TE Vwgh Erkenntnis 2002/2/27 2001/05/0934

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Veröffentlicht am 27.02.2002
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Index

41/02 Melderecht;

Norm

MeldeG 1991 §1 Abs6;
MeldeG 1991 §1 Abs7;
MeldeG 1991 §1 Abs8 idF 2001/I/028;
MeldeG 1991 §17 Abs1;
MeldeG 1991 §17 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Giendl und Dr. Pallitsch  als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Thalhammer, über die Beschwerde des Bürgermeisters der Bundeshauptstadt Wien gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 29. März 2000, Zl. 600.506/6-II/13/00, betreffend Reklamationsverfahren nach § 17 Abs. 2 Z. 2 Meldegesetz (mitbeteiligte Parteien: 1. Bürgermeister der Marktgemeinde Frauental a. d. L, 2.  Alfred Sommerhuber in 8523 Frauental a. d. L, Gleinzerstraße 42), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der am 5. Oktober 1952 in Gams geborene, derzeit geschiedene Zweitmitbeteiligte hatte von September 1977 bis 28. März 1999 seinen Hauptwohnsitz in Wien. Seit 28. März 1999 ist er mit Hauptwohnsitz in der Marktgemeinde des erstmitbeteiligten Bürgermeisters (Frauental a. d. L.) gemeldet; ein weiterer aktueller Wohnsitz besteht seit 12. April 1999 in 1090 Wien, Pramergasse 3.

Im Zuge des über Antrag des Beschwerdeführers eingeleiteten Ermittlungsverfahrens gab der Zweitmitbeteiligte die Erklärung ab, in der Gemeinde Frauental a. d. L. 230 Tage im Jahr und zwar in einem Haus, das ihm gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin (geb. 1951) gehöre, zu verbringen. Er sei in Wien berufstätig und verbringe 135 Tage im Jahr in der Bundeshauptstadt; dort wohne er - wie in Frauental a. d. L. - gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin in deren Mietwohnung. An Werktagen halte er sich meist in Wien auf, zum Wochenende befinde er sich in der Gemeinde des erstmitbeteiligten Bürgermeisters. Den Weg zur Arbeitsstätte trete er von beiden Wohnsitzen aus an. Gesellschaftliche Betätigungen seien in Wien weniger intensiv, in Frauental a. d. L. kaum vorhanden. Sein Hauptwohnsitz sei in der Gemeinde des erstmitbeteiligten Bürgermeisters. Berufsbedingt sei es nicht möglich, die ganze Woche über in Frauental a. d. L. zu wohnen, er verbringe jedoch dort jedes Wochenende und auch die sonstige Freizeit. Ein Großteil seiner Verwandten (Geschwister etc.) lebe in der Umgebung des Hauptwohnsitzes.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des beschwerdeführenden Bürgermeisters auf Aufhebung des Hauptwohnsitzes des Zweitmitbeteiligten an der gemeldeten Adresse in Frauental a. d. L. ab. Nach dem durchgeführten Ermittlungsverfahren befinde sich der Schwerpunkt der beruflichen Lebensbeziehungen des Zweitmitbeteiligten in Wien, familiäre Lebensbeziehungen hingegen habe er sowohl in Wien als auch in Frauental a. d. L. Er verbringe jedoch den Großteil des Jahres in Frauental a. d. L., weshalb das subjektive Kriterium des "überwiegenden Naheverhältnisses" den Ausschlag gegeben habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung der Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen; die zweitmitbeteiligte Partei erstattete ebenfalls eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im zulässigerweise eingeleiteten Reklamationsverfahren wird die bis dahin für den Hauptwohnsitz des Betroffenen ausschließlich maßgebliche "Erklärung" des Meldepflichtigen dahingehend "hinterfragt, ob der erklärte Hauptwohnsitz den in Art. 6 Abs. 3 B-VG (§ 1 Abs. 7 MeldeG) normierten objektiven Merkmalen entspricht" (siehe das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 26. September 2001, G 139/00-10, u.a.). Die Lösung der im Reklamationsverfahren maßgeblichen Rechtsfrage des Hauptwohnsitzes des Betroffenen hängt an dem materiell-rechtlichen Kriterium "Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen". Bei der Beurteilung dieses Tatbestandsmerkmales kommt es auf eine Gesamtschau an, bei welcher die Bestimmungskriterien des § 1 Abs. 8 MeldeG (in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 28/2001), maßgeblich sind: Aufenthaltsdauer, Lage des Arbeitsplatzes oder der Ausbildungsstätte, Ausgangspunkt des Weges zum Arbeitsplatz oder zur Ausbildungsstätte, Wohnsitz der übrigen, insbesondere der minderjährigen Familienangehörigen und der Ort, an dem sie ihrer Erwerbstätigkeit nachgehen, ausgebildet werden oder die Schule oder den Kindergarten besuchen, Funktionen in öffentlichen und privaten Körperschaften.

