TE Vfgh Erkenntnis 2007/12/5 V27/07

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Veröffentlicht am 05.12.2007
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Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8000 Raumordnung

Norm

B-VG Art18 Abs2
Nö ROG 1976 §19, §22, §30
Örtliches Raumordnungsprogramm der Marktgemeinde Hinterbrühl. Änderung vom 12.06.90

Leitsatz

Keine Gesetzwidrigkeit der Umwidmung einer Grundfläche vonBauland-Wohngebiet in Grünland-Grüngürtel im örtlichenRaumordnungsprogramm der Marktgemeinde Hinterbrühl im Hinblick aufdie wachsende Siedlungsentwicklung im Wienerwald; keine weitereVerbauungsabsicht durch den früheren Grundeigentümer LandNiederösterreich; keine Anpassungsverpflichtung an die geänderteRechtslage hinsichtlich der Festlegung der Funktion des Grüngürtels

Spruch

I. §1 Abs3 der Verordnung des Gemeinderates der Marktgemeinde Hinterbrühl zur Änderung des örtlichen Raumordnungsprogramms vom 12. Juni 1990, genehmigt mit Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 5. November 1990, Z R/1-R-193/16, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom 9. November 1990 bis 23. November 1990, wird, soweit damit die Widmung "Grünland-Grüngürtel" für einen Teilbereich des Grundstücks 450/1 festgelegt wurde, nicht als gesetzwidrig aufgehoben.

II. Kostenersatz wird nicht zugesprochen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Beim Verfassungsgerichtshof ist eine zu B3584/05 protokollierte Beschwerde anhängig, der folgender Sachverhalt zu Grunde liegt:

1. Mit Eingabe vom 3. Juni 2004 beantragten die beiden nunmehrigen Beschwerdeführer beim Bürgermeister der Marktgemeinde Hinterbrühl eine Baubewilligung für zwei Passivhäuser auf dem Grundstück 450/1, EZ 1427, KG Hinterbrühl. Die Beschwerdeführer sind seit 1992 Eigentümer dieses Grundstückes. Der Bürgermeister wies mit Bescheid vom 28. September 2004 den Antrag gemäß §20 Abs3 NÖ Bauordnung 1996, LGBl. 8200-10 (im Folgenden: NÖ BauO), mit der Begründung ab, dass dem Bauvorhaben die im Flächenwidmungsplan festgelegte Widmungs- und Nutzungsart "Grünland-Grüngürtel" entgegensteht. Die Beschwerdeführer erhoben gegen diesen Bescheid Berufung, welche vom Gemeindevorstand der Marktgemeinde Hinterbrühl mit Bescheid vom 23. Februar 2005 abgewiesen wurde.

2. Die gegen diesen Bescheid von den Beschwerdeführern erhobene Vorstellung wurde mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen.

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art2 StGG) und auf Unversehrtheit des Eigentums (Art5 StGG) sowie die Verletzung in Rechten durch Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm behauptet und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

