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24/01 Strafgesetzbuch;Norm
FSG 1997 §3 Abs1 Z2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des J in W, vertreten durch Mag. Dr. Ingrid Weber, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Rotenturmstraße 19, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 8. Oktober 2001, Zl. MA 65 - 8/380/2001, betreffend Erteilung einer Lenkberechtigung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 10. Juni 2001 auf Erteilung einer Lenkberechtigung für die Klassen B, C und E gemäß § 3 Abs. 1 Z. 2 Führerscheingesetz - FSG abgewiesen.
In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde aus, mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 18. August 2000 sei der Beschwerdeführer wegen des Vergehens des Hausfriedensbruches nach § 109 Abs. 3 Z. 1 StGB, des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB, des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB sowie des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 und 2 StGB zu einer (bedingt nachgesehenen) Freiheitsstrafe von zwölf Monaten verurteilt worden. Er habe am 4. Juli 1999 in Wien mit Gewalt durch Tritte gegen die Wohnungstüre diese beschädigt, sei in die Wohnstätte eines anderen eingedrungen, um gegen seine dort anwesende Ehefrau Gewalt zu üben, habe seine Ehefrau durch Schläge mit einem Mobiltelefon vorsätzlich am Körper verletzt und eine andere Person durch Drohung mit dem Tod und einer Brandstiftung in Furcht und Unruhe versetzt.
Der Beschwerdeführer sei bereits zuvor mit den Urteilen des Strafbezirksgerichtes Wien vom 31. Jänner 1997, des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 16. April 1998 und des Bezirksgerichtes Hernals vom 15. November 1998 wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB bestraft worden. Weiters sei er mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 12. November 1998 wegen der Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 StGB, der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB und der schweren Sachbeschädigung nach den §§ 125, 126 Abs. 1 StGB zu einer (bedingt nachgesehenen) Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt worden.
Auch die gefährliche Drohung nach § 107 StGB sei als bestimmte Tatsache im Sinne des § 7 Abs. 1 FSG anzusehen, auch wenn dieser Tatbestand in der demonstrativen Aufzählung des § 7 Abs. 4 FSG nicht enthalten sei.
Die Tathandlungen des Beschwerdeführers seien gefährlich und verwerflich. Sie ließen auf eine Einstellung des Beschwerdeführers schließen, die auf die persönliche Sicherheit und körperliche Unversehrtheit von Personen keine Rücksicht nehme. Im gegebenen Zusammenhang komme es nicht darauf an, ob das dem Beschwerdeführer zur Last liegende Verhalten unter Benützung eines Verkehrsmittels gesetzt worden sei. Im Straßenverkehr komme es immer wieder zu Konfliktsituationen zwischen Verkehrsteilnehmern sowie zwischen Organen der Straßenaufsicht und Verkehrsteilnehmern. Durch eine zu Gewalttaten gegen Personen und Sachen neigende Person sei die Gefahr einer Eskalation von Konflikten gegeben. Der Hinweis des Beschwerdeführers, dass die im Zuge von "häuslichen und ehelichen" Auseinandersetzungen gesetzten Delikte nichts mit dem Lenken von Kraftfahrzeugen zu tun hätten, sei daher verfehlt. Seit der letzten strafbaren Handlung des Beschwerdeführers (4. Juli 1999) sei noch keine so lange Zeit verstrichen, dass mit Sicherheit auf eine Änderung dieser Einstellung geschlossen werden könne. Einem während des gerichtlichen Strafverfahrens an den Tag gelegten Wohlverhalten komme nach der herrschenden Auffassung bei der Beurteilung der Wiedererlangung der Verkehrszuverlässigkeit nur geringe Bedeutung zu. Der Beschwerdeführer müsse auch derzeit noch als verkehrsunzuverlässig angesehen werden, insbesondere weil er gerade bei Körperverletzungen mehrfach rückfällig geworden sei und dies eine längere Zeit der Bewährung und Sinnesumkehr erforderlich mache.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat - erwogen:
Gemäß § 3 Abs. 1 Z. 2 Führerscheingesetz - FSG darf eine Lenkberechtigung nur an Personen erteilt werden, die verkehrszuverlässig sind.
§ 7 FSG lautet (auszugsweise) wie folgt:
"Verkehrszuverlässigkeit
§ 7. (1) Als verkehrszuverlässig gilt eine Person, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs. 3) und ihrer Wertung (Abs. 5) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen die Verkehrssicherheit gefährden wird, insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr, Trunkenheit oder einen durch Suchtgift oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand.
(2) Als nicht verkehrszuverlässig gilt eine Person, wenn auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs. 4) und ihrer Wertung (Abs. 5) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart sich weiterer schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen wird, die durch das Lenken von Kraftfahrzeugen erleichtert werden.
