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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
ÄrzteG 1984 §56 Abs2;Beachte
Serie (erledigt im gleichen Sinn): 2001/11/0209 E 26. Februar 2002 2001/11/0208 E 26. Februar 2002 2001/11/0207 E 26. Februar 2002 2001/11/0206 E 26. Februar 2002Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Graf, Dr. Gall, Dr. Pallitsch und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des Dr. B in W, vertreten durch Dr. Friedrich H. Knöbl, Rechtsanwalt in 1120 Wien, Meidlinger Hauptstraße 28, gegen den Bescheid des Vorstandes der Ärztekammer für Wien vom 11. Februar 1998, Zl. Arzt Nr. 6845, betreffend Zurückweisung des Antrages auf Festsetzung der Kammerumlage für die Jahre 1975 bis 1990, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Ärztekammer für Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von 1089,68 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist Facharzt für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde in Wien. Er stellte mit Schreiben vom 5. Dezember 1996 den Antrag auf bescheidmäßige Festsetzung der gesamten Kammerumlagen seit 1975.
Der Präsident der Ärztekammer für Wien wies mit Bescheid vom 4. Juni 1997 den Antrag, soweit er die Umlagen für die Jahre 1975 bis 1990 betrifft, zurück (Spruchpunkt 1.). Für die Jahre 1991 bis 1996 wurde die Umlage festgesetzt (Spruchpunkt 2.). Zur Zurückweisung führte der Präsident der Ärztekammer aus, bei den Kammerumlagen handle es sich ihrem Typus nach um öffentlichrechtliche Abgaben. Solche unterlägen üblicherweise der Verjährungsfrist. Da weder das Ärztegesetz noch die Umlagenordnung eine Verjährungsfrist enthielten, seien im Sinne der verfassungskonformen Auslegung die vergleichbaren Vorschriften des § 240 BAO heranzuziehen. Nach § 240 Abs. 1 BAO sei bei Abgaben, die für Rechnung eines Abgabepflichtigen ohne dessen Mitwirkung einbehalten und abzuführen seien, der Abfuhrverpflichtete berechtigt, während eines Kalenderjahres zu Unrecht einbehaltene Beträge bis zum Ablauf des Kalenderjahres auszugleichen oder auf Verlangen des Abgabepflichtigen zurückzuzahlen. Nach § 240 Abs. 3 BAO könne der Abgabepflichtige den Rückzahlungsantrag allerdings nur bis zum Ablauf des 5. Kalenderjahres, das auf das Jahr der Einbehaltung folge, stellen. Was für den Rückzahlungsantrag gelte, müsse wohl auch für den dem Rückzahlungsantrag zugrunde liegenden Feststellungsantrag zutreffen. Soweit der Antrag somit die Umlagen für die Jahren 1975 bis 1990 betreffe, sei er wegen Verjährung allfälliger Ansprüche und "damit im Zusammenhang stehend Unzulässigkeit des Rechtsweges" zurückzuweisen.
Die vom Beschwerdeführer dagegen erhobene Berufung an den Vorstand der Ärztekammer für Wien wies dieser mit dem angefochtenen Bescheid ab. In der Begründung dieses Bescheides wird zur Zurückweisung des Antrages für die Jahre 1975 bis 1990 ausgeführt, dem Beschwerdeführer sei zwar einzuräumen, dass die Anwendung der BAO weder in der Umlagenordnung noch im Ärztegesetz vorgesehen sei, doch sei die BAO analog anzuwenden. Dem Einwand des Beschwerdeführers, dass Feststellungsansprüche unverjährbar seien, weil sie im Prozessrecht wurzelten, sei zu erwidern, dass nicht die ZPO, sondern das AVG anzuwenden sei.
Gegen den angefochtenen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser hob mit Erkenntnis vom 27. Juni 2001, B 656/98-13, den angefochtenen Bescheid, soweit damit (in Bestätigung des Spruchpunktes 2. des erstinstanzlichen Bescheides) die Umlagen zur Ärztekammer für Wien für die Jahre 1991 bis 1996 festgesetzt wurden, wegen Anwendung gesetzwidriger Verordnungen auf. Mit Erkenntnis vom 12. Juni 2001, V 107-141/00, hatte der Verfassungsgerichtshof nämlich einzelne Bestimmungen bzw. Wortfolgen der Umlagenordnungen der Ärztekammer für Wien für die Jahre 1991 bis 1993 und für das Jahr 1997 sowie die Umlagenordnungen für die Jahre 1994 bis 1996 zur Gänze als gesetzwidrig aufgehoben. Im Spruchpunkt II. des oben genannten Erkenntnisses vom 27. Juni 2001 lehnte der Verfassungsgerichtshof im Übrigen die Behandlung der Beschwerde ab und trat diese dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
Der Beschwerdeführer hat die Beschwerde, soweit sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten wurde, ergänzt und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides.
