TE Vwgh Erkenntnis 2002/2/28 99/09/0174

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Veröffentlicht am 28.02.2002
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Index

60/04 Arbeitsrecht allgemein;
62 Arbeitsmarktverwaltung;
70/05 Schulpflicht;

Norm

AuslBG §4 Abs6 Z1 idF 1997/I/078;
AuslBG §4 Abs6 Z2 idF 1997/I/078;
AuslBG §4 Abs6 Z3 idF 1997/I/078;
BHZÜV 1995 §1 Z1;
SchPflG 1985 §2;
SchPflG 1985 §3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Germ und die Hofräte Dr. Händschke und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Flendrovsky, über die Beschwerde der C Wirtschaftstreuhandgesellschaft mbH Nfg KG in W, vertreten durch Dr. Christa A. Heller, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Ungargasse 58, gegen den Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 9. Juli 1999, Zl. LGSW/Abt.10/13114/959086/1999, betreffend Sicherungsbescheinigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Arbeitsmarktservice Aufwendungen in der Höhe von 332,-- EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die beschwerdeführende Partei stellte am 2. April 1999 beim Arbeitsmarktservice Angestellte Ost Wien den Antrag auf Ausstellung einer Sicherungsbescheinigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) für die jugoslawische Staatsangehörige P (geboren 9. November 1979) für die berufliche Tätigkeit als Revisionsassistentin.

Diesen Antrag lehnte das Arbeitsmarktservice Angestellte Ost Wien mit Bescheid vom 23. April 1999 gemäß § 11 Abs. 2 Z 1 in Verbindung mit  4 Abs. 6 Z. 1 AuslBG ab.

In der gegen diesen Bescheid gerichteten Berufung führte die beschwerdeführende Partei aus, sie habe Tochtergesellschaften in Ungarn und der Slowakei und werde auch in Kroatien und Slowenien derartige Gesellschaften errichten; dafür benötige sie geeignetes Personal. Das Aufgabengebiet der beantragten ausländischen Arbeitskraft sei nicht berücksichtigt worden. Bereits im August 1998 sei ein Antrag auf Sicherungsbescheinigung für die beantragte ausländische Arbeitskraft abgelehnt worden. Der Ausländerin würden nur 2 Wochen auf die Vollendung des Pflichtschuljahres fehlen. Es sei erwiesen, dass die Ausländerin ihren Aufenthalt in Österreich gehabt habe, auch während der in den Meldezetteln bestehenden Unterbrechung vom 15. Februar bis 18. Juni 1995. Die 9. Schulstufe (Polytechnischer Lehrgang) habe die Ausländerin laut der vorgelegten Schulbestätigung abgeschlossen. Danach habe sie die Bundesfachschule für wirtschaftliche Berufe besucht und mit ausgezeichnetem Erfolg abgeschlossen; derzeit besuche sie den Aufbaulehrgang für die Handelsakademie.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 11 Abs. 2 Z 1 und § 4 Abs. 6 Z. 1 AuslBG der Berufung keine Folge.

In der Begründung des angefochtenen Bescheides wurden die Voraussetzungen wiedergegeben, unter denen gemäß § 4 Abs. 6 AuslBG nach Überschreitung der Landeshöchstzahlen Beschäftigungsbewilligungen erteilt werden dürfen und ausgeführt, der Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales habe auf Grund des § 13a Z. 3 AuslBG mit Verordnung (BGBl. II Nr. 411/1998) die Landeshöchstzahl für das Jahr 1999 für Wien mit 76.000 festgesetzt. Nach der zuletzt Anfang Juni 1999 veröffentlichten Statistik seien auf die Landeshöchstzahl 82.923 ausländische beschäftigte und arbeitslose Arbeitskräfte anzurechnen. Die Landeshöchstzahl sei somit um 6.932 ausländische Arbeitskräfte überschritten. Die ausländische Arbeitskraft sei für die Tätigkeit als Revissionsassistentin beantragt worden; sie verfüge über Sprachkenntnisse und werde zur Erweiterung des Unternehmens benötigt. Die beantragte ausländische Arbeitskraft erfülle die Erteilungsvoraussetzungen nach § 4 Abs. 6 Z 1 AuslBG nicht. Die Beschäftigung einer Revisionsassistentin im gesamtwirtschaftlichen Interesse sei nicht begründet worden. Vielmehr liege nur ein einzelbetriebliches Interesse an deren Beschäftigung vor. Es sei weder im Ermittlungsverfahren eine Zugehörigkeit zum Personenkreis gemäß § 4 Abs. 6 Z 1 festgestellt noch in der Berufung vorgebracht worden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die beschwerdeführende Partei erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid nach ihrem gesamten Beschwerdevorbringen in dem Recht auf Ausstellung der beantragten Sicherungsbescheinigung verletzt. Sie beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten ihres Verfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 11 Abs. 2 Z 1 AuslBG darf die Sicherungsbescheinigung nur ausgestellt werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 4 Abs. 1, 2 oder 6 und Abs. 3 Z. 1, 4, 6, 8 und 12 gegeben sind.

