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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Germ und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Thoma als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Julcher, über die Beschwerde des C in T, vertreten durch Riedl & Ringhofer, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Franz Josefs-Kai 5, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 28. März 2001, Zl. 6235/235-II/4/01, betreffend Kündigung eines provisorischen Dienstverhältnisses, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer stand als Gendarmeriebeamter des Gendarmeriepostens G im Bereich des Landesgendarmeriekommandos für Niederösterreich in einem provisorischen Dienstverhältnis zum Bund. Mit Note vom 17. August 2000 hielt diese Behörde dem Beschwerdeführer folgende Vorfälle, die jeweils zur Erstattung von Anzeigen gegen ihn geführt hätten, vor:
"Am 01. Mai 1999 gegen 03.30 Uhr, kam es im Imbisswagon bei der Diskothek 'Baby O' in J zwischen Ihnen und MP in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand zuerst zu einer verbalen und in weiterer Folge zu einer tätlichen Auseinandersetzung. Im Zuge der tätlichen Auseinandersetzung kamen Sie und P zu Sturz und erlitten dadurch leichte Verletzungen.
Sie wurden wegen Verdachtes der Vergehen nach §§ 83 und 125 StGB dem Bezirksanwalt beim BG T angezeigt. Die Strafanzeige ist am 13. Oktober 1999 gemäß § 90 Abs 1 StPO aus dem Grunde des § 42 StGB zurückgelegt worden.
Weiters wurden Sie vom Gendarmerieposten S am 02. Mai 2000 unter do GZ P 426/00 wegen Verdacht des Vergehens nach § 91 StGB dem Bezirksanwalt beim BG T angezeigt.
Am 02. April 2000, gegen 01.30 Uhr, verließen Sie zusammen mit AP und NP die Diskothek 'R' in J. Sie begaben sich zu dem nahe gelegenen Parkplatz, als es zwischen Ihnen und MG, VG und MO zu einer wörtlichen Auseinandersetzung und in weiterer Folge zu Tätlichkeiten kam. Dabei wurde mit Händen und Füßen aufeinander eingeschlagen. Sie erlitten dabei Verletzungen unbestimmten Grades. Weiters wurde das Armband der Uhr von M bzw VG abgerissen sowie die Armbanduhr - Marke Breitling - von NP beschädigt. Ebenso dürfte ein unbekannter PKW während des Streitfalles beschädigt worden sein. Der Zulassungsbesitzer erstattete jedoch bis dato keine Anzeige bezüglich der verursachten Sachbeschädigung. Grund für die Tätlichkeiten dürften rassistische Äußerungen gewesen sein. Zum Zeitpunkt des Vorfalles befanden sie sich im Krankenstand (häusliche Pflege) wegen Unfall außer Dienst. Dieses Verfahren ist derzeit beim Bezirksgericht T anhängig.
Weiters lenkten Sie am 15. April 2000, gegen 03.15 Uhr, den PKW BMW 3/CG, Kennzeichen T, auf der Bundesstraße 19 von P kommend in Fahrtrichtung Bundesstraße 1. Kurz vor dem Kreuzungsbereich
B 19 - B 1, im Gemeindegebiet von S fuhren Sie auf den vor ihnen fahrenden PKW, Opel Vectra, Kennzeichen T, des CH auf. Durch den Verkehrsunfall entstand an beiden Fahrzeugen erheblicher Sachschaden. Nach dem Verkehrsunfall scherten Sie sofort aus, überholten CH und fuhren auf der Bundesstraße 1 in Fahrtrichtung S fort. Beim Kreuzungsbereich Bundesstraße 1 - Bundesstraße 19 bogen Sie in Fahrtrichtung T ab und fuhren mit hoher Geschwindigkeit weiter. Der Lenker des PKW Opel Vectra, CH, folgte Ihnen. Ca 1 Kilometer nach der Unfallsstelle bei der Ausfahrt B 19, G holte Sie der Unfallsbeteiligte ein und Sie hielten an. Im Gegensatz zu H wollten Sie mit der Begründung 'ich habe genug gesoffen' keine Aufnahme durch die Gendarmerie. Sie zeigten H einen Ausweis in Scheckkartenformat und gaben dazu an, dass dies ein Gendarmerieausweis sei. Trotz Aufforderung des Unfallbeteiligten zeigten Sie weder Führerschein noch Zulassungsschein her. Sie wollten auch keinen Unfallbericht ausfüllen. Allerdings schrieben Sie auf einen Zettel ihren Namen, Geburtsdatum, ihre Telefonnummer sowie das Kennzeichen des von Ihnen gelenkten Fahrzeuges und vereinbarten mit H am 15. April 2000, um 13.00 Uhr, ein Treffen in
