TE Vwgh Erkenntnis 2002/2/20 2000/12/0058

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Veröffentlicht am 20.02.2002
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Index

63/01 Beamten-Dienstrechtsgesetz;
65/01 Allgemeines Pensionsrecht;

Norm

BDG 1979 §14 Abs1;
BDG 1979 §14 Abs3;
PG 1965 §14 Abs3;
PG 1965 §4 Abs4 Z3 idF 1997/I/138;
PG 1965 §4 Abs7 idF 1997/I/138;
PG 1965 §9 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Germ sowie Senatspräsident Dr. Höß und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Bayjones und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Julcher, über die Beschwerde des A in W, vertreten durch Dr. Hans Otto Schmidt, Rechtsanwalt in Wien III, Hegergasse 9, gegen den Bescheid des Bundesministers für Finanzen vom 3. Februar 2000, Zl. 15 1311/1-II/1/15/00, betreffend Ruhegenussbemessung (§ 4 Abs. 4 Z. 3 des Pensionsgesetzes 1965), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der 1943 geborene Beschwerdeführer steht seit 1. April 1998 als Amtsdirektor in Ruhe in einem öffentlich-rechtlichen Ruhestandsverhältnis zum Bund. Er war zuletzt als Amtsbetriebsprüfer (VGr. A 2, Funktionsgruppe 3) bei einem Finanzamt tätig.

Gegenstand der vorliegenden Beschwerde ist die nach der rechtswirksamen Versetzung in den Ruhestand (Bescheid der belangten Behörde vom 19. März 1998) unter Anwendung der Kürzungsbestimmung erfolgte Ruhegenussbemessung. Da hiefür auch Gutachten, die im Ruhestandsversetzungsverfahren eingeholt bzw. verwertet wurden, von Bedeutung sind, ist zunächst auf dieses Verfahren einzugehen.

A) Ruhestandsversetzungsverfahren

Seit 13. Jänner 1997 befand sich der Beschwerdeführer (bis zu seiner Ruhestandsversetzung) im "Krankenstand", der in mehreren Untersuchungen durch den Vertrauensarzt des Dienstgebers Dr. R. als gerechtfertigt angesehen wurde. Der Beschwerdeführer legte im Zuge dieser Untersuchungen über Aufforderung eine Reihe von medizinischen Unterlagen (aus der Zeit ab Ende 1994) vor, u. a. auch den "Neurologisch-psychiatrischen Befundbericht" des ihn seit Ende Februar 1996 behandelnden Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. N. vom 20. Jänner 1997. Aus der "Anamnese" dieses Befundberichts geht hervor, dass er Dr. N. aufgesucht habe, weil er seit geraumer Zeit unter Phasen depressiver Verstimmung mit morgendlicher Antriebs- und Lustlosigkeit, verbunden mit einer Biorhythmusstörung und einer für ihn vor allem hinsichtlich seines Berufes massiv beeinträchtigenden Einbuße kognitiv-mnestischer Leistungsfähigkeit im Sinne einer Auffassungs-, Merkfähigkeits- und Konzentrationsstörung leide. Er habe massive Ängste, die aus einem an Intensität zunehmenden Insuffizienz- und Versagungsgefühl hinsichtlich seiner beruflichen Tätigkeit herrühre, sodass er sich eigentlich jeden Tag vor den ihm bevorstehenden Aufgaben fürchte.

Dr. N. erstellte folgende Diagnose:

"1.) Angstgefärbte, somatisierende, bereits deutliche Chronifizierungsmerkmale zeigende endoreaktive Depressio mit massiver Biorhythmusstörung bei massiver Belastungssituation am ehesten als Erschöpfungsdepression zu interpretieren.

2.)

Angststörung

3.)

Im HMPAO verifizierte unspezifische Perfusionsstörung mit Rechtsakzentuierung.

              4.)              Struma nodosa mit ca 3 cm großem heißen Knoten rechts kaudal bei hyperthyreoter Stoffwechsellage

5.)

Seronegativer Rheumatismus

6.)

Cervikobrachialgie bei degenerativer WSerkrankung.

7.)

Gastroskopisch verifizierte Ösophagitis Grad 2 und Bulbitis bei anamnestisch bekanntem Zustand nach Duodenalulcus.

              8.)              Kolonoskopisch verifiziertes spastisches Colon irritabile bis zum Colon ascendens."

Im Abschnitt "Procedere" wies Dr. N darauf hin, dass auf Grund einer gezielten Untersuchung in einem neurologischen Krankenhaus ein "organisches Substrat" als Ursache ausgeschlossen werden könne. Die medikamentöse Therapie habe leider nur einen bescheidenen Erfolg gezeitigt. Vor allem hätten die Angstzustände bisher in "keinster Weise" beeinflusst werden können.

Dr. N. gelangte schließlich im Abschnitt "conclusio" zu folgenden Schlussfolgerungen:

"Die oben angeführte Beschwerdesymptomatik resultiert eindeutig aus der beruflichen Belastungssituation und ist im weitesten Sinne als Erschöpfungseffekt zu interpretieren.

Der Patient ist aufgrund der aus der beruflichen Problematik resultierenden Depression mit all ihren Begleitsymptomen bereits jetzt nur mehr unter Aufwand größter Anstrengung imstande, die an ihn gestellten beruflichen Anforderungen mehr schlecht als recht zu erfüllen, woraus natürlich die massiven Insuffizienz- und Versagungsgefühle resultieren, wobei sich leider bereits eine gewisse Chronifizierungstendenz erkennen lässt, die sich auch in der relativen Therapieresistenz der Symptomatik widerspiegelt.

Um eine weitere Dekompensierung der Symptomatik zu vermeiden, die unter Umständen unvorhersehbare Auswirkungen haben könnte, müsste der Patient meiner Meinung nach raschest der beruflichen Belastungssituation entledigt werden, wobei für mich die einzige Lösung des Problems in der Pensionierung des Patienten besteht. Meiner Meinung nach kann von oben genanntem Patienten keine ersprießliche Dienstleistung erwartet werden, auch die Zuteilung einer weniger belastenden Funktion würde keine Lösung des Problems darstellen, da dies bei den hohen Ansprüchen des Patienten in beruflicher Hinsicht an sich selbst die Insuffizienz- und Versagungsgefühle und die damit vergesellschaftete Chronifizierungstendenz der Depressio intensivieren würde.

Resümierend stellt für mich als behandelnder Psychiater und Neurologe die Pensionierung die einzige logische Konsequenz der konkreten Problematik dar."

