Index
62 Arbeitsmarktverwaltung;Norm
AlVG 1977 §10 Abs1 idF 1996/201;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Köller und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des M in L, vertreten durch Dr. Franz Haunschmidt, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Marienstraße 4, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Oberösterreich vom 19. Oktober 1999, Zl. 4/1289/Nr.0767/99-8, betreffend Versagung der Notstandshilfe, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 3. August 1999 sprach das Arbeitsmarktservice Linz aus, dass der Beschwerdeführer den Anspruch auf Notstandshilfe gemäß § 38 in Verbindung mit § 10 Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 für den Zeitraum vom 5. Juli 1999 bis 15. August 1999 verloren hat. Der angeführte Zeitraum verlängere "sich um die in ihm liegenden Zeiträume, während derer Krankengeld bezogen wurde".
Begründend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer die zumutbare Beschäftigung bei der Firma D. als Kontrollarbeiter ohne triftigen Grund nicht angenommen habe. Diesem Bescheid lag eine mit dem Beschwerdeführer am 22. Juli 1999 aufgenommene Niederschrift zu Grunde, in der es unter anderem heißt:
"Ich .... erkläre ...., dass ich ... hinsichtlich der konkret
angebotenen Entlohnung folgende Einwendungen habe: Auf die Frage
des Verdienstes bekam ich die Antwort, dass ich S 14.000,-- btto
verdienen würde. Meine Antwort war, ich habe mir S 14.000,-- netto
vorgestellt. ... Ich wurde gefragt, ob ich mir ein Angestellten-
oder Arbeiterverhältnis vorstelle. Ich wollte ein
Angestelltenverhältnis, da ich den Beruf Einzelhandelskaufmann
erlernt habe. Sowohl die Tatsache, dass ich als Arbeiter
eingestellt worden wäre, als auch der Verdienst, waren für mich
kein Grund die Stelle abzulehnen."
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung, in der er im Wesentlichen ausführte, dass er am 2. Juli 1999 bei der Firma D. gewesen sei. Um Näheres über die Tätigkeit zu erfahren, habe er sich erkundigt, ob es sich um ein Angestellten- oder Arbeiterverhältnis handle, und die Höhe des Verdienstes erfragt. Er hätte den Job auch übernommen, wenn es kein Angestelltenverhältnis gewesen wäre. Als Beweismittel nannte der Beschwerdeführer die Parteienvernehmung und die Einvernahme der Zeugen Frau W. von der Firma D. und seines Bruders, Herrn T.B.
In der Folge richtete die Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktervice Oberösterreich an die Firma P. D. GesmbH ein Schreiben vom 17. August 1999, in welchem ausgeführt wurde, dass laut Rückmeldung dieser Firma der Beschwerdeführer nicht eingestellt worden wäre, weil er ein Angestelltenverhältnis gewollt hätte. Niederschriftlich habe der Beschwerdeführer vor dem Arbeitsmarktservice Linz angegeben, er hätte auf die Frage nach dem Verdienst die Antwort bekommen, dass er S 14.000,-- brutto verdienen würde. Seine Antwort wäre gewesen, dass er sich S 14.000,-- (gemeint wohl: netto) vorgestellt hätte. Ohne weiteren Kommentar hätte er den Stempel erhalten.
Weiters habe der Beschwerdeführer angegeben, er wäre gefragt worden, ob er sich ein Angestelltenverhältnis oder Arbeiterverhältnis vorstelle. Er habe ein Angestelltenverhältnis gewollt, da er den Beruf Einzelhandelskaufmann erlernt hätte. Sowohl die Tatsache, dass er als Arbeiter eingestellt worden wäre, als auch der Verdienst wären für ihn kein Grund gewesen, die Stelle abzulehnen. Um nun über die Berufung entscheiden zu können, ersuche die Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Oberösterreich um schriftliche Stellungnahme zu den Berufungsangaben des Beschwerdeführers.
