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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AsylG 1968 §2 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski und Dr. Sulzbacher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hohenecker, über die Beschwerde der am 20. September 1990 geborenen S M in Wien, vertreten durch Dr. Herbert Pochieser, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Schottenfeldgasse 2-4/II/23, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 17. Dezember 1998, Zl. 206.266/0-IX/25/98, betreffend Asylgewährung, den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Beschwerde wird als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 41,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin wurde am 20. September 1990 in Wien als Tochter iranischer Staatsangehöriger, die sich damals als Asylwerber in Bundesbetreuung (nach dem damals geltenden Bundesgesetz über die Bundesbetreuung für Asylwerber BGBl. Nr. 452/1990) befanden, geboren. Über Antrag der Mutter als gesetzliche Vertreterin vom 8. Oktober 1990 wurde auch die Beschwerdeführerin in die Bundesbetreuung aufgenommen. Eine "gesonderte" Asylantragstellung erfolgte "anlässlich der Geburt" nicht. Dazu erklärte die Mutter in einer Niederschrift am 15. November 1995 vor dem Bundesasylamt, sie sei der Meinung gewesen, ihre Tochter werde "automatisch" nach der Aufnahme in die Bundesbetreuung in ihrem Asylverfahren berücksichtigt. Auf jeden Fall habe sie für ihre Tochter einen Asylantrag stellen wollen.
Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 20. November 1995 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin "auf Gewährung von Asyl vom 08.10.1990 ... gemäß § 3 des Asylgesetzes 1991, BGBl. Nr. 8/1992, abgewiesen." Die Erstbehörde vertrat den Standpunkt, mit dem Antrag auf Aufnahme in die Bundesbetreuung sei auch ein Antrag auf Asylgewährung gestellt worden. Unter Bezugnahme auf § 3 des Asylgesetzes 1991 führte sie dazu in rechtlicher Hinsicht aus, dem Vorbringen der Beschwerdeführerin könne nicht entnommen werden, dass sie konkrete Verfolgung oder Furcht vor Verfolgung aus den im Asylgesetz 1991 zitierten Gründen befürchte, sodass ihr demnach auch nicht Asyl gewährt werden könne.
Die gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung begründete die Beschwerdeführerin wie folgt:
"Da ich ein kleines in Österreich geborenes Kind bin, habe ich natürlich keine eigenen Fluchtgründe; meine Mutter hat für mich daher einen Antrag gem. § 4 und nicht gem. § 3 gestellt, wobei sie diese Paragraphen natürlich nicht kannte, ihr Vorhaben aber der Behörde aus den gegebenen Umständen hätte erkennen können.
Das Asylverfahren meiner Mutter ist noch nicht abgeschlossen; aus diesem Grunde konnte auch der Antrag gem. § 4 nicht abgewiesen werden.
Aus allen diesen Gründen beantrage ich, den Bescheid aufzuheben."
Mit dem angefochtenen Bescheid hat der - nachdem der Berufungsbescheid des Bundesministers für Inneres vom 19. August 1996 infolge der dagegen erhobenen Verwaltungsgerichtshofbeschwerde gemäß § 44 Abs. 2 des Asylgesetzes 1997 am 1. Jänner 1998 außer Kraft getreten war (hg. Beschluss vom 29. Oktober 1998, Zl. 96/20/0899) - gemäß § 44 Abs. 1 AsylG zuständig gewordene unabhängige Bundesasylsenat den erstinstanzlichen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien "in Erledigung der Berufung" behoben. Begründend führte die belangte Behörde erkennbar unter Bezugnahme auf § 10 Abs. 1 Z 1 des Asylgesetzes 1991, mit dessen Inkrafttreten am 1. Juni 1992 das Bundesasylamt als Asylbehörde erster Instanz (in Unterordnung unter dem Bundesminister für Inneres) errichtet worden war, einerseits aus, zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung am 20. November 1995 (richtig: 22. November 1995) sei die Sicherheitsdirektion (für die Entscheidung über einen Asylantrag) in jedem Fall unzuständig gewesen. Andererseits lasse sich aus dem vorliegenden Akteninhalt eine Antragstellung auf Gewährung von Asyl mit 8. Oktober 1990 nicht feststellen. Der "ausgewiesene Neuzugang" beziehe sich lediglich auf die Bundesbetreuung, eine Niederschrift hinsichtlich eines Antrages auf Asylgewährung finde sich nicht. Es sei daher kein am 1. Juni 1992 in erster Instanz anhängiges Verfahren im Sinne des § 25 Abs. 1 des Asylgesetzes 1991, das nach der bis dahin geltenden Rechtslage zu Ende zu führen gewesen wäre, vorgelegen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die am 27. April 1999 zur Post gegebene Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.
