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32/07 Stempelgebühren Rechtsgebühren Stempelmarken;Norm
GebG 1957 §15;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Valenta, über die Beschwerde der Stadtgemeinde S, vertreten durch Dr. Arnold, Rechtsanwalts-Kommandit-Partnerschaft in 1010 Wien, Wipplingerstraße 10, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Tirol vom 11. März 1999, Zl. RV-70/1-T6/98, betreffend Rechtsgebühren, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Ein Immobilienleasingunternehmen vermietete der beschwerdeführenden Gemeinde die Teilfläche eines Grundstückes, auf dem ein Gebäude errichtet werden soll. Der auf unbestimmte Zeit abgeschlossene Mietvertrag vom 27. Mai 1997 sah einen Verzicht des Mieters auf Ausübung des Kündigungsrechtes auf die Dauer von 15 Jahren ab Übergabe des Betriebsobjektes vor. Neben dem Mietentgelt war vereinbart, dass der Mieter eine vierteljährliche Kaution in Höhe von S 125.000,-- leistet und dass bis Mietbeginn vom Mieter eine einmalige und unverzinsliche Kaution in Höhe von S 30,000.000,-- zu leisten war. Die Kaution sollte nach der Vereinbarung der Sicherung des Mietentgeltes, der Sicherung der ordnungsgemäßen Instandhaltung des Vertragsobjektes sowie zur Sicherung der Unterlassung wertmindernder baulicher Veränderungen dienen. Vereinbart war, dass bei Beendigung dieses Vertragsverhältnisses die Kaution ohne Verrechnung von Zinsen zurück bezahlt bzw. verrechnet wird, dass aber im Falle der Vertragsauflösung gemäß Punkt XI a)-d) keine Rückzahlung stattfindet. An der zuletzt genannten Stelle sind die Fälle geregelt, in denen der Vermieter ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist den Mietvertrag mittels eingeschriebenem Briefes mit sofortiger Wirkung auflösen kann; dies betraf a) den Zahlungsverzug, b) den erheblich nachteiligen Gebrauch und die Veränderung des Mietobjektes, c) erhebliche Vertragsverstöße und
d) die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Mieters.
Gegen den angefochtenen Bescheid, der die Einbeziehung der Kaution (S 31,500.000.-) in die Bemessungsgrundlage für die Vergebührung billigte, richtet sich die vorliegende Beschwerde; die Beschwerdeführerin macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend. Der Bundesminister für Finanzen legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 17 GebG lautet auszugsweise:
(1) Für die Festsetzung der Gebühren ist der Inhalt der über das Rechtsgeschäft errichteten Schrift (Urkunde) maßgebend. Zum Urkundeninhalt zählt auch der Inhalt von Schriften, der durch Bezugnahme zum rechtsgeschäftlichen Inhalt gemacht wird.
(2) Wenn aus der Urkunde die Art oder Beschaffenheit eines Rechtsgeschäftes oder andere für die Festsetzung der Gebühren bedeutsame Umstände nicht deutlich zu entnehmen sind, so wird bis zum Gegenbeweise der Tatbestand vermutet, der die Gebührenschuld begründet oder die höhere Gebühr zur Folge hat.
...
(5) Die Vernichtung der Urkunde, die Aufhebung des Rechtsgeschäftes oder das Unterbleiben seiner Ausführung heben die entstandene Gebührenschuld nicht auf.
§ 33 TP 5 GebG lautet auszugsweise:
"Bestandverträge
(1) Bestandverträge (§§ 1090 ff ABGB) und sonstige Verträge, wodurch jemand den Gebrauch einer unverbrauchbaren Sache auf eine gewisse Zeit und gegen einen bestimmten Preis erhält, nach dem Wert
1. im allgemeinen ... 1 v.H.;
...
(2) Einmalige oder wiederkehrende Leistungen, die für die Überlassung des Gebrauches vereinbart werden, zählen auch dann zum Wert, wenn sie unter vertraglich bestimmten Voraussetzungen auf andere Leistungen angerechnet werden können.