L. Anschließend setzten Sie Ihre Fahrt fort.
H der auf Grund Ihrer dürftigen Angaben unsicher wurde, fuhr zum Gendarmerieposten T, wo er Anzeige wegen Verkehrsunfalls mit Sachschaden und Fahrerflucht erstattete. Zu diesem Zeitpunkt befanden Sie sich im Krankenstand - häusliche Pflege.
Vom GP S wurde am 02. Mai 2000, unter GZ P463/00, Anzeige wegen Verdachts von Übertretungen nach §§ 4 und 5 StVO der BH T erstattet.
Dieses Verfahren ist derzeit bei der Bezirkshauptmannschaft T anhängig."
Am 7. September 2000 erstattete der Beschwerdeführer zu dem genannten Vorhalt eine Stellungnahme, in welcher er die Richtigkeit der Sachverhaltsdarstellungen betreffend die Vorfälle vom 1. Mai 1999, vom 2. April 2000 und vom 15. April 2000 bestritt und eine von der Sachverhaltsschilderung in dem genannten Vorhalt abweichende detaillierte Darstellung des jeweiligen Sachverhaltes erstattete. Insbesondere bestritt er im Zusammenhalt mit dem Vorhalt vom 1. Mai 1999 ein schuldhaftes Verhalten gesetzt oder ein diesbezügliches Schuldeingeständnis abgelegt zu haben. Die Auseinandersetzung am 2. April 2000 habe von ihm nicht verhindert werden können, weil er angegriffen worden sei und er sich auf Grund seiner Verletzungen an der Hand nicht habe zur Wehr setzen können. Die Verletzungen des MO seien nicht von ihm verursacht worden. Er habe auch keine rassistische Äußerung getätigt. Im Zusammenhang mit dem Vorfall vom 15. April 2000 bestritt der Beschwerdeführer jegliche Intention, Fahrerflucht zu begehen bzw. die Feststellung einer allfälligen Alkoholisierung zu vereiteln.
Es sei zwar zutreffend, dass die Vorfälle vom 2. April 2000 und vom 15. April 2000 während seines Krankenstandes passiert seien. Auf Grund der Art der Erkrankung sei jedoch seitens des Arztes weder ein Ausgehverbot noch Bettruhe verordnet worden; seine Aufenthalte außer Haus seien seiner Genesung nicht abträglich gewesen.
Mit Bescheid des Landesgendarmeriekommandos für Niederösterreich vom 12. September 2000 wurde das provisorische Dienstverhältnis des Beschwerdeführers gemäß § 10 Abs. 4 Z. 4 in Verbindung mit den Absätzen 2 und 3 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979, BGBl. Nr. 333 (im Folgenden: BDG 1979), wegen pflichtwidrigen Verhaltens unter Einhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Kündigungsfrist im Ausmaße von drei Kalendermonaten mit Ablauf des 31. Jänner 2001 gekündigt. Gleichzeitig wurde verfügt, dass einer Berufung gegen diesen Bescheid gemäß § 12 Abs. 2 des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29, aufschiebende Wirkung zukomme. Weiters wurde ausgesprochen, dass dem Beschwerdeführer gemäß § 27 Abs. 1 Z. 1 lit. b des Gehaltsgesetzes 1956, BGBl. Nr. 54/1956, eine Abfertigung im Ausmaße des doppelten Monatsbezuges gebühre.
