelehrung und sonstige Hinweise.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrt wird.
Die belangte Behörde hat unter Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführerin ficht den Bescheid insoweit an, als der Karenzurlaub nach dem MSchG schon beginnend mit 23. Oktober 1998 anstatt mit 4. Dezember (oder frühestens 27. November) 1998 festgesetzt worden ist. Sie sieht sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht auf Wahrung der Schutzfrist nach § 5 Abs. 1 MSchG und Unterbleiben einer damit nicht übereinstimmenden Festsetzung eines Mutterschafts-Karenzurlaubes verletzt.
Unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften bringt sie vor, die belangte Behörde habe nicht geprüft, ob eine Frühgeburt vorliege. Die späte Vorlage der Schwangerschaftsbestätigung und die drei Wochen vor dem darin bestimmten Geburtstermin erfolgte Geburt sprächen für eine Frühgeburt; in einem solchen Fall verlängere sich die Schutzfrist nach § 5 Abs. 1 zweiter Satz MSchG von acht auf zwölf Wochen, weshalb diesem Verfahrensmangel Relevanz zukomme.
Eine inhaltliche Rechtswidrigkeit erblickt die Beschwerdeführerin darin, dass die belangte Behörde die Verkürzung der Achtwochenfrist nach § 3 Abs. 1 MSchG vor der Entbindung, die die Schutzfrist nach der Entbindung im selben Ausmaß, höchstens jedoch auf sechzehn Wochen, verlängere, nicht berücksichtigt habe. Unter Berücksichtigung der Verkürzung der Achtwochenfrist vor der Entbindung um sieben Wochen und zwei Tage ergebe sich als letzter Tag der Schutzfrist nach der Entbindung der 16. Oktober 1998. Gehe man überdies von einer Frühgeburt aus, sodass das Höchstausmaß von sechzehn Wochen zu Grunde zu legen sei, ergebe dies den 21. Oktober 1998. Unter Hinzurechnung des - im Ausmaß unstrittigen - Erholungsurlaubes von 26 Arbeitstagen dürfe der Karenzurlaub daher frühestens mit 28. November, ausgehend von einer Frühgeburt sogar erst mit 4. Dezember 1998 festgesetzt werden.
Der Beschwerde kommt Berechtigung zu.
Gemäß § 3 Abs. 1 des Mutterschutzgesetzes 1979 (MSchG), BGBl. Nr. 221, (WV), dürfen werdende Mütter in den letzten acht Wochen vor der voraussichtlichen Entbindung (Achtwochenfrist) nicht beschäftigt werden. Diese Frist ist gemäß Abs. 2 dieser Bestimmung auf Grund eines ärztlichen Zeugnisses zu berechnen. Erfolgt die Entbindung früher oder später als im Zeugnis angegeben, so verkürzt oder verlängert sich diese Frist entsprechend.
Gemäß § 3 Abs. 4 MSchG in der Fassung BGBl. Nr. 833/1992 haben werdende Mütter, sobald ihnen ihre Schwangerschaft bekannt ist, dem Dienstgeber hievon unter Bekanntgabe des voraussichtlichen Geburtstermines Mitteilung zu machen. Darüber hinaus sind sie verpflichtet, innerhalb der vierten Woche vor dem Beginn der Achtwochenfrist (Abs. 1) den Dienstgeber auf deren Beginn aufmerksam zu machen. Auf Verlangen des Dienstgebers haben werdende Mütter eine ärztliche Bescheinigung über das Bestehen der Schwangerschaft und den voraussichtlichen Zeitpunkt ihrer Entbindung vorzulegen. Bei einem vorzeitigen Ende der Schwangerschaft ist der Dienstgeber zu verständigen.
Gemäß § 5 Abs. 1 MSchG in der Fassung BGBl. Nr. 833/1992 dürfen Dienstnehmerinnen bis zum Ablauf von acht Wochen nach ihrer Entbindung nicht beschäftigt werden. Bei Frühgeburten, Mehrlingsgeburten oder Kaiserschnittentbindungen beträgt diese Frist mindestens zwölf Wochen. Ist eine Verkürzung der Achtwochenfrist (§ 3 Abs. 1) vor der Entbindung eingetreten, so verlängert sich die Schutzfrist nach der Entbindung im Ausmaß dieser Verkürzung, höchstens jedoch auf sechzehn Wochen.
