TE Vwgh Beschluss 2002/2/27 2001/13/0231

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Veröffentlicht am 27.02.2002
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
27/01 Rechtsanwälte;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

BAO §103 Abs2;
RAO 1868 §8 Abs1;
VwGG §27 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Fuchs, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. iur. Mag. (FH) Schärf, in der Beschwerdesache der C-Ges.m.b.H. in W, vertreten durch Dr. Johannes Patzak und Dr. Johannes Krauss, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Johannesgasse 16, gegen die Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in Abgabensachen, den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 332 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Im Unternehmen der Beschwerdeführerin fand eine Buch- und Betriebsprüfung im Sinne des § 147 Abs. 1 BAO, betreffend u.a. Umsatzsteuer, Körperschaftsteuer und Kapitalertragsteuer für die Jahre 1995 bis 1997, und eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung im Sinne des § 151 Abs. 1 BAO für den Zeitraum Jänner 1998 bis Februar 2000 statt. In der Niederschrift über die Schlussbesprechung über das Ergebnis der Buch- und Betriebsprüfung nach § 149 Abs. 1 BAO vom 6. April 2000 werden als Vertreter der beschwerdeführenden Partei die nunmehr als Beschwerdevertreter auftretenden Rechtsanwälte mit dem Beisatz "Bevollmächtigung ausschließlich für das o. a. Verfahren" angeführt; am Ende der Niederschrift findet sich noch folgender Vermerk:

"Die Zustellung des Berichtes bzw. der Bezug habenden Bescheide ist ausschließlich an die Rechtsanwaltskanzlei (Beschwerdevertreter) gem. dem Antrag von (Beschwerdevertreter) in der Schlussbesprechung vom 6.4.2000 vorzunehmen."

Gleichfalls am 6. April 2000 fand eine Besprechung über das Ergebnis der Umsatzsteuer-Sonderprüfung gemäß § 151 Abs. 3 BAO statt, wobei die darüber aufgenommene Niederschrift auch die als Beschwerdevertreter auftretenden Rechtsanwälte als Vertreter der Beschwerdeführerin nennt und ebenfalls den oben wiedergegebenen Vermerk über die Zustellung "des Berichtes bzw. der Bezug habenden Bescheide" an die Kanzlei der Beschwerdevertreter enthält.

In den dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Verwaltungsakten liegt eine mit dem 28. November 1997 datierte Vollmacht ein, mit welcher die Beschwerdeführerin einen Steuerberater zu ihrer steuerlichen Vertretung bevollmächtigt hat. Der im Urkundenvordruck enthaltene Text über die Erteilung der Ermächtigung des Steuerberaters zum Empfang von Schriftstücken der Abgabenbehörde, welche nunmehr ausschließlich dem Bevollmächtigten zuzustellen seien, ist in der betroffenen Vollmachtsurkunde durchgestrichen.

Die im Ergebnis der abgabenbehördlichen Prüfungen vom Finanzamt erlassenen Wiederaufnahme- und Abgabenbescheide wurden an die Beschwerdeführerin zu Handen eines der Beschwerdevertreter adressiert und diesem zugestellt. Mit einem beim Finanzamt am 6. Juni 2000 eingelangten Schriftsatz erhob einer der Beschwerdevertreter namens der Beschwerdeführerin gegen die im Ergebnis der abgabenbehördlichen Prüfungen ergangenen Bescheide Berufung, wobei der Berufungsschriftsatz in seinem Rubrum den Vermerk "Vollmacht erteilt" aufwies.

