TE Vwgh Erkenntnis 2002/2/26 2000/11/0019

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 26.02.2002
beobachten
merken

Index

90/02 Führerscheingesetz;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

FSG 1997 §26 Abs5;
FSG 1997 §26;
FSG 1997 §28 Abs2;
FSG 1997 §28;
KFG 1967 §73 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Graf, Dr. Gall, Dr. Pallitsch und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des B in W, vertreten durch Prader & Plaz OEG in 1070 Wien, Seidengasse 28, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 22. November 1999, Zl. MA 65-8/436/99, betreffend Anordnung einer amtsärztlichen Untersuchung und Beibringung einer verkehrspsychologischen Stellungnahme, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund ist schuldig, dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 22. November 1999 wurde der Beschwerdeführer gemäß § 28 Abs. 2 Z. 2 in Verbindung mit § 8 Abs. 2 FSG und § 14 Abs. 3 FSG-GV aufgefordert, sich bei der Bundespolizeidirektion Wien einer amtsärztlichen Untersuchung zur Feststellung seiner gesundheitlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen zu unterziehen sowie die zur Erstattung des amtsärztlichen Gutachtens erforderliche Stellungnahme einer verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle vorzulegen.

Die belangte Behörde begründete ihre Entscheidung im Wesentlichen damit, dass "laut Aktenlage" mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 16. Juli 1999 die dem Beschwerdeführer am 12. Juni 1998 erteilte Lenkberechtigung für die Klassen A und B auf die Dauer von vier Wochen entzogen worden sei, weil der Beschwerdeführer am 29. Juni 1999 "ein Kraftfahrzeug in einem durch Suchtgift beeinträchtigten Zustand gelenkt und somit eine Übertretung gemäß § 99 Abs. 1b StVO 1960" begangen habe. Im Zuge des Verfahrens zur Wiederausfolgung des Führerscheins nach Ende der Entziehungsfrist seien auf Grund "der Umstände des Anlassfalles und der Vorgeschichte des Berufungswerbers (Verurteilung nach dem Suchtgiftgesetz)" Zweifel im Sinne des § 28 Abs. 2 FSG an der gesundheitlichen Eignung des Beschwerdeführers aufgekommen, die nicht durch aktuelle Befunde ausgeräumt worden seien, zumal die letzte amtsärztliche Untersuchung des Beschwerdeführers bereits länger als ein Jahr zurückliege. Um diese Zweifel durch aktuelle Untersuchungsergebnisse eindeutig beseitigen zu können, sei die Anordnung der Untersuchung erforderlich, zumal der Beschwerdeführer "ein verkehrspsychologisch auffälliges Verhalten im Sinne des § 8 Abs. 2 FSG" gesetzt habe und so seine Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen durch die Beibringung einer verkehrspsychologischen Stellungnahme gemäß § 14 Abs. 3 FSG-GV nachzuweisen habe.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der der Beschwerdeführer die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes bzw. Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften beantragt.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 24 Abs. 1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z. 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit 1. die Lenkberechtigung zu entziehen oder

2. die Gültigkeit der Lenkberechtigung durch Bedingungen, Befristungen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen einzuschränken.

Gemäß § 24 Abs. 4 leg.cit. ist vor der Entziehung oder Einschränkung der Gültigkeit der Lenkberechtigung wegen mangelnder gesundheitlicher Eignung ein von einem Amtsarzt erstelltes Gutachten gemäß § 8, vor der Entziehung wegen mangelnder fachlicher Befähigung ein Gutachten gemäß § 10 einzuholen. Leistet der Besitzer einer Lenkberechtigung einem rechtskräftigen Bescheid mit der Aufforderung, die Gutachten gemäß § 24 Abs. 4 beizubringen, innerhalb von vier Monaten nach Zustellung des Bescheides keine Folge, so ist ihm die Lenkberechtigung jedenfalls bis zur Beibringung der Gutachten zu entziehen (§ 26 Abs. 5 leg.cit.).

Gemäß § 28 Abs. 1 leg. cit. ist der Führerschein nach Ablauf der Entziehungsdauer auf Antrag wieder auszufolgen, wenn die gemäß Abs. 2 angeordneten Nachweise erbracht wurden, keine Gründe für eine Entziehung mehr gegeben sind und die Entziehungsdauer kürzer als 18 Monate war. Gemäß § 28 Abs. 2 leg. cit. hat die Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit und unter Berücksichtigung der Gründe, die für die Entziehung maßgebend waren, vor der Wiederausfolgung des Führerscheines vom Lenker einen oder mehrere der folgenden Nachweise zu verlangen: 1. eine verkehrspsychologische Untersuchung, wenn die Entziehungsgründe auf eine mangelnde Bereitschaft zur Verkehrsanpassung schließen lassen und die verkehrspsychologische Eignung nicht innerhalb der letzten zwölf Monate durch eine solche Untersuchung nachgewiesen wurde; 2. ein amtsärztliches Gutachten über die gesundheitliche Eignung (§ 8), wenn Zweifel an der gesundheitlichen Eignung bestehen; 3. ein Gutachten über die fachliche Befähigung (§ 10), wenn die Entziehungsgründe auf eine mangelnde fachliche Befähigung schließen lassen.