§ 4 Abs. 6 AuslBG in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 78/1997 (vgl. § 34 Abs. 19 leg. cit.) lautet:

"Über bestehende Kontingente (§ 12) hinaus sowie nach Überschreitung festgelegter Landeshöchstzahlen (§§ 13 und 13a) darf eine Beschäftigungsbewilligung nur erteilt werden, wenn

1. der Antrag für einen im § 4b Abs. 1 Z 3 bis 9 genannten oder einen von einer Verordnung gemäß § 12a Abs. 2 erfassten Ausländer eingebracht wird und

2.

die Voraussetzungen der Abs. 1 und 3 vorliegen und

3. a)

der Regionalbeirat einhellig die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung befürwortet oder

              b)              die Beschäftigung des Ausländers aus besonders wichtigen Gründen, insbesondere als Schlüsselkraft zur Erhaltung von Arbeitsplätzen inländischer Arbeitnehmer oder als nachweislich qualifizierte Arbeitskraft im Bereich der Gesundheits- oder Wohlfahrtspflege, notwendig ist oder

              c)              überbetriebliche gesamtwirtschaftliche Interessen die Beschäftigung des Ausländers erfordern oder

d)

die Voraussetzungen des § 18 gegeben sind oder

e)

die Beschäftigung auf Grund einer Verordnung gemäß § 9 des Fremdengesetzes 1997 erfolgen soll."

Die Voraussetzungen nach § 4 Abs. 6 Z. 1 bis 3 müssen kumulativ vorliegen.

Der in Z. 1 der vorgenannten Bestimmung genannte § 4b Abs. 1 Z. 3 bis 9 AuslBG nennt folgende Personengruppen:

              "3.              Ausländer, die einen Anspruch auf Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung ausschließlich durch Beschäftigungsverhältnisse im Inland erworben haben;

              4. a)              jugendliche Ausländer, sofern sie das letzte Schuljahr vor Beendigung ihrer Schulpflicht gemäß dem Schulpflichtgesetz 1985, BGBl. Nr. 76, in Österreich absolviert haben und wenigstens ein Elternteil, der nach dem Fremdengesetz 1997 niedergelassen ist, während der letzten fünf Jahre mindestens drei Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet erwerbstätig war, oder

              b)              Ausländer, die seit mindestens acht Jahren in Österreich gemäß dem Fremdengesetz 1997 niedergelassen sind;

              5.              Ausländer, die, sofern sie nicht bereits einer der vorgenannten Personengruppen zuzurechnen sind, von einer Verordndung gemäß § 12 a Abs. 2 erfasst sind und für eine Vermittlung in Betracht kommen;

              6.              Ausländer, die nach mindestens dreijähriger erlaubter Beschäftigung im Inland einen Leistungsanspruch gemäß Z 3 erschöpft haben und seitdem durchgehend beim Arbeitsmarktservice zur Vermittlung vorgemerkt sind;

              7.              Ausländer, die sich länger als drei Jahre erlaubt im Bundesgebiet aufhalten und deren Beschäftigung zur Sicherung des Lebensunterhaltes von Ehegatten und minderjährigen Kindern, die von ihnen wirtschaftlich abhängig sind und sich ebenso lang im Bundesgebiet rechtmäßig aufhalten, notwendig ist;

              8.              Ausländer, die sich länger als fünf Jahre erlaubt im Bundesgebiet aufhalten und deren Vermittlung auf offene Stellen nicht aussichtslos erscheint;

              9.              Asylwerber gemäß den §§ 7 a und 8 des Asylgesetzes 1991, BGBl. Nr. 8/1992, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 76/1997."

