TE Vwgh Erkenntnis 2002/2/27 99/05/0146

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Veröffentlicht am 27.02.2002
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Index

L37153 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Niederösterreich;
L82000 Bauordnung;
L82003 Bauordnung Niederösterreich;
001 Verwaltungsrecht allgemein;

Norm

BauO NÖ 1996 §24 Abs1;
BauO NÖ 1996 §35 Abs2 Z3;
BauO NÖ 1996 §35 Abs2;
BauO NÖ 1996 §35;
BauO NÖ 1996 §50 Abs1;
BauRallg;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Thalhammer, über die Beschwerde des Dipl. Ing. Dr. Denis Bezard in Baden, vertreten durch DDr. Rene Laurer, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Gusshausstraße 2/5,gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 8. Mai 1999, Zl. RU1-V-98179/00, betreffend einen Bauauftrag (mitbeteiligte Parteien: 1. Stadtgemeinde Baden, vertreten durch den Bürgermeister, 2. Dipl. Ing. Gernot Meszaros-Bartak in Baden, vertreten durch Dr. Josef Olischar, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Museumstraße 4/4), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- und dem Zweitmitbeteiligten in der Höhe von EUR 934,16 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren des Zweitmitbeteiligten und das Kostenersatzbegehren der Erstmitbeteiligten werden abgewiesen.

Begründung

Der hier gegenständliche Bauauftrag betrifft Abweichungen von jenem Konsens, der sich auf Grund der am 5. Oktober 1981 erteilten Baubewilligung ergibt. Danach wurde die Errichtung eines Zweifamilienhauses auf dem Grundstück Nr. 257, EZ 1242, KG Mitterberg (Baden, Flamminggasse 79) erteilt. Der näher der Straße gelegene Hausteil 1 steht im Wohnungseigentum der Ehegatten E.; der entferntere Hausteil 2 im Wohnungseigentum des Beschwerdeführers. Die Liegenschaft des Zweitmitbeteiligten ist dem Baugrundstück an der Ostseite gegenüber dem Hausteil 2 benachbart.

Am 21. September 1987 bzw. 23. Februar 1988 suchten die Eigentümer des Baugrundstückes um die Bewilligung bestimmter Abänderungen gegenüber dem Konsens an; im Zuge dieses Bewilligungsverfahrens wurde der Plan der Architekten L. aus Juli 1988, ergänzt am 31. Oktober 1988, vorgelegt. Eine zunächst mit Bescheid vom 27. Jänner 1989 erteilte Bewilligung wurde in späterer Folge aufgehoben, weil der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 26. Oktober 1993, Zl. 91/05/0041, der Beschwerde des Zweitmitbeteiligten Folge gegeben hatte. Darin wurde vom Verwaltungsgerichtshof die Auffassung vertreten, dass der Bauwich zum Nachteil des damaligen Beschwerdeführers unrichtig berechnet worden sei. Da die beiden Hausteile ein Gebäude bildeten, dessen Länge größer als 15 m sei, sei die volle Höhe für die Bemessung des Bauwichs heranzuziehen; da sich gegenüber dem Hausteil 2 kein Fahnengrundstück befinde, komme die Anrechnungsbestimmung nach § 21 Abs. 6 NÖ. BauO 1976 nicht in Betracht.

Am 4. April 1995 führte die Baubehörde eine "besondere Beschau" betreffend eine Überprüfung des gesamten Objektsbestandes auf dem Baugrundstück durch. Dabei wurde festgestellt:

"Der zur Wohneinheit des Herrn (Beschwerdeführer) führende Stiegenaufgang sowie der dort befindliche Erkervorbau wurde einer stichprobenartigen Überprüfung und Vermessung unterzogen und konnte dabei eine Übereinstimmung der bestehenden Bauausführung mit der gegenständlichen Plandarstellung des Dipl. Ing. L., welcher von der Baubehörde mit Bescheid vom 27. Jänner 1989, ... genehmigt wurde, festgestellt werden."