Nach Einleitung des Vorverfahrens hat die belangte Behörde mit Eingabe vom 3. Dezember 2001 einen Bescheid der Wiener Landesregierung über die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft an den Vater der Beschwerdeführerin und über deren Erstreckung auf die Beschwerdeführerin vorgelegt. Dem Beschwerdevertreter wurde die Möglichkeit zur Stellungnahme dahin, ob und inwieweit im Hinblick auf diese Staatsbürgerschaftsverleihung noch ein (rechtliches) Interesse an einer Entscheidung über die gegenständliche Beschwerde bestehe, mit dem Hinweis eingeräumt, wenn keine fristgerechte Äußerung erfolge, gehe der Verwaltungsgerichtshof davon aus, dass ein solches Interesse mittlerweile weggefallen und die Beschwerde gegenstandslos geworden sei.
Eine Äußerung erfolgte nicht.
Im Hinblick darauf, dass der Beschwerdeführerin nunmehr die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen worden ist, ist für den Verwaltungsgerichtshof nicht ersichtlich, welche praktische Bedeutung die Entscheidung über die Beschwerde für diese noch haben sollte. Für die Beschwerdeführerin besteht kein rechtliches Interesse an einer Sacherledigung des Verwaltungsgerichtshofes in der vorliegenden Beschwerdesache. Die Beschwerde war daher in sinngemäßer Anwendung des § 33 Abs. 1 VwGG als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen (siehe zu vergleichbaren Sachverhalten die hg. Beschlüsse vom 14. Dezember 2000, Zl. 2000/20/0168, vom 13. Mai 1998, Zl. 97/01/0468, und vom 11. November 1997, Zl. 96/01/0275, mwN).
Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf § 58 Abs. 2 VwGG in Verbindung mit §§ 47 ff VwGG unter Bedachtnahme auf die VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001. Die nach der erstzitierten Bestimmung vorzunehmende hypothetische Prüfung des Beschwerdeerfolgs ergibt aus den nachstehenden (zusammengefasst dargestellten) Erwägungen, dass die Beschwerde bei einer inhaltlichen Behandlung als unbegründet abgewiesen worden wäre:
Die Beschwerdeführerin meint, in ihrem Recht auf eine Sachentscheidung und in ihrem Recht auf Asylgewährung verletzt zu sein. Begründend führt sie dazu im Wesentlichen aus, dass "die Beantragung der Bundesbetreuung die Stellung eines Asylantrages in sich begreift", weil eine Bundesbetreuung ohne Asylantragstellung nicht denkbar sei. Es habe schon der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zum Asylgesetz 1968 entsprochen, dass ein Asylantrag dann gestellt sei, wenn ein Fremder auf welche Weise immer zu erkennen gebe, in Österreich Schutz vor Verfolgung zu suchen. Die ersatzlose Behebung des Bescheides der Sicherheitsdirektion sei sohin nicht rechtmäßig; vielmehr hätte die belangte Behörde in eine meritorische Behandlung der Berufung einzutreten gehabt.
Diese Ausführungen sind im Ergebnis nicht berechtigt.
Der belangten Behörde kann zwar dahin nicht zugestimmt werden, dass die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien zur Entscheidung über einen Asylantrag - unterstellt man, dass dieser am 8. Oktober 1990, sohin vor Inkrafttreten des Asylgesetzes 1991 (am 1. Juni 1992) eingebracht wurde - nicht zuständig gewesen wäre. Nach der Übergangsbestimmung des § 25 Abs. 1 des Asylgesetzes 1991 waren nämlich alle am 1. Juni 1992 in erster Instanz anhängigen Verfahren nach der bis zum Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes geltenden Rechtslage, sohin nach dem Asylgesetz 1968, zu Ende zu führen und es hatte daher über einen solchen Asylantrag in erster Instanz die (jeweils zuständige) Sicherheitsdirektion zu entscheiden (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 12. März 1998, Zl. 96/20/0244, mit dem Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 31. März 1993, Zl. 92/01/0831; vgl. insoweit auch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 16. Dezember 1992, B 1387/92, 1542/92, VfSlg. 13.315).