Die belangte Behörde stützte ihre - bescheidmäßige - Aufforderung zur Beibringung eines amtsärztlichen Gutachtens insbesondere auch auf § 28 Abs. 2 FSG. Diese Bestimmung vermag den angefochtenen Bescheid jedoch nicht zu tragen. Zwar bietet sie der Behörde die Grundlage, vor der Wiederausfolgung des Führerscheines vom Betreffenden unter bestimmten Voraussetzungen die im Einzelnen genannten Nachweise zu verlangen, wenn begründete Bedenken an seiner Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen bestehen, dass dieses "Verlangen" jedoch in Bescheidform ergehen dürfte, ist der Bestimmung nicht zu entnehmen. Nach den Materialien zum FSG (RV 714 Blg. NR XX. GP) ist zwar im Allgemeinen Teil der Erläuterungen zu Pkt. 6.1. davon die Rede, dass die Behörde "auszusprechen" hätte, ob die Wiederausfolgung des Führerscheines an die Beibringung eines Gutachtens ... gebunden sein solle; unter Bedachtnahme auf den Besonderen Teil der Erläuterungen, insbesondere zu § 26 Abs. 5 und § 28 (s. S. 44), wo zum Ausdruck gebracht wird, der Behörde sei die "Möglichkeit" gegeben, die Wiederausfolgung von der "Erfüllung gewisser Bedingungen abhängig" zu machen, kann nicht davon ausgegangen werden, der Gesetzgeber hätte normieren wollen, dass das "Verlangen" in Bescheidform ergehen sollte.

Es hätte daher die Behörde, so sie begründete Bedenken an der Eignung des Beschwerdeführers hatte, ihn im Rahmen des über den Antrag auf Wiederausfolgung des Führerscheines eingeleiteten Ermittlungsverfahrens in geeigneter Weise auffordern müssen, die entsprechenden Nachweise für seine Eignung zu erbringen, wobei der Beschwerdeführer, um seiner Mitwirkungspflicht nachzukommen, diese Nachweise hätte vorlegen müssen. Hätte er dem nicht entsprochen, hätte die Behörde die Möglichkeit gehabt - in Form eines Bescheides, in dem die Zweifel an der gesundheitlichen Eignung zu begründen sind -, den Antrag auf Wiederausfolgung des Führerscheines abzuweisen.

§ 26 Abs. 5 FSG ("Formalentziehung" wegen Nichtbeibringung des Gutachtens) steht der Behörde zur Verfügung, wenn sie die Lenkberechtigung, die nach Ablauf der Entziehungsdauer wieder auflebt, entziehen will. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung in vergleichbaren Fällen (vgl. die Erkenntnisse vom 17. November 1992, 91/11/0140, vom 19. April 1994, 92/11/0272, u. a.) zu § 73 Abs. 3 KFG 1967 ausgesprochen, dass der Grundsatz der Einheitlichkeit des Entziehungsverfahrens wegen der Besonderheit dieser im Gesetz gesondert geregelten Entziehungsmaßnahme in solchen Fällen nicht zum Tragen komme, sodass in einem späteren Verfahren der Bescheid auch auf Sachverhaltselemente gestützt werden könne, die schon vor der Erlassung des Bescheides nach § 73 Abs. 3 KFG 1967 verwirklicht waren. Diese Rechtsprechung ist auf jene Fälle des § 26 FSG übertragbar, in denen schon vom Gesetzgeber eine bestimmte Entziehungsdauer (bzw. Mindestentziehungsdauer) festgesetzt wird. In diesen Fällen kann die Behörde nach Erlassung des Entziehungsbescheides wegen des Mangels der Verkehrszuverlässigkeit das Entziehungsverfahren wegen des Mangels der gesundheitlichen Eignung (weiter)führen und gegebenenfalls die Lenkberechtigung wegen des Fehlens dieser Erteilungsvoraussetzung entziehen.

Da die belangte Behörde all dies verkannte, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. I Nr. 501/2001.

Wien, am 26. Februar 2002

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2000110019.X00

Im RIS seit

23.05.2002

Zuletzt aktualisiert am

22.09.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten