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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
FrG 1997 §36 Abs1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des M in N, geboren 1968, vertreten durch Dr. Alois Fuchs, Rechtsanwalt in 6500 Landeck, Malserstraße 74, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 29. Juni 1998, Zl. III 157/98, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 41,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol (der belangten Behörde) vom 29. Juni 1998 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 Z 1 und den §§ 37 bis 39 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein Aufenthaltsverbot in der Dauer von vier Jahren erlassen.
Der Beschwerdeführer sei von der Bezirkshauptmannschaft Landeck mit rechtskräftiger Strafverfügung vom 5. Februar 1997 wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem Meldegesetz mit einer Geldstrafe von S 800,-- belegt worden, weil er am 4. Oktober 1996 von einem Hotel verzogen sei und es <seite_2>"entgegen den Bestimmungen der §§ 6 und 4 Abs. 1 Meldegesetz bis zum 3.1.1997 unterlassen" habe, sich beim zuständigen Meldeamt abzumelden. Darüber hinaus sei er vom Landesgericht Innsbruck mit rechtskräftigem Urteil vom 9. März 1998 wegen des Vergehens der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs. 1 StGB mit einer auf drei Jahre bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von sechs Monaten belegt worden. Der Beschwerdeführer habe am 31. Oktober 1997 in N. die 15-jährige DS. dadurch, dass er sie beim Nachhauseweg am Arm erfasste und in einen Schuppen zerrte, wo er sie zu Boden drückte, ihr Mund und Nase zuhielt und sie im Brust- und Genitalbereich abtastete, mit Gewalt zur Duldung einer geschlechtlichen Handlung genötigt. Als Milderungsgründe habe das Gericht das umfassende Geständnis, die Alkoholisierung, die bisherige Unbescholtenheit und die Schadensgutmachung in Form eines Schmerzensgeldes von S 10.000,-- gewertet. Erschwerend sei kein Umstand gewesen. Das Gesamtfehlverhalten des Beschwerdeführers zeige seine negative Einstellung zur Rechtsordnung. Es sei der Eindruck entstanden, dass er nicht gewillt sei, die Rechtsordnung in der erforderlichen Weise zu achten und sein Verhalten den Gesetzen anzupassen. Dass der Beschwerdeführer mittlerweile acht Jahre in Österreich aufhältig sei und mit Ausnahme der angeführten Straftaten keine weiteren Straftaten begangen habe, ändere nichts an dem festgestellten Gesamtfehlverhalten und der daraus hervorleuchtenden Gefährlichkeit seiner Person für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit. Die Zeit seines Wohlverhaltens seit 1997 sei zu kurz, um ihm bereits jetzt eine dauerhafte Änderung seiner Einstellung zur Rechtsordnung attestierten zu können. Das möglicherweise auf Kosten der Rechte anderer bestehende Risiko seines Verbleibs im Bundesgebiet sei zu groß. Auch wenn das Fehlverhalten des Beschwerdeführers nicht unter die in § 36 Abs. 2 FrG beispielsweise aufgezählten Tatsachen iS des § 36 Abs. 1 FrG falle, könne das Aufenthaltsverbot auch auf § 36 Abs. 1 FrG allein gestützt werden, wenn triftige Gründe vorlägen, die in ihrer Gesamtheit die dort umschriebene Annahme rechtfertigten. Dies treffe auf das Gesamtfehlverhalten des Beschwerdeführers (Nichterfüllung einer Meldepflicht und Verurteilung wegen des an einem fünfzehnjährigen Mädchen verübten Vergehens der geschlechtlichen Nötigung nach <seite_3>§ 202 Abs. 1 StGB) zu. Dass das Landesgericht Innsbruck lediglich eine bedingte Freiheitsstrafe von sechs Monaten verhängt habe, ändere nichts an der grundsätzlichen Schwere dieser Straftat. Die der Gewährung einer bedingten Strafnachsicht zu Grunde liegende Annahme des Gerichtes, dass die bloße Androhung der Vollziehung der Strafe genügen werde, um den Beschwerdeführer von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten und es nicht der Vollstreckung der Strafe bedürfe, um der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken, habe gegenüber der zur Entscheidung über die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes zuständigen Behörde keine bindende Wirkung. Der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet stelle daher eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit iS des § 36 Abs. 1 Z 1 FrG dar.