Mit der vorliegenden Säumnisbeschwerde wird von der Beschwerdeführerin die Verletzung der Entscheidungspflicht der belangten Behörde über die von ihr mit dem am 6. Juni 2000 beim Finanzamt eingelangten Schriftsatz erhobenen Berufungen geltend gemacht.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Zurückweisung der Säumnisbeschwerde mit dem durch zwei gesonderte Schriftsätze erstatteten Vorbringen beantragt, die vom Säumnisvorwurf betroffenen Berufungen seien mit Berufungsvorentscheidungen des Finanzamtes vom 21. September 2000, 24. Oktober 2000, 21. Dezember 2000 und in einem Fall durch Zurückweisungsbescheid des Finanzamtes vom 21. Dezember 2000 allesamt schon vor Erhebung der Säumnisbeschwerde erledigt worden, weshalb die der belangten Behörde vorgeworfene Verletzung der Entscheidungspflicht nicht vorliege. Eine Zustellung der die Berufung erledigenden Bescheide des Finanzamtes sei nicht an die Beschwerdevertreter, sondern an die Beschwerdeführerin selbst erfolgt, weil die Beschwerdevertreter ihre Bevollmächtigung durch die Beschwerdeführerin auf das Betriebsprüfungsverfahren und die Umsatzsteuer-Sonderprüfung eingeschränkt und ausdrücklich erklärt hätten, dass für andere steuerliche Angelegenheiten die Vollmacht des Steuerberaters weiterhin aufrecht sei; dessen Vollmacht enthalte aber keine Zustellbevollmächtigung. Mangels Abgabe der im § 103 Abs. 2 BAO vorgesehenen Erklärung durch die Beschwerdevertreter sei die unmittelbare Zustellung der die Berufungen erledigenden Bescheide nach der verwaltungsgerichtlichen Judikatur (Hinweis auf den hg. Beschluss vom 15. Dezember 1994, 94/15/0110) als wirksam anzusehen.

Die Beschwerdeführerin tritt diesem Vorbringen der belangten Behörde vor dem Verwaltungsgerichtshof mit dem Einwand entgegen, der Hinweis der Beschwerdevertreter, lediglich für das Betriebsprüfungsverfahren und die Umsatzsteuer-Sonderprüfung bevollmächtigt zu sein, habe lediglich klarstellen sollen, dass durch das Einschreiten der Rechtsanwälte die dem Steuerberater erteilte Vollmacht nicht aufgehoben sei. Es habe eben vermieden werden sollen, dass das laufende Geschäft dem Steuerberater entzogen werde, während der Rechtsanwalt ausschließlich im Verfahren über die Betriebsprüfung bevollmächtigt habe sein sollen. Zum damaligen Zeitpunkt sei ein Berufungsverfahren ja noch nicht anhängig gewesen. Die Abgabenverwaltung habe den Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin ganz offensichtlich umgehen wollen und habe ihn auch tatsächlich umgangen, was im Grunde des § 13 Abs. 4 Zustellgesetz den von der belangten Behörde ins Treffen geführten Erledigungen der erhobenen Berufungen die Wirkung nehmen müsse. Die Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin hätten sich stets auf die erteilte Vollmacht berufen, die bekämpften erstinstanzlichen Bescheide seien auch zu Handen des Rechtsanwaltes ordnungsgemäß zugestellt worden, welcher auch Buchungsmitteilungen und damit selbst solche Erledigungen erhalten habe, für die das Vollmachtsverhältnis mit dem Steuerberater jedenfalls noch aufrecht gewesen sei. Die belangte Behörde habe deshalb als säumig zu gelten.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem nach § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Nach der Bestimmung des § 103 Abs. 2 BAO ist eine Zustellbevollmächtigung Abgabenbehörden gegenüber unwirksam, wenn sie sich nicht auf alle dem Vollmachtgeber zugedachten Erledigungen erstreckt, die im Zuge eines Verfahrens ergehen oder Abgaben betreffen, hinsichtlich derer die Gebarung gemäß § 213 zusammengefasst verbucht wird.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. neben dem von der belangten Behörde ins Treffen geführten hg. Beschluss vom 15. Dezember 1994, 94/15/0110, auch die hg. Beschlüsse vom 8. März 1994, 93/14/0174, vom 8. Juni 1995, 93/14/0197, 0198, vom 17. September 1997, 97/13/0014, vom 10. Dezember 1997, 97/13/0212, vom 28. Jänner 1998, 95/13/0273, vom 24. Juni 1999, 97/15/0131, und vom 17. Dezember 2001, 97/14/0105) ist in den Fällen des § 103 Abs. 2 BAO die Abgabenbehörde nur dann zur Zustellung von Erledigungen an einen gewillkürten Vertreter verpflichtet, wenn dieser die ausdrückliche Erklärung abgibt, dass dem Bevollmächtigten alle dem Vollmachtgeber zugedachten Erledigungen zuzustellen sind, die im Zuge eines Verfahrens ergehen oder solche Abgaben betreffen, hinsichtlich derer die Gebarung gemäß § 213 BAO zusammengefasst verbucht wird, was auch im Falle des Einschreitens eines Rechtsanwaltes ungeachtet des Umstandes gilt, dass gemäß § 8 Abs. 1 letzter Satz RAO die Berufung auf die Bevollmächtigung deren urkundlichen Nachweis ersetzt.