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 13. November 2001, Zl. 2001/05/0935 klargestellt, dass das subjektive Kriterium "überwiegendes Naheverhältnis", das nur in der persönlichen Einstellung des Betroffenen zum Ausdruck kommt, nur in den Fällen den Ausschlag gibt, in denen als Ergebnis des Ermittlungsverfahrens zwei oder mehrere "Mittelpunkte der Lebensbeziehungen" des Betroffenen hervorgekommen sind. Das Reklamationsverfahren wird nur dann für den antragstellenden Bürgermeister erfolgreich sein, wenn der Betroffene ein "überwiegendes Naheverhältnis" an einem Ort behauptet, an dem er keinen Mittelpunkt der Lebensbeziehungen (§ 1 Abs. 7 MeldeG) hat, mag er dort auch einen Wohnsitz im Sinne des § 1 Abs. 6 MeldeG haben.

Ausgehend davon steht im Beschwerdefall fest, dass der nunmehr 49-jährige Zweitmitbeteiligte in Wien einer Beschäftigung nachgeht und in Wien in der Mietwohnung seiner Lebensgefährtin wohnt, deren Hauptwohnsitz in Wien ist. Er macht gesellschaftliche, insbesondere aber wirtschaftliche Beziehungen zu Frauental a. d. L. geltend, die in Wien nicht bestünden.

Der Beschwerdeführer hat nach den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen in der Mietwohnung seiner Lebensgefährtin nur aus beruflichen Gründen Unterkunft genommen und deshalb dort einen Wohnsitz begründet. Er ist damit einem "Wochenpendler" vergleichbar (siehe das hg. Erkenntnis vom 13. November 2001, Zl. 2001/05/0945). Im Beschwerdefall kommt noch hinzu, dass der Zweitmitbeteiligte den Weg zur Arbeitsstätte auch werktags von seinem Hauptwohnsitz in Frauental a. d. L. antritt. Dem Umstand, dass der Zweitmitbeteiligte mit seiner Lebensgefährtin in deren Mietwohnung in Wien zwecks leichterer Erreichbarkeit seines Arbeitsplatzes auch dort Unterkunft nimmt, kommt im Beschwerdefall kein darüber hinaus zu bewertendes besonderes Gewicht zu, weil die Lebensgefährtin gemeinsam mit dem Zweitmitbeteiligten in Frauental a. d. L. eine Liegenschaft mit Wohnhaus erworben hat und beide dort (auch) gemeinsam Wohnung nehmen. Abgesehen davon, dass der Zweitmitbeteiligte auch gesellschaftliche Beziehungen zu Frauental a. d. L. aufzuzeigen vermochte, ergibt sich aus der festgestellten Aufenthaltsdauer an diesem Ort und der durch die gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin erfolgten Anschaffung eines Wohnhauses mit der damit verbundenen Kapitalbindung eine massive wirtschaftliche Beziehung (siehe das hg. Erkenntnis vom 13. November 2001, Zl. 2001/05/0930) zu dem gewählten Hauptwohnsitz, weshalb die belangte Behörde ohne Rechtsirrtum davon ausgehen konnte, dass der Zweitmitbeteiligte in Frauental a. d. L. jedenfalls auch über einen Mittelpunkt der Lebensbeziehungen verfügt.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG -  in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat - als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001. Ein Anwendungsfall des § 47 Abs. 4 VwGG liegt nicht vor (vgl. hiezu den hg. Beschluss vom 9. Oktober 2001, Zl. 2001/05/0255).

Wien, am 27. Februar 2002

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2001050934.X00

Im RIS seit

21.05.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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