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L90203 Landarbeitsordnung Niederösterreich;Norm
ASchG 1994 §1 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Gruber, Dr. Stöberl, Dr. Blaschek und Dr. Rigler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, über die Beschwerde der R Genossenschaft mit beschränkter Haftung in N, vertreten durch Schönherr Barfuss Torggler & Partner, Rechtsanwälte in Wien I, Tuchlauben 13, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 7. September 2000, Zl. WST1-BA-9574, betreffend Genehmigung der Änderung einer gewerblichen Betriebsanlage, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft St. Pölten vom 8. November 1995 wurde der beschwerdeführenden Partei gemäß den §§ 81, 74 Abs. 2 und 359 Abs. 1 erster und zweiter Satz GewO 1994 sowie gemäß § 93 Abs. 3 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz, die Genehmigung für die Änderung einer bestehenden Betriebsanlage durch Errichtung und Betrieb eines Lagerplatzes für Baustoffe und landwirtschaftliche Güter auf näher bezeichneten Grundstücken der KG E., Gemeinde N. unter Vorschreibung von im Einzelnen genannten Auflagen genehmigt. Unter Auflagenpunkt 1 wurde der beschwerdeführenden Partei vorgeschrieben, die im Bereich des Lagerplatzes verwendeten Flurförderfahrzeuge mit einem Witterungsschutz auszustatten und neue Flurförderfahrzeuge zusätzlich mit einer Beheizungsmöglichkeit während der kalten Jahreszeit auszustatten.
Die beschwerdeführende Partei erhob Berufung und brachte vor, die unter Punkt 1 vorgeschriebene Auflage sei aus näher dargestellten Gründen "unverhältnismäßig". Im Übrigen sei die beschwerdeführende Partei als land- und forstwirtschaftliche Ein- und Verkaufsgenossenschaft überwiegend mit der Lagerung von landwirtschaftlichen Erzeugnissen bzw. mit dem Ein- und Verkauf land- und forstwirtschaftlicher Betriebserfordernisse beschäftigt. Die im Lagerbetrieb beschäftigten Dienstnehmer unterlägen daher nicht den Bestimmungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes, sondern den Bestimmungen des Landarbeitsrechtes.
Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 7. September 2000 wurde der Berufung keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid bestätigt. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, bei der beschwerdeführenden Partei handle es sich einem Auszug aus dem Firmenbuch des Landesgerichts St. Pölten zufolge um eine Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaft, deren Betriebe nur unter den im § 5 Abs. 3 Landarbeitsgesetz angeführten Voraussetzungen als Betriebe der Land- und Forstwirtschaft gelten. Dem Betriebsanlagenakt betreffend die beschwerdeführende Partei sei jedoch zu entnehmen, dass ihr mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft St. Pölten vom 27. Mai 1992 die Errichtung und der Betrieb eines Baumarktes genehmigt worden sei und dass sich die den Gegenstand des Verfahrens bildende Änderung dieser Betriebsanlage auf die Errichtung und den Betrieb eines Lagerplatzes beziehe, auf dem vorwiegend Baumaterialien zwischengelagert und hin und wieder auch landwirtschaftliche Produkte palettiert und in Säcken abgestellt würden. Es liege daher keine der im § 5 Abs. 3 LAG angeführten Tätigkeiten vor, sodass der Ausnahmetatbestand des § 1 Abs. 1 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz nicht erfüllt sei. Da der Auflagenpunkt 1 des erstinstanzlichen Bescheides - aus näher dargestellten Gründen - eine i.S.d. § 7 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz dem Stand der Technik entsprechende und zur Vermeidung einer Gesundheitsgefährdung der Dienstnehmer der beschwerdeführenden Partei erforderliche Maßnahme darstelle, sei spruchgemäß zu entscheiden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift , in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die beschwerdeführende Partei erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid im "Recht auf Nichtanwendbarkeit" der Bestimmungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes und Nichtzuständigkeit der Arbeitsinspektorate für unseren Betrieb" verletzt. Sie bringt in Ausführung dieses Beschwerdepunktes im Wesentlichen vor, die belangte Behörde habe ihre Auffassung, der Betrieb der beschwerdeführenden Partei gelte nicht als Betrieb der Land- und Forstwirtschaft i.S.d. Landarbeitsgesetzes, sodass der Ausnahmetatbestand des § 1 Abs. 2 Z 3 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz nicht erfüllt sei, mit der Nichterfüllung der in § 5 Abs. 3 LAG normierten Voraussetzungen begründet und dabei übersehen, dass der Betrieb der beschwerdeführenden Partei unter § 5 Abs. 4 LAG zu subsumieren sei. Der in Rede stehende Lagerplatz sei Teil des Betriebes der beschwerdeführenden Partei, der sich überwiegend mit dem Einkauf land- und forstwirtschaftlicher Betriebserfordernisse und dem Lagern sowie dem Verkauf unverarbeiteter land- und forstwirtschaftlicher Erzeugnisse befasse.
