TE Vwgh Erkenntnis 2002/2/27 2001/05/1035

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Veröffentlicht am 27.02.2002
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Index

41/02 Melderecht;

Norm

MeldeG 1991 §17 Abs2 Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Thalhammer, über die Beschwerde des Bürgermeisters der Bundeshauptstadt Wien gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 12. März 2001, Zl. 600.900/5- II/13/00, betreffend Reklamationsverfahren nach § 17 Abs. 2 Z. 2 Meldegesetz (mitbeteiligte Parteien:

1.

Bürgermeister der Gemeinde Hatzendorf in Hatzendorf,

2.

Birgit Hölbling in Wien XVII, Geblergasse 22/16, bzw. in Hatzendorf, Stang 55), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in er Höhe von EUR 41,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die am 13. Jänner 1979 geborene, ledige Zweitmitbeteiligte ist seit ihrer Geburt mit Hauptwohnsitz in der Gemeinde des erstmitbeteiligten Bürgermeisters, Hatzendorf (kurz: H), Bezirk Feldbach, gemeldet. Seit 5. Jänner 1999 ist sie in Wien mit weiterem Wohnsitz gemeldet, wo sie als Kindergärtnerin beschäftigt ist.

In einer Stellungnahme an die belangte Behörde vom 24. März 2000 (es handelt sich um ein formularmäßiges Erhebungsblatt zur Feststellung des Hauptwohnsitzes) gab die Zweitmitbeteiligte an, sie halte sich in H rund 185 Tage im Jahr auf (zumWochenende, an jedem weiteren freien Tag, "auch wenn ich krank bin"), in Wien hingegen an rund 180 Tagen im Jahr (werktags). In H wohne sie in einer Mietwohnung mit ihren Eltern, Großeltern und zwei Geschwistern, in H wohnten weiters ihre mütterlichen Großeltern. In Wien wohnten keine Familienmitglieder. Den Weg zur Arbeitsstätte trete sie in der Regel von Wien aus an. Ihre "aktiven gesellschaftlichen Betätigungen" in H seien "sehr intensiv" ("Jugendtreff"), für Wien werden solche nicht angegeben. Ergänzend gab sie an, sie würde gerne in weiterer Zukunft ihren Hauptwohnsitz in H behalten, weil sie "in ferner Zukunft" gerne ihr eigenes Familienleben in H aufbauen wolle.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde den Antrag des beschwerdeführenden Bürgermeisters auf Aufhebung des Hauptwohnsitzes der Zweitmitbeteiligten an der gemeldeten Adresse in H abgewiesen. Sie ging zusammengefasst davon aus, dass der Schwerpunkt der beruflichen Lebensbeziehungen der Zweitmitbeteiligten in Wien liege, ihr "Familienwohnsitz" und somit ihr gesellschaftlicher Schwerpunkt liege hingegen eindeutig in H. Dort sei auch ihr soziales Umfeld konzentriert. Das subjektive Kriterium "überwiegendes Naheverhältnis", welches nur in der persönlichen Einstellung des Betroffenen zum Ausdruck komme, gebe daher im Beschwerdefall den Ausschlag.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens

vorgelegt; angesprochen wird der Vorlageaufwand.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im zulässigerweise eingeleiteten Reklamationsverfahren wird die bis dahin für den Hauptwohnsitz des Betroffenen ausschließlich maßgebliche "Erklärung" des Meldepflichtigen dahingehend "hinterfragt, ob der erklärte Hauptwohnsitz den in Art. 6 Abs. 3 B-VG (§ 1 Abs. 7 MeldeG) normierten objektiven Merkmalen entspricht" (siehe das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 26. September 2001, G 139/00-10, u.a.). Die Lösung der im Reklamationsverfahren maßgeblichen Rechtsfrage des Hauptwohnsitzes des Betroffenen hängt an dem materiell-rechtlichen Kriterium "Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen". Bei der Beurteilung dieses Tatbestandsmerkmales kommt es auf eine Gesamtschau an, bei welcher die nunmehr ausdrücklich in § 1 Abs. 8 MeldeG (in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 28/2001) genannten Kriterien, maßgeblich sind:

Aufenthaltsdauer, Lage des Arbeitsplatzes oder der Ausbildungsstätte, Ausgangspunkt des Weges zum Arbeitsplatz oder zur Ausbildungsstätte, Wohnsitz der übrigen, insbesondere der minderjährigen Familienangehörigen und der Ort, an dem sie ihrer Erwerbstätigkeit nachgehen, ausgebildet werden oder die Schule oder den Kindergarten besuchen, Funktionen in öffentlichen und privaten Körperschaften.

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 13. November 2001, Zl. 2001/05/0935, klargestellt, dass das subjektive Kriterium "überwiegendes Naheverhältnis", das nur in der persönlichen Einstellung des Betroffenen zum Ausdruck kommt, nur in den Fällen den Ausschlag gibt, in denen als Ergebnis des Ermittlungsverfahrens zwei oder mehrere "Mittelpunkte der Lebensbeziehungen" des Betroffenen hervorgekommen sind (also wenn ausnahmsweise zwei oder mehrere Wohnsitze des Betroffenen solche Mittelpunkte darstellen, wobei die vom Betroffenen vorgenommene Bezeichnung eines Hauptwohnsitzes allein nicht jedenfalls maßgeblich ist). Das Reklamationsverfahren wird nur dann für den antragstellenden Bürgermeister erfolgreich sein, wenn der Betroffene ein "überwiegendes Naheverhältnis" an einem Ort behauptet, an dem er keinen Mittelpunkt der Lebensbeziehungen (§ 1 Abs. 7 MeldeG) hat, mag er dort auch einen Wohnsitz im Sinne des § 1 Abs. 6 MeldeG haben. Der Verwaltungsgerichtshof hat in diesem Zusammenhang auch klargelegt, dass eine "absolute Sicherheit" über die Lebenssituation des Meldepflichtigen für die Evaluierung des zu beurteilenden Sachverhaltes nicht notwendig ist; der Gesetzgeber hat durch die Regelung des § 17 Abs. 3 MeldeG bewusst die in Rede stehenden Unschärfen aus rechtspolitischen Gründen in Kauf genommen (siehe dazu näher das genannte Erkenntnis vom 13. November 2001, Zl. 2001/05/0935, oder auch das weitere Erkenntnis vom selben Tag, Zl. 2001/05/0930).

Im Beschwerdefall kann die Zweitmitbeteiligte als "Wochenpendlerin" angesehen werden (siehe dazu das hg. Erkenntnis vom 13. November 2001, Zl. 2001/05/0945, auf welches gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen werden kann). Jedenfalls hat sich nicht ergeben, dass sie in H keinen Mittelpunkt ihrer Lebensbeziehungen hätte (und nur daraus könnte der Beschwerdeführer etwas für seinen prozessualen Standpunkt gewinnen).

Damit hat die belangte Behörde jedenfalls im Ergebnis den Antrag des Beschwerdeführers zu Recht abgewiesen, weshalb die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 27. Februar 2002

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2001051035.X00

Im RIS seit

21.05.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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