TE Vwgh Erkenntnis 2002/2/22 99/02/0024

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Veröffentlicht am 22.02.2002
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Index

20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

ABGB §431;
ABGB §938;
ABGB §943;
AlVG 1977 §12 Abs3 litb;
AlVG 1977 §12 Abs6 litb idF 1995/297;
AlVG 1977 §12 Abs6 litb;
BSVG §2 Abs1 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll sowie Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Riedinger, Dr. Holeschofsky und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schlegel, über die Beschwerde der AS in M, vertreten durch Dr. Franz Gölles und Mag. Robert Pöschl, Rechtsanwälte in Graz, Kaiserfeldgasse 22, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Steiermark vom 27. November 1998, Zl. LGS600/RALV/1218/1998-Dr.J/S, betreffend Widerruf der Zuerkennung von Karenzurlaubsgeld, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 20. Oktober 1997 widerrief das Arbeitsmarktservice Graz gemäß § 29 Abs. 1 in Verbindung mit § 24 Abs. 2 und § 25 Abs. 1 Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, BGBl. Nr. 609/1977 (AlVG), das der Beschwerdeführerin gewährte Karenzurlaubsgeld für den Zeitraum vom 6. Oktober 1995 bis zum 23. Juli 1997 und verpflichtete diese gleichzeitig zur Rückzahlung unberechtigt empfangenen Karenzurlaubsgeldes in der Höhe von S 221.044,--. Den die Berufung der Beschwerdeführerin gegen diesen Bescheid abweisenden Bescheid der belangten Behörde vom 16. Dezember 1997 hob der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 23. Juni 1998, Zl. 98/08/0040, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf. Zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen wird zunächst auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses verwiesen.

Mit dem Ersatzbescheid vom 27. November 1998 gab die belangte Behörde gemäß § 66 Abs. 4 AVG der Berufung der Beschwerdeführerin nicht statt und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid. Begründend führte die belangte Behörde aus, die Beschwerdeführerin sei innehabende Eigentümerin eines land(forst)wirtschaftlichen Betriebes (EZ 154 GB St. M. und EZ 271 GB S.) mit einem Einheitswert von S 86.000,--, hinsichtlich dessen im Grundbuch ein Veräußerungs- und Belastungsverbot zugunsten ihres Vaters F. K. eingetragen sei. Ein seitens der Beschwerdeführerin am 6. Oktober 1995 in Form eines Notariatsaktes errichteter Vertrag, mit dem sie die Hälfte der von ihr innegehabten Landwirtschaft ihrem Ehemann J. S. geschenkt habe, sei zufolge des aufrechten Veräußerungs- und Belastungsverbotes grundbücherlich nicht durchgeführt worden. Von der Beschwerdeführerin vorgelegte Abrechnungen und Gebührenvorschreibungen, in denen auch ihr Ehemann zum Teil allein, zum Teil als Mitbesitzer angeführt werde, könnten nicht als Nachweis dafür angesehen werden, dass der Beschwerdeführerin lediglich die Hälfte ihres land(forst)wirtschaftlichen Betriebes zuzurechnen sei. Da die Beschwerdeführerin sohin Eigentümerin eines solchen Betriebes mit einem Einheitswert von mehr als S 54.000,-- sei, gelte sie gemäß § 12 Abs. 6 lit. b AlVG nicht als arbeitslos. Auf Grund dieses der belangte Behörde erst nachträglich bekannt gewordenen Sachverhalts sei gemäß §§ 24 Abs. 2, 25 Abs. 1, 26 Abs. 3, 29 Abs. 1 und 58 leg. cit. die Zuerkennung des Karenzurlaubsgeldes zu widerrufen und der ausbezahlte Betrag zurückzufordern gewesen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde erwogen:

Nach § 7 Abs. 1 Z. 1 AlVG setzt der Anspruch auf Arbeitslosengeld u.a. voraus, dass der Anspruchswerber arbeitslos ist.

Gemäß § 12 Abs. 1 AlVG ist arbeitslos, wer nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses keine neue Beschäftigung gefunden hat. Gemäß Abs. 6 lit. b dieses Paragrafen in der gemäß § 79 Abs. 19 AlVG im Beschwerdefall im Zeitraum ab 1. Mai 1995 - der Anfallstag des Karenzurlaubsgeldbezuges lag nach dem 30. April 1995 - anzuwendenden Fassung der Novelle BGBl. Nr. 297/1995 (Art. XXII des Strukturanpassungsgesetzes) gilt als arbeitslos, wer einen land(forst)wirtschaftlichen Betrieb besitzt, dessen nach den jeweils geltenden gesetzlichen Vorschriften festgestellter Einheitswert S 54.000,-- nicht übersteigt.