Daraufhin erging ein Schreiben der P. D. GesmbH vom 19. August 1999, in welchem ausgeführt wurde, dass nach Rücksprache mit der Objektleiterin, die am 2. Juli 1999 das Vorstellungsgespräch mit dem Beschwerdeführer geführt habe, bestätigt werden könne, dass der Beschwerdeführer das Stellenangebot mit der Begründung abgelehnt habe, dass es sich um ein Dienstverhältnis als Arbeiter handle. Darüber hinaus habe der Beschwerdeführer vor seinem Gespräch mit der Objektleiterin erfahren, um welchen Verdienst es sich handle, da die Objektleiterin mit einem anderen Bewerber über den Verdienst gesprochen habe. Es sei für das Unternehmen klar festgestanden, dass der Beschwerdeführer das Stellenangebot nicht annehmen wollte, da er eventuell als Arbeiter beschäftigt worden wäre.
Auf Vorhalt führte der Beschwerdeführer in einem Schreiben vom 7. September 1999 dazu aus, dass das Schreiben der Firma P. D. GesmbH widersprüchlich sei. Er hätte die Stelle auf jeden Fall angenommen. Weiters rügte der Beschwerdeführer, dass sein Bruder nicht einvernommen worden sei, den er auch als Zeugen angegeben habe, da er direkt anwesend gewesen wäre.
Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid vom 19. Oktober 1999 wurde der Berufung nicht stattgegeben. Gemäß § 38 in Verbindung mit § 10 Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 wurde die Notstandshilfe in der Zeit vom 5. Juli 1999 bis 22. August 1999 (verlängert um die Tage des Krankengeldbezuges vom 15. Juli 1999 bis 21. Juli 1999) versagt.
Nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und der Rechtslage führt die belangte Behörde begründend aus, dass der Beschwerdeführer das Zustandekommen der angebotenen Beschäftigung durch sein Verhalten beim Vorstellungsgespräch vereitelt habe. Nach den Angaben der Firma P. D. GmbH habe er das Stellenangebot mit der Begründung abgelehnt, dass es sich um ein Dienstverhältnis als Arbeiter handeln würde und er somit kein Interesse für dieses Stellenangebot hätte. Die belangte Behörde sehe keinen Grund, den Angaben der Firma keinen Glauben zu schenken, zumal dem potentiellen Arbeitgeber im Gegensatz zum Beschwerdeführer kein persönliches Interesse am Ausgang des Verfahrens unterstellt werden könne. Der Beschwerdeführer habe am 22. Juli 1999 selbst niederschriftlich erklärt, ein Angestelltenverhältnis gewollt zu haben. Eine Zeugeneinvernahme des Bruders des Beschwerdeführers wäre daher entbehrlich gewesen; dies auch im Hinblick auf die Angaben des Beschwerdeführers beim Vorstellungsgespräch, er würde sich statt der gebotenen S 14.000,-- brutto monatlich S 14.000,-- netto vorstellen. Diese Angabe lasse keinen Zweifel darüber aufkommen, dass der Beschwerdeführer an der gebotenen Beschäftigung nicht interessiert gewesen sei. Sein Verhalten beim Vorstellungsgespräch sei für die Weigerung des präsumtiven Dienstgebers, ihn einzustellen, kausal gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.
Zum Beweis der Richtigkeit seiner Behauptungen, dass er kein Verhalten gesetzt habe, das der Erlangung des angebotenen Arbeitsplatzes entgegengestanden wäre, bzw. dass er bereit gewesen wäre, die angebotene Tätigkeit auch im Arbeiterverhältnis zu einem Bruttolohn von monatlich S 14.000,-- anzunehmen, habe der Beschwerdeführer in seiner Berufung die zeugenschaftliche Einvernahme von Frau W. aus der Firma P. D. GmbH, die das Bewerbungsgespräch mit ihm geführt habe, sowie seines Bruders T. B., der beim Vorstellungsgespräch anwesend gewesen sei, beantragt. Indem die belangte Behörde diese Beweise nicht aufgenommen habe, habe sie eine antizipative Beweiswürdigung vorgenommen. Weiters gehe die belangte Behörde in Verkennung der Verfahrensvorschriften des AVG davon aus, dass das Schreiben der Firma P. D. GmbH vom 19. August 1999 mit einer zeugenschaftlichen Einvernahme von Frau W. gleichzusetzen wäre. Dazu komme noch, dass das zitierte Schreiben nicht von Frau W., sondern von einer namentlich nicht genannten Person (offensichtlich einer Angestellten der Firma P. D. GmbH) stamme.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bedeutet der Grundsatz der freien Beweiswürdigung nicht, dass der in der Begründung des verwaltungsbehördlichen Bescheides niederzulegende Denkvorgang der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle nicht unterliegt. Da der Verwaltungsgerichtshof im Fall einer Bescheidbeschwerde nur eine nachprüfende Tätigkeit auszuüben, keinesfalls aber eine Sachentscheidung zu treffen hat, kann die Beweiswürdigung nur insoweit überprüft werden, als es sich um die Feststellung handelt, ob der Sachverhalt genügend erhoben wurde und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind (vgl. z. B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. Jänner 2002, 97/08/0558).