Die belangte Behörde verweist in ihrer Stellungnahme vom 10. Oktober 2001 auf die Begründung des angefochtenen Bescheides und beantragt die Abweisung der Beschwerde.
Der Beschwerdeführer hat einen weiteren Schriftsatz gemäß § 36 Abs. 8 zweiter Satz VwGG erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach § 56 Abs. 2 des (im Beschwerdefall anzuwendenden) Ärztegesetzes 1984 heben die Ärztekammern von den Kammerangehörigen die Kammerumlage ein. § 56 Abs. 6 leg. cit. ordnet die Anwendung des AVG auf das Kammerumlageverfahren an. Das Ärztegesetz 1984 enthält ebenso wenig wie die Umlagenordnungen der Ärztekammer für Wien Verjährungsbestimmungen betreffend die Umlage. Durch diese Rechtsvorschriften ist somit weder das Recht zur Festsetzung der Umlage noch der Anspruch auf Rückzahlung zu Unrecht geleisteter bzw. gemäß § 56 Abs. 3 Ärztegesetz 1984 von den gesetzlichen Sozialversicherungsträgern einbehaltener und abgeführter Beträge in zeitlicher Hinsicht beschränkt. Das Verfahren zur Festsetzung der Kammerumlage steht mit einem Verfahren über einen Rückforderungsanspruch insofern in einem Zusammenhang, als die Rückforderung ein bescheidmäßiges Ergebnis des Festsetzungsverfahrens voraussetzt (siehe dazu das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 26. September 1996, Slg. Nr. 14.595).
Voraussetzung für die von der belangten Behörde vorgenommene analoge Anwendung des § 240 Abs. 3 BAO wäre eine Gesetzeslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit der gesetzlichen Regelungen (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 11. Februar 1992, Zl. 92/11/0025, mwN). Schon diese Voraussetzung für die von der belangten Behörde für zulässig erachtete Gesetzesanalogie liegt nicht vor, weil nicht zu erkennen ist, gegen welche Wertungen und Zwecke des Gesetzes das Fehlen einer zeitlichen Beschränkung für den Rückforderungsanspruch verstoßen soll. Da die Festsetzung der Kammerumlage zeitlich nicht beschränkt ist, wie dies die belangte Behörde für den Rückzahlungsanspruch annimmt, die Festsetzung der Kammerumlage aber die Voraussetzung für den Rückforderungsanspruch darstellt (siehe das zuvor zitierte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 26. September 1996), besteht kein Grund für die von der belangten Behörde vorgenommene analoge Anwendung der im § 240 Abs. 3 BAO normierten Frist. Die Verweigerung der Festsetzung der Kammerumlage für die genannten Jahre erweist sich daher als rechtswidrig. Der Vollständigkeit halber sei dazu bemerkt, dass die belangte Behörde bei Zutreffen ihrer Rechtsansicht den Antrag des Beschwerdeführers für die genannten Jahre wegen Verjährung hätte abweisen müssen. Die (durch die Bestätigung des erstinstanzlichen Bescheides) ausgesprochene Zurückweisung stellt sich aber im Zusammenhang mit der gegebenen Begründung als Vergreifen im Ausdruck und nicht als Verweigerung der Sachentscheidung dar.
Die belangte Behörde macht in ihrem Schriftsatz vom 10. Oktober 2001 geltend, für die genannten Jahre seien keine Unterlagen in der Ärztekammer für Wien mehr vorhanden, weil nach den diesbezüglichen Vorschriften, z.B. § 212 HGB, nur eine Aufbewahrungspflicht von sieben Jahren bestehe.
Dem ist entgegenzuhalten, dass die in der genannten Gesetzesstelle genannte Pflicht des Kaufmannes in Bezug auf die Aufbewahrung seiner Handelsbücher für die Ärztekammer, soweit sie als Körperschaft des öffentlichen Rechtes hoheitliche Aufgaben wahrzunehmen hat, nicht maßgebend ist. Das behauptete Fehlen von Unterlagen beschränkt nicht die Verpflichtung zur Entscheidung. Im Übrigen wird auf das Vorbringen des Beschwerdeführers in seinem Schriftsatz vom 21. November 2001 hingewiesen, wonach die Kammerumlagen in einem bestimmten prozentuellen Verhältnis zu den Beiträgen zum Wohlfahrtsfonds gestanden seien und sich daher aus dem Beitragskonto für den Wohlfahrtsfonds die Kammerumlagen berechnen ließen.
Aus den dargelegten Gründen war der angefochtene Bescheid, soweit er Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 26. Februar 2002
Schlagworte
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Analogie Schließung von Gesetzeslücken VwRallg3/2/3European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2001110205.X00Im RIS seit
08.05.2002