Für den vorliegenden Fall stellt sich daher die Frage, ob für die Beschwerdeführerin von ihrer Mutter am 8. Oktober 1990 tatsächlich ein Asylantrag gestellt wurde, was nach der damals maßgeblichen Rechtslage nach dem Asylgesetz 1968 zu beurteilen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. April 1999, Zlen. 98/20/0322, 0323). Die Erstbehörde bejahte zwar das Vorliegen eines Asylantrages, hat diesen aber mangels Geltendmachung von Asylgründen abgewiesen. Die belangte Behörde hingegen verneinte eine wirksame Asylantragstellung und behob daher diesen, über einen - ihrer Meinung nach - gar nicht gestellten Antrag ergangenen Bescheid. Das ist vom Verwaltungsgerichtshof im vorliegenden Fall - selbst wenn man wie die Beschwerde unter Berufung auf die Ausführungen von Steiner, Österreichisches Asylrecht, Seite 10f, zum Asylgesetz 1968 von der Möglichkeit einer konkludenten Asylantragstellung ausgeht - aber nicht zu beanstanden, weil ein Antrag auf Aufnahme in die Bundesbetreuung primär nur die Sicherstellung der (materiellen) Versorgung zum Ziel hat und deshalb nicht ohne weiteres einen sicheren, in jedem Fall zutreffenden Schluss auf ein damit auch gestelltes Asylbegehren zulässt. Wenn daher - wie hier - bei einem in Österreich geborenen Kleinkind die Voraussetzungen für die Flüchtlingseigenschaft nicht von vornherein erkennbar sind, so kann ein von dessen Mutter gestellter bloßer Antrag auf Aufnahme in die Bundesbetreuung nicht als (schlüssige) Asylantragstellung im Sinne des § 2 Abs. 1 des Asylgesetzes 1968 angesehen werden. Diese Auffassung entspricht auch der Meinung in der Berufung, insoweit die Beschwerdeführerin dem gegenteiligen Standpunkt der Erstbehörde ausdrücklich entgegengehalten hat, sie habe mangels Vorliegens "eigener Fluchtgründe" keinen (mit der Bezugnahme auf § 3 des Asylgesetzes 1991 wird verdeutlicht: eigenen) Asylantrag stellen wollen. Unter diesen Umständen kann aber diesbezüglich keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides, der somit insoweit dem Standpunkt in der Berufung folgt, erkannt werden, zumal die Asylbehörden auch der in der Berufung - ungeachtet dessen, dass § 4 des Asylgesetzes 1991 im Oktober 1990 noch nicht dem Rechtsbestand angehörte und das Asylgesetz 1968 eine vergleichbare Bestimmung nicht enthielt - begehrten (Um)Deutung in einen (nach Auffassung der Beschwerdeführerin schon durch das Ersuchen um Aufnahme in die Bundesbetreuung implizit gestellten) Asylausdehnungsantrag ohnehin Rechnung getragen haben, und zwar indem sie dieses Vorbringen als (Neu)Antrag in diesem Sinn werteten und nach einem AIS-Speicherauszug in den vorgelegten Akten mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 9. September 1996 erledigten.
Zur Vollständigkeit sei noch angemerkt, dass auch die - in der Beschwerde relevierte - meritorische Behandlung eines Asylantrages nicht zum Erfolg geführt hätte, weil schon die Behörde erster Instanz zutreffend erkannt hat, dass dem Vorbringen der Beschwerdeführerin keine Asylgründe zu entnehmen sind, und deren Nichtvorliegen in der Berufung auch ausdrücklich zugestanden wird.
Wien, am 26. Februar 2002
Schlagworte
Besondere RechtsgebieteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:1999200196.X00Im RIS seit
27.05.2002