Die Marktgemeinde Hinterbrühl habe vor Änderung des Flächenwidmungsplanes weder die nach §2 Abs1 NÖ Raumordnungsgesetz 1976, LGBl. 8000-0 (im Folgenden: NÖ ROG), erforderliche Grundlagenforschung durchgeführt noch sei eine Interessenabwägung erfolgt. Das umgewidmete Grundstück entspreche den gesetzlichen Vorschriften für Bauland, es sei bereits durch funktionsgerechte Verkehrsflächen, ordnungsgemäße Wasserversorgung und Abwasserentsorgung erschlossen (§14 Abs2 Z5 und 7 NÖ ROG). Warum gerade dieses eine Grundstück von "Bauland-Wohngebiet" in "Grünland-Grüngürtel" umgewidmet und ringsum die Widmung "Bauland-Wohngebiet" belassen wurde, sei nicht erkennbar. Ein gesetzlicher Änderungsanlass iSd §22 Abs1 Z2 NÖ ROG liege nicht vor und die Begründung, mit der Umwidmung solle eine Vernetzung von Grünräumen erreicht werden, da sowohl im Norden als auch im Süden größere Grünlandbereiche liegen, stimme mit der Natur nicht überein. Ebenso gehe das Argument, die Umwidmung sei zur Rücknahme noch unbebauter Baulandwidmungen erfolgt, ins Leere, da mit demselben Widmungsakt ein anderes Grundstück von "Grünland" auf "Bauland-Wohngebiet" gewidmet worden sei. Das Grundstück der Beschwerdeführer könne auch entgegen §19 Abs2 Z2 NÖ ROG das Orts- und Landschaftsbild nicht mitgestalten und habe keine ökologische Bedeutung. Es lägen keine sich gegenseitig beeinträchtigenden Nutzungen vor, deren Trennung durch die Umwidmung erreicht würde. Eine Eindämmung der ständig weiter wachsenden Siedlungsentwicklung im Wienerwald könne durch Umwidmung dieses einen Grundstückes nicht erreicht werden. Ebensowenig könne eine stärkere Durchgrünung der Siedlungsbereiche durch die beiden geplanten Passivhäuser beeinträchtigt werden. Sonstige rechtfertigende Gründe dafür, gerade und nur dieses Grundstück von "Bauland-Wohngebiet" auf "Grünland-Grüngürtel" umzuwidmen, seien nicht erkennbar.

II. 1. Aus Anlass dieser Beschwerde hat der Verfassungsgerichtshof am 1. März 2007 beschlossen, die Gesetzmäßigkeit des §1 Abs3 der Verordnung des Gemeinderates der Marktgemeinde Hinterbrühl zur Änderung des örtlichen Raumordnungsprogramms vom 12. Juni 1990, genehmigt mit Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 5. November 1990, Z R/1-R-193/16, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom 9. November 1990 bis 23. November 1990, soweit damit die Widmung "Grünland-Grüngürtel" für einen Teilbereich des Grundstücks 450/1 festgelegt wird, von Amts wegen zu prüfen.

2. Der Verfassungsgerichtshof ging vorläufig davon aus, dass die Beschwerde zulässig ist und die belangte Behörde die in Rede stehende Verordnung der Marktgemeinde Hinterbrühl in dem in Prüfung genommenen Umfang bei Erlassung des angefochtenen Bescheides anzuwenden hatte und dass sie daher auch der Verfassungsgerichtshof bei seiner Entscheidung über die Beschwerde anzuwenden hätte.

3. §22 NÖ ROG, LGBl. 8000-5, lautete:

"§22

Änderung des örtlichen Raumordnungsprogrammes

(1) Ein örtliches Raumordnungsprogramm darf nur abgeändert werden:

1. wegen eines rechtswirksamen Raumordnungsprogrammes des Landes oder anderer rechtswirksamer überörtlicher Planungen,

2. wegen wesentlicher Änderung der Grundlagen oder

3. wegen Löschung des Vorbehaltes.

(2) Verfahren, die vor der Kundmachung des Entwurfes der Änderung des örtlichen Raumordnungsprogrammes (§21 Abs1) bereits anhängig waren, werden durch die Änderung nicht berührt.

(3) Für das Verfahren gelten die Bestimmungen des §21 sinngemäß."

4. Der Verfassungsgerichtshof hegte gegen die in Prüfung gezogene Widmung "Grünland-Grüngürtel" für einen Teilbereich des Grundstücks 450/1 folgende Bedenken:

"Der Verfassungsgerichtshof geht nun vorläufig davon aus, dass die in Rede stehende Änderung des Flächenwidmungsplanes nicht erforderlich war, um den Flächenwidmungsplan an ein (allenfalls geändertes) Raumordnungsprogramm des Landes oder an eine andere überörtliche Planung anzupassen und dass sie ebenso wenig der Löschung eines Vorbehaltes diente. In Anbetracht dieser vorläufigen Annahme hätte der Flächenwidmungsplan der Marktgemeinde Hinterbrühl daher im Hinblick auf §22 NÖ ROG 1976 nur wegen einer wesentlichen Änderung der Grundlagen geändert werden dürfen.