In der Begründung ihres Bescheides legte die erstinstanzliche Behörde dem Beschwerdeführer das ihm am 17. August 2000 vorgehaltene Verhalten zur Last. Er habe es unterlassen, zu diesen Vorwürfen Stellung zu nehmen. Unbeschadet der mangelnden Strafwürdigkeit des Beschwerdeführers im Zusammenhang mit dem Vorfall vom 1. Mai 1999 sei das festgestellte Verhalten mit dem Charakterbild eines Exekutivbeamten unvereinbar. Es müsse Kennzeichen des Berufsbeamtentums bleiben, dass Beamte im und außer Dienst an das Gesetz gebunden, auch ohne laufende Kontrolle, sich rechtmäßig verhielten. Das Verhalten des Beschwerdeführers verpflichte die erstinstanzliche Behörde sein provisorisches Dienstverhältnis gemäß § 10 Abs. 4 Z. 4 in Verbindung mit Abs. 2 und 3 BDG 1979 zu kündigen. Weiters begründete die erstinstanzliche Behörde die festgesetzte Kündigungsfrist sowie die Höhe der zuerkannten Abfertigung.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung. Er verwies insbesondere darauf, dass seine Stellungnahme vom 7. September 2000 zwar nicht innerhalb der von der erstinstanzlichen Behörde gesetzten Frist, aber noch vor Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides eingelangt sei. Im Übrigen wiederholte der Beschwerdeführer im Wesentlichen seine Sachverhaltsdarstellungen in dieser Stellungnahme und stellte hiezu umfangreiche konkret bezeichnete Beweisanträge.
Am 23. Februar 2001 hielt die belangte Behörde dem Beschwerdeführer Folgendes vor:
"Am 27. Mai 1999 wurden Sie vom GP S wegen des Verdachtes nach §§ 83/1 und 125 StGB dem Bezirksgericht T angezeigt. Das Verfahren wurde eingestellt, jedoch gem § 42 StGB durch außergerichtlichen Tatausgleich geregelt.
Am 2. Mai 2000 wurden Sie vom GP S wegen des Verdachtes nach § 91 StGB dem Bezirksgericht T angezeigt. In dieser Angelegenheit kam bei einem Termin am 21.2.2001 kein außergerichtlicher Tatausgleich zu Stande und wird vom Bezirksanwalt Strafantrag gestellt werden. Eine schriftliche Ausfertigung des BG liegt noch nicht vor.
Am 15. Mai 2000 wurden Sie vom GP S wegen des Verdachtes nach § 4 und 5 StVO der Bezirkshauptmannschaft T angezeigt. Das Verfahren wurde gem § 45 Abs eingestellt. In beiden Fällen befanden Sie sich im Krankenstand (häusliche Pflege). Ein Disziplinarverfahren gegen Sie wurde nicht durchgeführt.
Ungeachtet dieser Tatsache lässt die Regelung eines Strafverfahrens durch außergerichtlichen Tatausgleich den Schluss auf ein, wenn auch bedingtes, Schuldeingeständnis Ihrerseits zu. Es beweist lediglich vielmehr den Verzicht des Staates auf Bestrafung, da der Schaden auf anderem Wege gutgemacht wurde. Zur Wiedergutmachung bedarf es jedoch eines vorangegangenen Eingeständnisses schuldhaften, rechtswidrigen Handelns."
Zu diesem Vorhalt nahm der Beschwerdeführer am 1. März 2001 dahingehend Stellung, dass die Bestimmungen der Strafprozessordnung über den außergerichtlichen Tatausgleich erst am 1. Jänner 2000 in Kraft getreten seien. Ein außergerichtlicher Tatausgleich im Sinne des Gesetzes habe somit im Jahre 1999 nicht erfolgen können. Vielmehr sei das Verfahren gegen den Beschwerdeführer gemäß § 90 StPO eingestellt worden. Selbst wenn eine Einstellung nach § 90 StPO seitens der Staatsanwaltschaft auf § 42 StGB gestützt werde, setze dies keineswegs ein Schuldeingeständnis des Verdächtigen voraus. Hinsichtlich der beiden anderen Vorfälle verwies der Beschwerdeführer im Wesentlichen darauf, dass weder eine Verurteilung erfolgt sei noch ein Ermittlungsergebnis der Dienstrechtsbehörden betreffend sein Verhalten in diesem Zusammenhang vorliege.
Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 28. März 2001 wies diese die Berufung des Beschwerdeführers gegen den erstinstanzlichen Bescheid vom 12. September 2000 gemäß "§ 10 Abs. 2 und 4 und § 43 Abs. 2 BDG 1979 idgF" mit der Maßgabe ab, dass das Dienstverhältnis mit Ablauf jenes Kalendermonates ende, in dem die Zustellung des Berufungsbescheides erfolge.
Begründend führte die belangte Behörde aus, das in Ansehung des Vorfalles vom 1. Mai 1999 anhängig gemachte Strafverfahren sei "eingestellt, jedoch gem § 42 StGB durch außergerichtlichen Tatausgleich geregelt" worden. Der außergerichtliche Tatausgleich sei gemäß § 42 StGB im Rahmen eines bundesweit laufenden Modellversuches, der seine Grundlage in einem näher zitierten Erlass des Bundesministers für Justiz habe, erfolgt.
In Ansehung des Vorfalles vom 2. April 2000 sei seitens der Bezirksanwältin beim Bezirksgericht T ein Strafantrag gegen den Beschwerdeführer gemäß § 91 Abs. 1 StGB gestellt worden.
Das auf Grund des Vorfalles vom 15. April 2000 eingeleitete Verwaltungsstrafverfahren sei gemäß § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG eingestellt worden.
Das Dienstverhältnis des Beschwerdeführers sei gemäß § 10 Abs. 1 BDG 1979 provisorisch. Es könne mit Bescheid unter Anführung von Gründen gekündigt werden. Gemäß § 10 Abs. 4 BDG 1979 seien Kündigungsgründe insbesondere die Nichterfüllung von Definitivstellungserfordernissen, der Mangel an körperlicher oder geistiger Eignung, unbefriedigender Arbeitserfolg, pflichtwidriges Verhalten und Bedarfsmangel. § 43 Abs. 2 BDG 1979 besage, dass der Beamte in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen habe, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibe. Das provisorische Dienstverhältnis habe die Aufgabe, die charakterliche Eignung für den Dienst als Gendarmeriebeamter festzustellen und zeitgerecht all diejenigen Beamten, die sich für diesen Beruf nicht eigneten, vor Erlangung eines definitiven Dienstverhältnisses auszuscheiden.
Es sei offensichtlich, dass die vom Beschwerdeführer gesetzten Handlungen für einen Angehörigen der Bundesgendarmerie ein pflichtwidriges Verhalten im Sinne des § 43 Abs. 2 BDG 1979 darstellten. Durch diese Handlungen habe er die für die Erfüllung dienstlicher Aufgaben unerlässliche Vertrauensbasis zwischen Beamten und der rechtssuchenden Bevölkerung massiv geschädigt. Der Beschwerdeführer weise die erforderliche charakterliche Eignung für den Beruf eines Gendarmeriebeamten nicht auf. Es liege daher sowohl der Kündigungsgrund des pflichtwidrigen Verhaltens als auch jener des Mangels der charakterlichen Eignung vor. Auf die Länge des zwischen Setzung des Kündigungsgrundes und Ausspruch der Kündigung verstrichenen Zeitraumes komme es nicht an.