Gemäß § 1 Abs. 1 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG) gilt dieses Bundesgesetz für die Beschäftigung von Arbeitnehmern. Es gilt gemäß § 1 Abs. 2 Z 3 ASchG aber nicht für die Beschäftigung von Arbeitnehmern in land- und forstwirtschaftlichen Betrieben im Sinne des Landarbeitsgesetzes 1984, BGBl. Nr. 287.
Die im § 93 Abs. 2 ASchG normierte Berücksichtigung der Belange des Arbeitnehmerschutzes im gewerblichen Betriebsanlagengenehmigungsverfahren kommt daher bei land- und forstwirtschaftlichen Betrieben i.S.d. Landarbeitsgesetzes nicht in Betracht.
Gemäß der Grundsatzbestimmung des § 5 Abs. 1 Landarbeitsgesetz 1984, sind Betriebe der Land- und Forstwirtschaft im Sinne dieses Bundesgesetzes, Betriebe der land- und forstwirtschaftlichen Produktion und ihre Nebenbetriebe, soweit diese in der Hauptsache die Verarbeitung der eigenen Erzeugnisse zum Gegenstand haben und sich nicht als selbständige, von der Land- und Forstwirtschaft getrennt verwaltete Wirtschaftskörper darstellen, ferner die Hilfsbetriebe, die der Herstellung und Instandhaltung der Betriebsmittel für den land- und forstwirtschaftlichen Hauptbetrieb dienen. In diesem Rahmen zählen zu land- und forstwirtschaftlichen Produktion die Hervorbringung und Gewinnung pflanzlicher Erzeugnisse mit Hilfe der Naturkräfte einschließlich des Wein- und Obstbaues, des Gartenbaues und der Baumschulen, das Halten von Nutztieren zur Zucht, Mästung oder Gewinnung tierischer Erzeugnisse sowie die Jagd und Fischerei.
Als Betriebe der Land- und Forstwirtschaft gelten gemäß § 5 Abs. 3 LAG, unbeschadet des § 2 auch die Betriebe land- und forstwirtschaftlicher Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften, soweit der Geschäftsbetrieb dieser Genossenschaften im Wesentlichen der Förderung des Erwerbs und der Wirtschaft ihrer Mitglieder dient und in denen überwiegend nachstehende Tätigkeiten ausgeübt werden:
1. der Betrieb von Sägen, Mühlen, Molkerei, Brennereien, Keltereien und sonstigen nach altem Herkommen üblichen Zweigen der Verarbeitung land- und forstwirtschaftlicher Erzeugnisse;
2. die Vermittlung des Einkaufes und Verkaufes sowie die Versteigerung von Zuchtvieh;
3. der Verkauf unverarbeiteter pflanzlicher Erzeugnisse sowie von Ferkeln, Fischen, Geflügel, Eiern und Honig, auch im Wege der Versteigerung;
4. der im Zusammenhang mit den Tätigkeiten gemäß Z. 3 vorgenommene Einkauf von Verpackungen und Umhüllungen für die von der Z. 3 erfassten Erzeugnisse;
5. die Züchtung, Vermehrung, Bearbeitung, Verwertung und Beschaffung von Saatgut;
6. die Nutzung von land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken und ortsfesten land- und forstwirtschaftlichen Betriebseinrichtungen, sofern diese Tätigkeit der Hervorbringung und Gewinnung pflanzlicher Erzeugnisse oder dem Halten von Nutztieren (Abs. 1 letzter Satz) dient sowie die Nutzung von Kühlanlagen, diese jedoch nur für den Eigenverbrauch der Mitglieder;
7. die Wahrnehmung der Rechte der Mitglieder hinsichtlich der Ausübung von Nutzungsrechten im Sinne des Grundsatzgesetzes 1951 über die Behandlung der Wald- und Weidennutzungsrechte sowie besonderer Felddienstbarkeiten, BGBl. Nr. 103.