Über Anregung des Vertrauensarztes wurde der Facharzt für Psychiatrie und Neurologie Dr. F. von der Dienstbehörde mit der Erstellung eines psychiatrischen Gutachtens zur Frage, ob beim Beschwerdeführer psychiatrischerseits eine Erkrankung vorliege und bejahendenfalls, ob dies dessen Krankenstand rechtfertige und von welcher Dauer dieser voraussichtlich sein werde, beauftragt.

In seinem umfangreichen Gutachten vom 2. Mai 1997 kam Dr. F. zu folgender Diagnose (anstelle des Namens des Beschwerdeführers wurde die Bezeichnung Beschwerdeführer gewählt):

              "1.              Ein ängstlich-antriebsvermindertes depressives Syndrom endogenomorpher Ausprägung.

2.

Generalisierte Angststörung mit Panikattacken.

3.

Verdacht auf thyreogene Genese!

Erläuterungen:

              1.              Es ist sehr zu vermuten, dass das psychische, den Beschwerdeführer massiv behindernde Störbild kausal mit der Struma nodosa thyreogenes zusammenhängt. Offensichtlich schwankt der 'heiße Knoten' in seiner endokrinen Aktivität und würde internistischerseits keine besondere Therapie brauchen, psychiatrischerseits jedoch scheint er eine charakteristische Rolle zu spielen.

              2.              Für den Gefertigten ist sehr deutlich, dass auch ohne den in Punkt 1. erwähnten Aspekt die bisherige nervenärztliche Behandlung als insuffizient zu betrachten ist: Der Beschwerdeführer hat bisher erst zwei Antidepressiva (Seroxat® und Tolvon®) erhalten, von welchen eines wirkungslos blieb und das zweite wegen Nebenwirkungen rasch abgesetzt wurde. Die Palette möglicher anderer antidepressiver Substanzen ist jedoch um einiges reichhaltiger und wert, probiert zu werden, als dass all zu rasch von einer Pensionierung des ansonsten noch recht agil wirkenden Beamten gesprochen werden sollte (Dieser meint selbst, er würde durchaus gerne wieder arbeiten, ginge es ihm nur besser). Anzumerken ist weiters, dass das Neuroleptikum Melleril zwar geeignet ist, die Durchschlafstörung des Beschwerdeführers zu beherrschen, dass jedoch nicht verwunderlich ist, wenn es ihn im Sinne eines 'hang over' morgens noch antriebsärmer macht."

Zusammenfassend kam Dr. F. zum Ergebnis, dass der Beschwerdeführer derzeit sicher als krank anzusehen und zu Recht im "Krankenstand" sei. Über die Dauer dieses Zustandes lasse sich derzeit noch kein Urteil abgeben, weil zunächst noch einige Untersuchungen und Maßnahmen (internistische Abklärung der Schilddrüsenerkrankung; Beratung an der Spezialambulanz für therapierefraktäre Depressionen an der Universitätsklinik für Psychiatrie) durchgeführt werden müssten.

Die in der Folge durchgeführte Untersuchung der Schilddrüse ergab deren normale Funktion (vgl. dazu die diesbezügliche auf Angaben des Beschwerdeführers beruhende Feststellung im "Ärztlichen Sachverständigenbeweis" des Vertrauensarztes Dr. R. vom 13. August 1997). Die von Dr. F. angeregte Beratung in der obgenannten Spezialambulanz fand am 28. Mai 1997 statt. Nach den von der belangten Behörde im Ruhestandsversetzungsbescheid getroffenen Feststellungen - diese folgen den Angaben des Beschwerdeführers in seinem an die FLD gerichteten Schreiben vom 12. September 1997 - sei nach Ansicht von Prof. Dr. L. von der genannten Spezialambulanz die psychiatrische Therapie bei Dr. N.

fortzusetzen.

     In seinem "Ärztlichen Sachverständigenbeweis" vom

13. August 1997 kam der Vertrauensarzt Dr. R. zu folgender Diagnose:

     "Ausgeprägtes depressives Zustandsbild

Spondylarthrose

Polyarthrose"

     In der "Ärztlichen Beurteilung (Gutachten)" führte Dr. R.

aus, beim Beschwerdeführer stehe weiterhin trotz entsprechender umfassender fachärztlicher Behandlung inklusive Klinik ein ausgeprägtes depressives Zustandsbild im Vordergrund. Ansonst sei eine Abnützung der Wirbelsäule und der Gelenke anzuführen. Die Dienstfähigkeit des Beschwerdeführers sei weiterhin nicht gegeben. Unter Hinweis auf den bisherigen Verlauf der Erkrankung und das Gutachten Dris. F. sei die vorzeitige Versetzung in den Ruhestand in Erwägung zu ziehen. Weiters sei zu erwähnen, dass laut Angabe des Beschwerdeführers die angeregte Untersuchung der Schilddrüse eine normale Funktion ergeben habe.

Aus einem im Ermittlungsverfahren eingeholten Bericht des Vorstandes des Finanzamtes, bei dem der Beschwerdeführer zuletzt verwendet wurde, geht hervor, dass bereits bei einer Kurzinspektion im August 1996 ein deutlicher Leistungsabfall habe festgestellt werden können (Erledigung von nur 14 Prüfungsfällen in diesem Jahr). Der Beschwerdeführer sei 1996 an 48 Tagen krankheitsbedingt abwesend gewesen.