(3) Bei unbestimmter Vertragsleistung sind die wiederkehrenden Leistungen mit dem Dreifachen des Jahreswertes zu bewerten. Ist die Vertragsdauer bestimmt, aber der Vorbehalt des Rechtes einer früheren Aufkündigung gemacht, so bleibt dieser Vorbehalt für die Gebührenermittlung außer Betracht."
Die belangte Behörde hat ihren Bescheid zurecht auf die hg. Judikatur gestützt, wonach (auch) einmalige Leistungen mit ihrem vollen Wert in die Bemessungsgrundlage einbezogen werden, wenn bei vorzeitiger Vertragsauflösung keine Erstattung erfolgen soll (siehe beispielsweise die hg. Erkenntnisse vom 14. Dezember 1994, Zl. 94/16/0050, und vom 14. November 1996, Zl. 95/16/0278).
Die Beschwerdeführerin meint, die im Vertragspunkt XI Abs. 1 unter lit. a) bis d) formularmäßig angeführten Fälle seien solche, die angesichts der Qualifikation der Beschwerdeführerin als Stadtgemeinde praktisch keine Bedeutung hätten und zum Teil rechtlich problematisch seien. Daher würde nur in ganz bestimmten Ausnahmefällen, die bei der Beschwerdeführerin als Mieterin vorhersehbar nie eintreten würden, die Kaution verfallen, ansonsten wäre die Kaution zurück zu zahlen bzw. zu verrechnen. Dabei wird auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen, wonach bei Vorbehalt einzelner Kündigungsgründe das Gewicht der Kündigungsgründe und die Wahrscheinlichkeit ihrer Realisierung entscheidend sei. Auch im vorliegenden Fall könnten ausnahmsweise bestehende Ersatzpflichten nicht der Qualifikation als "echte" Kaution Abbruch tun.
Dabei verkennt die Beschwerdeführerin, dass es in den von ihr zitierten Erkenntnissen vom 22. Dezember 1976, Slg. Nr. 5.066/F, und vom 29. Juni 1992, Zl. 91/15/0040, in diesem Zusammenhang allein um die Frage ging, ob ein Bestandverhältnis auf bestimmte oder unbestimmte Dauer abgeschlossen wurde; insoferne wurde bei den Kündigungsgründen auf deren Gewicht und die Wahrscheinlichkeit der Realisierung Bedacht genommen.
Im vorliegenden Fall unterlag es allein der Disposition der Parteien, dass sie das Risiko einer vorzeitigen Vertragsauflösung aus den im Einzelnen angeführten Gründen einer vertraglichen Regelung unterworfen haben. Es wäre mit dem in § 17 Abs. 1 GebG festgelegten Urkundenprinzip unvereinbar, müsste für die Gebührenfestsetzung eine Risikoabschätzung durch die Behörde erfolgen. Völlig abzulehnen ist dabei die von der Beschwerdeführerin geforderte Bedachtnahme auf die besondere Kreditwürdigkeit eines Vertragspartners; dem hätten die Vertragspartner Rechnung tragen und eine unbedingte (aliquote) Erstattung der Kaution vereinbaren können.
Die Beschwerdeführerin macht weiters geltend, der Auflösungsgrund der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens sei "nichtig und unwirksam". Dem dafür als Beleg zitierten Urteil des OGH vom 28. Juli 1998, 1 Ob 88/98t, ist aber nur die Aussage zu entnehmen, dass der bloße Umstand der Konkurseröffnung ohne zusätzliches, besonders schutzwürdiges Interesse des Vermieters nicht wirksam als wichtiger Grund im Sinne des § 30 Abs. 2 Z. 13 MRG vereinbart werden kann. Von einer "Nichtigkeit" im Sinne einer nicht zu Stande gekommenen Vereinbarung kann somit keine Rede sein; nur darauf, also ob das Rechtsgeschäft gültig zu Stande gekommen ist, kommt es für die Entstehung der Gebührenschuld an (siehe die Nachweise bei Fellner, Stempel- und Rechtsgebühren5, 212 ff).
