TE Vwgh Erkenntnis 2002/2/25 2000/04/0159

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Veröffentlicht am 25.02.2002
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

AVG §66 Abs4;
GewO 1994 §127 Z15;
GewO 1994 §366 Abs1 Z1;
VStG §24;
VStG §44a Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Gruber und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, über die Beschwerde des E in K, vertreten durch Dr. Georg Pertl, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Alter Platz 28/II, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für Kärnten vom 21. Juli 2000, Zl. KUVS- 480/6/2000, betreffend Übertretung der Gewerbeordnung 1994, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von 1.089,68 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Klagenfurt vom 27. März 2000 wurde der Beschwerdeführer der Begehung einer Verwaltungsübertretung nach § 366 Abs. 1 Z 1 in Verbindung mit § 127 Z 15 GewO 1994 wie folgt schuldig erkannt:

"Sie haben laut dem ha. vorliegenden unwiderrufl. Verkaufsangebot vom 13.11.1997, welches von der ursprüngl. Befristung bis Ende Juli 1999 verlängert wurde, die Liegenschaft des Herrn A, im Ausmaß von ca. 10.000m2, GSt.Nr. 350/1 und 350/2, Bfl. 801 und 802 KG. K, zu einem Verkaufspreis von S 2.000,--/m2 in Gewinnabsicht (Mehrpreisgewinn) Herrn M, K, zum Kauf angeboten, daher Tätigkeiten welche den Gegenstand des bewilligungspflichtigen gebundenen Immobilienmaklergewerbes bilden ausgeübt, ohne hiefür die entsprechende Gewerbeberechtigung zur Ausübung des oa. Gewerbes erlangt zu haben."

Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung, in der er unter anderem vorbrachte, es gebe kein Beweisergebnis dafür, dass er seinem Sohn (M) Grundstücke in Gewinnabsicht zum Kauf angeboten habe. Dass er seinem Sohn im November 1977 von der Möglichkeit des Erwerbes einzelner Grundstücke Mitteilung gemacht habe, sei nicht strafbar. Wenn dieses Verhalten strafbar sein sollte, dann sei im Hinblick auf das erst im Frühjahr 1999 erfolgte Tätigwerden der Behörde Verfolgungsverjährung eingetreten.

Mit Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für Kärnten vom 21. Juli 2000 wurde die Berufung des Beschwerdeführers als unbegründet abgewiesen und gleichzeitig ausgesprochen, dass im Sinne des § 44a Z 1 und Z 2 VStG der Spruch des Straferkenntnisses folgendermaßen zu lauten habe:

"Sie haben mit Schreiben vom 18.1.1999 unter dem Titel 'Investitionsmöglichkeit' eine Liegenschaft und zwar 10.000 m2 Bauland in K (Kstraße 33, GSt. Nr. 350/1 und 350/2, Bfl. 801 und 802, KG K) zum Kauf angeboten, indem Sie österreichweit unter anderem Makler angeschrieben und somit das bewilligungspflichtige gebundene Gewerbe des Immobilientreuhänders ausgeübt haben, ohne die erforderliche Gewerbeberechtigung erlangt zu haben. Dadurch haben Sie eine Verwaltungsübertretung nach § 366 Abs. 1 Z 1 iVm § 127 Z 15 GewO 1994 idgF begangen. Der restliche Spruch des Straferkenntnisses bleibt unverändert."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht verletzt, nicht der ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretung schuldig erkannt und dafür bestraft zu werden. Er beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, inhaltlicher Rechtswidrigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer macht unter anderem geltend, die Abänderung des Spruches durch die belangte Behörde sei rechtswidrig, weil der im angefochtenen Bescheid angelastete Sachverhalt Gegenstand eines bei der Erstbehörde noch anhängigen aber nicht abgeschlossenen Strafverfahrens sei. Zu dem von der belangten Behörde vorgeworfenen Sachverhalt habe er sich nicht rechtfertigen können.

Schon mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer aus folgenden Erwägungen im Recht:

Gemäß § 366 Abs. 1 Z. 1 Gewerbeordnung 1994 begeht eine Verwaltungsübertretung, die nach dem Einleitungssatz dieser Gesetzesstelle mit einer Geldstrafe bis zu S 50.000,-- zu bestrafen ist, wer ein Gewerbe ausübt, ohne die erforderliche Gewerbeberechtigung erlangt zu haben.

Nach § 127 Z 15 leg. cit. darf das gebundene Gewerbe Immobilientreuhänder (Immobilienmakler, Immobilienverwalter, Bauträger) erst nach Erlangung einer Bewilligung ausgeübt werden.

Gemäß § 225 Abs. 1 GewO 1994 unterliegt das Gewerbe der Immobilientreuhänder (§ 127 Z 15) der Bewilligungspflicht. Dieses umfasst die Tätigkeiten der Immobilienmakler, der Immobilienverwalter sowie der Bauträger.

Nach dem Abs. 2 dieser Gesetzesstelle umfasst der Tätigkeitsbereich des Immobilienmaklers unter anderem nach Z 1 die Vermittlung des Kaufes, Verkaufes und Tausches von unbebauten und bebauten Grundstücken und von Rechten an Immobilien einschließlich der Vermittlung von Nutzungsrechten an Immobilien und der Vermittlung des Kaufes, Verkaufes und Tausches von Wohnungen, Geschäftsräumen, Fertigteilhäusern und Unternehmen.

Gemäß § 44a Z. 1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten.