(3) Als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn jemand:
1. ein Kraftfahrzeug gelenkt oder in Betrieb genommen und hiebei eine Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 bis 1b StVO 1960 begangen hat, auch wenn die Tat nach § 83 Sicherheitspolizeigesetz - SPG, BGBl. Nr. 566/1991, zu beurteilen ist;
...
7. ein Kraftfahrzeug lenkt
a)
ohne gültige Lenkberechtigung,
b)
trotz vorläufig abgenommenen Führerscheines, oder
c)
wiederholt ohne entsprechende Lenkberechtigung für die betreffende Klasse.
(4) Als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 2 hat insbesondere zu gelten, wenn jemand
...
3. eine strafbare Handlung gegen Leib und Leben gemäß den §§ 75, 76, 84 bis 87 StGB oder wiederholt gemäß dem § 83 StGB begangen hat,
...
(5) Für die Wertung der in Abs. 3 beispielsweise angeführten Tatsachen sind deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend.
..."
Vorauszuschicken ist, dass die Zuordnung der in § 7 Abs. 4 Z. 3 FSG genannten strafbaren Handlungen gegen Leib und Leben zu jenen bestimmten Tatsachen, auf Grund welcher gemäß § 7 Abs. 2 leg. cit. auf eine Sinnesart des Betreffenden geschlossen werden kann, deretwegen er sich weiterer schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen wird, die durch das Lenken von Kraftfahrzeugen erleichtert werden, offensichtlich verfehlt ist. Die Begehung der in § 7 Abs. 4 Z. 3 FSG genannten strafbaren Handlungen weist vielmehr auf eine Sinnesart hin, auf Grund der anzunehmen ist, dass der Betreffende im Sinne des § 7 Abs. 1 FSG beim Lenken von Kraftfahrzeugen die Verkehrssicherheit gefährden werde, insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunkenheit. Die belangte Behörde hat daher zutreffend den Standpunkt vertreten, dass von Kraftfahrzeuglenkern wegen der im Straßenverkehr häufig auftretenden Konfliktfälle eine nicht zu Gewalttätigkeiten neigende Sinnesart verlangt werden müsse (siehe dazu das hg. Erkenntnis vom 22. Jänner 2002, Zl. 2001/11/0196, mwN).
Schon aus diesen Erwägungen ist daher das Vorbringen des Beschwerdeführers, soweit er das Vorliegen einer Sinnesart gemäß § 7 Abs. 2 FSG bestreitet, nicht geeignet, die Beschwerde zum Erfolg zu führen.
Im Rahmen der gemäß § 7 Abs. 5 FSG vorzunehmenden Wertung, die auch hinsichtlich der in § 7 Abs. 4 leg. cit. genannten strafbaren Handlungen auf Grund der in § 7 Abs. 5 leg. cit. genannten Wertungskriterien vorzunehmen ist (siehe dazu u.a. das hg. Erkenntnis vom 20. September 2001, Zl. 2000/11/0235, mwN), hat die belangte Behörde unter dem Gesichtspunkt der Verwerflichkeit der vom Beschwerdeführer begangenen strafbaren Handlungen mit Recht auf die Häufung von Vergehen gemäß § 83 StGB hingewiesen. Der Beschwerdeführer ist trotz wiederholter Bestrafungen mehrfach rückfällig geworden. Daraus muss auf eine besonders stark ausgeprägte Neigung zu Gewalttätigkeiten geschlossen werden.
Die Auffassung der belangten Behörde, auch die Vergehen der gefährlichen Drohung, derentwegen der Beschwerdeführer verurteilt worden ist, seien als bestimmte Tatsachen gemäß § 7 Abs. 2 FSG anzusehen, kann nicht geteilt werden. Der Gesetzgeber hat strafbare Handlungen gemäß § 107 StGB nicht in die demonstrative Aufzählung des § 7 Abs. 4 FSG aufgenommen und damit zu erkennen gegeben, dass im Zusammenhang mit der Beurteilung der Verkehrszuverlässigkeit der Versetzung einer Person in Furcht und Unruhe nicht der gleiche Stellenwert zukommt wie der vorsätzlichen Körperverletzung. Die vom Beschwerdeführer begangenen Vergehen nach § 107 StGB konnten aber - ebenso wie die Vergehen der Sachbeschädigung und des Hausfriedensbruches - im Rahmen der Wertung der bestimmten Tatsache berücksichtigt werden, weil in diesem Zusammenhang das gesamte strafbare Verhalten des Betreffenden in die Beurteilung mit einzubeziehen ist.
