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L8 Boden- und VerkehrsrechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Verfassungswidrigkeit einer weiteren Regelung der Nö BauO betreffend Amnestie für SchwarzbautenSpruch
1. §113 Abs2c der NÖ Bauordnung 1976, LGBl. für das Land Niederösterreich 8200-13, war verfassungswidrig.
2. Der Landeshauptmann von Niederösterreich ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches im Landesgesetzblatt verpflichtet.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I.1. Beim Verfassungsgerichtshof ist zu B4743/96 eine Beschwerde anhängig, der folgender Sachverhalt zugrundeliegt:
Mit (Vorstellungs)Bescheid der niederösterreichischen Landesregierung vom 17. Mai 1995 wurde dem Beschwerdeführer aufgetragen, ein in seinem Eigentum befindliches Gebäude (das auch nach den Angaben des Beschwerdeführers nie baubehördlich bewilligt wurde) abzubrechen, da Gebäude auf Grundstücken, für die im Flächenwidmungsplan die Widmung "Grünland-Landwirtschaft" vorgesehen ist, nur dann errichtet werden dürfen, wenn sie für die entsprechende Nutzung notwendig sind; diese Voraussetzung sei im vorliegenden Fall nicht gegeben. (Dieser Bescheid wurde bei den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts nicht bekämpft.)
Mit Schreiben vom 20. Juli 1995 suchte der Beschwerdeführer beim Bürgermeister der Marktgemeinde Raxendorf "um eine Dispens von der Baubewilligung" an.
Am 25. Juli 1995 ersuchte der Bürgermeister die Bezirkshauptmannschaft Melk um Vollstreckung des rechtskräftigen Abbruchsauftrages.
Mit Bescheid des Bürgermeisters vom 8. Februar 1996 wurde das Dispensersuchen als unzulässig zurückgewiesen.
Die dagegen erhobene Berufung wurde mit Bescheid des Gemeinderates abgewiesen. Dies im Wesentlichen mit der Begründung, dass die Novelle zur NÖ Bauordnung mit der §113 Abs2a bis 2c ("Amnestie für Schwarzbauten") eingefügt wurden, erst am 22. September 1995 in Kraft getreten sei; diese Bestimmungen seien nur für nach diesem Zeitpunkt gestellt Anträge anwendbar.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 3. Oktober 1996 gab die Niederösterreichische Landesregierung der vom Beschwerdeführer dagegen erhobenen Vorstellung mit der Begründung keine Folge, dass eine positive Entscheidung im Sinne des Antragstellers "vor dem 22. September 1995 mangels einer rechtswirksamen Rechtsgrundlage noch nicht und nach dem 22. September 1995 - entsprechend §113 Abs2c der NÖ Bauordnung 1976 - wegen des zwischenzeitigen eingebrachten Vollstreckungsersuchens an die Bezirkshauptmannschaft ... nicht mehr zulässig" sei.
2. Die Abs2a bis 2c des §113 NÖ Bauordnung 1976, LGBl. 8200-13 lauten wie folgt::
"(2a) Die Anordnung des Abbruches eines wegen Widerspruches zum Flächenwidmungsplan nicht genehmigungsfähigen Gebäudes hat zu entfallen, wenn
o das Gebäude vor dem 29. Juni 1995 so weit
fertiggestellt wurde, daß der Grundriß und der beabsichtigte Verwendungszweck erkennbar war;
o die Ausführung gemäß dem beabsichtigten Verwendungszweck
den im Zeitpunkt des Baubeginns geltenden bautechnischen Vorschriften entspricht oder
o das Gebäude innerhalb angemessener Frist jedoch
längstens innerhalb eines Jahres fertiggestellt bzw. den bautechnischen Vorschriften ohne Durchführung eines Zubaues angepaßt wird;
o für das Grundstück kein Bauverbot gemäß §20 Abs2
Z3 besteht und
o bis zum 31. Dezember 1999 ein Antrag gemäß Abs2b
gestellt wird.
(2b) Das Zutreffen dieser Voraussetzungen ist von der Baubehörde mittels Feststellungsbescheid über Antrag festzustellen. Diesem Antrag sind die erforderlichen Antragsbeilagen (§§96 und 97) anzuschließen.
Der Zeitpunkt des Baubeginns ist der Baubehörde nachzuweisen. Dem Feststellungsbescheid hat die Durchführung eines Ortsaugenscheines unter Beiziehung von Sachverständigen und Anrainern voranzugehen. Anrainer haben Parteistellung im Rahmen des §118 Abs8 und 9.
