Index
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);Norm
ABGB §388;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Riedinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Beck und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schlegel, über die Beschwerde des WZ in Wien, vertreten durch Schönherr, Barfuss, Torggler & Partner, Rechtsanwälte in 1014 Wien, Tuchlauben 13, gegen den Bescheid des Berufungssenates der Stadt Wien vom 3. April 2001, Zl. MA 65 - 12/370/2000, betreffend Kostenvorschreibung gemäß § 89a Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Bundeshauptstadt (Gemeinde) Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 16. November 2000 wurden dem Beschwerdeführer gemäß § 89a Abs. 7 und 7a StVO iVm §§ 1 und 2 der Verordnung des Magistrates der Stadt Wien vom 15. Mai 1997, Amtsblatt der Stadt Wien Nr. 20/97, die Kosten für das Entfernen und Aufbewahren eines dem Kennzeichen nach näher bestimmten Pkw's vorgeschrieben. Die dagegen erhobene Berufung wurde von der belangten Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 3. April 2001 als unbegründet abgewiesen und der Bescheid des Magistrates der Stadt Wien bestätigt.
Begründend führte die belangte Behörde aus, das genannte Kfz sei vom 7. April 2000 (erste Wahrnehmung) bis zur Entfernung am 6. Juni 2000, also ca. zwei Monate, in Wien 21, Z-Weg, in fahrunfähigem (erheblich beschädigtem) Zustand abgestellt gewesen. Der Beschwerdeführer habe das Fahrzeug vom Abstellplatz der Behörde erst am 6. Oktober 2000 abgeholt, also ca. vier Monate nach der Abschleppung, obwohl er mit am 21. Juni 2000 zugestelltem Schreiben der Erstbehörde aufgefordert worden sei, das Fahrzeug aus der Verwahrung durch die Behörde zu übernehmen.
Auf Grund der bei der ersten Wahrnehmung feststellbaren Mängel habe eine Entledigungsabsicht des Besitzers vermutet werden können, zumal das Fahrzeug im Freien abgestellt und sohin den Wetterunbilden ausgesetzt gewesen sei. Es widerspreche den Erfahrungen des Alltags, anzunehmen, dass jemand ein Fahrzeug, an dem ihm noch gelegen sei und das er instand zu setzen gedenke, derart pfleglos behandle.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die gegenständliche
Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer bringt im Wesentlichen vor, er habe sich im Verwaltungsverfahren gegen die Annahme gewendet, er habe sich des Fahrzeuges entledigen wollen. Das Fahrzeug sei zwar beschädigt gewesen, sei jedoch vor seinem Zweitwohnsitz in Wien mit Kennzeichentafel und noch gültiger Begutachtungsplakette abgestellt gewesen. Das Fahrzeug sei behördlich aufrecht angemeldet gewesen. Der Beschwerdeführer habe nach der Entfernung des Fahrzeuges noch am selben Tag eine Diebstahlsanzeige erstattet. Er habe immer die Absicht gehabt, das Fahrzeug wieder instand zu setzen und allenfalls zu verkaufen. Daran anknüpfend rügt er die rechtliche Beurteilung der belangten Behörde als rechtswidrig.
Gemäß § 89a Abs. 2 zweiter Satz StVO ist die Entfernung eines Gegenstandes auf der Straße ohne weiteres Verfahren zu veranlassen,
(lit. a) ... bei dem zu vermuten ist, dass sich dessen der Inhaber entledigen wollte, sowie bei einem ohne Kennzeichentafeln abgestellten Kraftfahrzeug oder Anhänger.
Für die Entfernung gemäß § 89a StVO kommt es auf die Umstände zum Entfernungszeitpunkt an (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1990, Slg. Nr. 13.275/A). Daher hat ein späteres Verhalten des Inhabers außer Betracht zu bleiben. Dies gilt im gegenständlichen Fall insbesondere für die von der belangten Behörde gegen den Beschwerdeführer ins Treffen geführte lange Zeit der Nichtabholung nach erfolgter Entfernung und für die vom Beschwerdeführer aufgezeigte Erstattung der Diebstahlsanzeige im Anschluss an die Entfernung des Fahrzeuges.
Aus § 388 ABGB ergibt sich das subjektive Recht jedes Eigentümers, dass seine Sachen im Zweifel niemand als verlassen vermuten darf; dies gilt auch für das Verständnis der Entledigungsvermutung im § 89a StVO (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Jänner 1979, Slg. Nr. 9745/A).
Hat ein Zulassungsbesitzer ein Kraftfahrzeug mit Kennzeichentafel auf einer öffentlichen Straße abgestellt, so kann nicht die Vermutung Platz greifen, der Zulassungsbesitzer habe sich seines Kraftfahrzeuges entledigen wollen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. Dezember 1987, Zl. 85/18/0143, und zu einem im entfernten Kraftfahrzeug befindlichen Hinweis auf ein "Wechselkennzeichen" ergangene, zitierte hg. Erkenntnis vom 19. Jänner 1979, Slg. Nr. 9745/A).
Dies bedeutet, dass im gegenständlichen Fall die ohne weiteres Verfahren durchgeführte Entfernung des Fahrzeuges (insbesondere ohne Kontaktaufnahme mit dem durch das angebrachte Kennzeichen leicht zu ermittelnden Zulassungsbesitzers) rechtswidrig erfolgt ist. Die Rechtmäßigkeit einer Entfernung stellt aber eine wesentliche Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit einer Kostenvorschreibung nach § 89a Abs. 7 StVO dar (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1990, Zl. 89/02/0195).
Der angefochtene Bescheid erweist sich daher mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 22. Februar 2002
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2001020110.X00Im RIS seit
21.05.2002Zuletzt aktualisiert am
01.06.2010