7.1. Der Verfassungsgerichtshof hegt zunächst gegen die in Prüfung genommene Flächenwidmungsplanänderung das Bedenken des fehlenden Änderungsanlasses gemäß §22 Abs1 Z2 NÖ ROG 1976. Der Gerichtshof geht dabei vorläufig davon aus, dass die unter Punkt II.4. wiedergegebenen Schutzmaßnahmen für den Wienerwald in der 'Wienerwald-Deklaration' im vorliegenden Fall keine die Rückwidmung des in Rede stehenden Grundstückes im Jahr 1990 rechtfertigende wesentliche Änderung der Grundlagen darzutun vermögen.

Allenfalls könnte ein neu zu verfolgendes allgemeines Planungsziel einen Änderungsanlass bilden. Allerdings scheint nach den bisher vorgelegten Unterlagen nicht erkennbar zu sein, inwieweit das von der Marktgemeinde Hinterbrühl genannte Ziel einer 'stärkeren Durchgrünung des Siedlungsgebietes' durch die in Prüfung genommene Änderung des Flächenwidmungsplanes tatsächlich erreicht wird. Die von der Marktgemeinde Hinterbrühl beabsichtigte 'Vernetzung' von Grüngebieten - da sich 'sowohl im Norden als auch im Süden größere Grünlandbereiche' befinden -, dürfte nicht zu erreichen sein. Im Norden des Grundstückes Nr. 450/1 grenzt unmittelbar, getrennt lediglich durch die Dreisteinstraße, bebautes Gebiet der Gemeinde Gießhübl an. Einer 'Vernetzung' von Grüngebieten scheint weiters entgegenzustehen, dass die Widmung des südlichen Teils des ursprünglich insgesamt 5198 m² großen Grundstückes als 'Bauland-Wohngebiet' belassen wurde.

Dem Verordnungsakt kann keine der Verordnungserlassung vorausgegangene, auf das konkrete Grundstück bezogene Grundlagenforschung hinsichtlich der Rückwidmung des Grundstückes Nr. 450/1 von 'Bauland-Wohngebiet' in 'Grünland-Grüngürtel' entnommen werden, weshalb der Gerichtshof schon aus diesem Grund Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit der in Prüfung genommenen Verordnungsbestimmung hegt.

7.2. Der Verfassungsgerichtshof hegt gegen die in Prüfung genommene Flächenwidmungsplanänderung der Marktgemeinde Hinterbrühl schließlich das weitere Bedenken, dass die Rückwidmung des Grundstückes Nr. 450/1 von 'Bauland-Wohngebiet' in 'Grünland-Grüngürtel' deshalb gesetzwidrig erfolgte, weil der Gemeinderat bei der Grundstücksauswahl neben der anscheinend fehlenden Grundlagenforschung auch keine ausreichende Abwägung der öffentlichen Interessen mit den Interessen der Grundeigentümer vorgenommen haben dürfte. Aus der dem Verfassungsgerichtshof vorgelegten Niederschrift der Sitzung des Gemeinderates der Marktgemeinde Hinterbrühl vom 12. Juni 1990 ergibt sich lediglich der Hinweis darauf, dass unter Berücksichtigung der Stellungnahme des damaligen Grundstückseigentümers Land Niederösterreich, 'nur ein 3198 m2 großer Teil der insgesamt 5198 m² großen Parzelle auf Grüngürtel umgewidmet' wurde.