Dieser Bescheid berechtigt zur Benützung des Gebäudes und gilt nicht als baubehördliche Bewilligung. Eine zukünftige Instandsetzung solcher Gebäude ist nur im Rahmen des §92 Abs1 Z4, sonstige Veränderungen sind nur im Rahmen des §95 zulässig.
(2c) Ein Antrag nach Abs2b kann nicht mehr gestellt werden, wenn von der Baubehörde bereits um die Vollstreckung eines Abbruchbescheides angesucht wurde."
3. Aus Anlass der zu B4743/96 protokollierten Beschwerde hat der Verfassungsgerichtshof beschlossen, die Verfassungsmäßigkeit des §113 Abs2c der NÖ Bauordnung 1976; LGBl. für das Land Niederösterreich 8200-13, von Amts wegen zu prüfen.
In seinem Prüfungsbeschluss ging der Verfassungsgerichtshof vorläufig davon aus, dass die Beschwerde zulässig sei und er bei ihrer Behandlung die zitierte Gesetzesbestimmung anzuwenden hätte.
Der Gerichtshof ging weiters davon aus, dass diese Bestimmung auf den Abs2b des §113 NÖ Bauordnung verweist, welche Vorschrift ihrerseits an den Inhalt des Abs2a anknüpft. Im Hinblick darauf hegte der Verfassungsgerichtshof gegen §113 Abs2c NÖ Bauordnung 1976 die selben verfassungsrechtlichen Bedenken, die ihn zur Prüfung des §113 Abs2a und 2b NÖ Bauordnung 1976 mit Beschluss vom 25. Juni 1998, B787/98 veranlassten.
4. Die Niederösterreichische Landesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie mit näherer Begründung den verfassungsrechtlichen Bedenken entgegentritt.
II.1. Die zu B4743/96 protokollierte Beschwerde ist gemäß Art144 B-VG zulässig. Der in diesem Verfahren angefochtene Bescheid stützt sich auf §113 Abs2c NÖ Bauordnung.
2. Mit Erkenntnis vom 3. März 1999 G132/98 hat der Verfassungsgerichtshof festgestellt, dass die Bestimmungen des §113 Abs2a und 2b NÖ Bauordnung 1976, LGBl. 8200-13, wegen Widerspruches gegen den auch den Gesetzgeber bindenden Gleichheitssatz verfassungswidrig waren. Die hier in Prüfung gezogene Bestimmung verweist auf den Abs2b des §113 NÖ Bauordnung, welche Vorschrift ihrerseits an den Inhalt des Abs2a anknüpft. Im Hinblick darauf treffen auf die hier in Prüfung gezogene Bestimmung die selben verfassungsrechtlichen Bedenken zu, die zu dem oben erwähnten Ausspruch der Verfassungswidrigkeit des §113 Abs2a und 2b NÖ Bauordnung führten.
Anders als die NÖ Landesregierung meint kommt es dabei nicht darauf an, ob die in der in Prüfung gezogenen Bestimmung vorgesehene Differenzierung zwischen jenen Fällen, in denen die Baubehörde bereits um die Vollstreckung eines Abbruchbescheides angesucht hatte, und jenen, in denen dies noch nicht der Fall war, aus der Sicht des Gleichheitssatzes bedenklich ist. Entscheidend ist vielmehr der Umstand, dass die hier in Prüfung gezogene Bestimmung auf die mit dem oben erwähnten Erkenntnis als verfassungswidrig erkannten Bestimmungen des §113 Abs2a und 2b NÖ Bauordnung verweist und daher in der selben Weise zu beurteilen ist.
Somit ist - im Hinblick auf das Außerkrafttreten der in Prüfung gezogenen Bestimmung mit 31. Dezember 1996 (vgl. §78 Abs3 NÖ Bauordnung 1996) - festzustellen, dass §113 Abs2c NÖ Bauordnung verfassungswidrig war.
3. Die Verpflichtung des Landeshauptmannes von Niederösterreich zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches stützt sich auf Art140 Abs5 erster Satz B-VG.
4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG 1953 ohne vorangegangene Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
Baurecht, Baubewilligung, FlächenwidmungsplanEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1999:G232.1998Dokumentnummer
JFT_10009690_98G00232_00