Auf Grund des vorliegenden Ermittlungsergebnisses, wonach Auskunftspersonen niederschriftlich angegeben hätten, dass der Beschwerdeführer sowohl an einer tätlichen Auseinandersetzung mit einer weiteren Person, wie auch an einem Raufhandel im Zusammenwirken mit mehreren anderen Personen beteiligt gewesen sei, gehe die Dienstbehörde, auch ungeachtet gerichtlicher Verfahren, davon aus, dass der Beschwerdeführer diese Handlungen gesetzt habe. Sein Verhalten sei ihm im Sinne des § 43 Abs. 2 BDG 1979 durchaus als nicht bloß geringfügige Dienstpflichtverletzung vorwerfbar. Es sei daher notwendig, das Dienstverhältnis des Beschwerdeführers zu beenden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht darauf verletzt, dass die Kündigung eines provisorischen Dienstverhältnisses nicht ohne Vorliegen eines Kündigungsgrundes ausgesprochen werde. Er macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit dem Antrag geltend, den angefochtenen Bescheid aus diesen Gründen aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in welcher sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 10 Abs. 1, 2 und 4 Z. 2 und 4 BDG 1979 in der Stammfassung der wiedergegebenen Bestimmungen nach dem BGBl. Nr. 333/1979 lautet:
"Provisorisches Dienstverhältnis
§ 10. (1) Das Dienstverhältnis ist zunächst provisorisch.
(2) Das provisorische Dienstverhältnis kann mit Bescheid gekündigt werden. Die Kündigungsfrist beträgt
...
und nach Vollendung des zweiten Dienstjahres
.................. 3 Kalendermonate.
Die Kündigungsfrist hat mit Ablauf eines Kalendermonates zu
enden.
...
(4) Kündigungsgründe sind insbesondere:
...
2. Mangel der körperlichen oder geistigen Eignung,
...
4. pflichtwidriges Verhalten,
..."
§ 43 Abs. 2 BDG 1979 in der Stammfassung dieser Bestimmung
lautet:
"Allgemeine Dienstpflichten
§ 43. ...
(2) Der Beamte hat in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt."
§ 90 Abs. 1 der Strafprozessordnung, BGBl. Nr. 631/1975 in der Fassung dieser Bestimmung durch die Novelle BGBl. Nr. 605/1987 (im Folgenden: StPO), lautet (auszugsweise):
"§ 90. (1) Findet der Staatsanwalt nach Prüfung der Anzeige oder der Akten der - nötigenfalls auf seine Veranlassung zu ergänzenden - Vorerhebungen genügende Gründe, wider eine bestimmte Person das Strafverfahren zu veranlassen, so bringt er entweder den Antrag auf Einleitung der Voruntersuchung (§ 91) oder die Anklageschrift ein. Im entgegengesetzten Falle legt er die an ihn gelangte Anzeige mit kurzer Aufzeichnung der ihn dazu bestimmenden Erwägungen zurück und übersendet dem Untersuchungsrichter die Akten der Vorerhebungen mit der Bemerkung, dass er keinen Grund zur weiteren Verfolgung finde. Der Untersuchungsrichter hat in diesem Falle die Vorerhebungen einzustellen und den etwa verhafteten Beschuldigten sofort auf freien Fuß zu setzen."
Durch die Strafprozessnovelle 1999, BGBl. I Nr. 55/1999, wurde der Strafprozessordnung das neue Hauptstück IXa eingefügt.
§ 90a und § 90g StPO in der Fassung der Strafprozessnovelle 1999 lauten:
"§ 90a. (1) Der Staatsanwalt hat nach diesem Hauptstück vorzugehen und von der Verfolgung einer strafbaren Handlung zurückzutreten, wenn auf Grund hinreichend geklärten Sachverhalts feststeht, dass ein Zurücklegen der Anzeige nach § 90 nicht in Betracht kommt, eine Bestrafung jedoch im Hinblick auf
...
4. einen außergerichtlichen Tatausgleich (§ 90g) nicht geboten erscheint, um den Verdächtigen von strafbaren
Handlungen abzuhalten oder der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken.
...
§ 90g. (1) Unter den Voraussetzungen des § 90a kann der Staatsanwalt von der Verfolgung einer strafbaren Handlung zurücktreten, wenn der Verdächtige bereit ist, für die Tat einzustehen und sich mit deren Ursachen auseinander zu setzen, wenn er allfällige Folgen der Tat auf eine den Umständen nach geeignete Weise ausgleicht, insbesondere dadurch, dass er aus der Tat entstandenen Schaden gutmacht oder sonst zum Ausgleich der Folgen der Tat beiträgt, und wenn er erforderlichenfalls Verpflichtungen eingeht, die seine Bereitschaft bekunden, Verhaltensweisen, die zur Tat geführt haben, künftig zu unterlassen.
