TE Vwgh Erkenntnis 2002/2/25 2001/04/0179

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Veröffentlicht am 25.02.2002
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Index

95/08 Sonstige Angelegenheiten der Technik;

Norm

IngG 1990 §4 Abs1 Z1 litb;
IngGDV 1991/244 §2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Gruber, Dr. Stöberl, Dr. Blaschek und Dr. Rigler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, über die Beschwerde des M in W, vertreten durch Siemer-Siegl-Füreder & Partner, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Dominikanerbastei 10, gegen den Bescheid des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit vom 10. August 2001, Zl. 91.508/28441-III/7/01, betreffend Verleihung der Berechtigung zur Führung der Standesbezeichnung "Ingenieur", zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 10. August 2001 hat der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit den Antrag des Beschwerdeführers auf Verleihung der Berechtigung zur Führung der Standesbezeichnung "Ingenieur" vom 18. Juli 2001 mangels Erfüllung der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Z. 1 Ingenieurgesetz 1990, BGBl. Nr. 461, abgewiesen.

Nach der Begründung dieses Bescheides habe der Beschwerdeführer am 10. Juni 1998 an der Höheren Technischen Lehranstalt in Wiener Neustadt, Fachrichtung Maschinenbau, Ausbildungszweig Automatisierungstechnik, die Reifeprüfung abgelegt. Er habe Nachweise über folgende Tätigkeiten erbracht:

"o von 6.7.1998 bis 30.4.1999 beim Dienstgeber G Ges.m.b.H. & Co KG, L, als technischer Sachbearbeiter der Trinkwasserabteilung mit der Planung und Abwicklung von Aufträgen zur Lieferung, Montage und Inbetriebnahme von Aufbereitungsanlagen für Trinkwasser beschäftigt,

o von 3.5.1999 bis 30.4.2000 beim Dienstgeber S GmbH & Co KG, W, als technischer Angestellter im Bereich Operational Related Services mit der Anwendungsunterstützung persönlich und am Telefon, 2 nd Level-Support im Hardware- und Software Bereich, Betreuung von Sonderprojekten betraut,

o von 1.5.2000 bis 30.9.2000 beim Dienstgeber S AG Österreich, W, als technischer Angestellter im Bereich Competence Center Information Technology & Networking mit der Anwenderunterstützung sowie den 2 nd Level-Support im Hardware- und Software Bereich beschäftigt,

o von 1.10.2000 bis laufend (Zeugnis vom 10.7.2001) beim Dienstgeber I AG, Wien, als IT (Information Technology) Engineer mit der Betreuung, Überwachung und Wartung der IT Infrastruktur in Abstimmung mit externen Zulieferern befasst."

Die Höhere Lehranstalt für Maschineningenieurwesen vermittle eine fundierte Allgemeinbildung und Kenntnisse über die theoretischen und praktischen Grundlagen auf dem Gebiet der Mechanik, Fertigungstechnik und Konstruktion sowie in Schwerpunktbereichen von Maschinen und Anlagen, ergänzt durch Kenntnisse in Elektrotechnik, Mess-, Steuerungs- und Regelungstechnik sowie über betriebliche Abläufe unter besonderer Berücksichtigung von Qualität- und Produktmanagement. Durch die praxisnahe Ausbildung erfolge eine Vorbereitung bis hin zu Führungsaufgaben in Projektierung, Fertigung, Inbetriebnahme und Wartung von Maschinen und Anlagen sowie der zugehörigen Hard- und Software.

Der Ausbildungsschwerpunkt Automatisierungstechnik vermittle darüber hinaus eine vertiefte Fachausbildung in den Bereichen Sensoren, Aktoren, Geräte und Programme zur Weiterverarbeitung von Signalen bzw. von komplexen Anlagen der Prozesssteuerung und Prozessautomatisierung.

