TE Vwgh Erkenntnis 2002/2/27 2001/05/1022

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Veröffentlicht am 27.02.2002
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Index

41/02 Melderecht;

Norm

MeldeG 1991 §17 Abs2 Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Thalhammer, über die Beschwerde des Bürgermeisters der Bundeshauptstadt Wien gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 26. März 2001, Zl. 600.565/5- II/13/00, betreffend Reklamationsverfahren nach § 17 Abs. 2 Z. 2 Meldegesetz (mitbeteiligte Parteien:

1. Bürgermeister der Marktgemeinde Bernstein in Bernstein, 2. Eva-Maria Krug in Wien XIX, Neuwaldegger Straße 39/2, bzw. in Bernstein, Hauptstraße 54), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 41,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die am 11. März 1969 geborene, ihren Angaben zufolge verwitwete Zweitmitbeteiligte ist mit Hauptwohnsitz in der Gemeinde des erstmitbeteiligten Bürgermeisters, Bernstein (kurz: B), gemeldet (an der aktuellen Anschrift angemeldet am 21. September 1994). Seit 6. Jänner 1999 ist sie mit weiterem Wohnsitz in Wien gemeldet, wo sie berufstätig ist (sie war in Wien bereits vom 16. September 1996 bis 20. Feber 1998 mit weiterem Wohnsitz gemeldet). In ihrer Stellungnahme an die belangte Behörde vom 15. Feber 2000 (es ist dies ein formularmäßiges Erhebungsblatt zur Feststellung des Hauptwohnsitzes) gab sie an, sie sei in Klosterneuburg berufstätig und trete den Weg zur Arbeitsstelle in der Regel von Wien aus an. Sie halte sich in B etwa 100 Tage im Jahr auf (zum Wochenende, in Wien hingegen werktags, rund 265 Tage im Jahr). In B bewohne sie ein Eigenheim mit ihren Eltern und ihrer Schwester, die dort mit Hauptwohnsitz gemeldet seien. In Wien bewohne sie eine Mietwohnung, weitere Familienmitglieder wohnten nicht in Wien. Ihre "aktiven gesellschaftlichen Betätigungen" in B seien sehr intensiv (Familie, Freunde), in Wien hingegen "kaum vorhanden". Sie führte ergänzend aus, als Mittelpunkt ihrer Lebensbeziehungen sehe sie das Burgenland an, weil ihre Familie und der Großteil ihrer Freunde im Burgenland sesshaft seien. Da sie auch eine berufliche Tätigkeit als freiberufliche Physiotherapeutin in einer Praxis im Burgenland in Erwägung ziehe und ein Eigenheim besitze, wolle sie ihren Hauptwohnsitz in B bis auf weiteres beibehalten.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Aufhebung des Hauptwohnsitzes der Zweitmitbeteiligten an der gemeldeten Adresse in B abgewiesen. Sie stellte zusammengefasst fest, dass der Schwerpunkt der beruflichen Lebensbeziehungen der Zweitmitbeteiligten in Wien gelegen sei, weil Wien der "Ausgangspunkt des Arbeitsweges" sei. Der "Familienwohnsitz" und somit der gesellschaftliche Schwerpunkt der Lebensbeziehungen der Zweitmitbeteiligten liege hingegen eindeutig in B, wo ihr soziales Umfeld konzentriert sei. Die Zweitmitbeteiligte sei eine sogenannte "Wochenpendlerin". Das subjektive Kriterium "überwiegendes Naheverhältnis", welches nur in der persönlichen Einstellung des Betroffenen zum Ausdruck komme, gebe daher im Beschwerdefall den Ausschlag.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens

vorgelegt; angesprochen wird der Vorlageaufwand.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im zulässigerweise eingeleiteten Reklamationsverfahren wird die bis dahin für den Hauptwohnsitz des Betroffenen ausschließlich maßgebliche "Erklärung" des Meldepflichtigen dahingehend "hinterfragt, ob der erklärte Hauptwohnsitz den in Art. 6 Abs. 3 B-VG (§ 1 Abs. 7 MeldeG) normierten objektiven Merkmalen entspricht" (siehe das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 26. September 2001, G 139/00-10, u.a.). Die Lösung der im Reklamationsverfahren maßgeblichen Rechtsfrage des Hauptwohnsitzes des Betroffenen hängt an dem materiell-rechtlichen Kriterium "Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen". Bei der Beurteilung dieses Tatbestandsmerkmales kommt es auf eine Gesamtschau an, bei welcher die nunmehr ausdrücklich in § 1 Abs. 8 MeldeG (in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 28/2001) genannten Kriterien maßgeblich sind:

Aufenthaltsdauer, Lage des Arbeitsplatzes oder der Ausbildungsstätte, Ausgangspunkt des Weges zum Arbeitsplatz oder zur Ausbildungsstätte, Wohnsitz der übrigen, insbesondere der minderjährigen Familienangehörigen und der Ort, an dem sie ihrer Erwerbstätigkeit nachgehen, ausgebildet werden oder die Schule oder den Kindergarten besuchen, Funktionen in öffentlichen und privaten Körperschaften.

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 13. November 2001, Zl. 2001/05/0935, klargestellt, dass das subjektive Kriterium "überwiegendes Naheverhältnis", das nur in der persönlichen Einstellung des Betroffenen zum Ausdruck kommt, nur in den Fällen den Ausschlag gibt, in denen als Ergebnis des Ermittlungsverfahrens zwei oder mehrere "Mittelpunkte der Lebensbeziehungen" des Betroffenen hervorgekommen sind (also wenn ausnahmsweise zwei oder mehrere Wohnsitze des Betroffenen solche Mittelpunkte darstellen, wobei die vom Betroffenen vorgenommene Bezeichnung eines Hauptwohnsitzes allein nicht jedenfalls maßgeblich ist). Das Reklamationsverfahren wird nur dann für den antragstellenden Bürgermeister erfolgreich sein, wenn der Betroffene ein "überwiegendes Naheverhältnis" an einem Ort behauptet, an dem er keinen Mittelpunkt der Lebensbeziehungen (§ 1 Abs. 7 MeldeG) hat, mag er dort auch einen Wohnsitz im Sinne des § 1 Abs. 6 MeldeG haben. Der Verwaltungsgerichtshof hat in diesem Zusammenhang auch klargelegt, dass eine "absolute Sicherheit" über die Lebenssituation des Meldepflichtigen für die Evaluierung des zu beurteilenden Sachverhaltes nicht notwendig ist; der Gesetzgeber hat durch die Regelung des § 17 Abs. 3 MeldeG bewusst die in Rede stehenden Unschärfen aus rechtspolitischen Gründen in Kauf genommen (siehe dazu näher das genannte Erkenntnis vom 13. November 2001, Zl. 2001/05/0935, oder auch das weitere Erkenntnis vom selben Tag, Zl. 2001/05/0930).

Der Verwaltungsgerichtshof teilt die Beurteilung der belangten Behörde, dass die Zweitmitbeteiligte als "Wochenpendlerin" angesehen werden kann (siehe dazu das hg. Erkenntnis vom 13. November 2001, Zl. 2001/05/0945, auf das gemäß § 42 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen werden kann). Jedenfalls hat sich nicht ergeben, dass die Zweitmitbeteiligte in B keinen "Mittelpunkt der Lebensbeziehungen" hätte (und nur daraus könnte der Beschwerdeführer etwas für seinen prozessualen Standpunkt gewinnen).

Damit hat die belangte Behörde jedenfalls im Ergebnis den Antrag des Beschwerdeführers zu Recht abgewiesen, weshalb die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 27. Februar 2002

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2001051022.X00

Im RIS seit

21.05.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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