..."
Gemäß Art. VII Abs. 1 dieser Novelle traten die vorzitierten Bestimmungen am 1. Jänner 2000 in Kraft.
§ 42 des Strafgesetzbuches, BGBl. Nr. 60/1974, in der Fassung dieser Bestimmung durch die Novelle BGBl. Nr. 605/1987, lautet:
"Mangelnde Strafwürdigkeit der Tat
§ 42. Ist die von Amts wegen zu verfolgende Tat nur mit
Geldstrafe, mit nicht mehr als drei Jahren Freiheitsstrafe oder
mit einer solchen Freiheitsstrafe und Geldstrafe bedroht, so ist
die Tat nicht strafbar, wenn
1. die Schuld des Täters gering ist,
2. die Tat keine oder nur unbedeutende Folgen nach
sich gezogen hat oder, sofern sich der Täter zumindest ernstlich
darum bemüht hat, die Folgen der Tat im Wesentlichen beseitigt,
gutgemacht oder sonst ausgeglichen worden sind und
3. eine Bestrafung nicht geboten ist, um den Täter von
strafbaren Handlungen abzuhalten oder der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken."
Der Beschwerdeführer rügt, der angefochtene Bescheid enthalte keine hinreichend konkreten Feststellungen betreffend sein Verhalten, aus denen sich die rechtliche Beurteilung ableiten ließe, es lägen die von der belangten Behörde herangezogenen Kündigungsgründe des § 10 Abs. 4 Z. 2 oder Z. 4 BDG 1979 vor. Insbesondere lasse sich ein solcher rechtlicher Schluss auch nicht aus der Feststellung der belangten Behörde ableiten, der Beschwerdeführer sei an einer "tätlichen Auseinandersetzung" bzw. an einem "Raufhandel" beteiligt gewesen. Dies gelte nämlich auch für denjenigen, der nur Opfer sei bzw. sich oder einen anderen zu schützen versuche. Auch lasse der angefochtene Bescheid jedwede nachvollziehbare Begründung für die dort getroffenen (rudimentären) Tatsachenfeststellungen vermissen.
Mit dieser Rüge zeigt der Beschwerdeführer eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf:
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verfolgt die Einrichtung des provisorischen Dienstverhältnisses den Zweck, den Beamten auf seine Eignung für den Dienst zu prüfen und nur Beamte in das definitive Dienstverhältnis zu übernehmen, die allen Anforderungen entsprechen, die an einen Beamten im Allgemeinen, wie in Anbetracht der Verwendung, für die er aufgenommen wurde, gestellt werden müssen. Es ist demnach die Zweckbestimmung des der Definitivstellung des öffentlichrechtlichen Bediensteten vorgeschalteten provisorischen Dienstverhältnisses, den Beamtennachwuchs nochmals in der Weise prüfen zu können, dass alle sich nicht voll bewährenden Amtsträger noch vor Erlangung einer unkündbaren Stellung von der Beamtenlaufbahn, für die sich nicht eignen, ausgeschlossen werden. Dabei ist es gleichgültig, ob die Gründe, die zur Kündigung eines provisorischen Dienstverhältnisses führen, eine längere oder kürzere Zeit zurückliegen; denn die Dienstbehörde hat nach dem Gesagten das Recht und die Pflicht, vor der Definitivstellung eines Beamten sein ganzes dienstliches und außerdienstliches Verhalten während des provisorischen Dienstverhältnisses zu prüfen. Es ergibt sich aber auch weder aus der sprachlichen Bedeutung des Wortes "Verhalten" noch aus der Bestimmung des § 10 Abs. 4 Z. 4 BDG 1979, dass von einem pflichtwidrigen Verhalten im Sinne der angeführten Vorschrift etwa nur dann gesprochen werden kann, wenn zeitlich andauernde oder wiederkehrende Handlungen des Beamten vorliegen. Auch die einmalige Tat eines Beamten kann - ungeachtet eines sonstigen dienstlichen oder außerdienstlichen Wohlverhaltens - derart schwer wiegend sein, dass durch sie der Kündigungsgrund des § 10 Abs. 4 Z. 4 BDG 1979 verwirklicht wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom 4. Juli 2001, Zl. 98/12/0049).