Bei einer weiteren Verhandlung am 29. Jänner 1997 wurde festgestellt, dass gegenüber der besonderen Beschau vom 4. April 1995 keine bauliche Änderung eingetreten sei. Festgehalten wurde, dass die Gebäudeumrisse im Wesentlichen jenen des mit Bescheid vom 5. Oktober 1981 bewilligten Plänen entsprachen; im Eingangsbereich zum Hausteil 2 des Beschwerdeführers sei jedoch insofern eine Abänderung erfolgt, als der auf Eingangsebene geplante Windfangvorbau nicht zur Ausführung gelangte und der freie Stiegenaufgang an der Hausaußenmauer verschoben und verbreitert wurde. Der im Niveau des Obergeschoßes vorgesehene Balkon sei vergrößert ausgeführt und mit einer Säule unterstützt worden. Weiters sei das Niveau unter dem genehmigten Eingangsvorplatz ganz offensichtlich abgesenkt und in Kellerebene ein Windfangvorbau errichtet worden, welcher auch vom Zwischengartenbereich aus zugänglich sei. Diese Änderungen seien im Plan des Dipl. Ing. L., welcher dem baubehördlichen Bescheid vom 27. Jänner 1989 zu Grunde lag, eingezeichnet.

Mit Bescheid vom 20. Juni 1997 entschied der Bürgermeister der mitbeteiligten Stadtgemeinde über die Ansuchen aus 1987 bzw. 1988 wie folgt:

"I. Das Ansuchen wird hinsichtlich des im östlichen Gebäudebereich im Untergeschoß gelegenen, im Einreichplan des (Architekten L.) mit den Ergänzungen vom 31. Oktober 1988, als "Windfang" bezeichneten Raumes sowie hinsichtlich des darüber in der Erdgeschoßebene gelegenen Erkervorbaues mit Säule und des Balkones im Obergeschoß abgewiesen.

II. Das Ansuchen wird hinsichtlich der Abänderung der Stiegenanlage für den Zugang zum Hausteil des (Beschwerdeführers) im östlichen Zwischengarten des Bauteiles ebenfalls abgewiesen.

III. Im Übrigen wird dem Ansuchen, insbesondere hinsichtlich der Abänderungen im und am Objekt, der Vergrößerung der unterirdischen Garage, der an der östlichen Grundgrenze situierten Stütz- bzw. Einfriedungsmauer und der Niveauänderungen stattgegeben und dafür, unter Einhaltung nachstehender Auflagen, die nachträgliche Bewilligung erteilt".

Dieser Bescheid erwuchs gegenüber dem Beschwerdeführer (und den anderen Miteigentümern) in Rechtskraft. Mit Bescheid vom 21. Dezember 1998 trug der Bürgermeister der mitbeteiligten Stadtgemeinde gemäß § 35 Abs. 2 Z. 3 NÖ. BauO 1996 den Grundeigentümern auf, nachstehende Objektsteile auf dem gegenständlichen Grundstück zu entfernen:

"a) Abbruch und Entfernung des im Einreichplan des (Architekten L.) vom Juli 1988 mit den Ergänzungen vom 31.10.1988 als "Windfang" bezeichneten Raumes, welcher im Kellergeschoß gelegen ist und der in dem diesem Bescheid als Beilage 1 angeschlossenen Plan, welcher einen integrierenden Bestandteil dieses Bescheides bildet, farblich gekennzeichnet ist.

b) Abbruch und Entfernung der im östlichen Zwischengarten des Bauteiles 2 gelegenen Stiegenanlage sowie des anschließenden, über den im Punkt a) als "Windfang" bezeichneten Raum gelegenen Vorplatzteiles samt Stützsäule für den Balkon, welche in dem diesem Bescheid als Beilage 2 angeschlossenen Plan, der einen integrierenden Bestandteil dieses Bescheides bildet, farblich gekennzeichnet sind.

c) Abbruch und Entfernung des im Obergeschoß des gegenständlichen Gebäudes über dem in Punkt b) genannten Vorplatzteil gelegenen Balkones, welcher in dem diesem Bescheid als Beilage 3 angeschlossenen Plan, der einen integrierenden Bestandteil dieses Bescheides bildet, farblich gekennzeichnet ist.

Begründend führte der Bürgermeister aus, die unter den Punkten a) bis c) genannten Objektsteile seien infolge Nichteinhaltung des seitlichen Bauwichs zum Anrainer M. als unzulässig anzusehen, wie sich dies auch aus dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. Oktober 1993 ergebe. Es sei auch das darauf gerichtete Bauansuchen mit Bescheid vom 20. Juni 1997 rechtskräftig abgewiesen worden. Die zum Abbruch verfügten Objektsteile würden von der im Jahr 1981 bewilligten Balkon bzw. der Stiegenanlage insbesondere in der Form, Lage bzw. Größe erheblich abweichen. Diese Objektsteile seien nicht in der im Jahr 1981 bewilligten Form zur Ausführung gelangt, weshalb die Baubewilligung aus dem Jahr 1981 als erloschen anzusehen sei.