Ungeachtet der im Schrifttum an dieser Rechtsprechung geübten Kritik (siehe Ritz, Kommentar zur Bundesabgabenordnung2, Tz 8 zu § 103 BAO) hält der Verwaltungsgerichtshof am eingenommenen Standpunkt fest. Der an diesem Standpunkt geübten Kritik ist einzuräumen, dass das vom Gerichtshof aus der Vorschrift des § 103 Abs. 2 BAO abgeleitete Erfordernis eines Vollumfanges der Zustellbevollmächtigung hinsichtlich solcher Abgaben, für welche die Gebarung gemäß § 213 BAO zusammengefasst verbucht wird, in solchen Fällen zu einem dem Willen des Abgabepflichtigen und seines Vertreters widersprechenden Ergebnis führt, in denen dem einschreitenden Vertreter die Tragweite der Norm des § 103 Abs. 2 BAO nicht ausreichend deutlich vor Augen steht. Zu diesen Fällen scheint auch der Beschwerdefall zu zählen, in welchem von der Beschwerdeführerin beklagt wird, dass die Anwendung des § 103 Abs. 2 BAO durch das Finanzamt auf eine ihrem erklärten Willen zuwiderlaufende Umgehung ihres Rechtsanwaltes hinausgelaufen sei. Dem aus der vom Verwaltungsgerichtshof zur Bestimmung des § 103 Abs. 2 BAO vertretenen Auffassung in Einzelfällen resultierenden Nachteil der im Beschwerdefall eingetretenen Art ist jedoch die auch aus den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage (162 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates, XV. GP, S 12) deutlich gewordene Absicht des Gesetzgebers entgegenzuhalten, für die in Massen ergehenden, weit gehend unter Einsatz der EDV-Anlage des Bundesrechenamtes erstellten Erledigungen eine verwaltungsökonomisch praktizierbare Regelung zu treffen. Der Gesetzgeber wollte mit der Bestimmung des § 103 Abs. 2 BAO eben genau das Ergebnis einer solchen Aufspaltung der gesetzmäßigen Zustelladressaten vermeiden, wie sie der Beschwerdeführerin im Beschwerdefall vorgeschwebt ist, indem sie bestimmte Geschäftsstücke an ihren Rechtsanwalt, andere aber wieder nicht an diesen zugestellt wissen wollte.

Dass es sich im Beschwerdefall um Abgaben handelt, hinsichtlich derer die Gebarung gemäß § 213 BAO zusammengefasst verbucht wird (im Wesentlichen Umsatz- und Körperschaftsteuer samt Nebenansprüchen), ist nicht zweifelhaft. Eine Zustellbevollmächtigung im Sinne des § 103 Abs. 2 BAO hat der Beschwerdevertreter der Abgabenbehörde nicht erklärt und wollte er, wie dies aus seinem Vorbringen im verwaltungsgerichtlichen Verfahren deutlich wird, auch nicht übernehmen. Mit der erklärten Beschränkung des Bevollmächtigungsverhältnisses konnte aber im Grunde des § 103 Abs. 2 BAO eine wirksame Zustellvollmacht nicht begründet werden (siehe hiezu die dem Beschwerdefall völlig vergleichbare Konstellation des bereits zitierten hg. Beschlusses vom 17. September 1997, 97/13/0014).

Das auch durch den Inhalt der Verwaltungsakten dokumentierte Ergehen der in den Schriftsätzen der belangten Behörde genannten, die Berufungen der Beschwerdeführerin erledigenden Bescheide durch die im Einklang mit der Aktenlage von der belangten Behörde dargetane Erlassung gegenüber der beschwerdeführenden Partei als Bescheidadressaten wird von der Beschwerdeführerin vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht in Abrede gestellt. Mangels wirksam begründeter Zustellbevollmächtigung der Beschwerdevertreter und mangels Bestehens einer Zustellbevollmächtigung des Steuerberaters wurde die behördliche Entscheidungspflicht mit dem Ergehen der von der belangten Behörde angeführten Erledigungen in der beschriebenen Weise demnach zu Zeitpunkten erfüllt, die vor der Erhebung der Säumnisbeschwerde gelegen waren.

Dies nahm der Beschwerdeführerin die Berechtigung zur Erhebung der Säumnisbeschwerde, weshalb die Beschwerde gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere auf die Bestimmung des § 51 VwGG, in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 27. Februar 2002

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2001130231.X00

Im RIS seit

24.06.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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