Index
E3L E09301000;Norm
31977L0388 Umsatzsteuer-RL 06te Art17 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. H. Zehetner als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. U. Zehetner, über die Beschwerde des S in S, vertreten durch Dr. Arnold, Rechtsanwalt-Kommandit-Partnerschaft in 1010 Wien, Wipplingerstraße 10, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Salzburg (Berufungssenat I) vom 6. August 1998, Zl. RV 315.97/1-7/97, betreffend Umsatz- und Einkommensteuer für das Jahr 1996,
Spruch
1. den Beschluss gefasst:
Die Beschwerde wird, soweit sie die Einkommensteuer für das Jahr 1996 betrifft, zurückgewiesen.
2. zu Recht erkannt:
Der angefochtene Bescheid wird, soweit er die Umsatzsteuer für das Jahr 1996 betrifft, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
In seiner Umsatzsteuererklärung für das Kalenderjahr 1996 machte der Beschwerdeführer, ein selbstständiger Handelsvertreter, Vorsteuern für das Leasingfahrzeug Fiat Ulysse in der Höhe von 8.724,27 S geltend. In seiner Einkommensteuererklärung erklärte er Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 11.711 S. Bei der Ermittlung dieser Einkünfte hatte er es unterlassen, gemäß § 8 Abs. 6 Z 2 EStG 1988 einen Aktivposten in der Höhe von 9.583 S anzusetzen. Er begründete dies in einer Beilage zu den Abgabenerklärungen damit, dass die auf Grundlage des Strukturanpassungsgesetzes 1996, BGBl. Nr. 201/1996, ergangene Verordnung des Bundesministers für Finanzen über die steuerliche Einstufung von Fahrzeugen als Personenkraftwagen und Kombinationskraftwagen, BGBl. Nr. 273/1996, gegen innerstaatliche Rechtsvorschriften verstoße und geltendes Gemeinschaftsrecht verletze.
Bei Erlassung des Umsatz- und des Einkommensteuerbescheides versagte das Finanzamt den vom Beschwerdeführer geltend gemachten Vorsteuerabzug und erhöhte die Einkünfte aus Gewerbebetrieb um den vom Beschwerdeführer nicht geltend gemachten Aktivposten, sodass sich Einkünfte in Höhe von 21.293 S ergaben. Die Einkommensteuer wurde mit Null S festgesetzt.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung abgewiesen. Die Behörde hat die Feststellung getroffen, dass es sich um ein Fahrzeug mit fünf bis sieben Sitzplätzen handle, bei dem der Laderaum weniger als 500 mm Länge aufweist. Bei dieser Beschaffenheit seien die in der Verordnung genannten Voraussetzungen nicht erfüllt.
Gegen die abweisende Berufungsentscheidung wurde Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof erhoben. In der Begründung dazu wurde ua die Rechtsmeinung vertreten, dass die belangte Behörde bei der Bescheiderlassung gegen das Gemeinschaftsrecht verstoßen habe. Mit Beschluss vom 30. November 1999, B 1770/98-7, hat der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde abgelehnt und diese auf Antrag des Beschwerdeführers mit Beschluss vom 27. Dezember 1999 an den Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Einkommensteuer:
Betreffend die Einkommensteuer für das Jahr 1996 erachtet sich der Beschwerdeführer in dem Recht auf richtige Berechnung der Einkommensteuer verletzt, da seine Einkünfte um einen Aktivposten im Sinne des § 8 Abs. 6 Z 2 EStG 1988 erhöht wurden. In diesem Recht konnte er jedoch im gegenständlichen Fall (Einkünfte von 21.293 S, kein Verlustausgleich oder -vortrag) mangels steuerlicher Auswirkungen zu seinen Lasten nicht verletzt werden, weshalb es ihm in diesem Umfang an der Beschwerdeberechtigung fehlt (vgl. Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. November 1995, 94/13/0147). Die Beschwerde war daher, soweit sie die Einkommensteuer für 1996 betrifft, gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung zurückzuweisen.