Da gemäß § 17 Abs. 5 GebG die Aufhebung des Rechtsgeschäftes oder das Unterbleiben der Ausführung die entstandene Gebührenschuld nicht aufhebt, kann es umso weniger darauf ankommen, ob einzelne eingegangene Vertragsverpflichtungen rechtlich durchsetzbar sind oder nicht. Entscheidend ist hier allein, dass sich die Beschwerdeführerin zu einer ungekürzten Aufgabe der Kaution in den vier Fällen der vorzeitigen Vertragsauflösung verpflichtet hat. Diese Verpflichtung wurde in der Urkunde dokumentiert. Ob in einem allfälligen Rechtsstreit auf Grund einer möglichen Qualifikation als Konventionalstrafe und auf Grund einer richterlichen Mäßigung eine Aliquotierung herauskommen kann, ist nicht Inhalt des beurkundeten Rechtsgeschäftes.
Keineswegs "undeutlich" im Sinne des § 17 Abs. 2 GebG ist die Urkunde deshalb, weil bei Beendigung des Vertragsverhältnisses die Kaution "zurück zu zahlen bzw. zu verrechnen" ist, während bei der Vertragsauflösung nur von einer (nicht stattfindenden) Rückzahlung, nicht aber von einer Verrechnung die Rede ist. Dass auch die Verrechnung nicht stattfindet, musste nicht eigens ausgeführt werden, weil im Pkt. IX des Vertrages der Mieter ausdrücklich darauf verzichtete, eigene Forderungen gegen Forderungen des Vermieters auf Zahlung des Mietentgeltes und der Betriebskosten aufzurechnen oder geschuldete Leistungen, aus welchem Grunde immer, zurückzubehalten.
Die Beschwerdeführerin fordert bei der hier gebotenen Heranziehung des § 26 GebG (bedingte Leistungen sind als unbedingte zu behandeln) eine Bedachtnahme auf die Prüfung der Worte "bedingte oder" im § 18 KVG durch den Verfassungsgerichtshof. Der Verfassungsgerichtshof hat aber im Erkenntnis vom 1. Oktober 1999, VfSlg. Nr. 15.580, die Aufhebung dieser Worte im § 18 KVG darauf gestützt, dass im Gegensatz zum Gebührenrecht (§ 16 Abs. 7 GebG) bei der Kapitalverkehrsteuer die Nichterteilung einer verwaltungsbehördlichen Genehmigung keine Berücksichtigung fand. Im Übrigen ist es nicht einsehbar, warum eine Verpflichtung für den Fall der Leistungsstörung nicht als bedingte Leistung im Sinne des § 26 GebG angesehen werden kann.
Bei der hier vereinbarten Kaution handelt es sich um eine zum Großteil einmalig zu erbringende, zum Teil in Teilbeträgen zu erbringende Leistung, wozu sich der Bestandnehmer verpflichtet hat, um in den Genuss des Gebrauchsrechtes an der Bestandsache zu gelangen. Die Beschwerdeausführungen bieten keine Veranlassung für ein Abgehen von der Auffassung, dass solche Leistungen mit ihrem vollen Wert in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen sind, wenn wie hier bei vorzeitiger Vertragsauflösung keine Erstattung erfolgen soll.
Da sich der angefochtene Bescheid weder als inhaltlich rechtswidrig noch als rechtswidrig in Folge Verletzung von Verfahrensvorschriften erweist, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Da die Schriftsätze der Beschwerdeführerin und der belangten Behörde erkennen ließen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und es sich beim geltend gemachten subjektiven Recht nicht um ein "civil right" im Sinne des Art. 6 EMRK handelt (vgl. das Erk. des Verfassungsgerichtshofes vom 14. Oktober 1987, Zl. B 267/86, VfSlg. 11500), konnte von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 28. Februar 2002
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:1999160140.X00Im RIS seit
08.07.2002Zuletzt aktualisiert am
16.05.2013