Mit Bescheid vom 19. März 1998 versetzte die belangte Behörde den Beschwerdeführer gemäß § 14 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 3 BDG 1979 mit Ablauf des Monates, in dem dieser Bescheid rechtskräftig werde (Anmerkung: das ist nach der Zustellung unbestritten der 31. März 1998), von Amts wegen in den Ruhestand. In der (umfangreichen) Begründung stützte sie sich im Wesentlichen - soweit dies für das vorliegende Verfahren von Bedeutung ist - vor allem auf das auf dem psychiatrischen Gutachten Dris. F. aufbauende Gutachten des Vertrauensarztes Dr. R. vom 13. August 1997, in dem dieser in logischer Konsequenz seiner (medizinischen) Einschätzung eine weitere Nachuntersuchung nicht mehr empfohlen habe. Mit einzubeziehen sei die Tatsache gewesen, dass sich das beim Beschwerdeführer vom Gutachter Dr. R. diagnostizierte ausgeprägte depressive Zustandsbild selbst nach umfassender psychiatrischer Behandlung bei Dr. N. und trotz 8- monatigem "Krankenstand" (bezogen auf den Zeitpunkt der Erstellung des Gutachtens vom 13. August 1997), in dem er den beruflichen Belastungen als Amtsbetriebsprüfer nicht ausgesetzt gewesen sei, weiterhin finde (Unterstreichungen im Original). Der vom Beschwerdeführer vorgelegte neurologisch-psychiatrische Befundbericht von Dr. N. vom 20. Jänner 1997 (der im vollen Wortlaut wiedergegeben wurde) und die dort vorgenommene Beurteilung der Beschwerdesymptomatik (Versetzung in den vorzeitigen Ruhestand; keine ersprießliche Dienstleistung mehr vom Beschwerdeführer zu erwarten) sei durch die abschließende Beurteilung des Krankheitsbildes durch den Vertrauensarzt Dr. R. bestätigt worden. Unter Berücksichtigung dieser Gutachten gelange die Dienstbehörde zur Ansicht, dass der Beschwerdeführer dauernd dienstunfähig sei, was noch durch sein glaubwürdiges Vorbringen (Hinweis auf die Anamnesen in den Gutachten Dris. N. und Dris. F. sowie die Darstellung der Vorgeschichte samt jetzigen Beschwerden im Gutachten von Dr. R.) bestätigt werde. Erhärtet werde dies durch amtliche Wahrnehmungen, wonach beim Beschwerdeführer im Jahr 1996 ein wesentlicher Leistungsabfall feststellbar gewesen sei. Nach den vorliegenden ärztlichen Untersuchungsergebnissen "erscheint es der Dienstbehörde zumindest unwahrscheinlich, dass Sie Ihre Dienstfähigkeit wiedererlangen (vgl. hiezu nochmals den ärztlichen Sachverständigenbeweis von Dr. R. vom 13. August 1997, aus welchem sich ergibt, dass sich bei Ihnen weiterhin ein ausgeprägtes depressives Zustandsbild findet; dies trotz des Umstandes umfassender fachärztlicher Behandlung incl. Klinik und keinerlei beruflicher Belastungssituation)." (Name anonymisiert)

Da die Anforderungen aller anderen Arbeitsplätze der Verwendungsgruppe A 2, Funktionsgruppe 3, zumindest den Anforderungen seines bisherigen Arbeitsplatzes entsprächen, sei der Beschwerdeführer auf Grund seiner körperlichen Verfassung nicht imstande, die mit einem solchen Arbeitsplatz verbundenen dienstlichen Aufgaben zu erfüllen. Ein mindestens gleichwertiger Arbeitsplatz könne ihm daher nicht zugewiesen werden. B) Ruhegenussbemessungsverfahren

In diesem Verfahren holte das als Pensionsbehörde erster Instanz zuständige Bundespensionsamt (BPA) zur Frage der Erwerbsfähigkeit (Restarbeitsfähigkeit) eine Stellungnahme seines leitenden Arztes Dr. Z. ein. In seinem "Ärztlichen Sachverständigengutachten zur Leistungsfeststellung" vom 20. Juli 1998 gelangte Dr. Z. an Hand der Gutachten von Dr. R. (vom 13. August 1997) und von Dr. F. (vom 2. Mai 1997) zu folgenden "Diagnosen":

1.

Erschöpfungsdepression

2.

Autonomes Schilddrüsenadenom, euthyreot.

3.

Cervikobrachilagie, Lumbalgie

Er bejahte eine dem Beschwerdeführer verbleibende Restarbeitsfähigkeit mit folgender Begründung (Namen wurden anonymisiert):

"Dem GA Dr. F. folgend sind die bestehenden Depressionszustände in direktem Zusammenhang mit der ebenfalls vorhandenen Schilddrüsenerkrankung zu sehen. Direkt auslösend für die empfundene Hirnleistungsschwäche und die Vielzahl der körperlichen Beschwerden, die hauptsächlich im Bereich des Verdauungstraktes lokalisiert werden, ist die berufliche Belastungssituation. Eine Änderung der medikamentösen und sonstiger Beeinflussung der Depression von psychiatrischer Seite ist, im Zusammenspiel mit einer restlosen Klärung der Schilddrüsenproblematik und deren entsprechender Behandlung, geeignet, die Voraussetzung dafür zu schaffen, dass in einer geänderten Arbeitssituation unter Wegfall übermäßigen Zeitdruckes und Verantwortungsdruckes die für die Problematik auslösenden Einflüsse geringer und damit erträglicher werden. Der Einsatz an einem Schreibtischarbeitsplatz mit PC in vorwiegend sitzender Körperhaltung mit der Möglichkeit, alle 2 Stunden eine 10-minütige Pause einzuschalten, wäre möglich."

In seiner Stellungnahme von 23. September 1998 wandte der Beschwerdeführer nach Rücksprache mit seinem behandelnden Arzt Dr. N. ein, die Schilddrüsenerkrankung bedürfe nach den Feststellungen Dris. F. vom 2. Mai 1997 keiner internistischer Behandlung. Außerdem wäre er aufgrund seines "derzeitigen Krankheitsbildes und Leidenszustandes" außerstande, auch nur irgendeine Tätigkeit auszuüben. Es wäre ihm unmöglich, die von Dr. Z. genannte Tätigkeit aufzunehmen, zumal es aus seiner Sicht zu einer Verschlechterung seines Krankheitsbildes gekommen sei. Eine Restarbeitsfähigkeit sei aus seiner Sicht mit Sicherheit nicht gegeben. Sämtliche Gutachten, Befunde und sonstigen Unterlagen habe er bereits im Ruhestandsversetzungsverfahren vorgelegt.