2. Umsatzsteuer:
Lieferungen und sonstige Leistungen, die im Zusammenhang mit der Anschaffung, Miete oder dem Betrieb von Personenkraftwagen, Kombinationskraftwagen oder Krafträdern stehen (ausgenommen Fahrschulkraftfahrzeuge, Vorführkraftfahrzeuge und Kraftfahrzeuge, die ausschließlich zur gewerblichen Weiterveräußerung bestimmt sind, sowie Kraftfahrzeuge, die zu mindestens 80 % dem Zweck der gewerblichen Personenbeförderung oder der gewerblichen Vermietung dienen) berechtigen gemäß § 12 Abs. 2 Z 2 lit. b UStG 1994 nicht zum Vorsteuerabzug. Die genannte Gesetzesbestimmung wurde unverändert aus der bis zum Beitritt Österreichs zur EU geltenden Bestimmung des § 12 Abs. 2 Z 2 lit. c UStG 1972 übernommen.
Im Erlass 09 1202/4-IV/9/87 des Bundesministers für Finanzen vom 18. November 1987, AÖF 330/1987, wird darauf verwiesen, dass Kleinbusse nicht unter die für Personenkraftwagen und Kombinationskraftwagen geltenden einschränkenden umsatzsteuerlichen Bestimmungen fielen, für Kleinbusse vielmehr die Möglichkeit des Vorsteuerabzuges bestehe. Sodann wird ausgeführt:
"Unter einem Kleinbus ist nach Ansicht des Bundesministeriums für Finanzen ein Fahrzeug zu verstehen, das ein kastenwagenförmiges Äußeres sowie Beförderungsmöglichkeiten für mehr als sechs Personen (einschließlich des Fahrzeuglenkers) aufweist. Bei der Beurteilung der Personenbeförderungskapazität ist nicht auf die tatsächlich vorhandene Anzahl der Sitzplätze, sondern auf die maximal zulässige Personenbeförderungsmöglichkeit abzustellen. Es ist auch unmaßgebend, ob ein nach diesen Kriterien als Kleinbus anerkanntes Fahrzeug Zwecken des Personentransportes oder des Lastentransportes dient oder kombiniert eingesetzt wird. Voraussetzung für die steuerliche Anerkennung ist allerdings die nachweislich überwiegende unternehmerische bzw. betriebliche Nutzung des Fahrzeuges."
Auf Grund der Verordnungsermächtigung des § 12 Abs. 2 Z 2 lit. b UStG 1994 in der Fassung Strukturanpassungsgesetz 1996 erließ der Bundesminister für Finanzen die Verordnung über die steuerliche Einstufung von Fahrzeugen als Personenkraftwagen und Kombinationskraftwagen, BGBl. Nr. 273/1996 (im Folgenden Verordnung). § 10 dieser Verordnung lautet:
"Klein-Autobusse, auch wenn sie kraftfahrrechtlich und zolltarifarisch als Personenkraftwagen oder Kombinationskraftwagen eingestuft sind, sind steuerrechtlich keine Personenkraftwagen oder Kombinationskraftwagen, wenn sie eine einem Autobus entsprechende Form aufweisen und weiters eine der folgenden Voraussetzungen erfüllen:
1. Das Fahrzeug ist kraftfahrrechtlich für eine Beförderung von mindestens neun Personen (einschließlich des Fahrzeuglenkers) zugelassen und enthält zusätzlich einen Gepäcksraum im Fahrzeuginneren. Die erste Sitzreihe ist bereits werkseitig mit drei fixen Sitzplätzen ausgestattet.
2. Das Fahrzeug ist kraftfahrrechtlich für die Beförderung von mindestens sieben Personen (einschließlich des Fahrzeuglenkers) zugelassen und weist bereits werkseitig hinter der dritten Sitzreihe in hinterster Position einen Laderaum mit einer Länge von mindestens 500 mm auf. Diese Länge muss im Durchschnitt vom Laderaumboden bis zur Höhe von 500 mm über dem Laderaumboden erreicht werden."
Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Beschluss vom 22. September 1999, 98/15/0136, 99/15/0022 und 99/15/0088, dem EuGH folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Ist Artikel 17 Absatz 6 Unterabsatz 2 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuer, 77/388/EWG, dahingehend auszulegen, dass es einem Mitgliedstaat verwehrt ist, bestimmte Kraftfahrzeuge nach Inkrafttreten der Richtlinie vom Vorsteuerabzug auszuschließen, wenn der Vorsteuerabzug für diese Kraftfahrzeuge vor Inkrafttreten der Richtlinie auf Grund einer, von den Verwaltungsbehörden tatsächlich geübten Praxis gewährt worden ist?
2. Falls Frage 1 zu bejahen ist: Ist Artikel 17 Absatz 7 Satz 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuer, 77/388/EWG dahingehend auszulegen, dass es einem Mitgliedstaat ohne vorhergehende Konsultationen iSd Artikel 29 der Richtlinie erlaubt ist, zur Konsolidierung des Budgets bestehende Vorsteuerausschlüsse auf die in Frage 1 genannte Art und Weise unbefristet auszuweiten?
Der EuGH hat nunmehr das Urteil vom 8. Jänner 2002, C-409/99, erlassen. In diesem Urteil wird ausgeführt, die Regelung eines Mitgliedstaates, die nach dem Inkrafttreten der Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie 77/388/EWG, im Folgenden Richtlinie (für Österreich ist die Richtlinie zum Zeitpunkt des Beitrittes zur EU am 1. Jänner 1995 in Kraft getreten), die bestehenden Vorsteuerausschlusstatbestände erweitere und sich damit vom Ziel der Richtlinie entferne, verstoße gegen deren Art. 17 Abs. 2 und stelle keine nach Art. 17 Abs. 6 Unterabs. 2 zulässige Ausnahme dar. Art. 17 Abs. 6 der Richtlinie enthalte eine Stand-still-Klausel, die die Beibehaltung der innerstaatlichen Ausschlusstatbestände vom Vorsteuerabzugsrecht vorsehe, die vor dem Inkrafttreten der Richtlinie in Geltung gestanden seien. Mit dieser Bestimmung sollten die Mitgliedstaaten ermächtigt werden, bis zum Erlass der gemeinschaftsrechtlichen Regelung der Tatbestände des Ausschlusses vom Vorsteuerabzugsrecht durch den Rat alle Regelungen des innerstaatlichen Rechts über den Ausschluss des Vorsteuerabzugs beizubehalten, die ihre Behörden zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Richtlinie tatsächlich angewandt hätten. "Angesichts dieses besonderen Zweckes umfasst der Begriff innerstaatliche Rechtsvorschriften im Sinne von
Artikel 17 Absatz 6 Unterabsatz 2 der Sechsten Richtlinie nicht nur Rechtsetzungsakte im eigentlichen Sinn, sondern auch die Verwaltungsakte und Verwaltungspraktiken der Behörden des betroffenen Mitgliedstaats" (Rz 49).
Der EuGH betont im Vorabentscheidungsurteil, es sei einem Mitgliedstaat nach Art. 17 Abs. 6 Unterabs. 2 der Richtlinie verwehrt, die Ausgaben für bestimmte Kraftfahrzeuge nach dem Inkrafttreten der Richtlinie vom Recht auf Vorsteuerabzug auszuschließen, wenn zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Richtlinie für solche Ausgaben das Recht auf Vorsteuerabzug nach ständiger, auf einem Ministerialerlass beruhender Praxis der Verwaltungsbehörden dieses Mitgliedstaates gewährt worden sei.
In rechtlicher Hinsicht ergibt sich aus der Entscheidung des EuGH für den Beschwerdefall, dass der Vorsteuerabzug im Zusammenhang mit dem Betrieb des Fahrzeuges des Beschwerdeführers nicht deshalb versagt werden durfte, weil dieses Fahrzeug nicht die im § 10 der Verordnung festgelegten Anforderungen erfüllt, da die im Erlass des Bundesministers für Finanzen vom 18. November 1987, AÖF 330/1987, angegebenen Voraussetzungen erfüllt sind. Der angefochtene Bescheid ist somit in Verkennung der Rechtslage ergangen. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 28. Februar 2002
Gerichtsentscheidung
EuGH 61999J0409 Metropol Treuhand VORABEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:1999150269.X00Im RIS seit
11.07.2002Zuletzt aktualisiert am
04.11.2011