TE Vwgh Erkenntnis 2002/2/28 2000/09/0028

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Veröffentlicht am 28.02.2002
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

VStG §19;
VStG §20;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Germ und die Hofräte Dr. Blaschek und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Flendrovsky, über die Beschwerde des H in M/BRD, vertreten durch die Partnerschaft von Rechtsanwälten Cerha, Hempel & Spiegelfeld in 1010 Wien, Parkring 2A, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 21. Dezember 1999, Zl. UVS-07/A/37/350/1999/9, betreffend Bestrafung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (weitere Partei: Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit - hinsichtlich seines Schuldausspruches in Rechtskraft erwachsenen - Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien vom 26. Mai 1999 wurde der Beschwerdeführer der Begehung einer Verwaltungsübertretung gemäß § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a in Verbindung mit § 3 Abs. 1 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) dahingehend schuldig erkannt, er habe es als handelsrechtlicher Geschäftsführer der A Handelsgesellschaft mbH zu verantworten, dass diese Gesellschaft als Arbeitgeberin im Zeitraum 13. August bis 14. September 1997 eine näher bezeichnete Ausländerin ohne die erforderlichen arbeitsmarktbehördlichen Genehmigungen als Bauhelfer beschäftigt habe.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 18. Mai 2000 wurde der (am 11. November 1999 auf die Bekämpfung der Höhe der verhängten Geldstrafe eingeschränkten) Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG dahingehend Folge gegeben, dass die in erster Instanz über den Beschwerdeführer nach dem ersten Strafsatz des § 28 Abs. 1 Z. 1 AuslBG verhängte Geldstrafe auf S 10.000,--, die Ersatzfreiheitsstrafe auf 2 Tage und der erstinstanzliche Verfahrenskostenbeitrag auf S 1.000,-- herabgesetzt wurden; ein Kostenbeitrag für das Berufungsverfahren wurde nicht verhängt (§ 65 VStG).

Zur Strafbemessung führte die belangte Behörde nach Darlegung des Verfahrensverlaufes und der maßgebenden Rechtslage aus, der Unrechtsgehalt der illegalen Beschäftigung von ausländischen Arbeitskräften sei (aus den im einzelnen dargelegten objektiven Kriterien) grundsätzlich erheblich. Die Erstbehörde habe (zu Unrecht) den Tatzeitraum als erschwerend gewertet; dieser sei jedoch beim Unrechtsgehalt zu berücksichtigen. Der Tatzeitraum sei nicht bloß kurz gewesen; es sei aber zu berücksichtigen, dass die Ausländerin nach dem Ende des Tatzeitraumes eine Arbeitserlaubnis erhalten habe, sodass der Unrechtsgehalt nicht als gravierend anzusehen sei. Das Verschulden des Beschwerdeführers könne nicht als gering angesehen werden, da weder hervorgekommen sei, noch auf Grund der Tatumstände anzunehmen gewesen sei, dass die Einhaltung der Vorschrift eine besondere Aufmerksamkeit erfordert habe, oder dass die Verwirklichung des Tatbestandes aus besonderen Gründen nur schwer hätte vermieden werden können. Als mildernd zu werten seien die Unbescholtenheit des Beschwerdeführers und die Anmeldung der Ausländerin zur Sozialversicherung, weil der Beschwerdeführer sich dadurch der Gefahr der Entdeckung ausgesetzt habe. Zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen habe der Beschwerdeführer keine Angaben gemacht; der Einschätzung der Behörde erster Instanz werde nicht entgegengetreten. Sorgepflichten seien nach der Aktenlage nicht hervorgekommen. Im Hinblick auf den von S 10.000,-- bis S 60.000,-- reichenden Strafrahmen sowie die angeführten Strafzumessungsgründe - insbesondere das Hinzutreten eines weiteren Milderungsgrundes - habe die verhängte Strafe im angeführten Ausmaß herabgesetzt werden können. Da die Milderungsgründe nicht als überwiegend im Sinne des § 20 VStG eingestuft werden könnten, sei die Anwendung dieser Bestimmung nicht in Betracht gekommen. Für die spruchgemäße Entscheidung hätten auch spezial- und generalpräventive Erwägungen gesprochen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht auf Anwendung der Bestimmungen der §§ 20 und 21 VStG bei der Strafbemessung verletzt. Er beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor, verzichtete auf Erstattung einer Gegenschrift und verzeichnete den Vorlageaufwand.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 20 VStG kann die Mindeststrafe bis zur Hälfte unterschritten werden, wenn die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe beträchtlich überwiegen oder der Beschuldigte ein Jugendlicher ist.