Mit Bescheid vom 1. Dezember 1999 stellte das BPA den dem Beschwerdeführer ab 1. April 1998 gebührenden Ruhegenuss fest. Aus der Begründung ergibt sich, dass sie die Berechnung in Anwendung der Kürzungsbestimmung des § 4 Abs. 3 des Pensionsgesetzes 1965 (PG) vornahm. Sie verneinte - gestützt auf die Ausführungen im Gutachten von Dr. Z. vom 20. Juli 1998 - die Voraussetzungen für den Entfall der Kürzung nach § 4 Abs. 4 Z. 3 und Abs. 7 PG. Maßgebend für die Beurteilung der dauernden Erwerbsunfähigkeit, die nur dann gegeben sei, wenn der Beamte auch nicht mehr für einfache Tätigkeiten (wie z.B. als Portier, Museumswächter, Aufseher, Billeteur, Telefonist), die am allgemeinen Arbeitsmarkt angeboten würden, geeignet sei, sei der Gesundheitszustand zum Zeitpunkt der Ruhestandsversetzung. Nachträgliche Verschlechterungen seien nicht zu berücksichtigen. Da die im Ruhestandsversetzungsverfahren herangezogenen medizinischen Unterlagen von Dr. Z. bei seiner Gutachtenserstellung verwertet worden seien, sei das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht geeignet, eine Änderung in der Beurteilung herbeizuführen. Auf Grund der nach dem schlüssigen und unbedenklichen Gutachten Dris Z. beim Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Ruhestandsversetzung gegebenen Restarbeitsfähigkeit liege keine dauernde Erwerbsunfähigkeit nach § 4 Abs. 7 PG vor.

In seiner Berufung räumte der (nunmehr anwaltlich vertretene) Beschwerdeführer ein, dass die dauernde Erwerbsunfähigkeit im Zeitpunkt der Wirksamkeit der Ruhestandsversetzung gegeben sein müsse. Der erstinstanzliche Bescheid stütze sich ausschließlich auf das Gutachten von Dr. Z. vom 20. Juli 1998. Dagegen wandte der Beschwerdeführer - soweit dies noch von Bedeutung ist - im Wesentlichen ein, dass Dr. Z. ihn niemals persönlich untersucht habe. Sein Gutachten sei keineswegs unbedenklich und schlüssig. Seine entscheidende Aussage über den möglichen Arbeitseinsatz des Beschwerdeführers beruhe auf einer Prognose über die Zukunft und beziehe sich daher entgegen dem Gesetz nicht auf den Zeitpunkt der Ruhestandsversetzung (Hinweis auf die entsprechenden Passage im Gutachten). Außerdem stünde das im vorliegenden Verfahren von Dr. Z. eingeholte Gutachten im krassen Widerspruch zu den im Ruhestandsversetzungsverfahren eingeholten Gutachten von Dr. R. und Dr. F, auf die es sich gestützt habe. So habe sich Dr. R. nach dem Ruhestandsversetzungsbescheid (auf "Seite 5, erster Absatz") ausdrücklich auf die vorgenommene Beurteilung seiner (= des Beschwerdeführers) Beschwerdesymptomatik durch Dr. N sowie das von diesem Arzt diagnostizierte Krankheitsbild berufen. Dr. N. habe aber in seinem neurologisch-psychiatrischen Befundbericht vom 20. Jänner 1997 ausgeführt, dass vom Beschwerdeführer keine ersprießliche Dienstleistung erwartet werden könne und auch die Zuteilung einer weniger belastenden Funktion keine Lösung des Problems darstellen würde, da dies bei seinen hohen Ansprüchen in beruflicher Hinsicht an sich selbst "die Insuffizienz- und Versagungsgefühle und die damit vergesellschaftete Chronifizierungstendenz der Depressio intensivieren würde."

Außerdem habe Dr. R. (nach den Ausführungen im Ruhestandsversetzungsbescheid) die Auffassung vertreten, dass der Beschwerdeführer "keinerlei beruflicher Belastungssituation" (Unterstreichung im Original) ausgesetzt werden könne.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 3. Februar 2000 wies die belangte Behörde die Berufung nach § 66 Abs. 4 AVG ab. Sie begründete dies nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens und der Rechtslage im Wesentlichen damit, die mit Ablauf des März 1998 rechtskräftig von Amts wegen erfolgte Ruhestandsversetzung des Beschwerdeführers sei 63 Monate vor Ablauf des Monats, in dem er das 60. Lebensjahr vollendet haben werde, wirksam geworden, womit (grundsätzlich) die Anwendbarkeit der Kürzungsbestimmung nach § 4 Abs. 3 PG gegeben sei, sofern nicht die Voraussetzungen (für deren Entfall) nach § 4 Abs. 4 Z. 2 oder Z. 3 PG gegeben gewesen sei. Die Voraussetzungen nach § 4 Abs. 4 Z. 2 PG lägen im Beschwerdefall offenkundig nicht vor. Zu der im Beschwerdefall ausschließlich strittigen dauernde Erwerbsunfähigkeit (nach § 4 Abs. 4 Z. 3 und Abs. 7 PG) im Zeitpunkt der Wirksamkeit der Ruhestandsversetzung habe das BPA ein Gutachten von Dr. Z. eingeholt, das eine Restarbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers bejaht habe (es folgt eine wörtliche Wiedergabe dieses Gutachtens). Soweit sich der Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme (im Verfahren vor dem BPA) auf eine nachträgliche Verschlechterung seines Gesundheitszustandes berufen habe, sei diese wegen des maßgebenden Zeitpunkts der Ruhestandsversetzung nicht zu berücksichtigen.

Dem in der Berufung erhobenen, aus der Prognose für die Zukunft abgeleiteten Vorwurf der Unschlüssigkeit des Gutachtens von Dr. Z. hielt die belangte Behörde entgegen, das kritisierte Gutachten enthalte sehr wohl Auskünfte über die Frage der dauernden Erwerbsunfähigkeit zum maßgebenden Zeitpunkt. Darin werde nämlich festgestellt, dass der Beschwerdeführer an Depressionszuständen im Zusammenhang mit einer Schilddrüsenerkrankung, aber auch an Hirnleistungsschwäche und an einer Vielzahl körperlicher Beschwerden leide, für die die berufliche Belastungssituation verantwortlich sei. Dieser Gesundheitszustand mache den Beschwerdeführer nach den Feststellungen nicht dauernd (Unterstreichungen im Original) erwerbsunfähig, da - so Dr. Z. auf der Grundlage der herangezogenen Gutachten - die Depression durch eine Änderung der Medikamentation sowie der psychiatrischen Behandlung und die Auswirkungen der Schilddrüsenerkrankung nach der Klärung und Behandlung ausreichend gemildert werden könnten. Auch sei durchaus schlüssig, dass die Leiden, die durch den beruflichen Stress als Amtsbetriebsprüfer hervorgerufen worden seien, nach der Pensionierung erheblich zurückgegangen und die dadurch hervorgerufene Erwerbsunfähigkeit nicht als dauernd anzusehen sei.