Soweit der Beschwerdeführer ins Treffen führt, dass sämtliche strafbaren Handlungen "im Familienbereich" und nicht im Straßenverkehr gesetzt worden seien, zeigt er damit keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf, weil das Verhalten des Beschwerdeführers eine Tendenz, in Konfliktfällen mit Gewaltanwendung zu reagieren, zeigt. Auch wenn es zu den Verurteilungen ausschließlich im Zusammenhang mit strafbaren Handlungen gegen seine Ehefrau oder andere Angehörige gekommen ist, ändert dies nichts an der aus den Straftaten erschließbaren Sinnesart des Beschwerdeführers (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 12. April 1999, Zl. 99/11/0042).
Der Beschwerdeführer meint, im Rahmen der Wertung wäre zu berücksichtigen gewesen, dass seit den strafbaren Handlungen vom 4. Juli 1999 "mehr als zweieinhalb Jahre" verstrichen seien.
Dem ist zunächst entgegen zu halten, dass die Berechnung des Beschwerdeführers nicht nachvollzogen werden kann. Bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides sind ca. zwei Jahre und drei Monate verstrichen. Im Übrigen hat die belangte Behörde mit Recht darauf hingewiesen, dass ein Wohlverhalten während eines anhängigen gerichtlichen Strafverfahrens bei der Wertung von geringem Gewicht ist (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 28. Juni 2001, Zl. 2001/11/0153). Mehr als ein Jahr der seit der Tat verstrichenen Zeit entfällt auf die Dauer des Strafverfahrens beim Landesgericht für Strafsachen Wien. Darüber hinaus übersieht der Beschwerdeführer, dass im Rahmen der Wertung nach § 7 Abs. 5 FSG nicht die seit der Tat verstrichene Zeit allein, sondern auch das Verhalten während dieser Zeit zu beurteilen ist. Der Beschwerdeführer hat nach der Aktenlage am 19. Februar 2000 eine Übertretung nach § 1 Abs. 3 FSG begangen, deretwegen er rechtskräftig bestraft worden ist. Diese Übertretung war zudem die Grundlage für die mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 5. Februar 2001 erfolgte Entziehung der Lenkberechtigung für die Dauer vom 7. Dezember 2000 bis 7. Juni 2001, nachdem dem Beschwerdeführer zuvor bereits mit dem rechtskräftigen Vorstellungsbescheid der Erstbehörde vom 6. Oktober 1999 wegen wiederholter Begehung von Alkoholdelikten die Lenkberechtigung für die Dauer von 18 Monaten (für die Zeit vom 6. Juni 1999 bis 6. Dezember 2000) entzogen worden war.
Der Beschwerdeführer räumt ein, dass dem Umstand allein, dass eine Freiheitsstrafe bedingt nachgesehen wird (§ 43 StGB), für die Beurteilung der Verkehrszuverlässigkeit keine entscheidende Bedeutung zukommt, sondern dass es wesentlich auf die in § 7 Abs. 5 FSG genannten Wertungskriterien ankommt. Einzelne im Rahmen der bedingten Strafnachsicht vom Gericht berücksichtigte Umstände können allerdings bei der Wertung von Bedeutung sein (siehe dazu das hg. Erkenntnis vom 20. September 2001, Zl. 2000/11/0235). Im vorliegenden Fall ist nicht erkennbar, welche der vom Gericht berücksichtigten Gesichtspunkte zugunsten des Beschwerdeführers ins Gewicht fallen könnten. Dem vom Landesgericht für Strafsachen Wien in seinem Urteil vom 18. August 2000 berücksichtigten umfassenden und reumütigen Geständnis, das als einziger Milderungsgrund angeführt wurde, kommt im gegebenen Zusammenhang angesichts der wiederholten Rückfälligkeit des Beschwerdeführers keine ins Gewicht fallende Bedeutung zu.
Soweit der Beschwerdeführer rügt, die belangte Behörde habe - ausgenommen die Straftaten, derentwegen er mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 18. August 2000 rechtskräftig verurteilt wurde - keine näheren Feststellungen zu den von ihm begangenen Straftaten getroffen, zeigt er die Relevanz des von ihm behaupteten Feststellungsmangels nicht auf, weil sein Vorbringen nicht erkennen lässt, welche zu seinen Gunsten sprechenden Umstände im Rahmen der Wertung hätten berücksichtigt werden können. Gleiches gilt auch für die von ihm behauptete Verletzung des Parteiengehörs, weil einerseits nicht konkret dargetan wird, zu welchen Ergebnissen von Beweisaufnahmen dem Beschwerdeführer Parteiengehör hätte gewährt werden müssen, und andererseits nicht ausgeführt wird, was der Beschwerdeführer im Falle des Parteiengehörs vorgebracht hätte.
Aus den dargelegten Erwägungen kann die Auffassung der belangten Behörde, der Beschwerdeführer sei auch noch im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides verkehrsunzuverlässig gewesen, nicht als rechtswidrig erkannt werden. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 26. Februar 2002
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2001110379.X00Im RIS seit
17.05.2002