Die aufgrund des § 12a Abs. 2 AuslBG erlassene Bundeshöchstzahlenüberziehungsverordnung (BHZÜV, BGBl. Nr. 278/1995 und 256/1997) erfasst nach § 1 der genannten Verordnung folgende Ausländer:

              1.              integrierte jugendliche Ausländer bis zur Vollendung des 19. Lebensjahres, sofern sie das letzte volle Schuljahr vor Beendigung ihrer Schulpflicht gemäß dem Schulpflichtgesetz 1985, BGBl. Nr. 76, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 768/1996, in Österreich absolviert haben und wenigstens ein Elternteil, der nach dem Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, niedergelassen ist, während der letzten fünf Jahre mindestens drei Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet erwerbstätig war; eine Überschreitung der genannten Altersgrenze wegen Absolvierung einer anschließenden schulischen oder universitären Ausbildung im Bundesgebiet ist zulässig;

              2.              Ausländer, die gemäß einer Verordnung auf Grund des § 29 des Fremdengesetzes 1997 zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt sind;

              3.              Ausländer, an deren Beschäftigung

              a)              im Hinblick auf ihre besondere Ausbildung, speziellen Kenntnisse und Fertigkeiten oder besondere Erfahrung oder

              b)              im Hinblick auf den mit der Beschäftigung verbundenen Transfer von Investitionskapital gesamtwirtschaftliche Interessen bestehen;

              4.              Ausländer, für die zwischenstaatliche Abkommen zwingend Erleichterungen beim Zugang zum Arbeitsmarkt vorsehen;

              5.              Ausländer, für die die Voraussetzungen zur Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach einer Verordnung aufgrund des § 9 des Fremdengesetzes 1997 vorliegen;

              6.              Ausländer, für die bereits eine Bewilligung zur grenzüberschreitenden Überlassung gemäß § 16 Abs. 4 des Arbeitskräfteüberlassungsgesetzes, BGBl. Nr. 196/1988, vorliegt;

              7.              Ausländer, für deren Beschäftigung die Voraussetzungen des § 18 AuslBG vorliegen;

              8.              Grenzgänger, im Sinne des § 1 Abs. 11 des Fremdengesetzes 1997 für eine Beschäftigung bei jenem Arbeitgeber, der sie innerhalb der letzten 12 Monate mindestens sechs Monate nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz erlaubt beschäftigt hat;

              9.              integrierte Ausländer, die sich mindestens acht Jahren vor der Antragstellung im Bundesgebiet gemäß dem Fremdengesetz 1997 niedergelassen sind;

              10.              gemäß dem Fremdengesetz 1997 in Österreich niedergelassene Ausländer, denen wegen eines gegen sie oder ihr minderjähriges Kind gerichteten körperlichen Angriffs, einer Drohung mit einem solchen oder wegen eines ihre psychische Gesundheit erheblich beeinträchtigenden Verhaltens ihres Ehegatten ein weiteres Zusammenleben mit diesem nicht zumutbar ist und aus einem der genannten Gründe

              a)              der Ehegatte rechtskräftig strafgerichtlich verurteilt wurde oder

              b)              eine einstweilige Verfügung gemäß § 382b der Exekutionsordnung - EO, RGBl. Nr. 79/1896, in der Fassung des Bundesgesetzes zum Schutz vor Gewalt in der Familie - GeSchG, BGBl. Nr. 759/1996, oder ein gerichtlicher Beschluss auf gesonderte Wohnungnahme gemäß § 92 Abs. 3 des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches - ABGB, JGS Nr. 946/1811, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 412/1975, erwirkt wurde oder

              c)              die Ehe gemäß den §§ 49 oder 50 des Ehegesetzes, dRGBl. I

S 807/1938, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 25/1995, geschieden wurde;

              11.              Asylwerber, die gemäß den §§ 8 und 15 des Asylgesetzes 1997 - AsylG, BGBl. I Nr. 76, zum Aufenthalt in Österreich berechtigt sind."

