TE Vwgh Erkenntnis 2002/2/25 2001/04/0234

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Veröffentlicht am 25.02.2002
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

GewO 1994 §356 Abs3;
GewO 1994 §78 Abs2;
VwGG §41 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Gruber, Dr. Stöberl, Dr. Blaschek und Dr. Rigler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, über die Beschwerde des E (geboren 1938) in L, vertreten durch Dr. Klaus Nuener, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Anichstraße 40, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 25. September 2001, Zl. IIa- 60.026/1-01, betreffend gewerbliche Betriebsanlage (mitbeteiligte Partei: F inL), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Landeck vom 18. Jänner 1990 wurde J die gewerbebehördliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Diskothek und eines Aerobic-Studios im näher bezeichneten Standort unter Vorschreibung von Auflagen erteilt.

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Landeck vom 16. August 2001 wurden gegenüber der mitbeteiligten Partei ("als nunmehrigen Pächterin der Diskothek B") gemäß § 78 Abs. 2 GewO 1994 Abweichungen von diesem Genehmigungsbescheid für zulässig erklärt.

Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, E sei zur Verhandlung geladen worden. Von dessen Schwester sei aber mitgeteilt worden, dass er nicht mehr in diesem Gebäude wohne und nicht bei der Verhandlung anwesend sein werde. Lediglich E habe im ursprünglichen Genehmigungsverfahren Parteistellung erlangt.

Der Beschwerdeführer erhob dagegen Berufung und brachte u.a. vor, die Behörde verwechsle die Personen. Im Jahre 1990 habe es drei E gegeben, und zwar einen 1908 geborenen, einen 1964 geborenen und einen (den Beschwerdeführer) 1938 geborenen, der im Bescheid vom 18. Jänner 1990 auch als E bezeichnet werde. Letzterer - und nicht der 1964 geborene E - habe Parteistellung im ursprünglichen Genehmigungsverfahren gehabt.

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde die Berufung als unzulässig zurückgewiesen.

In der Begründung dieses Bescheides geht die belangte Behörde davon aus, der Beschwerdeführer habe im Verfahren betreffend den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Landeck vom 18. Jänner 1990 "keinerlei Einwendungen erhoben und daher seine Parteistellung verloren". Dem Beschwerdeführer komme daher gemäß § 356 Abs. 3 GewO 1994 auch im gegenständlichen Verfahren gemäß § 78 Abs. 2 GewO 1994 keine Parteistellung zu. Mangels Parteistellung sei der Beschwerdeführer als Nachbar auch nicht berechtigt, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Landeck vom 16. August 2001 Berufung zu erheben.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 78 Abs. 2 GewO 1994 hat die Behörde auf Antrag von der Verpflichtung zur Herstellung des dem Genehmigungsbescheid entsprechenden Zustandes dann Abstand zu nehmen, wenn es außer Zweifel steht, dass die Abweichungen die durch den Genehmigungsbescheid getroffene Vorsorge nicht verringern. Die Behörde hat die Zulässigkeit der Abweichungen mit Bescheid auszusprechen.

§ 356 Abs. 3 GewO 1994 bestimmt (u.a.), dass im Verfahren betreffend die Abstandnahme von der Verpflichtung zur Herstellung des dem Genehmigungsbescheid entsprechenden Zustandes (§ 78 Abs. 2) jene Nachbarn Parteistellung haben, deren Parteistellung im Verfahren gemäß Abs. 1 aufrecht geblieben ist.

Der Beschwerdeführer macht geltend, es sei "gänzlich" unrichtig, dass er im Zuge des Verfahrens der Bezirkshauptmannschaft Landeck betreffend den Bescheid vom 18. Jänner 1990 keinerlei Einwendungen erhoben habe. Vielmehr gehe aus dem ausführlichen Schriftverkehr zwischen dem Beschwerdeführer und der Bezirkshauptmannschaft Landeck eindeutig hervor, dass er sehr wohl Einwendungen erhoben habe. So habe er im Schreiben vom 21. Mai 1990 auf die Gefahr im Zusammenhang mit dem unmittelbar neben dem Eingang zur Diskothek befindlichen Lösungsmittellager hingewiesen. Aus diesem Schreiben gehe auch hervor, dass er schon im Zuge der damaligen mündlichen Verhandlung Einwendungen erhoben habe.

Schon mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer im Recht.

Dass die belangte Behörde davon ausging, der Beschwerdeführer habe im Verfahren betreffend den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Landeck vom 18. Jänner 1990 keinerlei Einwendungen erhoben, gelangte dem Beschwerdeführer erstmals durch den angefochtenen Bescheid zur Kenntnis. Die belangte Behörde hat damit in ihre rechtliche Würdigung Sachverhaltselemente einbezogen, die nicht dem Parteiengehör unterzogen worden waren. Die belangte Behörde hätte vor Erlassung ihres Bescheides dem Beschwerdeführer vielmehr Gelegenheit geben müssen, zu ihrer Annahme, der Beschwerdeführer habe keine Einwendungen erhoben, Stellung zu nehmen. Da dies nicht geschehen ist und der Beschwerdeführer mit der Annahme der belangten Behörde, keine Einwendungen erhoben zu haben, erstmals im angefochtenen Bescheid konfrontiert wurde, steht seinem diesbezüglichen Vorbringen in der Beschwerde auch nicht das Neuerungsverbot des § 41 VwGG entgegen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Juni 1993, Zl. 93/07/0004).

Zu einer anderen Beurteilung vermag auch nicht zu führen, wenn die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift die Meinung vertritt (und damit die mangelnde Wesentlichkeit des behaupteten Verfahrensmangels aufzuzeigen sucht), der vom Beschwerdeführer angesprochene Schriftverkehr beginne erst nach Erlassung des relevanten Bescheides und könne daher schon aus diesem Grund keine Einwendung zur Aufrechterhaltung der Parteistellung im relevanten Genehmigungsverfahren und nunmehrigen Verfahren gemäß § 78 Abs. 2 GewO 1994 darstellen. Von der belangten Behörde wird dabei übergangen, dass in der Beschwerde (auch) geltend gemacht wird, aus dem Schreiben vom 21. Mai 1990 gehe hervor, dass der Beschwerdeführer schon im Zuge der damaligen mündlichen Verhandlung Einwendungen erhoben habe und kann Derartiges aus dem mit der Beschwerde vorgelegten Schreiben auch abgeleitet werden ("Wie bereits bei der gewerbepolizeilichen Verhandlung vorgebracht, ...").

Im Hinblick auf die Darlegungen in der Beschwerde und die vorgelegten Bescheinigungsmittel kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Behörde bei Vermeidung des Verfahrensfehlers zu einem anderen Ergebnis hätte gelangen können.

Der angefochtene Bescheid war daher schon deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 25. Februar 2002

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2001040234.X00

Im RIS seit

21.05.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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