7.3. Selbst wenn sich die seinerzeitige Umwidmung als nicht gesetzwidrig erweisen sollte, besteht das weitere Bedenken, dass die Beibehaltung der Widmung 'Grüngürtel' für das in Rede stehende Grundstück gesetzwidrig ist. Im Zeitpunkt der Widmung des Grundstückes im Jahre 1990 waren die Funktionen eines Grüngürtels und damit die Widmungsvoraussetzungen noch nicht im Gesetz umschrieben. Jedoch seit der am 1. Jänner 1996 in Kraft getretenen Novelle zum NÖ ROG 1976, LGBl. 8000-10, durften Grüngürtel nur bei Zutreffen der im §19 Abs2 Z2 genannten Funktionen (Trenngrün und Flächen mit ökologischer Bedeutung) gewidmet werden. Außerdem ist im Flächenwidmungsplan die Funktion des Grüngürtels festzulegen. Durch die am 17. September 1999 in Kraft getretene Novelle, LGBl. 8000-13, wurde als weitere Funktion die Gestaltung des Orts- und Landschaftsbildes eingefügt.

Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes muss eine Verordnung nicht nur im Zeitpunkt ihres Zustandekommens, sondern während der gesamten Zeit ihrer Anwendbarkeit ihren Rechtsgrundlagen entsprechen (vgl. VfSlg. 8329/1978, 8699/1979 und 9351/1982). Seit der Widmung des in Rede stehenden Grundstückes sind mehr als 15 Jahre vergangen. Die Gemeinde hätte innerhalb dieses Zeitraumes überprüfen müssen, ob die Widmung als Grüngürtel eine der im §19 Abs2 Z2 NÖ ROG 1976 aufgezählten Funktionen erfüllt und hätte bei Zutreffen der gesetzlichen Widmungsvoraussetzungen die Funktion im Flächenwidmungsplan festlegen müssen. Da sie trotz Änderung der Rechtslage die Widmung 'Grüngürtel' ohne Funktionsbezeichnung aufrechterhalten hat, nimmt der Verfassungsgerichtshof vorläufig an, dass die Widmung auch aus diesem Grund gesetzwidrig ist."

5. Die Marktgemeinde Hinterbrühl erstattete eine Äußerung mit im Wesentlichen folgendem Inhalt: Die Liegenschaft habe sich Jahrzehnte im Eigentum des Landes Niederösterreich befunden. Zum besseren Verständnis werde ein "historischer Abriss gegeben". Von dem in Österreich in der Zeit von 1950 bis 1960 herrschenden Bauboom seien auch die Umlandgemeinden der Bundeshauptstadt Wien betroffen gewesen. Damit sei eine enorme Preissteigerung von Grund und Boden sowie in der Folge eine zunehmend dichtere Bebauung einhergegangen. Neben wirtschaftlichen Vorteilen habe diese Entwicklung auch negative Auswirkungen mit sich gebracht. Es sei zu steigendem Verkehrsaufkommen, Überforderung der Infrastruktur und teilweise irreversibler Verbauung von wertvollem Naturgebiet gekommen. Von Seiten des Landes Niederösterreich sei im Jahre 1987 die Wienerwalddeklaration als eine Art "Notbremse" verabschiedet, sowie eine Verordnung, die eine weitere Vermehrung von Bauland unterbunden habe, erlassen worden. Der vom Gesetz geforderte Änderungsanlass für die Umwidmung im Jahr 1990 sei "damit zweifellos auf der Hand gelegen". Die geforderte Grundlagenforschung ergebe sich ebenfalls "aus der [bereits] bisher dargestellten Entwicklung". In der Folge habe auch die Marktgemeinde Hinterbrühl nach Möglichkeiten gesucht, Grundstücke in Grünland umzuwidmen. Im konkreten Fall habe es sich sogar um ein Grundstück des Landes Niederösterreich gehandelt. Noch vor der Umwidmung sei im Jahre 1989 von zahlreichen Bewohnern der Umgebung ein Schreiben an den Bürgermeister und den Gemeinderat der Marktgemeinde Hinterbrühl mit dem Ersuchen ergangen, einen Beitrag zum "Verbauungsstopp" durch Rückgewinnung von Grünland zu leisten. Die Rückwidmung des landeseigenen Grundstückes 450/1 in "Grünland-Grüngürtel", das Teil eines ökologisch wertvollen, zusammenhängenden Grünstreifens sei, könne Vorbildwirkung haben. Verfasst sei dieses Schreiben von der nunmehrigen Erstbeschwerdeführerin worden. Zu den Unterzeichnern habe u.a. auch der jetzige Zweitbeschwerdeführer gehört. Im Jahre 1990 sei vom Gemeinderat der Marktgemeinde Hinterbrühl der Beschluss zur Umwidmung gefasst worden. Das Interesse der nunmehrigen Beschwerdeführer an einer Grünlanderhaltung sei offensichtlich so groß gewesen, dass sie einen Teil des Grundstückes im Jahre 1992 zu einem Preis, der nach heutiger Berechnung etwa 22 €/m² betrage, gekauft hätten. Dieser Betrag habe den damals üblichen Grünlandpreisen entsprochen. Der heutige Wert der Liegenschaft werde wohl im Bereich von 200 € bis 300 €/m² liegen. Die behauptete Verletzung des Eigentumsrechtes und des Gleichheitssatzes entbehre daher jedweder Grundlage. Das Gesamtverhalten der Beschwerdeführer sei aus Sicht der Marktgemeinde Hinterbrühl nicht nachvollziehbar, sie stelle daher den Antrag der Verfassungsgerichtshof möge die gegenständliche Beschwerde als unbegründet abweisen und die in Prüfung gezogene Verordnung nicht aufheben.

