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41/02 Melderecht;Norm
MeldeG 1991 §1 Abs7;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Thalhammer, über die Beschwerde des Bürgermeisters der Bundeshauptstadt Wien gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 12. März 2001, Zl. 600.819/5- II/13/01, betreffend Reklamationsverfahren nach § 17 Abs. 2 Z. 2 Meldegesetz (mitbeteiligte Parteien: 1. Bürgermeister der Marktgemeinde Nötsch im Gailtal, 2. Jutta Pipp in Wien II, Darwingasse 20/8A, bzw. in Nötsch im Gailtal 190), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 41,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die am 20. Feber 1967 geborene, ledige Zweitmitbeteiligte ist seit Geburt mit Hauptwohnsitz in der Gemeinde des erstmitbeteiligten Bürgermeisters (Nötsch im Gailtal, kurz: N) gemeldet. Seit 10. März 1989 ist sie mit weiterem Wohnsitz in Wien gemeldet, wo sie berufstätig ist. In einer Stellungnahme vom 6. März 2000 an die belangte Behörde (es handelt sich um ein formularmäßiges Erhebungsblatt zur Feststellung des Hauptwohnsitzes) gab sie an, sie sei seit 15. März 2000 arbeitslos. Sie halte sich in N etwa 165 Tage im Jahr auf (Wochenende, Urlaub, Zeitausgleich), in Wien hingegen etwa 200 Tage im Jahr, und zwar werktags (sie merkte in diesem Zusammenhang an: "Wochenpendlerin"). In N bewohne sie das Haus, in dem sie aufgewachsen sei, welches sich seit 1993/94 in ihrem Besitz befinde und von ihr erhalten werden müsse (Familienmitglieder als Mitbewohner werden nicht angegeben). Dort befinde sich ihre "gesamte bewegliche oder unbewegliche Habe". In N wohnten auch ihre Mutter und ein Bruder, die dort mit Hauptwohnsitz gemeldet seien. In Wien wohne sie bei ihrer Schwester (Unterkunft "in Form eines Zimmers + Mitbenutzung von Bad, Küche"), dort wohnten auch ihre Schwester und ein (weiterer) Bruder, die beide in Wien nicht mit Hauptwohnsitz gemeldet seien. In Wien wohne ein (weiterer) Bruder, der ebenfalls nicht mit Hauptwohnsitz gemeldet sei. "Aktive gesellschaftliche Betätigungen" werden von ihr weder für N noch für Wien angegeben.
Der erstmitbeteiligte Bürgermeister brachte in einer Stellungnahme vom 31. Juli 2000 im Wesentlichen vor, die Zweitmitbeteiligte habe in N den Mittelpunkt ihrer Lebensbeziehungen. Sie besitze in N ein Eigenheim (verwiesen wird auf einen beigelegten Grundbuchsauszug, wonach die Zweimitbeteiligte das Eigentumsrecht an dieser Liegenschaft auf Grund eines Übergabsvertrages aus dem Jahr 1993 erworben hat), sie halte sich in Wien nur zwecks Berufsausübung auf. In der übrigen Zeit wohne sie in N und nehme in dieser Gemeinde an den kulturellen und gesellschaftlichen Ereignissen teil. In N wohnten auch ihre Mutter und ein Bruder.
Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde den Antrag des beschwerdeführenden Bürgermeisters auf Aufhebung des Hauptwohnsitzes der Zweitmitbeteiligten an der gemeldeten Adresse in N abgewiesen. Hiezu stellte sie fest, dass der Schwerpunkt der beruflichen Lebensbeziehungen der Zweitmitbeteiligten in Wien liege, der "Familienwohnsitz" und somit der gesellschaftliche Schwerpunkt ihrer Lebensbeziehungen liege hingegen eindeutig in N. Dort sei auch ihr soziales Umfeld konzentriert. Das subjektive Kriterium "überwiegendes Naheverhältnis", welches nur in der persönlichen Einstellung des Betroffenen zum Ausdruck komme, gebe daher im Beschwerdefall den Ausschlag.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt;
angesprochen wird der Vorlageaufwand.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im zulässigerweise eingeleiteten Reklamationsverfahren wird die bis dahin für den Hauptwohnsitz des Betroffenen ausschließlich maßgebliche "Erklärung" des Meldepflichtigen dahingehend "hinterfragt, ob der erklärte Hauptwohnsitz den in Art. 6 Abs. 3 B-VG (§ 1 Abs. 7 MeldeG) normierten objektiven Merkmalen entspricht" (siehe das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 26. September 2001, G 139/00-10, u.a.). Die Lösung der im Reklamationsverfahren maßgeblichen Rechtsfrage des Hauptwohnsitzes des Betroffenen hängt an dem materiell-rechtlichen Kriterium "Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen". Bei der Beurteilung dieses Tatbestandsmerkmales kommt es auf eine Gesamtschau an, bei welcher die nunmehr ausdrücklich in § 1 Abs. 8 MeldeG (in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 28/2001) genannten Bestimmungskriterien maßgeblich sind: Aufenthaltsdauer, Lage des Arbeitsplatzes oder der Ausbildungsstätte, Ausgangspunkt des Weges zum Arbeitsplatz oder zur Ausbildungsstätte, Wohnsitz der übrigen, insbesondere der minderjährigen Familienangehörigen und der Ort, an dem sie ihrer Erwerbstätigkeit nachgehen, ausgebildet werden oder die Schule oder den Kindergarten besuchen, Funktionen in öffentlichen und privaten Körperschaften.
Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 13. November 2001, Zl. 2001/05/0935, klargestellt, dass das subjektive Kriterium "überwiegendes Naheverhältnis", das nur in der persönlichen Einstellung des Betroffenen zum Ausdruck kommt, nur in den Fällen den Ausschlag gibt, in denen als Ergebnis des Ermittlungsverfahrens zwei oder mehrere "Mittelpunkte der Lebensbeziehungen" des Betroffenen hervorgekommen sind (also wenn ausnahmsweise zwei oder mehrere Wohnsitze des Betroffenen solche Mittelpunkte darstellen, wobei die vom Betroffenen vorgenommene Bezeichnung eines Hauptwohnsitzes allein nicht jedenfalls maßgeblich ist). Das Reklamationsverfahren wird nur dann für den antragstellenden Bürgermeister erfolgreich sein, wenn der Betroffene ein "überwiegendes Naheverhältnis" an einem Ort behauptet, an dem er keinen Mittelpunkt der Lebensbeziehungen (§ 1 Abs. 7 MeldeG) hat, mag er dort auch einen Wohnsitz im Sinne des § 1 Abs. 6 MeldeG haben. Der Verwaltungsgerichtshof hat in diesem Zusammenhang auch klargelegt, dass eine "absolute Sicherheit" über die Lebenssituation des Meldepflichtigen für die Evaluierung des zu beurteilenden Sachverhaltes nicht notwendig ist; der Gesetzgeber hat durch die Regelung des § 17 Abs. 3 MeldeG bewusst die in Rede stehenden Unschärfen aus rechtspolitischen Gründen in Kauf genommen (siehe dazu näher das genannte Erkenntnis vom 13. November 2001, Zl. 2001/05/0935, oder auch das weitere Erkenntnis vom selben Tag, Zl. 2001/05/0930).
Der Beschwerdefall ist dadurch gekennzeichnet, dass die Zweitmitbeteiligte nicht nur familiäre Beziehungen zu N hat, sondern auch dort Eigentümerin eines Hauses ist, womit diese familiäre Bindung durch eine bedeutende wirtschaftliche Beziehung zu N verstärkt wird. Vor diesem Hintergrund kann nicht gesagt werden, dass die Zweitmitbeteiligte in N keinen Mittelpunkt ihrer Lebensbeziehungen hätte (und nur daraus könnte der Beschwerdeführer etwas für seinen prozessualen Standpunkt gewinnen).
Damit hat die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers zu Recht abgewiesen, weshalb die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 27. Februar 2002
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2001051034.X00Im RIS seit
08.05.2002