Jedenfalls ist die belangte Behörde aber entsprechend den verfahrensrechtlichen Grundsätzen gehalten, das ihres Erachtens einen Kündigungsgrund bildende Verhalten in einem unter Beiziehung des betreffenden Beamten durchgeführten Ermittlungsverfahren festzustellen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. März 1992, Zl. 89/12/0172, mit weiteren Hinweisen).
Dem Beschwerdeführer ist beizupflichten, dass aus der in diesem Zusammenhang von der belangten Behörde allein getroffenen Feststellung, er sei an einer "tätlichen Auseinandersetzung" bzw. einem "Raufhandel" beteiligt gewesen, aus den in der Beschwerde zutreffend angeführten Gründen weder ein Mangel der geistigen Eignung im Verständnis des § 10 Abs. 4 Z. 2 BDG 1979 noch ein pflichtwidriges Verhalten im Verständnis des § 10 Abs. 4 Z. 4 BDG 1979 abzuleiten ist.
Die belangte Behörde vertrat, wenn auch nicht ausdrücklich im angefochtenen Bescheid, so doch in ihrem Vorhalt vom 23. Februar 2001 sowie in der Folge auch in der im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erstatteten Gegenschrift die Auffassung, aus dem Ausgang des gerichtlichen Strafverfahrens betreffend den Vorfall vom 1. Mai 1999 sei ein Schuldeingeständnis des Beschwerdeführers abzuleiten. Insbesondere setze die Diversion gemäß § 90a StPO aus dem Grunde des § 90g StPO ja die Bereitschaft des Verdächtigen voraus, die Tat einzugestehen und sich mit den Ursachen derselben auseinander zu setzen.
Diesen Ausführungen ist Folgendes entgegen zu halten:
Nach den Feststellungen im erstinstanzlichen Bescheid (gegenteilige Feststellungen werden im angefochtenen Bescheid nicht getroffen) erfolgte die Zurücklegung der Strafanzeige betreffend den Vorfall vom 1. Mai 1999 am 13. Oktober 1999 und ist in Anwendung des § 90 Abs. 1 StPO aus dem Grunde des § 42 StGB erfolgt.
Zu diesem Zeitpunkt stand, worauf der Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme vom 1. März 2001 zutreffend hingewiesen hat, das IXa. Hauptstück der StPO noch nicht in Kraft.
Die zum 1. Jänner 2000 erfolgte Einführung der Diversion mit der Strafprozessnovelle 1999 ist der vorläufige Schlusspunkt einer Entwicklung, die mit dem so genannten Pilotversuch des außergerichtlichen Tatausgleichs (ATA) im Jahre 1985 begonnen hat und im Jahr 1992 in einigen Gerichtssprengeln zum Modellversuch "außergerichtlicher Tatausgleich - Erwachsene" ausgedehnt wurde. Die in der Lehre hiefür als unzureichend angesehene gesetzliche Grundlage dafür bildete § 42 StGB (vgl. hiezu Seiler, Diversion, Eine Vision und ihre Umsetzung, AnwBl. 2001/9, 453). Auch wenn die hier gegenständliche Einstellung des Strafverfahrens gegen den Beschwerdeführer im Zuge dieses Modellversuches erfolgt sein mag, änderte dies nichts daran, dass Rechtsgrundalge für die Einstellung seines Strafverfahrens § 90 StPO war, mag diese Einstellung seitens der Strafverfolgungsbehörde auch durch das Vorliegen des sachlichen Strafausschließungsgrundes gemäß § 42 StGB motiviert gewesen sein. Eine solche Einstellung eines gerichtlichen Strafverfahrens begründet aber keinesfalls eine die Dienstbehörde bindende Feststellung, der Verdächtige habe ein in Richtung eines gerichtlichen Straftatbestandes tatbildmäßiges Verhalten gesetzt.