6. Die Niederösterreichische Landesregierung sah von der Erstattung einer Äußerung ab und legte die Verordnungsakten vor.

7. Die Beschwerdeführer erstatteten eine Replik zur Äußerung der Marktgemeinde Hinterbrühl mit im Wesentlichen folgenden Inhalt:

Beide Beschwerdeführer seien im Jahre 1989 in ihrer Eigenschaft als Bedienstete des Landes Niederösterreich "gebeten" worden, das Ersuchen an den Bürgermeister zu unterschreiben. Es sei richtig, dass sie seinerzeit für einen Verbauungsstopp eingetreten seien, doch hätte sich seither durch Umwidmungen in Bauland vieles geändert. Das Nachbargrundstück und der ökologisch interessante Teil des Grundstückes seien bereits verbaut. Nur den Beschwerdeführern sei die Bebauung ihres dahinter angrenzenden Grundstückes verwehrt. Im eigenen Interesse hätten die Beschwerdeführer die Absicht nach dem Neubau von zwei Passivhäusern den verbleibenden größeren Teil des Grundstückes zu begrünen. Auch sei der Marktgemeinde Hinterbrühl bekannt - der Zweitbeschwerdeführer sei Bausachverständiger der Marktgemeinde Hinterbrühl -, dass die Beschwerdeführer für zwei ihrer erwachsenen Kinder je ein Passivhaus errichten wollen, und nicht die Absicht hätten, durch Verkauf des Grundstückes einen unangemessenen Vermögensvorteil zu erzielen.

III. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

Die Bedenken, die den Verfassungsgerichtshof zur Prüfung der Flächenwidmung des Grundstücks 450/1 veranlassten, treffen nicht zu:

1. Die Marktgemeinde Hinterbrühl begründete die Umwidmung des Grundstücks 450/1 von "Bauland-Wohngebiet" in "Grünland-Grüngürtel" in ihrem Schreiben vom 7. Mai 1990 an die Raumordnungsabteilung des Amtes der Niederösterreichischen Landesregierung folgendermaßen:

"Im Sinne der Wienerwalddeklaration, welche die Rücknahme von noch unbebauten Baulandwidmungen empfiehlt, um eine ständig weiterwachsende Siedlungsentwicklung im Wienerwald zu stoppen, soll das gegenständliche Grundstück als Grünland gewidmet werden. Damit soll auch eine stärkere Durchgrünung der Siedlungsbereiche erreicht werden. Da sowohl im Norden als auch im Süden größere Grünlandbereiche liegen, würde durch diese Umwidmung auch eine Vernetzung dieser Grünräume erreicht werden."