Zum behaupteten Widerspruch zum Gutachten Dris. N. sei zu bemerken, dass das verwendete Zitat nur einen Ausschnitt aus dem als "conclusio" bezeichneten Teil dieses Gutachtens wiedergebe. Es könne erst im Zusammenhang mit den übrigen darin getroffenen Feststellungen richtig verstanden werden. In der "conclusio" sei vor allem von der beruflichen Belastungssituation des Beschwerdeführers als Beamter des Amtsprüfungsdienstes die Rede, aus der die von Dr. N. beschriebene Beschwerdesymptomatik herrühre. Das vom Beschwerdeführer gebrauchte Zitat meine in diesem Zusammenhang eindeutig eine weniger belastende Funktion in der (Finanz)Verwaltung. Keinesfalls sei damit eine Aussage darüber getroffen worden, dass er nicht mehr in der Lage sei, einfache Arbeiten ohne übermäßigen Zeit- und Verantwortungsdruck, die Dr. Z. auf Grund des objektiv gegeben Gesundheitszustandes als zumutbar erachtet habe, zu verrichten.

Abgesehen davon, dass sich die in der Berufung angeführte Aussage von Dr. R. nicht an der angegeben Stelle finde, könnte (auch) eine solche Feststellung lediglich im Zusammenhang mit der beruflichen Belastungssituation des Beschwerdeführers als Beamter gesehen werden, da im Ruhestandsversetzungsverfahren nur die Frage der dauernden Dienstunfähigkeit zu untersuchen gewesen sei.

Die Erstellung eines Aktengutachtens durch Dr. Z. ohne persönliche Untersuchung des Beschwerdeführers gebe keinen Anlass, an der Objektivität und der sachlichen Richtigkeit seines Gutachtens zu zweifeln.

Auf Grund des Ergebnisses des von Dr. Z. eingeholten medizinischen Sachverständigengutachtens sei daher weiterhin davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Wirksamkeit seiner Ruhestandsversetzung nicht dauernd erwerbsunfähig im Sinn des § 4 Abs. 7 PG gewesen sei. Die Bemessung des ihm ab 1. April 1998 gebührenden Ruhegenusses sei daher zu Recht auf der Grundlage der Kürzungsbestimmung nach § 4 Abs. 3 PG erfolgt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

I. Rechtslage

              1.              Im Beschwerdefall ist für die strittige Ruhegenussbemessung der Zeitpunkt der Wirksamkeit der Ruhestandsversetzung (1. April 1998) maßgebend.

Nach § 4 Abs. 3 PG in der demnach maßgebenden Fassung des Strukturanpassungsgesetzes 1996, BGBl. Nr. 201, ist für jeden Monat, der zwischen dem Zeitpunkt der Wirksamkeit der Versetzung in den Ruhestand und dem Ablauf des Monats liegt, in dem der Beamte sein 60. Lebensjahr vollendet haben wird, die Ruhegenussbemessungsgrundlage von 80 % um 0,1667 Prozentpunkte zu kürzen, Das sich aus dieser Kürzung ergebende Prozentausmaß der Ruhegenussbemessungsgrundlage ist auf zwei Kommastellen zu runden.

Gemäß § 4 Abs. 4 Z. 3 PG - in der am 1. Jänner 1998 in Kraft getretenen Fassung des Art. 4 Z. 1 des 1. Budgetbegleitgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 138 - findet eine Kürzung nicht statt, wenn der Beamte zum Zeitpunkt der Wirksamkeit der Ruhestandsversetzung dauernd erwerbsunfähig ist.

Nach § 4 Abs. 7 leg. cit. in der obgenannten Fassung gilt ein Beamter nur dann als dauernd erwerbsunfähig im Sinne des Abs. 4 Z. 3, wenn er infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte dauernd außer Stande ist, einem regelmäßigen Erwerb nachzugehen.

Soweit die "Beurteilung eines Rechtsbegriffes" von der Beantwortung von Fragen abhängt, die in das Gebiet ärztlichen Fachwissens fallen, hat die Dienstbehörde durch ärztliche Sachverständige Beweis zu erheben. Wenn es zur zuverlässigen Beurteilung erforderlich ist, sind Fachärzte heranzuziehen (§ 36 Abs. 1 PG in der Stammfassung, BGBl. Nr. 340/1965)

              2.              Gemäß § 14 Abs. 1 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 (BDG 1979), BGBl. Nr. 333, in der Fassung BGBl. Nr. 820/1995, ist der Beamte von Amts wegen oder auf seinen Antrag in den Ruhestand zu versetzen, wenn er dauernd dienstunfähig ist.

Nach Abs. 3 dieser Bestimmung (Stammfassung) ist der Beamte dienstunfähig, wenn er infolge seiner körperlichen oder geistigen Verfassung seine dienstlichen Aufgaben nicht erfüllen und ihm im Wirkungsbereich seiner Dienstbehörde kein mindestens gleichwertiger Arbeitsplatz zugewiesen werden kann, dessen Aufgaben er nach seiner körperlichen und geistigen Verfassung zu erfüllen im Stande ist und der ihm mit Rücksicht auf seine persönlichen, familiären und sozialen Verhältnisse billiger Weise zugemutet werden kann.

II. Beschwerdeausführungen und Erwägungen

              1.              Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht, dass eine Kürzung nach § 4 Abs. 4 Z. 3 PG nicht stattfinde, verletzt.

2.1. Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhalts macht er im Wesentlichen geltend, dass das Beweisthema im Ruhestandsversetzungsverfahren, in dem die Dienstunfähigkeit zu prüfen sie, ein anderes als im Ruhegenussbemessungsverfahren sei, bei der nach dem zum Entfall der Kürzung führenden Tatbestand nach § 4 Abs. 4 Z. 3 PG die (dauernde) Erwerbsunfähigkeit zu prüfen sei. Die belangte Behörde gehe von der verfehlten Rechtsansicht aus, dass ein medizinischer Sachverständiger nach fast zwei Jahren aus den Dienstunfähigkeitsaussagen auf eine Erwerbsunfähigkeit schließen könne.

2.2. Dem ist Folgendes entgegenzuhalten:

Zutreffend hat der Beschwerdeführer darauf hingewiesen, dass die im Ruhestandsversetzungsverfahren in der Regel auf Grundlage ärztlicher Gutachten (siehe nunmehr § 14 Abs. 4 BDG 1979 in der Fassung der 1. Dienstrechts-Novelle 1998, BGBl. I Nr. 123) von der Aktivdienstbehörde zu beurteilende Rechtsfrage der Dienstfähigkeit mit der bei der Ruhegenussbemessung von der Pensionsbehörde zu beurteilenden Rechtsfrage der regelmäßigen Erwerbsfähigkeit nach § 4 Abs. 4 Z. 3 PG nicht identisch ist.

Der Beamte ist dienstunfähig, wenn er infolge seiner körperlichen oder geistigen Verfassung seine dienstlichen Aufgaben nicht erfüllen kann (medizinischer Aspekt der Primärprüfung) und kein mindestens gleichwertiger Arbeitsplatz im Bereich seiner Dienstbehörde vorhanden ist, dessen Aufgaben der Beamte erfüllen kann und dessen Ausübung ihm billigerweise zugemutet werden kann (Vergleichsaspekt bei der Sekundärprüfung; vgl. zu den einzelnen Anforderungen an den Ersatzarbeitsplatz das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Februar 1997, Zl. 96/12/0242 = Slg. NF Nr. 14.625/A). Die Dienstfähigkeit ist immer in Bezug auf einen konkreten Arbeitsplatz zu prüfen, und zwar zunächst bezüglich des zuletzt innegehabten Arbeitsplatzes, in der Folge, wenn die Dienstfähigkeit für diesen Arbeitsplatz nicht mehr gegeben ist, für einen konkret vorhandenen (freien) Ersatzarbeitsplatz, der für eine Zuweisung an den Beamten auf Grund seiner "Restarbeitsfähigkeit" und den sonstigen in § 14 Abs. 3 BDG 1979 genannten Kriterien (im Wirkungsbereich der Dienstbehörde; Gleichwertigkeit; billigerweise gegebene Zumutbarkeit) in Betracht kommt.

Der schon bisher im § 9 Abs. 1 PG (in der bis zur Neufassung des § 9 durch Art. 3 Z. 9 des Pensionsreformgesetzes 2001, BGBl. I Nr. 86, am 30. September 2000 geltenden Fassung; diese alte Fassung gilt allerdings noch für die in § 62j Abs. 2 PG in der Fassung des Pensionsreformgesetzes 2001 genannten Übergangsfälle) verwendete Begriff der Erwerbsfähigkeit hat mit dem in § 4 Abs. 4 Z. 3 in Verbindung mit Abs. 7 PG insofern eine "gemeinsame" Wurzel, als Erwerbsfähigkeit nach allgemeinem Sprachgebrauch bedeutet, in der Lage zu sein, durch eigene Arbeit einen wesentlichen Beitrag zum Lebensunterhalt zu verdienen (so bereits das hg. Erkenntnis vom 17. August 2000, Zl. 98/12/0489). Er ist der weitere Begriff als der der Dienstfähigkeit nach § 14 Abs. 3 BDG 1979. Die Erwerbsfähigkeit ist nach der Rechtsprechung abstrakt zu beurteilen (d.h. es ist nicht entscheidend, ob die in Frage kommenden Tätigkeiten gerade am Arbeitsmarkt verfügbar sind oder nicht, es muss sich aber um eine Beschäftigung handeln, die grundsätzlich Gegenstand des allgemeinen Arbeitsmarktes ist). Sie setzt aber jedenfalls eine im Arbeitsleben grundsätzlich notwendige gesundheitlich durchgehende Einsatzfähigkeit des Beamten voraus (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 24. Mai 2000, Zl. 99/12/0245, mwN). Hiebei ist weiters zu berücksichtigen, ob die Einsatzfähigkeit auch im Hinblick auf die üblichen Erfordernisse in der Arbeitswelt (z.B. Einhaltung der Arbeitszeit oder Fähigkeit zur Selbstorganisation) noch gegeben ist. In dieser Hinsicht besteht zwischen dem Erwerbsunfähigkeitsbegriff iS des § 4 Abs. 4 Z. 3 PG und dem nach § 9 Abs. 1 PG (aF) kein Unterschied. Nach der klaren und unmissverständlichen Begriffsbestimmung des § 4 Abs. 7 PG ist aber für die dauernde Erwerbsunfähigkeit im Sinn des § 4 Abs. 4 Z. 3 PG - anders als in § 9 Abs. 1 PG (aF) - keine Zumutbarkeitsprüfung, die zu einer (zusätzlich zur medizinischen Komponente führenden) weiteren Einschränkung der Verweisungsberufe führen kann, vorgesehen (so bereits das hg. Erkenntnis vom 17. August 2000, Zl. 98/12/0489). Insofern ist der Begriff der dauernden Erwerbsunfähigkeit nach § 4 Abs. 4 Z. 3 in Verbindung mit Abs. 7 PG der weitere Begriff als der der Unfähigkeit zu einem zumutbaren Erwerb nach § 9 Abs. 1 PG (aF).

Der inhaltliche Unterschied der Begriffe "Dienstunfähigkeit" im Sinne des § 14 Abs. 3 BDG 1979 und "dauernde Erwerbsunfähigkeit" nach § 4 Abs. 4 Z. 3 PG schließt es aber nicht aus, dass medizinische Gutachten, die im Ruhestandsversetzungsverfahren herangezogen wurden, auch im Ruhegenussbemessungsverfahren zu berücksichtigen und die dort festgestellten Leidenszustände (sofern sie medizinisch hinreichend fundiert sind) bei der Beurteilung der für die Ruhegenussbemessung maßgebenden Frage der dauernden Erwerbsunfähigkeit mit einzubeziehen sind (ständige Rechtsprechung; vgl. dazu z.B. das hg Erkenntnis vom 24. Mai 2000, Zl. 99/12/0245, oder vom 17. August 2000, Zl. 98/12/0489). Für die Beurteilung durch den ärztlichen Sachverständigen ist sowohl hinsichtlich der Dienstunfähigkeit als auch der (dauernden) Erwerbsfähigkeit der Zeitpunkt der Ruhestandsversetzung des Beamten maßgebend.

Zu beachten ist jedoch, dass bei der Beurteilung der Fähigkeit, einen Erwerb auf Dauer nach § 4 Abs. 4 Z. 3 PG ausüben zu können, auch medizinische Aspekte maßgebend sein können, die für die Beurteilung der Dienstfähigkeit nach § 14 Abs. 1 und Abs. 3 BDG 1979 nicht mehr (weil deren Erhebung beispielsweise für die Frage der Dienstunfähigkeit gar nicht notwendig war) entscheidend waren und für deren Geltendmachung der Beamte daher im Ruhestandsversetzungsverfahren gar keine Veranlassung hatte (so schon das obzitierte Erkenntnis vom 24. Mai 2000). Gleiches gilt, wenn ein Leidenszustand zwar im Ruhestandsversetzungsverfahren festgestellt wurde, die damit verbundenen Beeinträchtigungen aber nicht weiter untersucht wurden, weil ihm wegen einer anderen gesundheitlichen Beeinträchtigung in Bezug auf die Dienstunfähigkeit nur eine untergeordnete Bedeutung beigemessen wurde (vgl. dazu das obzitierte hg. Erkenntnis vom 17. August 2000).