An beruflichen Fähigkeiten vermittle die Höhere Lehranstalt für Maschineningenieurwesen die für die Industrie wesentlichen anwendungsbezogenen Fertigkeiten und Kenntnisse der einschlägigen Werkstoffe, Verfahren, Produkt- und Systementwicklung, des Qualitäts- und Produktmanagements sowie CAD-Anwendungen. Der Ausbildungsschwerpunkt Automatisierungstechnik liefere darüber hinaus vertiefte Kenntnisse der branchenspezifischen Grundsätze für Konstruktion, Dimensionierung, Ausführung und Dokumentation von selbstständig arbeitenden Anlagenteilen bis hin zu Industrierobotern.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes müsse die für die Verleihung des Ingenieurtitels erforderliche Berufspraxis überwiegend Tätigkeiten zum Gegenstand haben, die jenen Lehrinhalten entsprächen, die das Spezifikum (Fachrichtung) jener höheren technischen Lehranstalt darstellten, die vom Antragsteller mit Ablegung der Reifeprüfung absolviert worden sei. Die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Berufspraxiszeiten ab 3. Mai 1999 (das sind die Tätigkeiten bei "S", "S AG Österreich" und "I AG") hätten jedoch nicht überwiegend Tätigkeiten zum Gegenstand gehabt, die den Lehrinhalten der Fachrichtung Maschinenbau/Automatisierungstechnik entsprächen. Diese Tätigkeiten entsprächen vielmehr den Lehrinhalten der Fachrichtung elektronische Datenverarbeitung und Organisation, Ausbildungsschwerpunkt Netzwerktechnik. Im Anschluss daran enthält der angefochtene Bescheid eine Darstellung des Ausbildungszieles und der vermittelten beruflichen Fähigkeiten der letztgenannten Fachrichtung.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht auf Zuerkennung der ihm zustehenden Standesbezeichnung "Ingenieur" verletzt. Er führt dazu ins Treffen, dass die Computertechnik von wesentlicher Bedeutung für die Automatisierungstechnik sei. Die Software sei ein wesentlicher Bestandteil einer Maschine. Die Programmierung von mechanischen Geräten zur Durchführung bestimmter komplexer Bewegungsabläufe im Rahmen der Automatisierungstechnik erfolge fast immer so, dass die Steuerungskomponenten über entsprechende Schnittstellen mit dem Computer programmiert würden. Für die Durchführung dieser Arbeiten bedürfe es in jedem Fall Kenntnisse als Netzwerktechniker, weil ansonsten das Zusammenspiel der verschiedenen Komponenten die hard- und softwaremäßig im Regelfall nicht normiert seien, nicht verstanden werde. Der Zusammenhang der praktischen Tätigkeiten mit der ursprünglichen Ausbildung sei also evident. Es sei erforderlich, dass von einer Person, die den Berufstitel "Ingenieur" führe, sowohl auf Grund der Ausbildung als auch auf Grund der praktischen Erfahrung mit guten Glauben erwartet werden könne, sie sei in der Lage, die ihr überantworteten Fachtätigkeiten ingenieurmäßig auszuführen. Dies sei beim Beschwerdeführer gegeben. Auch die belangte Behörde habe festgestellt, dass zur Fachrichtung Maschinenbau Kenntnisse der Steuerungstechnik sowie Kenntnisse über die Funktionsweise der zugehörigen Hard- und Software notwendig seien. In modernen Anlagen der Automatisierungstechnik sei die Steuerung über Computernetzwerke und auch Internetverbindungen üblich und werde immer wichtiger. Konstruktion und Planung ohne Netzwerk sei heute undenkbar. Deshalb seien derartige Lehrinhalte auch in der Ausbildung enthalten. Im zum Zeitpunkt der Ausbildung des Beschwerdeführers gültigen Lehrplan sei u.a. angeführt, dass der Schüler zur Weiterbildung bereit sein solle. Der Absolvent solle Neues mit Interesse aufnehmen und verfolgen. Der Lehrer werde angehalten, die Entwicklungen des Fachgebietes und dessen Umfeld ständig zu beobachten und aufzunehmen sowie den Lehrstoff und die Unterrichtsmethoden dem zeitgemäßen Stand anzupassen. Dem Lehrplanabschnitt "Lehrstoff" könne daher nur die Bedeutung eines richtungsweisenden Rahmens zukommen, wobei auch ökologische Aspekte entsprechend zu berücksichtigen seien. Dieser "dreifache Zwang" zur Weiterbildung sei von der belangten Behörde nicht einmal erwähnt worden. Die Ansicht der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe keine Lehrinhalte vermittelt bekommen, die er im Zug seiner praktischen Tätigkeit anwenden hätte können, sei verfehlt. Diese Ansicht würde ihm unterstellen, nur unqualifizierte Tätigkeiten verrichtet zu haben. Im Gegensatz dazu sei seine Ausbildung Voraussetzung dafür gewesen, die ihm übertragenen Tätigkeiten zufrieden stellend auszuführen. Ohne diese Kenntnisse hätte er die entsprechenden Anstellungen nicht bekommen.