Der dagegen vom Beschwerdeführer erhobenen Berufung gab der Gemeinderat der mitbeteiligten Stadtgemeinde mit Bescheid vom 18. November 1998 keine Folge. Auch in Anwendung der §§ 50 und 52 der NÖ. BauO 1996 (das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. Oktober 1993 hatte die NÖ. BauO 1976 zur Grundlage) sah der Gemeinderat die zum Abbruch bestimmten Objektteile als unzulässig im Sinne des § 35 Abs. 2 Z. 3 der NÖ. BauO 1996 an, weil der Bauwich nicht eingehalten werde. Die Objektsteile Stiegenaufgang, Vorplatz und Balkon im Obergeschoß seien nicht entsprechend der Baubewilligung vom 5. Oktober 1981 ausgeführt worden; insoferne sei diese Baubewilligung mangels Ausnützung erloschen.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der dagegen erhobenen Vorstellung des Beschwerdeführers keine Folge. Die errichteten Objektsteile könnten nicht als durch den ursprünglichen Konsens aus dem Jahre 1981 gedeckt angesehen werden. Der Balkon weise eine um 50 cm größere Auskragung auf, der Windfang auf Erdgeschoßebene sei nicht zur Ausführung gelangt und es sei der Balkon anstatt auf den Wänden des Windfanges auf einer Betonsäule abgestützt. Die errichtete Stiegenanlage stimme mit der baubehördlich bewilligten Anlage nicht überein. Es könne daher nicht von geringfügigen Abweichungen gesprochen werden. Gefolgt wurde auch der Auffassung des Gemeinderates, dass die ursprüngliche Baubewilligung erloschen sei, weil sie nicht konsumiert wurde, sodass auf sie nicht zurück gegriffen werden könne. Vielmehr lägen konsenswidrige Bauwerke im Sinne des § 35 Abs. 2 Z. 3 NÖ. BauO 1996 vor.

In seiner dagegen erhobenen Beschwerde erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht auf Ausnützung einer Baubewilligung verletzt. Er beantragt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete, ebenso wie die mitbeteiligte Stadtgemeinde, eine Gegenschrift. Der Beschwerdeführer replizierte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Vorauszuschicken ist, dass die Pläne der Architekten L. aus Juli 1988, ergänzt am 31. Oktober 1988, die dem rechtskräftig abgeschlossenen Baubewilligungsverfahren (Bescheid vom 20. Juni 1997) zu Grunde lagen, auf Grund des Ergebnisses der Beschau vom 4. April 1995 und der Verhandlung vom 29. Jänner 1997 den Zustand der tatsächlichen Errichtung wiedergeben; dementsprechend wurde im stattgebenden Teil des Bescheides vom 20. Juni 1997 eine nachträgliche Baubewilligung erteilt. Daher ist davon auszugehen, dass in den Plänen der Architekten L. nicht nur ein Projekt, sondern das tatsächliche Bauwerk im Sinne des Einleitungssatzes des § 35 Abs. 2 NÖ. BauO 1996 wiedergegeben ist.

Das gegenständliche Bauauftragsverfahren wurde mit Schreiben der Baubehörde vom 5. Juni 1998 an die Grundeigentümer eingeleitet, weshalb diesbezüglich die NÖ. BauO 1996 (in der Stammfassung LGBl. 8.200-0; BO) zur Anwendung gelangt. Gemäß § 35 Abs. 2 BO hat die Baubehörde den Abbruch eines Bauwerkes u.a. anzuordnen, wenn

3.) für das Bauwerk keine Baubewilligung (§ 23) oder Anzeige (§ 15) vorliegt und

das Bauwerk unzulässig ist (§ 15 Abs. 3 und § 23 Abs. 1) oder der Eigentümer den für die fehlende Bewilligung erforderlichen Antrag oder die Anzeige nicht innerhalb der von der Baubehörde bestimmten Frist ab der Zustellung der Aufforderung hierzu eingebracht hat.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Frage der Bewilligungsfähigkeit (also hier die Prüfung der Zulässigkeit im Sinne der genannten Gesetzesbestimmung) nach der Rechtslage im Zeitpunkt der Erlassung des Bauauftrages zu beurteilen (Hauer-Zaussinger, NÖ. Baurecht6, 424).

Inwieweit die konkret vorliegende Ausführung von der Baubewilligung vom 5. Oktober 1981 abweicht, kann an dieser Stelle unerwähnt bleiben; exakt für die hier zu beurteilende Ausführung liegt jedenfalls keine Bewilligung vor, sodass zunächst die Zulässigkeit dieser Ausführung zu prüfen ist.