Gemäß § 24 Abs. 2 AlVG ist, wenn sich die Zuerkennung oder die Bemessung des Arbeitslosengeldes nachträglich als gesetzlich nicht begründet herausstellt, die Zuerkennung zu widerrufen oder die Bemessung rückwirkend zu berichtigen.

Gemäß § 25 Abs. 1 AlVG ist bei Einstellung, Herabsetzung, Widerruf oder Berichtigung einer Leistung der Empfänger des Arbeitslosengeldes zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn er den Bezug durch unwahre Angaben oder durch Verschweigung maßgebender Tatsachen herbeigeführt hat oder wenn er erkennen musste, dass die Leistung nicht oder nicht in dieser Höhe gebührte.

Gemäß § 29 Abs. 1 AlVG sind insbesondere § 24 und § 25 (Einstellung und Berichtigung des Arbeitslosengeldes) sinngemäß (auf das Karenzurlaubsgeld) anzuwenden.

Gemäß § 26 Abs. 4 AlVG haben bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen Mütter, die gemäß § 12 Abs. 6 als arbeitslos gelten, Anspruch auf Karenzurlaubsgeld.

Abschnitt 2 (§§ 26 bis 32) des AlVG trat gemäß § 80 Abs. 6 leg. cit. in der Fassung des Karenzgeldgesetzes, BGBl. I Nr. 47/1997, mit Ablauf des 30. Juni 1997 außer Kraft, ist aber für Ansprüche auf Grund von Geburten vor dem 1. Juli 1997 weiterhin anzuwenden.

Nach den wiedergegebenen Bestimmungen der §§ 12 Abs. 3 lit. b und Abs. 6 lit. b AlVG ist daher im Beschwerdefall entscheidend, ob die Beschwerdeführerin (als Eigentümerin) im relevanten Zeitraum einen land(forst)wirtschaftlichen Betrieb mit einem Einheitswert über S 54.000,-- besessen hat.

Für die Frage, ob ein land(forst)wirtschaftlicher Betrieb besessen wird, was im Sinne der obigen Ausführungen bewirtschaftet bedeutet, ist es maßgeblich, ob der Betrieb auf Rechnung und Gefahr des Anspruchswerbers geführt wird. Somit kommt es - so wie für die Versicherungspflicht nach § 2 Abs. 1 Z. 1 BSVG (vgl. dazu unter anderem das Erkenntnis vom 18. Juni 1991, Zl. 90/08/0197) - darauf an, ob der Anspruchswerber aus der Betriebsführung im Außenverhältnis (also im Verhältnis zu Dritten) berechtigt und verpflichtet wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Jänner 1994. Zl. 94/08/0001).

Gemäß Punkt "Drittens" des am 6. Oktober 1995 errichteten Notariatsaktes, wonach die Beschwerdeführerin ihrem Ehemann einen ideellen Hälfteanteil der von ihr innegehabten Landwirtschaft mit einem Einheitswert von S 86.000,-- schenkte, gilt die Übergabe und Übernahme des Schenkungsobjektes mit Nutzen und Lasten, Gefahr und Zufall in den faktischen Besitz des Beschenkten mit Vertragsunterfertigung als vollzogen. Die Steuern und sonstigen öffentlichen Abgaben vom Schenkungsobjekt hat der Geschenknehmer ab erstem November 1995 zu tragen.