Unter dem Beschwerdegrund der Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt der Beschwerdeführer, dass die belangte Behörde keinen Sachverständigen zur Beurteilung der von ihm ausgeübten Tätigkeiten beigezogen habe. Weiters rügt er die Unterlassung einer mündlichen Verhandlung und der Vernehmung seiner Person im Rahmen dieser Verhandlung. Im Fall seiner Vernehmung hätte er klargestellt, dass die vorgelegten Zeugnisse den Anforderungen des Ingenieurgesetzes entsprächen, und hätte dies durch weiter gehende Angaben eindeutig klargestellt. Insbesondere hätte sich die belangte Behörde einen persönlichen Eindruck von seiner Person verschaffen können. Die belangte Behörde habe es auch unterlassen, ihn zur Abgabe einer Stellungnahme aufzufordern. Überdies sei die Begründung des angefochtenen Bescheides mangelhaft, weil ihr kein Entscheidungskalkül zu entnehmen sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 4 Abs. 1 Z. 1 Ingenieurgesetz 1990 ist die Berechtigung zur Führung der Standesbezeichnung "Ingenieur" Personen zu verleihen, die

a) die Reifeprüfung nach dem Lehrplan inländischer höherer technischer oder höherer land- und fortwirtschaftlicher Lehranstalten erfolgreich abgelegt und

b) eine mindestens dreijährige Berufspraxis absolviert haben, die höhere Fachkenntnisse auf dem Fachgebiet voraussetzt, auf dem die Reifeprüfung abgelegt wurde.

Nach § 2 der Verordnung zur Durchführung des Ingenieurgesetzes 1990, BGBl. Nr. 244/1991, ist als Berufspraxis gemäß § 4 Z. 1 lit. b und Z. 2 lit. b des Ingenieurgesetzes 1990 eine berufliche Tätigkeit anzurechnen, wenn sie erlaubt und selbstständig oder in einem Dienstverhältnis ausgeübt wurde und in überwiegendem Maße höhere Fachkenntnisse des Fachgebietes voraussetzt.

Aus dieser Rechtslage ergibt sich zweifelsfrei, dass die für die Verleihung des Ingenieurtitels erforderliche Berufspraxis überwiegend Tätigkeiten zum Gegenstand haben muss, die jenen Lehrinhalten entsprechen, die das Spezifikum (Fachrichtung) jener höheren technischen oder höheren land- und forstwirtschaftlichen Lehranstalt darstellen, die vom Antragsteller mit Ablegung der Reifeprüfung absolviert wurde (vgl. das im angefochtenen Bescheid zitierte hg. Erkenntnis vom 30. September 1997, Zl. 97/04/0118).

Der Beschwerdeführer gesteht ausdrücklich zu, im Verfahren die von der belangten Behörde festgestellten Praxisnachweise vorgelegt zu haben. Er behauptet nicht, über den Inhalt dieser Nachweise hinausgehende Tätigkeiten verrichtet zu haben.