Der auf § 90g StPO gegründeten Argumentation der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift ist daher vorliegendenfalls schon deshalb der Boden entzogen, weil die Einstellung des Strafverfahrens gegen den Beschwerdeführer nicht auf Rechtsgrundlage dieser Bestimmung erfolgte, welche im Einstellungszeitpunkt noch gar nicht in Kraft stand. Ebenso wenig stünde aber im Falle einer auf § 90a in Verbindung mit § 90g StPO gestützten Einstellung des Strafverfahrens rechtskräftig fest, der Verdächtige habe das Tatbild eines gerichtlichen Straftatbestandes verwirklicht, wenngleich eine solche Einstellung die Auffassung der Strafverfolgungsbehörde voraussetzt, ein Einstellungsgrund nach § 90 StPO (und damit auch der Strafausschließungsgrund nach § 42 StGB) liege nicht vor. Vielmehr gilt nach einem diversionellen Verfolgungsverzicht für den Verdächtigen weiterhin die Unschuldsvermutung (vgl. Seiler, a.a.O., 452).
Konsequenterweise entspricht es der Rechtsprechung der Disziplinaroberkommission, dass im Falle der Einstellung eines strafgerichtlichen Verfahrens nach Anwendung der Diversion für die Disziplinarbehörden kein aus der Diversion ableitbarer Sachverhalt vorliegt, der Bindungswirkung gemäß § 95 Abs. 2 BDG 1979 entfalten könnte (vgl. den Bescheid dieser Behörde vom 10. Jänner 2001, Zl. 104/7 - DOK/00). Daran vermag auch die in § 90g Abs. 1 StPO für den Verdächtigen vorausgesetzte Bereitschaft, für die Tat einzustehen und sich mit deren Ursachen auseinander zu setzen, nichts zu ändern. Falls der Verdächtige im Strafverfahren ein Eingeständnis der Tat abgelegt hätte, wäre dieser Umstand festzustellen und unterläge (im Falle einer abweichenden Darstellung im dienstrechtlichen Verfahren) der Beweiswürdigung der Verwaltungsbehörde.
Die belangte Behörde war demnach weder auf Grund des Ausganges des gerichtlichen Strafverfahrens betreffend den Vorfall vom 1. Mai 1999, noch auf Grund des von ihr festgestellten Verfahrensstandes des gerichtlichen Strafverfahrens betreffend den Vorfall vom 2. April 2000 bzw. der Einstellung des verwaltungsstrafrechtlichen Verfahrens betreffend den Vorfall vom 15. April 2000 davon entbunden, konkrete Feststellungen darüber zu treffen, auf Grund welchen Verhaltens des Beschwerdeführers sie die von ihr angenommenen Kündigungsgründe als verwirklicht ansah.
In diesem Zusammenhang wäre die belangte Behörde auch gehalten gewesen, auf das Vorbringen des Beschwerdeführers in seiner Berufung einzugehen, sich mit seinen Beweisanboten auseinander zu setzen und divergente Beweisergebnisse einer Beweiswürdigung zu unterziehen.
Indem die belangte Behörde die Auffassung vertrat, die im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen betreffend das Verhalten des Beschwerdeführers reichten im Zusammenhalt mit den Feststellungen zum Ausgang des Strafverfahrens betreffend den Vorfall vom 1. Mai 1999 aus, um das Vorliegen der Kündigungsgründe nach § 10 Abs. 2 Z. 2 und 4 BDG 1979 anzunehmen, belastete sie ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, sodass dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der gemäß ihrem § 3 Abs. 2 anzuwendenden Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001. Die Gebühr nach § 24 Abs. 3 VwGG war mit EUR 181,68 zuzusprechen.
Wien, am 20. Februar 2002
Schlagworte
Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweismittel Verhältnis Gericht Verwaltungsbehörde Beweiswürdigung Sachverhalt angenommener geklärter Parteiengehör Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Freie BeweiswürdigungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2001120094.X00Im RIS seit
08.05.2002Zuletzt aktualisiert am
29.10.2008