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60/04 Arbeitsrecht allgemein;Norm
AuslBG §28;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Germ und die Hofräte Dr. Blaschek und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Flendrovsky, über die Beschwerde des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 6. Juni 2000, Zl. VwSen-250839/2/Lg/Bk, betreffend Verwaltungsstrafverfahren nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (mitbeteiligte Partei: G in L, vertreten durch Mag. Harald Papesch, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Karl-Wiser-Straße 1), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Kostenbegehren der mitbeteiligten Partei wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen, vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 6. Juni 2000 wurde das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 30. August 1999 - mit dem der Mitbeteiligte wegen Übertretung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes bestraft worden war - wegen örtlicher Unzuständigkeit der Erstbehörde gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit §§ 24, 27 Abs. 1 VStG aufgehoben.
Zur Begründung führte die belangte Behörde aus, der Tatort, an dem die beiden Ausländer beschäftigt worden seien (N), liege außerhalb des Sprengels der Erstbehörde. Eine Abtretung gemäß § 29a VStG sei aus dem Akt nicht ersichtlich.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Amtsbeschwerde.
Der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit macht geltend, die belangte Behörde sei aktenwidrig davon ausgegangen, dass vorliegend keine Abtretung gemäß § 29a VStG an die Erstbehörde erfolgt sei. Er beantragt, den angefochtenen Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. a VwGG aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens mit der Bemerkung vor, die Beschwerde gehe zu Recht davon aus, dass der Akt an die Erstbehörde abgetreten worden sei. Der angefochtene Bescheid sei demnach "objektiv rechtswidrig". Zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung sei jedoch die Abtretung im erstbehördlichen Akt nicht vorgelegen. Der unabhängige Verwaltungssenat habe erst "im Gefolge der gegenständlichen Beschwerde von der Abtretung Kenntnis erlangt".
Die mitbeteiligte Partei erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 27 Abs. 1 VStG ist örtlich zuständig die Behörde, in deren Sprengel die Verwaltungsübertretung begangen worden ist, auch wenn der zum Tatbestand gehörende Erfolg in einem anderen Sprengel eingetreten ist.
Gemäß § 19 Abs. 1 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) ist der Antrag auf Ausstellung einer Sicherungsbescheinigung bzw. Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung oder Entsendebewilligung unbeschadet der Abs. 2 und 3 und des § 18 vom Arbeitgeber bei der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice einzubringen, in dessen Sprengel der in Aussicht genommene Beschäftigungsort liegt, bei wechselndem Beschäftigungsort bei der nach dem Sitz des Betriebes zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice.
Im Straferkenntnis der Erstbehörde wurde der Tatort der angelasteten Verwaltungsübertretungen (nach § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a in Verbindung mit § 3 Abs. 1 AuslBG) dahingehend umschrieben, dass der Mitbeteiligte "als privater Arbeitgeber" zwei näher bezeichnete polnische Staatsangehörige "in seinem Wochenendhaus in N" beschäftigt habe.
Im Falle von Übertretungen des § 28 AuslBG ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Zweifel der Sitz des Unternehmens des Arbeitgebers der Tatort. Der Firmensitz des Arbeitgebers ist als Tatortumschreibung ausreichend, während die Angabe des Ortes der erbrachten Arbeitsleistungen - im Allgemeinen - nur der Individualisierung der vorgeworfenen Tathandlung dient (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze II, 2. Auflage 2000, Seite 549, E 26 und 27 wiedergegebene hg. Judikatur).
Ungeachtet der Frage, ob nach dem im Straferkenntnis angegebenen Tatort die Bezirkshauptmannschaft Rohrbach oder nach dem Wohnsitz des Mitbeteiligten die Erstbehörde örtlich zuständig gewesen wäre, beruhte vorliegend die örtliche Zuständigkeit der Erstbehörde jedenfalls auf einer Übertragung des Strafverfahrens gemäß § 29a VStG.
Nach dieser Gesetzesstelle kann die zuständige Behörde, wenn hiedurch das Verfahren wesentlich vereinfacht oder beschleunigt wird, das Strafverfahren oder den Strafvollzug an die sachlich zuständige Behörde übertragen, in deren Sprengel der Beschuldigte seinen Hauptwohnsitz oder Aufenthalt hat. Das Strafverfahren darf nur an eine Behörde im selben Bundesland, der Strafvollzug nur an eine Bezirksverwaltungsbehörde oder Bundespolizeibehörde übertragen werden.
Dass der Mitbeteiligte seinen Hauptwohnsitz in L hat und die Bezirkshauptmannschaft Rohrbach mit Verfahrensanordnung (Übertragungsakt) vom 28. Juli 1998 den "gegenständlichen Akt im Hinblick auf den Hauptwohnsitz des Beschuldigten gemäß § 29a VStG 1991 dem Magistrat der Landeshauptstadt Linz Bezirksverwaltungsamt abgetreten hat", ist nach dem übereinstimmenden Vorbringen des Bundesministers in seiner Amtsbeschwerde und der belangten Behörde in ihrer Aktenvorlage unstrittig und überdies ist dieser Übertragungsakt auch der vom Arbeitsinspektorat vorgelegten unbedenklichen Ablichtung des Abtretungsschreibens zu entnehmen.
Aus welchem Grund dieser Übertragungsakt (als an sich zu den erstinstanzlichen Akten gehörender Bestandteil) der belangten Behörde erst (nach Erlassung des angefochtenen Bescheides) also nachträglich zur Kenntnis gelangte, ist nicht zu untersuchen und deshalb nicht maßgebend, weil ausschließlich ein objektiver Maßstab anzulegen ist. Die belangte Behörde hat somit den Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt aktenwidrig angenommen.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. a VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Das Kostenbegehren der mitbeteiligten Partei ist unbegründet, weil der Mitbeteiligte nicht als obsiegende Partei anzusehen ist (vgl. § 47 Abs. 3 VwGG).
Wien, am 28. Februar 2002
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2000090138.X00Im RIS seit
11.04.2002Zuletzt aktualisiert am
19.02.2009