Bereits in dem in der selben Rechtssache ergangenen, eingangs zitierten hg. Erkenntnis vom 23. Juni 1998 wurde ausgeführt, dass der damals beim Verwaltungsgerichtshof angefochtene Bescheid der belangten Behörde Ermittlungen darüber, ob zwischen der Beschwerdeführerin und ihrem Ehegatten ein wirksamer Schenkungsvertrag und eine auf diesem Schenkungsvertrag beruhende Eigentumsübertragung stattgefunden habe, bejahendenfalls auf Grund welcher Umstände die belangte Behörde angenommen habe, dass die Beschwerdeführerin dennoch den landwirtschaftlichen Betrieb im streitgegenständlichen Zeitraum zur Gänze auf eigene Rechnung und Gefahr geführt habe, zur Gänze vermissen lasse. Die belangte Behörde hat im zweiten dem nunmehr angefochtenen Bescheid zu Grunde liegenden Rechtsgang die Beschwerdeführerin einvernommen (einer an den Ehemann der Beschwerdeführerin gleichfalls ergangenen Ladung kam dieser mit der Begründung, er müsse mähen, nicht nach) und dargelegt, dass der angeführte Schenkungsvertrag zufolge eines im Grundbuch eingetragenen Veräußerungs- und Belastungsverbotes unwirksam sei und dass kein Pachtvertrag vorliege.

Der belangten Behörde ist nur insoweit zuzustimmen, als ihre Ausführungen dahin verstanden werden können, dass der angeführte Schenkungsvertrag noch keinen Eigentumsübergang bewirkt haben kann, weil hiefür bei unbeweglichen Sachen die - im Beschwerdefall nicht erfolgte - Eintragung ins Grundbuch Voraussetzung ist. Hingegen verkennt die belangte Behörde die Rechtslage, wenn sie die Auffassung vertritt, dass der Schenkungsvertrag unwirksam sei. Die Gültigkeit des über diese Schenkung errichteten Notariatsaktes vorausgesetzt hat nämlich das (bestehende) Hindernis für die vollständige Erfüllung (und zwar durch Übertragung des Eigentums) keineswegs die Unwirksamkeit des Schenkungsvertrages zur Folge. Auch kann bei Liegenschaften das für die Wirksamkeit eines Schenkungsvertrages - und damit für seine Einklagbarkeit - gemäß § 943 ABGB bestehende Erfordernis der "wirklichen Übergabe" bereits durch die außerbücherliche Übergabe erfüllt werden (vgl. - Schubert in Rummel3, ABGB, Rz 2 zu § 943).

Für die Beurteilung des Beschwerdefalles fällt insbesondere ins Gewicht, dass gemäß dem angeführten Punkt Drittens des Schenkungsvertrages die Übergabe und Übernahme des Schenkungsobjektes mit Nutzen und Lasten, Gefahr und Zufall in den faktischen Besitz des Beschenkten mit Vertragsunterfertigung als vollzogen gilt. Daher könnte - die wirkliche Übernahme vorausgesetzt - davon ausgegangen werden, dass unabhängig von der Frage des verbücherten Liegenschaftseigentums die Bewirtschaftung des geschenkten Hälfteanteiles nach Abschluss des Schenkungsvertrages im in Frage kommenden Zeitraum (6. Oktober 1995 bis 23. Juli 1997) nicht mehr auf eigene Rechnung und Gefahr der Beschwerdeführerin geführt wurde, woraus sich ergäbe, dass sie für diesen Zeitraum nicht als Besitzerin eines den festgestellten Einheitswert von S 54.000,-- übersteigenden land(forst)wirtschaftlichen Betriebes im Sinne von § 12 Abs. 6 lit. b AlVG angesehen werden könnte.

Die belangte Behörde hat sich im fortgesetzten Verfahren damit begnügt, die Frage der Möglichkeit der bücherlichen Durchführung des Schenkungsvertrages zu prüfen und die Beschwerdeführerin einzuvernehmen, ohne aber Ermittlungen darüber anzustellen, ob die Beschwerdeführerin den ihrem Ehemann geschenkten ideellen Hälfteanteil diesem im Sinne obiger Ausführungen "wirklich" übergeben hat. Dazu wäre auch eine Einvernahme des Ehemannes der Beschwerdeführerin erforderlich gewesen, wobei daraus, dass dieser der nur einmal erfolgten Aufforderung, bei der belangten Behörde zu erscheinen, nicht Folge leistete, noch nicht darauf geschlossen werden kann, er werde auch im Fall einer weiteren Vorladung dieser nicht nachkommen.

Die belangte Behörde hat somit ausgehend von einer unzutreffenden Rechtsanschauung für die Beurteilung der Angelegenheit erforderliche Ermittlungen unterlassen und somit den angefochtenen Bescheid mit einem sekundären Verfahrensmangel belastet.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001, BGBl. II Nr. 501.

Wien, am 22. Februar 2002

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:1999020024.X00

Im RIS seit

21.05.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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