Die zuletzt angeschnittene Problematik spielt im Beschwerdefall keine Rolle, weil unbestritten auch bei der im Ruhegenussbemessungsverfahren zu prüfenden Frage der dauernden Erwerbsunfähigkeit - ebenso wie im Ruhestandsversetzungsverfahren -

das psychische Leiden des Beschwerdeführers ausschlaggebend ist. Vor dem Hintergrund dieser Sach- und Rechtslage war aber im Beschwerdefall ein Rückgriff auf die im Ruhestandsversetzungsverfahren des Beschwerdeführers erstellten Sachverständigengutachten geboten. Abgesehen davon, dass sich das am 20. Juli 1998 erstellte Gutachten von Dr. Z. auf die beiden rund 15 bzw. 11 Monate früher verfassten Gutachten von Dr. F. und Dr. R. stützte, die der mit 1. April 1998 wirksamen Ruhestandsversetzung zugrunde gelegt wurden und daher die vom Beschwerdeführer genannte zeitliche Differenz von 2 Jahren nicht zutrifft, gibt es auch keinen (allgemeinen) Rechtssatz, wonach es einem (medizinischen) Sachverständigen unmöglich sein sollte, aus länger zurückliegenden Vorgutachten, die eine medizinisch fundierte Diagnose der Leidenszustände enthalten (wo Rückschlüsse für die Dienstunfähigkeit im Sinn des § 14 Abs. 3 BDG 1979 gezogen wurden) weitere Rückschlüsse auf den Gesundheitszustand zum Zeitpunkt der Ruhestandsversetzung und die sich daraus ergebende Restarbeitsfähigkeit (unter dem Gesichtspunkt der dauernden Erwerbsunfähigkeit) zu ziehen. Dass im Beschwerdefall konkrete (besondere) Umstände vorgelegen sind, die einen solchen Rückschluss nach dem Stand der medizinischen Kenntnisse unmöglich machten, hat der Beschwerdeführer nicht behauptet bzw. näher dargelegt.

3.1. Der Beschwerdeführer bringt weiters unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit vor, dass Dr. Z. seine Einschätzung der Erwerbsfähigkeit auf eine Prognose gestützt habe. Wenn aber die medizinischen Voraussetzungen für die Bejahung der Erwerbsfähigkeit erst in Zukunft geschaffen werden könnten, liege im maßgebenden Zeitpunkt der Ruhestandsversetzung eine dauernde Erwerbsunfähigkeit im Sinn des § 4 Abs. 4 Z. 3 PG vor. Die belangte Behörde habe daher das in § 4 Abs. 4 Z. 3 PG genannte Tatbestandsmerkmal "zum Zeitpunkt der Ruhestandsversetzung" übersehen.

3.2. Mit diesem Vorbringen verkennt der Beschwerdeführer, dass das Gesetz auf die dauernde Erwerbsunfähigkeit abstellt. Eine solche ist aber nur dann gegeben, wenn die im maßgebenden Zeitpunkt der Ruhestandsversetzung allenfalls bestehende Erwerbsunfähigkeit nicht bloß eine vorübergehende ist, d.h. die Erwerbsfähigkeit innerhalb absehbarer Zeit nicht wiedererlangt werden kann. Insofern ist - ähnlich wie bei der dauernden Dienstunfähigkeit nach § 14 Abs. 1 BDG 1979 (vgl. dazu z.B. die hg Erkenntnisse vom 28. April 1993, Zl. 92/12/0055, vom 16. November 1994, Zl. 94/12/0158, sowie vom 27. Oktober 1999, Zl. 97/12/0037 - alle zu § 12 LDG 1984, der mit § 14 BDG 1979 in den hier interessierenden Punkten übereinstimmt; zum BDG 1979:

z. B. das hg. Erkenntnis vom 26. Februar 1997, Zl. 96/12/0307, mwN) - eine die Zukunft einbeziehende Prognoseentscheidung erforderlich. Dies wurde in der bisherigen Rechtsprechung auch für die für die Beurteilung der dauernden Erwerbsunfähigkeit nach § 4 Abs. 4 Z. 3 in Verbindung mit Abs. 7 PG erforderliche Einschätzung der Dauer künftiger "Krankenstände" anerkannt (vgl. dazu z.B. die hg. Erkenntnisse vom 24. Mai 2000, Zl. 99/12/0245, sowie vom 27. August 2000, Zl. 98/12/0489). Aus der wegen des Tatbestandselements der Dauerhaftigkeit sich ergebenden Erforderlichkeit einer Prognose kann daher nicht der der Rechtsrüge des Beschwerdeführers zugrundeliegende Schluss gezogen werden. Eine andere Frage ist es, ob das von der belangten Behörde herangezogene Gutachten von Dr. Z. zur Klärung der im Beschwerdefall strittigen Frage ausreicht (siehe dazu den nächsten Punkt).

4.1.Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften bringt der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, der Sachverhalt sei in relevanten Punkten ergänzungsbedürftig geblieben. Zu den im Ruhestandsversetzungsverfahren eingeholten Gutachten, auf die sich die belangte Behörde auch im vorliegenden Verfahren stütze (baue doch das von ihr herangezogene Gutachten von Dr. Z. darauf auf) gehöre auch das von Dr. N, der vom Beschwerdeführer keine ersprießliche Leistung erwartet habe. Aus dem ärztlichen Sachverständigenbeweis von Dr. R. ergebe sich (Seite 10, 1. Absatz des Ruhestandsversetzungsbescheides), dass der Beschwerdeführer keinerlei Belastungssituation ausgesetzt werden dürfe. Dazu komme, dass Dr. Z. sein Gutachten erstellt habe, ohne den Beschwerdeführer zu untersuchen. Auf Grund seines Berufungsvorbringens wäre die belangte Behörde zur Erforschung der materiellen Wahrheit verpflichtet gewesen, das Ermittlungsverfahren zu ergänzen und die im Ruhestandsversetzungsverfahren befassten ärztlichen Sachverständigen zu befragen, ob aus ihren Gutachten auf seine dauernde Erwerbsunfähigkeit zum Zeitpunkt der Wirksamkeit der Ruhestandsversetzung geschlossen werden könne.