Um den Erfordernissen der zuletzt genannten Gesetzesstelle zu entsprechen, hat der Spruch eines Straferkenntnisses die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu beschreiben, dass die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale möglich ist und die Identität der Tat unverwechselbar feststeht (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 13. Juni 1984, Slg. NF Nr. 11466/A).

Gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 24 VStG hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung (§ 60) ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid (unter Bedachtnahme auf das im Verwaltungsstrafverfahren geltende Verbot der reformatio in peius) nach jeder Richtung abzuändern. "Sache" im Sinne dieser Gesetzesstelle ist immer die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches des Bescheides der Unterbehörde gebildet hat. Dies bedeutet für den Bereich des Verwaltungsstrafverfahrens, dass die Berufungsbehörde trotz ihrer Berechtigung, den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, doch auf die Ahndung der dem Beschuldigten im Strafverfahren erster Instanz zur Last gelegten Tat beschränkt bleibt, sodass sie ihn nicht für eine Tat schuldig sprechen darf, die ihm im Verfahren vor der ersten Instanz gar nicht zur Last gelegt worden ist. Hingegen ist es grundsätzlich nicht rechtswidrig, wenn die Berufungsbehörde das Verhalten des Beschuldigten einem anderen Tatbestand (Tatbild) unterstellt als die Behörde erster Instanz, sofern es sich um ein und dasselbe Verhalten des Täters handelt, also Identität der Tat vorliegt. In diesem Rahmen ist die Berufungsbehörde auch zu sonstigen Modifikationen und Präzisierungen des Spruches der Behörde erster Instanz berechtigt.

Nachträgliche Auswechslungen der Tat sind jedenfalls unzulässig (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 23. November 1993, Zl. 93/04/0169, vom 23. Oktober 1995, Zl. 94/04/0080, vom 15. November 1999, Zl. 96/10/0185, sowie vom 22. Jänner 2002, Zl. 99/09/0050, und die darin angegebene Judikatur).

Demnach hätte die belangte Behörde ohne Überschreitung ihrer Befugnis nur die Frage prüfen dürfen, ob der Beschuldigte die ihm von der Erstbehörde angelastete Tat begangen hat oder nicht. Hingegen fehlte der belangten Behörde zur Wahrnehmung einer dem Beschuldigten von der Erstbehörde nicht vorgeworfenen Tat die notwendige Sachbefugnis.

Gegen diese gesetzliche Anordnung verstieß die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid dadurch, dass sie dem Beschwerdeführer, dem im Straferkenntnis erster Instanz als Tathandlung zur Last gelegt worden war, er habe am 13. November 1997 seinem Sohn M die näher bezeichnete Liegenschaft in Gewinnabsicht (Mehrpreisgewinn) zum Kauf angeboten, nunmehr eine andere Tathandlung vorwarf, nämlich er habe mit einem Schreiben vom 18. Jänner 1999 diese näher bezeichnete Liegenschaft als "Investitionsmöglichkeit" zum Kauf angeboten indem er österreichweit Makler angeschrieben habe.

Im angefochtenen Bescheid führte die belangte Behörde zu dieser Spruchänderung aus, das "unwiderrufliche Verkaufsangebot vom 13. November 1997" und der Umstand, dass sich der Berufungswerber als Bevollmächtigter seines Sohnes ausgebe, seien für die rechtliche Beurteilung unmaßgeblich. Der Spruch des Straferkenntnisses sei daher abgeändert worden, wobei diese "Korrektur" im Hinblick auf die rechtzeitige Verfolgungshandlung vom 6. April 1999 möglich gewesen sei.

Die belangte Behörde hat bei dieser Spruchänderung übersehen, dass die Erstbehörde zwar am 6. April 1999 und am 4. Juni 1999 Verfolgungshandlungen mit jeweils inhaltlich unterschiedlichen Tatvorwürfen gesetzt hat, dem mit Berufung angefochtenen erstinstanzlichen Straferkenntnis vom 27. März 2000 wurde jedoch ausschließlich die Tathandlung im Sinne der Verfolgungshandlung vom 4. Juni 1999 betreffend das Verkaufsangebot vom 13. November 1997 zugrunde gelegt. Die Spruchänderung, mit der die nach dem Spruch des Straferkenntnisses in erster Instanz vorgeworfene Tathandlung ausgewechselt wurde, war somit unzulässig. Die belangte Behörde hat demnach die Sache im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 24 Abs. 1 VStG, über welche sie zu entscheiden hatte, überschritten.

Der angefochtene Bescheid war daher schon aus diesem Grund, ohne dass auf die weiteren Begründungselemente und die darauf bezogenen Beschwerdegründe näher einzugehen wäre, gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. II Nr. 501/2001. Der zuerkannte Betrag setzt sich aus dem Schriftsatzaufwand (908 EUR) und der Pauschalgebühr in der tatsächlich entrichteten Höhe von S 2.500-- (das sind 181,68 EUR) zusammen.

Wien, am 25. Februar 2002

Schlagworte

Berufungsverfahren Befugnisse der Berufungsbehörde hinsichtlich Tatbestand und Subsumtion Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Besondere Rechtsprobleme Verwaltungsstrafrecht Spruch der Berufungsbehörde Ergänzungen des Spruches der ersten Instanz Spruch der Berufungsbehörde Änderungen des Spruches der ersten Instanz

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2000040159.X00

Im RIS seit

21.05.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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