Gemäß § 23 Abs. 1 in Verbindung mit § 20 Abs. 1 Z. 6 BO ist die Zulässigkeit einer Ausführung anhand der Bestimmungen der Bauordnung zu beurteilen. Die vorgenommene Ausführung wurde als den Bestimmungen der §§ 50, 52 BO widersprechend angesehen; § 50 Abs. 1 BO lautet in der hier anzuwendenden Fassung:

"§ 50 Bauwich

(1) Der seitliche Bauwich (§ 70 Abs. 1 Z. 2 bis 4) muss im geregelten Baulandbereich (Bebauungsplan) der halben Gebäudehöhe entsprechen. Wenn er nicht in den folgenden Bestimmungen oder im Bebauungsplan anders geregelt ist, muss er mindestens 3 m betragen.

Ab einer Gebäudehöhe von mehr als 8 m und einer Länge der der Grundstücksgrenze zugewandten Gebäudefront von mehr als 15 m muss der Bauwich für jenen Teil der Gebäudefront, der über diese 15 m hinausreicht, der vollen Gebäudehöhe entsprechen (abgesetzte Gebäudefront). Sind zwei Bauklassen zur Wahl festgelegt, dann gilt ab der Bauklasse III der Bauwich entsprechend der höheren Bauklasse."

Es ist dem Beschwerdeführer zuzubilligen, dass aus diesem Gesetzeswortlaut nicht entnehmbar ist, wie der über 15 m hinausragende Gebäudeteil räumlich zu bestimmen ist, ob also - etwa bei einer Gebäudelänge von 27 m - die ersten 12 m (von der Straße aus gesehen) oder die letzten 12 m über diese 15 m "hinausreichen". Ausgehend vom Grundsatz der Baufreiheit muss nur gesichert sein, dass insgesamt auf nicht mehr als 15 m Länge der Bauwich bloß die halbe Gebäudehöhe, darüber hinaus aber die ganze Gebäudehöhe beträgt; wo diese Strecke des größeren Bauwichs situiert ist, bleibt dem Bauwerber überlassen.

Im vorliegenden Fall war daher, da sich sämtliche der abzutragenden Baulichkeiten innerhalb eines Bereiches von 15 m ausgehend von der südöstlichen Gebäudeecke befinden, von einem Bauwich in der halben Gebäudehöhe auszugehen.

Dies ändert aber im Ergebnis nichts, weil die Berufungsbehörde aufgezeigt hat, dass auch bei Heranziehung der - unstrittigen - halben Gebäudehöhe von 4,83 m der Bauwich durch die im Punkt b) des Bauauftrages genannte Stiegenanlage (dieser fiele auch bei einer Bemessung des 15 m-Bereiches ab der straßenseitigen Ecke unter die Begünstigung) nicht eingehalten wird.

Innerhalb dieses Bereiches in einer Entfernung von 4,83 m ab der Grundgrenze befinden sich, wie sich aus dem Plan augenfällig ergibt, sämtliche der hier gegenständlichen Bauteile (auch Gebäudeteile, die dem Konsens vom 5. Oktober 1981 entsprechend ausgeführt wurden).

Gemäß § 52 Abs. 3 Z. 3 BO sind im seitlichen oder hinteren Bauwich zulässig:

Balkone, Erker, Stiegenhäuser, Veranden, Wintergärten, Windfänge, Freitreppen und Terrassen bis zu einer Länge von höchstens einem Drittel der Gebäudelänge, jedoch nicht mehr als 5 m und bis zur Hälfte des Bauwichs, jedoch nicht mehr als 2 m.

Die Berufungsbehörde hat richtig aufgezeigt, dass bei Anrechnung einer Breite von 2 m ein Seitenabstand von 2,83 m eingehalten werden müsste; die Stiegenanlage reicht aber bis 1,73 m an die Grundgrenze heran und ist deshalb unzulässig.

Die in den Punkten a) und c) genannten Bauteile sahen die Verwaltungsbehörden schon deshalb als unzulässig an, weil sie von einem Bauwich von 9,56 m ausgegangen sind. Aber auch bei einem Bauwich von der halben Gebäudehöhe ergibt sich aus den Plänen unzweifelhaft, dass mit diesen Bauwerken die Mindestentfernung von 2,83 m (wenn man sie insgesamt der Begünstigung des § 52 Abs. 2 Z. 3 BO unterstellt) nicht eingehalten wird. Letztlich ergibt sich auch aus dem Beschwerdevorbringen nicht die Behauptung, dass der Bauwich eingehalten werde.