Nach § 15 Abs. 1 MSchG in der Fassung BGBl. Nr. 408/1990 ist Dienstnehmerinnen auf ihr Verlangen im Anschluss an die Frist des § 5 Abs. 1 und 2 ein Urlaub gegen Entfall des Arbeitsentgeltes (Karenzurlaub) bis zum Ablauf des zweiten Lebensjahres des Kindes zu gewähren. Das gleiche gilt, wenn anschließend an die Frist nach § 5 Abs. 1 und 2 ein Gebührenurlaub verbraucht wurde oder die Dienstnehmerin durch Krankheit oder Unglücksfall an der Dienstleistung verhindert war.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 23. April 1990, Zl. 90/12/0090 (mwH), ausführte, sollen die Bestimmungen des Mutterschutzes gewährleisten, dass den Dienstnehmerinnen in allen Fällen eine Schutzfrist vor und nach der Niederkunft von insgesamt nicht weniger als zwölf Wochen gewährt wird. Weiters soll auch eine Verkürzung der Schutzfrist vor der Entbindung nach deren vorzeitigem Eintritt durch eine entsprechende Verlängerung der Schutzfrist nach der Entbindung ausgeglichen werden.
Zutreffend weist die Beschwerdeführerin darauf hin, dass die belangte Behörde - wie sich aus den Ausführungen in der Gegenschrift nachvollziehbar ergibt - eine Verkürzung der Achtwochenfrist nur insofern berücksichtigte, als der tatsächliche Geburtstermin vor der voraussichtlichen Entbindung lag. Dem entgegen spricht § 5 Abs. 1 zweiter Satz MSchG ausdrücklich von einer Verkürzung der Achtwochenfrist vor der Entbindung, die zu einer Verlängerung der Schutzfrist nach der Entbindung im Ausmaß dieser Verkürzung, höchstens jedoch auf 16 Wochen führt.
Davon abweichend sieht das Gesetz in der Bestimmung des § 3 Abs. 2 MSchG für die Berechnung des Beschäftigungsverbotes (Achtwochenfrist vor der Entbindung) ausdrücklich vor, dass sich diese Achtwochenfrist verkürzt oder verlängert, wenn die Entbindung früher oder später als im ärztlichen Zeugnis angegeben erfolgt. § 3 Abs. 2 MSchG regelt nur die Verkürzung oder Verlängerung der Achtwochenfrist vor der Entbindung, hat jedoch für das Beschäftigungsverbot nach der Entbindung keine Bedeutung, was auch daraus folgt, dass § 5 Abs. 1 MSchG nur auf § 3 Abs. 1 leg. cit. verweist, nicht jedoch auf dessen Abs. 2.
Die belangte Behörde führt in ihrer Gegenschrift zutreffend aus, dass § 3 Abs. 1 MSchG keine Sanktion für die Verletzung der Pflicht der werdenden Mutter vorsieht, dem Dienstgeber von der Schwangerschaft unter Bekanntgabe des voraussichtlichen Geburtstermines Mitteilung zu machen, sobald ihr die Schwangerschaft bekannt ist. Dadurch, dass die belangte Behörde - allenfalls aus präventiven Gründen - der Bestimmung des § 5 Abs. 1 MSchG die unrichtige Bedeutung beimaß, dass eine Verkürzung der Achtwochenfrist vor der Entbindung nur insofern zu berücksichtigen sei, als der tatsächliche Geburtstermin vor dem voraussichtlichen Termin der Entbindung lag, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.
Soweit die Beschwerdeführerin eine Verletzung von Verfahrensvorschriften darin sieht, dass die belangte Behörde den von ihr - erstmals in der Beschwerde behaupteten - Umstand einer Frühgeburt nicht berücksichtigt hätte (zum Begriff der "Frühgeburt" vgl. Knöfler-Martinek, Mutterschutzgesetz,
9. Auflage, Anm. 2.3 zu § 5 MSchG), ist der belangten Behörde insoweit zuzubilligen, dass die Beschwerdeführerin im Rahmen des Dienstrechtsverfahrens keine darauf abzielenden Behauptungen erhob, die eine Ermittlungspflicht der belangten Behörde gemäß § 8 Abs. 1 DVG ausgelöst hätten. Auch die der belangten Behörde vorliegenden - widersprüchlichen - ärztlichen Atteste über die Schwangerschaft der Beschwerdeführerin und über den (im zweiten Attest ausgewiesenen) voraussichtlichen Geburtstermin boten noch keinen Anhaltspunkt dafür, im Rahmen eines amtswegigen Ermittlungsverfahrens die Frage einer allfälligen Frühgeburt - im Hinblick auf die damit verbundene Verlängerung der Schutzfrist - zu prüfen.
Nach dem Gesagten war der angefochtene Bescheid daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001, BGBl. II Nr. 501; die im Betrag von S 2.500,-- entrichtete Gebühr nach § 24 Abs. 3 VwGG war im Betrag von EUR 181,68 zuzusprechen.
Wien, am 20. Februar 2002
Schlagworte
Sachverhalt SachverhaltsfeststellungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:1998120238.X00Im RIS seit
21.05.2002Zuletzt aktualisiert am
22.09.2008