Gemäß § 21 Abs. 1 VStG kann die Behörde ohne weiteres Verfahren von der Verhängung einer Strafe absehen, wenn das Verschulden des Beschuldigten geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind. Sie kann dem Beschuldigten jedoch gleichzeitig unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid ermahnen, sofern dies erforderlich ist, um den Beschuldigten von weiteren strafbaren Handlungen gleicher Art abzuhalten.

Nach der Strafbestimmung des § 28 Abs. 1 Z. 1 AuslBG ist der Beschuldigte zu bestrafen bei unberechtigter Beschäftigung von höchstens drei Ausländern für jeden unberechtigt beschäftigten Ausländer mit Geldstrafe von S 10.000,-- bis zu S 60.000,-- im Falle der erstmaligen und weiteren Wiederholung von S 20.000,-- bis zu S 120.000,-- bei unberechtigter Beschäftigung von mehr als drei Ausländern für jeden unberechtigt beschäftigten Ausländer mit Geldstrafe von S 20.000,-- bis zu S 120.000,--, im Falle der erstmaligen und weiteren Wiederholung von S 40.000,-- bis S 240.000,--.

Die Anwendung des § 20 VStG (außerordentliche Milderung der Strafe) setzt somit u.a. voraus, dass die vorliegenden Milderungsgründe - und zwar nicht der Zahl nach, sondern - dem Gewicht nach die Erschwerungsgründe erheblich überwiegen. Dass diese Voraussetzung zutrifft oder nicht zutrifft, hat die Behörde in der Begründung ihres Bescheides in nachvollziehbarer (nachprüfbarer) Weise aufzuzeigen. Dazu ist es erforderlich, die zum Tragen kommenden Milderungs- und Erschwerungsgründe einander gegenüber zu stellen und deren Bedeutung im Rahmen des konkret gegebenen Sachverhaltes zu bewerten (vgl. das Erkenntnis vom 16. Oktober 2001, Zl. 99/09/0058, und die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze II, zweite Auflage 2000, Seite 381 f, wiedergegebene hg. Judikatur).

Der Beschwerdeführer macht in seiner Beschwerde geltend, es liege kein Erschwerungsgrund vor und die festgestellten Milderungsgründe seien als überwiegend anzusehen. Die belangte Behörde habe nicht begründet, wieso die Voraussetzungen gemäß § 20 VStG nicht vorgelegen seien.

Mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer im Recht. Die belangte Behörde begründete zwar, weshalb innerhalb des angewendeten ersten Strafrahmens die Strafe herabzusetzen sei, sie hat allerdings nicht nachvollziehbar dargelegt, wieso die vorliegenden Milderungsgründe - denen kein Erschwerungsgrund gegenübersteht - ihrem Gewicht nach nicht derart als überwiegend anzusehen seien, dass die Strafbemessung innerhalb des aus § 20 VStG sich ergebenden Strafrahmens zu erfolgen hatte.

Da die belangte Behörde in dieser Hinsicht keine (zumindest keine hinreichend überprüfbare) Begründung im angefochtenen Bescheid aufgezeigt hat, war dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der in der Beschwerde geltend gemachte "weitere" Milderungsgrund, die Tat habe keinen Schaden herbeigeführt, liegt nicht vor, weil bei Ungehorsamsdelikten der Nichteintritt eines Schadens schon nach dem Zweck der Strafdrohung nicht als Milderungsgrund in Betracht kommt (vgl. die bei Walter/Thienel, a. a.O., Seite 355, E 360 wiedergegebene hg. Judikatur).

In der Beschwerde wird insgesamt betrachtet kein maßgebender Umstand dargetan, der die Beurteilung der belangten Behörde, die Voraussetzungen des § 21 Abs. 1 VStG seien nicht vorgelegen, rechtswidrig erschienen ließe, zumal dem Beschwerdeführer zwar kein gravierendes Verschulden vorzuwerfen ist, sein Verhalten aber doch nicht als ein solches anzusehen ist, dass hinter dem in der Strafdrohung typisierten Unrechtsgehalt und Schuldgehalt erheblich zurückbleibt, kann doch bei Fehlen eines funktionierenden Kontrollsystem bezüglich der Einhaltung der Bestimmungen des AuslBG - welches vorliegend nicht eingerichtet war und auch nicht hinreichend dargetan wurde - von einem nur geringfügigen Verschulden des Beschwerdeführers im Sinne des § 21 Abs. 1 VStG im vorliegenden Fall nicht gesprochen werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Dezember 2001, Zl. 99/09/0166, und die bei Walter/Thienel, a. a.O. Seite 394f, E 41, 43 und 46-48 wiedergegebene Judikatur).

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 28. Februar 2002

Schlagworte

Erschwerende und mildernde Umstände Allgemein

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2000090028.X00

Im RIS seit

21.05.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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