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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1997 §7;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Pelant, Dr. Köller und Dr. Thoma als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schimetits, über die Beschwerde des P A, geboren am 1. Jänner 1975, vertreten durch Dr. Wolfgang Vacarescu, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Jakominiplatz 16/II, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 30. Juli 1999, Zl. 209.906/0-V/14/99, betreffend §§ 7 und 8 AsylG (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein sudanesischer Staatsangehöriger christlicher Religionszugehörigkeit, reiste am 14. Juni 1998 in das Bundesgebiet ein und beantragte am 15. Juni 1998 die Gewährung von Asyl. Bei seiner niederschriftlichen Einvernahme am 9. Juli 1998 gab er zu seinen Fluchtgründen befragt an, das Militär sei eines Nachts gekommen und habe das Haus, in dem er zusammen mit seinen Eltern gewohnt habe, in Brand gesteckt. Er habe durch ein Fenster entkommen können. Bei seiner Rückkehr am nächsten Tag habe er gesehen, dass seine Eltern verbrannt seien. Vor diesem Vorfall habe es keine Maßnahmen gegen seine Person gegeben. Das Haus sei von der National Islamic Front (NIF) angegriffen worden. Schon lange würde man sehr viele Farmer umbringen; wenn man ihn erwischte, würde er ebenso getötet werden. Über Vorhalt, was den Beschwerdeführer daran gehindert habe, in eines der im Bereich von Khartum errichteten Flüchtlingslager zu gehen, antwortete der Beschwerdeführer, dass er dort nicht überlebt hätte. Man hätte ihn für Kämpfe benützt. Bei einer Rückkehr in sein Heimatland würde er sterben oder nicht glücklich sein.
Mit Bescheid vom 23. April 1999 wies das Bundesasylamt den Asylantrag nach § 7 AsylG zusammengefasst mit der Begründung ab, bei den vom Beschwerdeführer angegebenen Umständen handle es sich um reine Kriegshandlungen, die eine Verfolgung seiner Person im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention (FlKonv) ausschlössen. Es sprach weiters aus, dass gemäß § 8 AsylG die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in den Sudan zulässig sei.
In der dagegen erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, er werde von der NIF verfolgt, weil sein Vater als Farmer gearbeitet habe und er ihm dabei geholfen habe, die SPLA mit Lebensmitteln zu versorgen. Ziel der NIF sei es, alle Bauern zu ermorden, um die Lebensmittelversorgung der SPLA zu unterbinden. Die erstinstanzliche Behörde habe keinerlei Umstände aufzuzeigen vermocht, dass die Sicherheitsbehörden in seinem Heimatland in der Lage und Willens seien, die Zivilbevölkerung vor Übergriffen zu schützen. Auch im Flüchtlingslager in Khartum würden Soldaten für die NIF rekrutiert werden. Auf Grund seiner ablehnenden Haltung gegenüber der NIF sowie wegen seiner Religion und seiner politischen Gesinnung werde er in seinem Heimatland verfolgt und sei aus diesem Grunde nicht in der Lage, ein sicheres Leben zu führen. Bei einer Rückkehr in den Sudan habe er mit erheblichen Repressalien, mit Folter und schließlich mit seiner Hinrichtung zu rechnen.
In der von der belangten Behörde durchgeführten Berufungsverhandlung ergänzte der Beschwerdeführer sein Vorbringen dahin, dass es immer wieder vorkäme, dass Bauernhäuser im Zuge des Bürgerkrieges angezündet würden. Weiters habe er Angst vor einer Zwangsrekrutierung. Im Sudan gebe es eine arabische Mehrheit, die die südlichen Sudanesen zwingen wolle, sich vom Christentum zum Islam zu bekehren. Auf dem Weg zu dem Flüchtlingslager nahe bei Khartum oder im Lager selbst wäre er von den Truppen (NIF) rekrutiert worden und hätte gegen seine Leute aus dem Süden kämpfen müssen. Er habe auch nicht auf Seiten der SPLA kämpfen wollen. Sein Vater habe dies bislang dadurch verhindern können, dass er erklärt habe, der Beschwerdeführer als sein einziger Sohn helfe ihm bei der Produktion von Nahrungsmitteln. Bei einer Rückkehr in den Süden würde ihn die SPLA verfolgen, weil er sich früher so lange geweigert habe, deren Streitkräften beizutreten.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 7 AsylG ab und stellte gemäß § 8 AsylG fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in den Sudan zulässig sei. Sie begründete den Bescheid im Wesentlichen damit, dass die dem Beschwerdeführer in Form einer Zwangsrekrutierung "durch Regierungstruppen" drohende Gefahr ausschließlich aus seinem Geschlecht und seinem Alter resultiere, weshalb keine Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention (FlKonv) vorläge. Dies gelte auch für die Befürchtungen des Beschwerdeführers, allenfalls in Auseinandersetzungen mit (anderen) Christen verwickelt zu werden bzw. gegen Angehörige seines eigenen Religionsbekenntnisses kämpfen zu müssen. Von einer solchen asylrelevanten Verfolgung wäre allerdings dann auszugehen, wenn der Beschwerdeführer wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Volksgruppe oder Religion "einer strengeren Strafe unterläge". Eine Militärdienstpflicht bzw. ihre Sicherstellung durch Strafandrohung stelle grundsätzlich eine auf einem originären und souveränen staatlichen Recht beruhende legitime Maßnahme dar. Dies gelte grundsätzlich auch in Fällen, in denen im betroffenen Heimatstaat ein Bürgerkrieg, Revolten oder bürgerkriegsähnliche Auseinandersetzungen stattfänden und der Betroffene an Einsätzen gegen Angehörige seiner eigenen ethnischen oder religiösen Gruppe teilnehmen müsste.