Als Betriebe der Land- und Forstwirtschaft gelten gemäß § 5 Abs. 4 LAG ferner die Betriebe der land- und forstwirtschaftlichen Ein- und Verkaufsgenossenschaften, soweit diese überwiegend mit dem Einkauf land- und forstwirtschaftlicher Betriebserfordernisse und dem Lagern und dem Verkauf unverarbeiteter land- und forstwirtschaftlicher Erzeugnisse befasst sind, sowie aus solchen Betrieben hervorgegangene Nachfolgeunternehmen jeder Rechtsform, solange der bisherige Unternehmensgegenstand beibehalten wird. Ferner gelten die Betriebe der Agrargemeinschaften im Sinne der Flurverfassungsgesetze als Betriebe der Land- und Forstwirtschaft.
Dem angefochtenen Bescheid liegt die Auffassung zugrunde, bei der beschwerdeführenden Partei handle es sich um eine Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaft, von ihr geführte Betriebe könnten daher nur unter den Voraussetzungen des § 5 Abs. 3 LAG als Betriebe der Land- und Forstwirtschaft gelten.
Diese Auffassung verkennt, dass zwar § 5 Abs. 3 LAG (§ 5 Abs. 3 NÖ Landarbeitsordnung 1973) jene Voraussetzungen normiert, unter denen Betriebe von Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften im Allgemeinen als land- und forstwirtschaftliche Betriebe gelten, dass § 5 Abs. 4 LAG (§ 5 Abs. 4 NÖ Landarbeitsordnung 1973) aber auch Betriebe von - nach ihrem Tätigkeitsbereich - bestimmten Typen von Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften (vgl. § 1 Abs. 1 GenG), nämlich von land- und forstwirtschaftlichen Ein- und Verkaufsgenossenschaften unter weiteren, hier genannten Voraussetzungen als land- und forstwirtschaftliche Betriebe ansieht.
Wäre also die beschwerdeführende Partei, wie sie im Verfahren behauptet hat, nach ihrem Tätigkeitsbereich eine land- und forstwirtschaftliche Ein- und Verkaufsgenossenschaft, so könnte die Annahme, der in Rede stehende Betrieb gelte nicht als land- und forstwirtschaftlicher Betrieb im dargelegten Sinne, mit dem Hinweis auf die Nichterfüllung der Voraussetzungen des § 5 Abs. 3 LAG (§ 5 Abs. 3 NÖ Landarbeitsordnung 1973) alleine nicht begründet werden.
Die belangte Behörde hat daher, indem sie es in Verkennung der Rechtslage ebenso unterließ, sich mit der Frage auseinander zu setzen, ob die Tatbestandsvoraussetzungen des § 5 Abs. 4 LAG (§ 5 Abs. 4 NÖ Landarbeitsordnung 1973) im vorliegenden Fall erfüllt seien, wie auch - unter Inanspruchnahme der die beschwerdeführende Partei im Verwaltungsverfahren treffenden Mitwirkungspflicht - entsprechend konkrete Feststellungen über die Erfüllung dieser Tatbestandsvoraussetzungen zu treffen, und dem angefochtenen Bescheid die Auffassung zugrundelegte, es liege zufolge Nichterfüllung der Voraussetzungen des § 5 Abs. 3 LAG (§ 5Abs. 3 NÖ Landarbeitsordnung 1973) kein land- und forstwirtschaftlicher Betrieb vor, den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes i.S.d. § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG belastet.
Mit dem Hinweis auf den Zweck der Betriebsanlage bzw. des Lagerplatzes (laut den vorliegenden Projektunterlagen "für Baustoffe sowie palettierte landwirtschaftliche Güter und dgl.") kann im Übrigen die Frage, ob eine "überwiegende Befassung" i.S.d.
§ 5 Abs. 4 LAG (§ 5 Abs. 4 NÖ Landarbeitsordnung 1973) gegeben ist, schon deshalb nicht hinreichend beantwortet werden, weil sich der Betriebsanlagenbegriff der GewO 1994 mit dem Betriebsbegriff des LAG bzw. der NÖ Landarbeitsordnung 1973 nicht decken muss (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Dezember 1993, Zl. 92/04/0283).
Der angefochtene Bescheid war aus den dargelegten Gründen gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 25. Februar 2002
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2000040182.X00Im RIS seit
21.05.2002Zuletzt aktualisiert am
22.09.2008