Die beschwerdeführende Partei bringt vor, die beantragte ausländische Arbeitskraft erfülle die Voraussetzungen im Sinne des § 1 Z 1 der BHZÜV.

Bei diesem Vorbringen lässt die Beschwerdeführerin allerdings unberücksichtigt, dass die beantragte Ausländerin das letzte volle Schuljahr vor Beendigung ihrer Schulpflicht gemäß dem Schulpflichtgesetz 1985 in Österreich nicht absolviert hat, liegt nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten (und ihrem Antragsvorbringen im Verwaltungsverfahren) doch lediglich die Schulbesuchsbestätigung eines Polytechnischen Lehrganges in 1030 Wien darüber vor, dass die Ausländerin die 9. Schulstufe in der Zeit vom 19. September 1994 bis 30. Juni 1995 als "außerordentliche Schülerin" besuchte. Zufolge § 2 Schulpflichtgesetz 1985 beginnt allerdings die allgemeine Schulpflicht mit dem auf die Vollendung des sechsten Lebensjahres folgenden 1. September und dauert gemäß § 3 leg. cit. neun Jahre (vgl. hiezu auch das hg. Erkenntnis vom 7. Juli 1999, Zl. 97/09/0040). Nach der vorgelegten Schulbesuchsbestätigung sind zudem zahlreiche Pflichtgegenstände nur mit der Beurteilung "nicht beurteilt" ausgewiesen.

Davon ausgehend kann der belangten Behörde aber kein Vorwurf gemacht werden, wenn sie zu dem Ergebnis gelangte, dass die beantragte ausländische Arbeitskraft die Voraussetzungen im Sinne des § 1 Z. 1 der BHZÜV nicht erfüllt.

Dass die beantragte ausländische Arbeitskraft dem in § 4 Abs. 6 Z 1 AuslBG umschriebenen Personenkreis angehört vermag die beschwerdeführende Partei auch nicht mit dem Hinweis auf gesamtwirtschaftliche Interessen zu begründen, fehlen doch nach ihrem Vorbringen hinreichend konkrete Angaben darüber, welche Auswirkungen die Beschäftigung der beantragten ausländischen Arbeitskraft auf die Wirtschaft in Österreich habe und in welcher Weise der Betrieb der Beschwerdeführerin auf die gesamte Wirtschaft wesentlichen Einfluss ausüben kann (vgl. hiezu etwa die hg. Erkenntnisse vom 18. April 2001, Zl. 98/09/0017, und vom 16. Mai 2001, Zl. 98/09/0005).

Nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut müssen allerdings die Voraussetzungen nach § 4 Abs. 6 Z. 1 bis 3 AuslBG kumulativ vorliegen. Liegt auch nur eine Voraussetzung der Z. 1 bis 3 des § 4 Abs. 6 leg. cit. nicht vor, darf zufolge § 11 Abs. 2 Z. 1 AuslBG eine Sicherungsbescheinigung nicht ausgestellt werden (vgl. zu den Voraussetzungen nach § 4 Abs. 6 AuslBG etwa die hg. Erkenntnisse jeweils vom 19. September 2001, Zl. 99/09/0243, und 99/09/0269).

Es war somit nicht rechtswidrig, wenn die belangte Behörde im Beschwerdefall das Vorliegen der Voraussetzungen gemäß § 4 Abs. 6 Z. 1 AuslBG verneint hat und demnach zu dem Ergebnis gelangte, dass eine Sicherungsbescheinigung nicht ausgestellt werden darf.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit § 41 AMSG und der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 28. Februar 2002

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:1999090174.X00

Im RIS seit

11.04.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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