Das Aufenthaltsverbot würde zwar im Sinne des § 37 Abs. 1 FrG in das Privatleben des Beschwerdeführers eingreifen. Die sich in seinem Gesamtfehlverhalten manifestierende Neigung, sich über die Rechtsordnung hinwegzusetzen, machten jedoch das Aufenthaltsverbot zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele des Schutzes der öffentlichen Ordnung, der Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen und des Schutzes der Rechte anderer (zB auf sexuelle Selbstbestimmung) dringend geboten. Nach den (von der belangten Behörde übernommenen) Feststellungen des erstinstanzlichen Bescheides halte sich der Beschwerdeführer seit dem 3. September 1990 im Bundesgebiet auf. Seine zuletzt von der Bezirkshauptmannschaft Landeck erteilte Aufenthaltsbewilligung habe eine Gültigkeitsdauer vom 23. Juli 1996 bis 31. Juli 1998. Er gehe einer unselbständigen Erwerbstätigkeit als Küchengehilfe nach, sei verheiratet und Vater von zwei minderjährigen Kindern. Der Beschwerdeführer verfüge über eine entsprechend gute Integration und eine intensive private Bindung. Das Gewicht dieser privaten Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet werde durch den Umstand erheblich verringert, dass seine Familie (die Ehegattin mit zwei minderjährigen Kindern) nicht im Bundesgebiet aufhältig sei. Das verbleibende Interesse wöge im Hinblick auf die Neigung des Beschwerdeführers zu <seite_4>Straftaten höchstens gleich schwer wie die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes, weshalb dieses auch im Grund des § 37 Abs. 2 FrG zulässig sei.
Ein Aufenthaltsverbots-Verbotsgrund gemäß § 38 FrG liege nicht vor. Die Dauer des Aufenthaltsverbotes entspreche § 39 Abs. 1 FrG und den für seine Erlassung maßgeblichen Umständen. Bis zum Wegfall des Grundes für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes, nämlich der Gefährlichkeit des Beschwerdeführers für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit, sei das Verstreichen von vier Jahren vonnöten.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
3. Die belangte Behörde nahm von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand und legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die Beschwerde stellt die im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen betreffend den Verstoß gegen des Meldegesetz und die deshalb ergangene Strafverfügung vom 5. Februar 1997 sowie die vom Beschwerdeführer verübte Straftat und seine deswegen erfolgte Verurteilung nicht in Frage. Sie bestreitet aber, dass dieses Verhalten die Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 FrG erfülle und hebt vor, es habe sich bei der Verwaltungsübertretung nach §§ 6 und 4 Abs. 1 Meldegesetz keineswegs um eine schwer wiegende Übertretung gehandelt. Eine unterlassene Abmeldung falle weniger ins Gewicht als das Unterlassen einer Neuanmeldung. Was die in Rechtskraft erwachsene Verurteilung des Beschwerdeführers durch das Landesgericht Innsbruck wegen des Vergehens der geschlechtlichen Nötigung gegenüber der fünfzehnjährigen Daniela S. betreffe, so hätte die belangte Behörde nicht allein die abstrakte Verwerflichkeit der Tat ins <seite_5>Auge fassen dürfen, sondern auch berücksichtigen müssen, dass der Beschwerdeführer bereits vor seiner strafbaren Handlung in einem Lokal mit seinem Opfer sowie deren Freundinnen Kontakt gehabt hätte. Zu keinem Zeitpunkt habe der - im Tatzeitpunkt betrunkene - Beschwerdeführer versucht, sein Vorhaben in Richtung einer Vergewaltigung fortzusetzen. Dem Beschwerdeführer erscheine es nicht gerechtfertigt, dass die belangte Behörde ohne Einsicht in den gesamten Gerichtsakt und ohne ständig mit derartigen Causen befasst zu sein, in strengerer Manier als der Schöffensenat des Landesgerichtes Innsbruck eine negative Zukunftsprognose für den Beschwerdeführer treffe. Auch wenn das abgeurteilte Vergehen keineswegs als geringfügig einzuschätzen sei, müsste für den Beschwerdeführer auf Grund seines sonstigen Wohlverhaltens während seines achtjährigen Aufenthaltes in Österreich eine positive Zukunftsprognose zu treffen sein.