Bei der nach dem Tod seines Vaters vom Beschwerdeführer befürchteten Zwangsrekrutierung durch die Bürgerkriegstruppen der SPLA im Süden seines Heimatlandes, handle es sich hingegen um Furcht vor einer Zwangsrekrutierung durch (nichtstaatliche) Milizen, sodass nicht derselbe Maßstab wie bei der Verweigerung des staatlichen Wehrdienstes anzulegen sei. Die Behauptung einer Bedrohung durch eine Gruppierung in einem Land, in dem bürgerkriegsähnliche Verhältnisse herrschten, sei aber nicht geeignet, die Flüchtlingseigenschaft zu begründen. Die vom Beschwerdeführer dargestellte Bedrohung seiner Person durch die SPLA stelle keine Verfolgung im Sinne der FlKonv dar, weil sie nicht dem Staat zuzurechnen sei. Es ergäben sich auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die von ihm beschriebene Gefahr, Bedrohung bzw. Verfolgung "vom Staat ausginge oder von ihm zumindest gebilligt würde". Diese Bedrohung könne einer durch Privatpersonen gleichgesetzt werden und eine solche sei nur von asylrechtlicher Bedeutung, wenn der Staat "nicht in der Lage oder nicht gewillt" sei, sie hintanzuhalten. Weiters sei es eine amtsbekannte Tatsache, dass Christen im Sudan nicht generell verfolgt würden bzw. dem religiösen Bekenntnis nur in bestimmten Fallkonstellationen Bedeutung beizumessen sei. Eine Behauptung, die die Annahme einer solchen Ausnahme nahelege, habe der Beschwerdeführer nicht aufgestellt.
Zur Begründung des Ausspruches gemäß § 8 AsylG führte die belangte Behörde aus, dem Vorbringen des Beschwerdeführers hätten keine konkreten, in sich schlüssigen Hinweise, dass er wegen eines in seiner Person gelegenen Merkmals einer erhöhten Gefahr ausgesetzt gewesen sei oder eine solche im Falle seiner Rückkehr zu befürchten hätte, entnommen werden können. Dies gelte auch für seine Aussagen, dass er im Falle seiner Rückkehr von der SPLA verfolgt werden würde, weil er sich so lange geweigert hätte, deren Streitkräften beizutreten.
Dass der Angriff auf das Elternhaus des Beschwerdeführers, wie von diesem in der mündlichen Berufungsverhandlung erstmals vorgebracht, auf die Teilnahme des Beschwerdeführers an einer Demonstration zurückzuführen gewesen sei, erachtete die belangte Behörde als unglaubwürdig.
Über die gegen diesen Bescheid gerichtete, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Die Begründung des angefochtenen Bescheides lässt - abgesehen von den Ausführungen zur behaupteten Demonstrationsteilnahme des Beschwerdeführers - nicht erkennen, welches Vorbringen des Beschwerdeführers die belangte Behörde als glaubwürdig erachtet bzw. welche Feststellungen sie ihrer rechtlichen Beurteilung zu Grunde gelegt hat. Sie ist - mit der erwähnten Ausnahme, und abgesehen von ihrem Hinweis auf das "amtsbekannte" Fehlen einer "generellen" Verfolgung von Christen im Sudan - vom Vorbringen des Beschwerdeführers ausgegangen und hat dieses als nicht asylrelevant erachtet.
Dabei hat die belangte Behörde jedoch verkannt, dass das Berufungsvorbringen des Beschwerdeführers, ihm drohe wie seinen Eltern die Ermordung durch die NIF, weil er geholfen habe, die SPLA mit Lebensmitteln zu versorgen, wegen des Zusammenhanges mit dem Konventionsgrund einer dem Beschwerdeführer zumindest unterstellten politischen Gesinnung einer Lösung des Falles ohne Auseinandersetzung mit Fragen der Beweiswürdigung und ohne Feststellungen zum Sachverhalt von vornherein entgegen steht.
Der angefochtene Bescheid war schon deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.
Von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 VwGG Abstand genommen werden.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001 BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 12. März 2002
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:1999010393.X00Im RIS seit
03.06.2002