Die freie Beweiswürdigung bezieht sich nur auf die bereits vorliegenden Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens und lässt es keineswegs zu, ein vermutetes Ergebnis noch nicht aufgenommener Beweise vorweg zu nehmen. Beweisanträge dürfen daher nur abgelehnt werden, wenn die Beweistatsachen als wahr unterstellt werden, es auf sie nicht ankommt oder das Beweismittel untauglich ist (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 9. November 1995, 94/18/0735).
Gemäß § 10 Abs. 1 Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 (in der hier maßgeblichen Fassung BGBl Nr. 201/1996) verliert der Arbeitslose den Anspruch auf Arbeitslosengeld (unter anderem) dann, wenn er die Annahme einer von der regionalen Geschäftsstelle zugewiesenen zumutbaren Beschäftigung vereitelt. Auf Grund des § 38 AlVG ist diese Bestimmung auch auf die Notstandshilfe sinngemäß anzuwenden.
Die Frage, wie sich der Beschwerdeführer bei dem Vorstellungsgespräch verhalten hat, ist für die Beurteilung, ob die Notstandshilfe zu versagen ist, ausschlaggebend. Die belangte Behörde hat auf Grund dieses Verhaltens die Vereitelung der Annahme der Beschäftigung als gegeben angenommen. Die Beantwortung der Frage, ob der Beschwerdeführer das Zustandekommen der Beschäftigung vereitelt hat, erfordert somit präzise Feststellungen über den Verlauf des Vorstellungsgespräches (vgl. dazu z.B. das hg. Erkenntnis vom 18. Oktober 2000, 98/08/0392).
Der Niederschrift vom 22. Juli 1999 ist zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer ausgeführt hat, dass für ihn weder die Einstellung als Arbeiter noch der Verdienst ein Grund für die Ablehnung der Stelle gewesen seien. Aus dieser Niederschrift kann daher kein entscheidendes Argument gewonnen werden, das die Meinung der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe die Annahme der Stelle vereitelt, stützen wollen. Offen ist vor allem, ob und allenfalls wie der Beschwerdeführer seine Bereitschaft zur Annahme der Stelle während des Vorstellungsgespräches zum Ausdruck gebracht hat.
Im Schreiben der P. D. GmbH vom 19. August 1999 wird ausgeführt, dass der Beschwerdeführer vor seinem Gespräch erfahren habe, um welchen Verdienst es sich handelt, da die Objektleiterin mit einem anderen Bewerber über den Verdienst gesprochen habe. Ob der Verdienst überhaupt Gegenstand des Gespräches mit dem Beschwerdeführer war, bleibt fraglich.
Angesichts des somit in wesentlichen Punkten ungeklärten Sachverhaltes durfte die belangte Behörde jedenfalls nicht von der zeugenschaftlichen Einvernahme des Bruders des Beschwerdeführers absehen. Der Beschwerdeführer hat nämlich ausdrücklich behauptet, dass sein Bruder beim Vorstellungsgespräch anwesend gewesen ist. Seine Aussage wäre vor allem zur Klärung der Frage erforderlich gewesen, ob der Beschwerdeführer überzogene Verdienstforderungen gestellt hat. Wäre dies oder die Ablehnung des Dienstverhältnisses als Arbeiter erwiesen, dann läge eine Vereitelung im Sinne der bisherigen Rechtsprechung vor (vgl. auch dazu z.B. das oben genannte hg. Erkenntnis vom 18. Oktober 2000, 98/08/0392).
Die belangte Behörde hat daher Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 20. Februar 2002
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2002080008.X00Im RIS seit
24.06.2002