2. Diese Auffassung ist verfehlt.
2.1. Der besagten strafgerichtlichen Verurteilung des Beschwerdeführers vom 9. März 1998 liegt zu Grunde, dass er die fünfzehnjährige Daniela S. am 31. Oktober 1997 dadurch, dass er sie beim Nachhauseweg am Arm erfasste und in einen Schuppen zerrte, wo er sie zu Boden drückte, ihr Mund und Nase zuhielt und sie im Brust- und Genitalbereich abtastete, mit Gewalt zur Duldung einer geschlechtlichen Handlung nötigte. Darüber hinaus liegt dem Beschwerdeführer ein Verstoß gegen das Meldegesetz zur Last. Der Verwaltungsgerichtshof kann der belangten Behörde nicht entgegen treten, wenn diese aus dem Gesamtfehlverhalten des Beschwerdeführers die Gefahr der Begehung weiterer (einschlägiger) Straftaten ableitete und zum Ergebnis kam, dass sein Aufenthalt die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit iS des § 36 Abs. 1 Z 1 FrG gefährde. Auch der Beschwerdeführer vermag dem keine überzeugenden Gründe entgegenzuhalten, ist doch die seit der Begehung des Gewaltdeliktes verstrichene Zeit viel zu kurz, um - wie der Beschwerdeführer meint - "eine positive Zukunftsprognose zu treffen".
<seite_6>Die Tatsache, dass das Gericht die verhängte Freiheitsstrafe unter Setzung einer Nachfrist bedingt nachgesehen hat, steht der von der belangten Behörde getroffenen Gefährdungsprognose nicht entgegen, weil eine Bindung an die Strafbemessungsgründe in einem Strafurteil nicht gegeben ist und die belangte Behörde ihre Beurteilung allein unter fremdenrechtlichen Gesichtspunkten zu treffen hatte (vgl. hiezu die ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, etwa das Erkenntnis vom 11. Oktober 2001, Zl. 2001/18/0155). Der Gefährdungsprognose steht auch der Umstand nicht entgegen, dass der Beschwerdeführer zuvor noch nie verurteilt worden ist.
Die belangte Behörde ist daher zutreffend zur Auffassung gelangt, dass das - den Verstoß gegen das Meldegesetz umfassende - Gesamtfehlverhalten des Beschwerdeführers die im § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme rechtfertige. Dass im vorliegenden Fall nicht auch zugleich einer der in § 36 Abs. 2 leg. cit. aufgezählten, für eine Gefährdung sprechenden Tatbestände erfüllt ist, steht der genannten Rechtsfolge nicht entgegen, weil dazu im vorliegenden Fall das gegen die Sittlichkeit bzw. gegen die geschlechtliche Selbstbestimmung eines fünfzehnjährigen Mädchens gerichtete strafbare Verhalten des Beschwerdeführers ausreicht, ist doch die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes im Grund des § 36 Abs. 1 FrG auch dann zulässig, wenn triftige Gründe - ohne Vorliegen der Voraussetzungen der im § 36 Abs. 2 FrG angeführten Fälle - die im § 36 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme rechtfertigen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Oktober 1999, Zl. 98/18/0338).
2.2. Es ist daher noch zu prüfen, ob der Schutz des Privat- und Familienlebens des Beschwerdeführers iS des § 37 FrG der Verhängung eines Aufenthaltsverbotes entgegen steht. Die oben dargestellten persönlichen Interessen des Beschwerdeführers werden dadurch erheblich relativiert, dass die Ehefrau und die beiden Kinder des Beschwerdeführers nicht im Bundesgebiet leben, sodass mit dem Aufenthaltsverbot keine Beeinträchtigung seines Familienlebens verbunden ist. Ferner wird die aus dem achtjährigen inländischen Aufenthalt und seiner beruflichen Tätigkeit resultierende Integration des Beschwerdeführers durch sein strafbares <seite_7>Verhalten in ihrer sozialen Komponente stark geschwächt. Die für einen weiteren Aufenthalt des Beschwerdeführers sprechenden Interessen wiegen daher höchstens gleich schwer wie die oben dargestellten nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes für das öffentliche Interesse iS des § 37 Abs. 2 FrG.
3. Die Beschwerde erweist sich nach dem Gesagten als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 12. März 2002
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:1998180236.X00Im RIS seit
13.06.2002