Das Anliegen, die ständig weiter wachsende Siedlungsentwicklung im Wienerwald zu stoppen, ist ein evidentes und berechtigtes Ziel. Dazu kommt, dass sich sowohl der Änderungsanlass als auch die Rechtfertigung zur Umwidmung des Grundstücks aus der für den Gemeinderat evidenten Aufgabe der Verbauungsabsicht durch den Grundeigentümer Land Niederösterreich ergeben (zur Evidenz eines Planungszieles vgl. VfSlg. 11.075/1986 und 16.111/2001). Gegen die aus den Akten betreffend das Zustandekommen des Flächenwidmungsplanes nicht ausdrücklich hervorgehende Interessenabwägung bestehen keine Bedenken, zumal sich die evidenten öffentlichen Interessen an der Rückwidmung unverbauter Grundstücke mit den evidenten Interessen des damaligen Grundeigentümers, die Liegenschaft unverbaut zu belassen, deckten.

2. Schließlich trifft auch das Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit der Grünlandwidmung mangels Festlegung der Funktion des Grüngürtels nicht zu. Gemäß §19 NÖ ROG in der zur Zeit der Erlassung des in Prüfung gezogenen Flächenwidmungsplanes geltenden Fassung waren nach Maßgabe der örtlichen Gegebenheiten und Erfordernisse für Flächen, die u.a. für Grüngürtel bestimmt sind, die entsprechenden Grünlandnutzungsarten auszuweisen. Die Verpflichtung, die Funktion und erforderlichenfalls die Breite des Grüngürtels im Flächenwidmungsplan festzulegen, wurde bereits mit der am 1. November 1995 in Kraft getretenen Änderung des NÖ ROG, LGBl. 8000-10, normiert. Artikel II dieser Novelle lautet: "Art I Z36 [mit der §30 Abs5 und 6 NÖ ROG neu gefasst wurden] gilt nur für Änderungen der Widmungs- und Nutzungsarten nach Inkrafttreten des ArtI". §30 Abs5 NÖ ROG lautet: "Für die in den örtlichen Raumordnungsprogrammen und vereinfachten Flächenwidmungsplänen nach Abs3 ausgewiesenen Widmungs- und Nutzungsarten sind die Bestimmungen dieses Gesetzes anzuwenden. Nutzungsarten, die nach ihrer Bezeichnung nicht mit den Bestimmungen dieses Gesetzes übereinstimmen, gelten als nicht ausgewiesen". Daraus ergibt sich, dass für die im Jahr 1990 vorgenommene Widmung Grüngürtel keine Anpassungsverpflichtung an die durch die Novelle LGBl. 8000-10 neu geschaffene Rechtslage bestand.

Es war daher auszusprechen, dass der in Prüfung gezogene Teil des Flächenwidmungsplanes der Marktgemeinde Hinterbrühl nicht als gesetzwidrig aufzuheben war.

3. Dem Begehren der - anwaltlich vertretenen - Marktgemeinde Hinterbrühl auf Kostenersatz war nicht stattzugeben, weil in Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit von Verordnungen ein Kostenersatz gemäß §§62 bis 65 VfGG nicht vorgesehen ist und nur in dem - hier nicht gegebenen - Fall des §61a VfGG in Betracht kommt.

4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Baurecht, Raumordnung, Flächenwidmungsplan, Anpassungspflicht (desNormgebers), VfGH / Kosten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2007:V27.2007

Zuletzt aktualisiert am

30.01.2009
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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