Weiters stellt der Beschwerdeführer die Richtigkeit der von der belangten Behörde festgestellten Lehrinhalte der von ihm absolvierten Fachrichtung der höheren technischen Lehranstalt nicht in Abrede. Dazu gehören auch Steuerungs- und Regelungstechnik sowie die Projektierung, Fertigung, Inbetriebnahme und Wartung von Maschinen und Anlagen sowie der zugehörigen Hard- und Software. Der Beschwerdeführer führt dazu näher aus, dass die Programmierung mechanischer Geräte über Schnittstellen mit dem Computer durchgeführt werde. Die Steuerung von Anlagen über Computernetzwerke und Internetverbindungen werde immer wichtiger. Konstruktion und Planung ohne Netzwerke sei heute undenkbar. Dies führt die Beschwerde schon deshalb nicht zum Erfolg, weil der Beschwerdeführer nicht vorbringt, dass die von ihm betreuten Netzwerke der Programmierung, Steuerung, Konstruktion oder Planung von maschinellen Anlagen gedient habe, es sich dabei also um eine der Projektierung, Fertigung, Inbetriebnahme oder Wartung von Maschinen und Anlagen zugehörige Hard- bzw. Software gehandelt habe.

Der Beschwerdeführer zeigt daher mit seinem Vorbringen, zur Beurteilung der von ihm nachgewiesenen komplexen Tätigkeiten hätte ein Sachverständiger beigezogen werden müssen, keinen relevanten Verfahrensmangel auf.

Die Betreuung von Netzwerken an sich (z.B. für ein Finanzdienstleistungsunternehmen) stellt keinen Ausbildungsschwerpunkt der vom Beschwerdeführer absolvierten Fachrichtung Maschinenbau, Ausbildungszweig Automatisierungstechnik dar.

Bei der Tätigkeit des Beschwerdeführers für die "I AG" handelt es sich daher keinesfalls um eine einschlägige Berufspraxis im Sinn von § 4 Abs. 1 Z. 1 lit. b Ingenieurgesetz 1990. Da die Tätigkeiten für die übrigen Unternehmen insgesamt nur einen Zeitraum von zwei Jahren und drei Monaten umfassen, kann die Ansicht der belangten Behörde, dass die vom Beschwerdeführer nachgewiesene dreijährige Berufspraxis nicht überwiegend den Lehrinhalten der Fachrichtung Maschinenbau/Automatisierungstechnik entsprächen, nicht als rechtswidrig erkannt werden.

Die vorgebrachten Umstände, dass der Beschwerdeführer die ihm vermittelten Lehrinhalte auch bei seiner derzeitigen Tätigkeit verwenden könne und er diese Anstellung ohne seine Ausbildung nicht bekommen hätte, reichen für die Erlangung der Standesbezeichnung "Ingenieur" nicht aus (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis, Zl. 97/04/0118, wonach es nicht entscheidungsrelevant ist, ob die genossene Schulausbildung eine wesentliche Grundlage für die derzeitige - nicht auf dem Fachgebiet der Reifeprüfung liegende - Tätigkeit bildet).

Soweit der Beschwerdeführer die sich aus dem Lehrplan ergebende Notwendigkeit der Weiterbildung ins Treffen führt, ist ihm zu entgegnen, dass es auf die in der schulischen Ausbildung vermittelten Lehrinhalte ankommt und nicht auf die im Rahmen einer außerschulischen Weiterbildung erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten.

Mit seinem Vorbringen, die belangte Behörde hätte ihm die Möglichkeit zur Stellungnahme einräumen und ihn im Rahmen einer mündlichen Verhandlung vernehmen müssen, zeigt der Beschwerdeführer schon deshalb keinen relevanten Verfahrensmangel auf, weil er nicht dartut, welche entscheidungsrelevanten Tatsachen er diesfalls vorgebracht hätte.

Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers ist die Begründung des angefochtenen Bescheid nicht mangelhaft, ergibt sich doch daraus klar, aus welchen Gründen die belangte Behörde die nachgewiesenen Tätigkeiten des Beschwerdeführers als nicht für die Berufspraxis im Sinn des § 4 Abs. 1 Z. 1 lit. b Ingenieurgesetz 1990 ausreichend angesehen hat.

Aus den dargelegten Gründen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 25. Februar 2002

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2001040179.X00

Im RIS seit

21.05.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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