4.2. Zwar teilt der Verwaltungsgerichtshof nicht die Auffassung des Beschwerdeführers, Dr. Z. hätte ihn vor Erstellung seines Gutachtens untersuchen müssen. Dem Gutachten eines medizinischen Sachverständigen kann nämlich auch der von einem anderen Sachverständigen erhobene Befund zugrundegelegt werden. Keine gesetzliche Bestimmung verlangt, dass der Sachverständige nur auf Grund eines persönlich erhobenen Befundes sein Gutachten abzugeben hat (siehe dazu die unter E 169 zu § 52 AVG bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren, Band I2, abgedruckten Entscheidungen). Davon abgesehen ist im Beschwerdefall auch nicht strittig, dass im Ruhestandsversetzungsverfahren der Gesundheitszustand des Beschwerdeführers zum auch für das Ruhegenussbemessungsverfahren maßgebenden Zeitpunkt der Ruhestandsversetzung umfassend von den von der Aktivdienstbehörde beigezogenen Sachverständigen erhoben wurde, auf deren Gutachten sich Dr. Z. im vorliegenden Verfahren gestützt hat; strittig ist lediglich dessen (fachliche) Einschätzung unter dem Gesichtspunkt der dauernden Erwerbsfähigkeit nach § 4 Abs. 4 Z. 3 in Verbindung mit Abs. 7 PG. Gegen die bloße Erstellung eines Aktengutachtens durch Dr. Z. bestehen bei dieser Sachlage keine grundsätzlichen Bedenken.

Hingegen ist das weitere Vorbringen jedenfalls zum Teil im Ergebnis berechtigt.

Auch wenn sich Dr. Z. in seinem Gutachten ausdrücklich nur auf die Gutachten von Dr. F und Dr. R gestützt hat, verweisen diese doch auch auf die Äußerungen des den Beschwerdeführer behandelnden Facharztes Dr. N hin. Insofern ist das Gutachten Dris. N. auch vom Gutachten von Dr. Z. miterfasst.

Der Verwaltungsgerichtshof verkennt nicht, dass die vom Beschwerdeführer schon im Verwaltungsverfahren ins Treffen geführten Ausführungen des ihn behandelnden Arztes Dr. N. (dass auch die Zuteilung einer weniger belastenden Funktion keine Lösung des Problems darstellte, da dies bei den hohen Ansprüchen des Patienten in beruflicher Hinsicht an sich selbst die Insuffizienz- und Versagungsgefühle und die damit vergesellschaftete Chronifizierungstendenz der Depressio intensivieren würde) im Ruhestandsversetzungsverfahren vorgelegt wurden, bei dem die Frage der Dienstunfähigkeit zu prüfen ist. Dennoch kann nicht von vornherein gesagt werden, dass die fachliche Begründung für die Befürchtung einer Intensivierung des psychischen Leidens des Beschwerdeführers nicht schon bei der Aufnahme jeder Tätigkeit, die möglicherweise ohne Rücksicht auf ihre Beschaffenheit krankheitsbedingt als Belastung empfunden wird, sondern bloß bei der Zuweisung eines (qualifizierten) Verweisungsarbeitsplatz im Sinn des § 14 Abs. 3 BDG 1979 in Betracht kommt. Darauf hätte im Sinn des § 8 Abs. 1 DVG Bedacht genommen und daher Dr. Z. von der belangten Behörde ersucht werden müssen, diese Frage (unbeschadet des mit einer einfachen Arbeit typischerweise verbundenen Wegfalls eines übermäßigen Zeit- und Verantwortungsdrucks) näher zu klären, zumal der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren auch von einer (in der Zwischenzeit eingetretenen) Verschlechterung seines Zustands gesprochen hat. Auch wenn dies - wie die belangte Behörde zutreffend erkannt hat - nichts daran ändert, dass der maßgebende Beurteilungszeitpunkt im Ruhegenussbemessungsverfahren die Wirksamkeit der Ruhestandsversetzung bleibt, wäre doch auch zu prüfen gewesen, ob bei Zutreffen dieses Vorbringens in Verbindung mit dem Umstand, dass der Beschwerdeführer jedenfalls seit dem 1. April 1998 bzw. seit seinem "Krankenstand" ab Jänner 1997 (nach der Aktenlage) keiner Erwerbstätigkeit mehr nachging und es daher an einer beruflichen Belastungssituation fehlte, nicht etwas für seine dauernde Erwerbsunfähigkeit im maßgebenden Zeitpunkt zu gewinnen wäre. Die von Dr. Z. für erforderlich gehaltene restlose Klärung der Schilddrüsenproblematik wäre im Rahmen des vorliegenden Verfahrens vorzunehmen gewesen, weil nur dann festgestanden wäre, ob durch deren Behandlung in absehbarer Zeit eine Besserung des psychischen Zustands des Beschwerdeführers zu erwarten wäre und daher bloß eine vorübergehende Erwerbsunfähigkeit vorliegt. Zwar kann auch eine Änderung der medikamentösen Behandlung einer psychischen Erkrankung für die Beurteilung der dauernden Erwerbsunfähigkeit von Relevanz sein, wenn von ihr in angemessener Zeit eine nachhaltige Besserung der Erkrankung erwartet werden kann. Dies setzt aber eine nähere Angabe der Medikamente oder zumindest der Wirkstoffgruppe voraus, um die Erfolgsaussichten einer solchen Umstellung und deren Zumutbarkeit (wegen allfällig damit verbundener Nebenwirkungen in Verbindung mit dem Gesundheitszustand des Betroffenen) einer nachprüfenden Kontrolle zugänglich zu machen.

Aus diesen Gründen bedarf der Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt einer Ergänzung, weshalb der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG aufzuheben war.

5. Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47, 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 und § 49 VwGG in Verbindung mit der gemäß ihrem § 3 Abs. 2 anzuwendenden Verwaltungsgerichtshof-Aufwandersatzverordnung 2001, BGBl. II Nr. 501. Die vom Beschwerdeführer entrichtete Gebühr von S 2.500,-- war mit dem Betrag von EUR 181,68 zuzusprechen.

Wien, am 20. Februar 2002

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2000120058.X00

Im RIS seit

07.05.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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