Dem Hinweis in der Replik zu den Gegenschriften, die Stiegenanlage und der darunter befindliche Raum seien "gemäß § 51 BO an sich" zulässig, ist zunächst zu entgegnen, dass "Stiegenanlagen" in § 51 BO nicht genannt sind. Der Beschwerdeführer hat im Verwaltungsverfahren nie Tatsachenbehauptungen aufgestellt, die eine Subsumtion unter einen der Tatbestände des § 51 BO erlauben würden; es muss ihm daher auch das aus § 41 Abs. 1 VwGG abgeleitete Neuerungsverbot entgegen gehalten werden.

Da somit die Unzulässigkeit der in den Plänen der Architekten L. dargestellten Bauausführungen feststeht, ist die Baubehörde zu Recht mit einem Bauauftrag nach § 35 Abs. 2 Z. 3 BO vorgegangen. Eine Bedachtnahme darauf, inwieweit durch die Ausführungen laut Punkt a) und c) des Bauauftrages die Mindestentfernung von 2,83 m nicht überschritten wurde, kommt bei einem Bauauftrag nicht in Betracht, weil das Ergebnis eines Bauauftrages nicht ein "Torso" sein kann, der für sich alleine niemals bewilligungsfähig wäre (etwa ein abgeschnittener Balkon).

Allerdings teilt der Verwaltungsgerichtshof nicht die Auffassung der Verwaltungsbehörden, dass dem Beschwerdeführer eine Ausführung entsprechend dem Konsens vom 5. Oktober 1981 verwehrt wäre. Wohl erlischt gemäß § 24 Abs. 1 BO das Recht aus einem Baubewilligungsbescheid, wenn die Ausführung des bewilligten Bauvorhabens nicht binnen fünf Jahren ab ihrem Beginn vollendet wurde. Von einer Vollendung kann allerdings nicht erst dann gesprochen werden, wenn das Bauvorhaben "schlüsselfertig" hergestellt ist, weil eine solche Auffassung zu dem sinnwidrigen Ergebnis führen würde, dass eine Baubewilligung auch dann erlöschen könnte, wenn im Zeitpunkt des Ablaufes der Frist noch geringfügige Restarbeiten nicht durchgeführt sind (Hauer-Zaussinger, a.a.O., 364). Beurteilt man das gesamte Bauvorhaben, das mit dem Bescheid vom 5. Oktober 1981 bewilligt worden war, so erschiene eine Nichtausführung des in den Plänen genannten Balkons, des im Erdgeschoß ausgewiesenen Windfanges und der geplanten Freitreppe im Bereich des Hauses 2 als so geringfügig, dass keinesfalls von einem Erlöschen der damals erteilten Baubewilligung ausgegangen werden kann. Ein "Teilerlöschen" sieht aber das Gesetz nicht vor. Dazu kommt, dass der Beschwerdeführer diese Projektsteile nicht überhaupt nicht ausgeführt hat, sondern zum Teil nur etwas größer (den Balkon), zum Teil anders als seinerzeit bewilligt. Für eine konsenswidrige Ausführung in einzelnen Details sieht § 35 BO die Beseitigung vor; eine darüber hinausgehende Sanktion, dass damit die konsensgemäße Ausführung verwirkt ist, lässt sich dem Gesetz jedoch nicht entnehmen.

Dies ändert aber nichts daran, dass durch den vorliegenden Bauauftrag Rechte des Beschwerdeführers nicht verletzt wurden. Seine Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001. Das Kostenersatzbegehren der erstmitbeteiligten Gemeinde war abzuweisen (angesprochen wird Schriftsatzaufwand), weil sie nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten war (§ 49 Abs. 1 VwGG idF der Novelle BGBl. I Nr. 88/1997) und weil sich diese Bestimmung auch auf § 48 Abs. 3 Z. 2 VwGG bezieht (hg. Erkenntnis vom 19. Jänner 1999, Zl. 96/08/0269). Der Stempelgebührenaufwand des Zweitmitbeteiligten ist durch das Erfordernis des § 36 Abs. 4 VwGG, die Gegenschrift in zweifacher Ausfertigung zu überreichen, begrenzt.

Da die Schriftsätze der Parteien erkennen ließen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, zumal keine Tatfragen offen blieben, konnte von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.

Wien, am 27. Februar 2002

Schlagworte

Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7 BauvollendungBaubewilligung BauRallg6Baupolizei Baupolizeiliche Aufträge Baustrafrecht Kosten Konsenslosigkeit und Konsenswidrigkeit unbefugtes Bauen BauRallg9/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:1999050146.X00

Im RIS seit

21.05.2002

Zuletzt aktualisiert am

05.08.2014
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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